Das Vorzeige-Ranking der Weltbank im Zwielicht

5.10.2020
Artikel global
Daten der Doing Business-Rangliste der Weltbank sollen manipuliert worden sein, u.a. zu Gunsten Chinas. Die Liste, die wegen ihres einseitig auf Wirtschaftsliberalisierung ausgerichteten Ansatzes kritisiert wird, verliert weiter an Glaubwürdigkeit.

China, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Aserbaidschan könnten ihre Daten für den jährlich publizierten Bericht Doing Business der Jahre 2018 und 2020 manipuliert haben, um so ihrer Attraktivität als Investitionsländer nachzuhelfen. Die Weltbank hat in einem dürren Communiqué mitgeteilt, es sei nicht klar, wie und was genau manipuliert wurde, aber drei dieser vier Länder haben ihr Ranking auf kaum nachvollziehbare Weise verbessert. China zum Beispiel rückte von Platz 90 auf Platz 31 (!), Aserbaidschan von Platz 80 auf Platz 34 vor. Der Vorwurf steht im Raum, sie hätten der Weltbank gefälschte Daten zur Verfügung gestellt, was diese jetzt abklären will.  

Doing Business bewertet anhand von zehn Kriterien das Investitionsklima eines Landes: Erfasst wird etwa, wie lange es dauert, bis ein Unternehmen gegründet ist, wie einfach der Zugang zu Krediten ist, wie tief die Unternehmenssteuersätze liegen. Je weniger ein Staat reguliert, desto bessere Noten erteilt ihm die Weltbank für das Ranking. In der Hoffnung, ihre Position zu verbessern und ausländische Investitionen anzuziehen, wetteifern Entwicklungsländer darin, wer Arbeitnehmenden speziell wenig Schutz gewährt oder multinationale Unternehmen schwach besteuert. Der Kriterienkatalog der Weltbank wird seit langem kritisiert, weil zum Beispiel das Ausmass von Korruption und Bestechung in einem Land nicht erfasst wird und die Kriterien, was ein wirtschaftsfreundliches Klima ausmacht, arbiträr statt neutral ausgestaltet sind. Von Paul Romer, dem früheren Chefökonomen der Weltbank, wissen wir, dass Chile einst wegen der Wahl der Sozialistin Michelle Bachelet zur Präsidentin im Ranking degradiert wurde.

Wie reagiert die Schweiz, die laut dem World Investment Report (2018) der UNCTAD weltweit in absoluten Zahlen am neuntmeisten Investitionen anzieht, in der Doing Business-Rangliste aber auf dem wenig schmeichelhaften Platz 36 hinter Russland, der Türkei oder China figuriert? «Die jüngst durch die Weltbank bekannt gemachten Unregelmässigkeiten bei den Daten in den Doing Business Reports sind ernst zu nehmen», antwortet Lorenz Jakob vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Die Integrität der Daten und die Unparteilichkeit der Analyse seien für die Glaubwürdigkeit des Berichts von grösster Bedeutung. Die Schweiz ruft die Weltbank zu einer gründlichen Untersuchung der Situation auf und begrüsst die vorübergehende Aussetzung der Veröffentlichung des neuen Berichts für 2021, der im Oktober 2020 fällig gewesen wäre. Der Koordinator für Aussenbeziehungen des Seco weiter: «Der Doing Business Report ist entwicklungspolitisch wichtig, weil er Entwicklungs- und Schwellenländern erlaubt, wichtige Reformbereiche zu identifizieren und spezifische Fortschritte zu überprüfen. Ein Ranking kann als Anreiz dienen, kritische Aspekte anzugehen und Reformen zur Regulierung einzuleiten. (...) Schon in der Vergangenheit haben jedoch methodologische Schwachstellen des Berichts kritische Fragen aufgeworfen.»

Für Alliance Sud ist klar: Diese Enthüllungen werden das Misstrauen gegenüber China – und seinem Einfluss in multilateralen Organisationen – weiter schüren. Im Zuge dieses Skandals ist die simple Streichung dieser seit jeher zweifelhaften Rangliste zu prüfen. Denn ganz abgesehen von der arglistigen Täuschung durch autoritäre Staaten stehen die Indikatoren dieses Schönheitswettbewerbs im Widerspruch zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung, zu deren Erreichung bis 2030 sich die Weltgemeinschaft verpflichtet hat. Ein Verzicht auf diese Liste mit ihrer sehr diskutablen Wirkung wäre ein Schritt in die richtige Richtung.