Handelsabkommen und Menschenrechte

Recht auf Nahrung
Olivier de Schutter, Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung
7.9.2011
Politischer Artikel
Wie können die Auswirkungen von Handelsabkommen auf die Menschenrechte im Voraus abgeschätzt werden? Dazu fand am 31. August 2011 in Bern eine Diskussion mit Olivier De Schutter statt, dem Uno-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung.

Die von der Politischen Abteilung IV des EDA zusammen mit Alliance Sud und der Erklärung von Bern organisierte Veranstaltung war mit siebzig TeilnehmerInnen ein voller Erfolg. Sie zeigte das grosse Interesse am Thema Handel und Menschenrechte. Der Uno-Sonderberichterstatter zum Recht auf Ernährung Nahrung stellte dort seine Leitprinzipien vor, wie die Folgen von Handels- und Investitionsabkommen auf die Menschenrechte abgeschätzt werden können.

Der belgische Jurist unterstützte damit die Forderung von Alliance Sud und der Erklärung von Bern. Diese verlangen vom Bundesrat seit langem, vor dem Abschluss von bilateralen Verträgen sogenannte Human Right Impact Assessments durchzuführen. Auch der Uno-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hatte die Schweiz kürzlich aufgefordert, solche Assessments vorzunehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat dies bisher jedoch u. a. wegen «methodologischer Schwierigkeiten» abgelehnt.

Die von De Schutter erarbeiteten Leitlinien diskutieren sieben zentrale Prinzipien. Sie wollen den Staaten helfen, die Menschenrechte bei Verhandlungen von Anfang an einzubeziehen. Der Entwurf wurde bereits im Europäischen Parlament diskutiert, im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indien. Sie werden auch Kanada und Kolumbien nützen, haben die beiden Staaten doch vereinbart, ein Jahr nach der Inkraftsetzung ihres Handelsvertrags eine solche Folgeabschätzung vorzunehmen. Nach einer Uno-internen Vernehmlassung wurden die Leitprinzipien überarbeitet und zur Konsultation veröffentlicht. Der Uno-Menschenrechtsrat wird sie voraussichtlich im März 2012 diskutieren.

Olivier De Schutter stellte sich nicht grundsätzlich gegen Freihandelsabkommen. Aber er möchte , dass möglichst viele davon profitieren. Er zeigte auf, dass es im Interesse der Industrieländer liegt, wenn solche Abkommen nicht nur der Elite eines Partnerlandes nützen: Eine gerechtere Verteilung der Wachstumsgewinnen sei das beste Mittel gegen Wirtschaftskrise und Armut. Für ihn stellen die Menschenrechte einen geeigneten juristischen Rahmen dar, um Benachteiligungen, die sich aus jeder Liberalisierung ergeben, zu vermeiden und zu verhindern, dass die Schwächsten zu den Verlierern von Marktöffnungen zählen.

De Schutter zeigte auch auf, dass die Länder des Südens alles Interesse haben, die Folgen des Freihandels auf die schwächsten Bevölkerungssegmente zu prüfen und so ihre Verhandlungsposition zu stärken. Heute stelle er bei diesen Ländern weniger Zurückhaltung fest, Handels- und Menschenrechtsfragen enger zu verbinden.

Schliesslich ermahnte er die Politik, kompensatorische Massnahmen für jene vorzusehen, die wegen der ausländischen Konkurrenz aus dem Markt gedrängt zu werden drohen. Zudem müssten die Regierungen und Parlamente der Industrieländer daran denken, dass sie auch «extraterritoriale Verpflichtungen» haben, Verletzungen der Menschenrechte (und hier insbesondere die Wirtschafts- und Sozialrechte) in Entwicklungsländern zu vermeiden. Bei Handelsabkommen betreffe dies vor allem das Recht auf Nahrung, Gesundheit, Wohnung und Arbeit sowie die Rechte der indigenen Völker.

Entwurf: Guiding Principles on Human Rights Impact Assessments of Trade and Investment Agreements (pdf, 111kB)

Deutsche Zusammenfassung der sieben Leitprinzipien