Medienmitteilung

Schweizer Banken sollen Schulden erlassen

03.06.2020, Finanzen und Steuern

Die Coronakrise stürzt viele Entwicklungsländer in ausserordentliche Notlagen. Schweizer Banken stehen als wichtige Gläubigerinnen dieser Länder in der Verantwortung. Entwick­lungsorganisationen fordern den Bund auf, einen runden Tisch einzuberufen, um die Modalitäten eines Schuldenerlasses zu verhandeln.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Schweizer Banken sollen Schulden erlassen

© Pixabay

Aufgrund der vielfältigen negativen Entwicklungen in der Weltwirtschaft droht armen Ländern die schlimmste Schuldenkrise seit den 1980er Jahren: Sie bahnte sich schon vor Corona an und wird jetzt noch verschärft. Im März forderte UNCTAD, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Uno ein internationales Hilfspaket zur Bekämpfung der Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise in den Entwicklungsländern in der Höhe von 2,5 Billionen Dollar.

Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die von multilateralen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, aber auch von einzelnen Ländern wie der Schweiz im Rah­men der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit bereits gesprochen wurden, rei­chen nicht aus, um der Krise in Entwicklungsländern adäquat zu begegnen.

Gläubiger- und Geberländer müssen sich deshalb jetzt auch finanz- und steuerpolitisch bewegen. Sie haben in den letzten Monaten historisch einmalige Hilfspakete zur Rettung der eigenen Volkswirt­schaften geschnürt. Arme Länder konnten erstens davon kaum profitieren und verfügen zweitens auch nicht über die wirtschaftspolitischen Hebel, um selber vergleichbare Coronahilfen zu mobili­sieren. Über Schuldenerlasse können für die betroffenen Länder jedoch schnell zusätzliche Mittel für die Krisenbekämpfung mobilisiert werden.

Die Schweiz vergibt schon lange keine bilateralen Kredite mehr an staatliche Gläubiger und verfügt zudem im IWF und in der Weltbank nur über einen sehr beschränkten Einfluss, wenn es um die Aus­gestaltung von deren Kreditregimen geht. Schweizer Banken hingegen spielen als private Gläubiger von Staaten eine wichtige Rolle: Gemäss bisher unveröffentlichten Zahlen der Schweizer National­bank (SNB) belaufen sich die öffentlichen Schulden, die die 86 ärmsten Länder bei vierzig Schweizer Banken derzeit haben, auf insgesamt 5.7 Milliarden Franken.

Elf Schweizer Entwicklungsorganisationen fordern den Bundesrat deshalb dazu auf, einen run­den Tisch einzuberufen, an dem die Modalitäten von dringenden Schuldenerlassen für Entwicklungs­länder durch die Schweizer Banken verhandelt werden. An diesem runden Tisch müssen neben den Interessen des Bundes, der kreditgebenden Banken und der Schuldnerregierungen auch jene der Zivilgesellschaft vertreten sein. Die Anliegen der von der Coronakrise am stärksten betroffenen Be­völkerungsschichten in den Schuldnerländern müssen in den Verhandlungen direkt und substanziell Gehör finden.

Im Weiteren fordern die unterzeichnenden Organisationen, dass die involvierten Banken gegenüber der Öffentlichkeit Transparenz über ihre Kredite, deren Konditionen und die Modalitäten ihrer Rück­zahlung herstellen. Es geht um öffentliche Schulden, die von der Allgemeinheit in den betreffenden Ländern mitgetragen werden müssen; damit besteht an diesen Daten ein hohes öffentliches Inte­resse. Im Sinne der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung, die auch in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO verankert ist, hat auch die Schweizer Öffentlichkeit ein Interesse an diesen Daten, sind doch in einigen dieser Länder sowohl die Direktion für Entwicklung und Zusam­menarbeit (Deza) als auch das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Projekten im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit engagiert.

Für weitere Informationen:

Dominik Gross, Experte für Finanzfragen, Alliance Sud
Tel. +41 78 838 40 79

Faktenblatt

Klimawandel und Schuldenkrise – ein Teufelskreis

08.09.2023, Klimagerechtigkeit

Die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung und die dramatische Staatsverschuldung in vielen Ländern des Globalen Südens sind zwei Krisen, die sich laufend verschärfen. Mindestens 54 Staaten im Globalen Süden leiden unter gravierenden Schuldenproblemen, davon gehören 28 gleichzeitig zu den 50 am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Ländern. Dabei gibt es mehrere Zusammenhänge der beiden Krisen, welche die Krisenbewältigung für die betroffenen Länder massiv erschweren.

 Klimawandel und Schuldenkrise – ein Teufelskreis

Adam Sébire / Climate Visuals

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Gratwanderung auf dem Schuldenberg

25.05.2015, Finanzen und Steuern

Schuldenkrisen bedeuten Chaos. Viele ärmere Entwicklungsländer leiden unter einem enormen Schuldenberg. Die Uno diskutiert endlich über ein geregeltes Verfahren zur Schuldenrestrukturierung. Die Schweiz bremst.

Gratwanderung auf dem Schuldenberg

© Henning Hraban Ramm/pixelio.de

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

In jüngster Zeit bewegt vor allem die Staatsverschuldung der europäischen Länder die Gemüter. Diskutiert wird in erster Linie der Umgang mit der Schuldenkrise Griechenlands. Vom Schuldenberg der Entwicklungsländer ist hingegen kaum die Rede. Fast könnte der Eindruck entstehen, die Verschuldungsproblematik der ärmeren Länder sei inzwischen gelöst.
Auch der Bundesrat betont in seinem Bericht «Ein internationaler Rahmen für die Restrukturierung von Staatsschulden» vom September 2013,  die Entschuldungsinitiative für HPIC-Länder (Heavily Indebted Poor Countries) und die MDRI (Multilateral Debt Relief Initiative) der Entwicklungsbanken hätten hier in den letzten Jahren deutliche Abhilfe geschaffen.  Er hält allerdings ebenfalls fest, dass sich die Schuldensituation in einigen betroffenen Ländern bereits wieder zuspitzt.

Ernster als gedacht

Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigen, dass die Lage tatsächlich ernst ist. Nach den jüngsten Einschätzungen des IWF vom Dezember 2014 haben bereits drei Entwicklungsländer mit tiefem Einkommen (low income countries, LIC) faktisch die Zahlungsunfähigkeit erreicht, während vierzehn weitere LIC eine kritische Auslandverschuldung mit hohem Risiko für eine Zahlungsunfähigkeit aufweisen. Davon sind sechs Länder, also fast die Hälfte, eigentlich bereits im Rahmen der HPIC-Initiative (teil)entschuldet worden.
Hinzu kommen 29 ärmere Länder, die nach IWF-Kriterien ein zumindest «moderates» Risiko einer Staatspleite aufweisen. Davon sind sechzehn – also mehr als die Hälfte – Begünstigte der Entschuldungsinitiativen HIPC und MDRI gewesen. Das heisst: Die partielle Schuldenstreichung im Rahmen dieser Initiativen hat in vielen Fällen nur vorübergehende Linderung gebracht. In zahlreichen ärmeren Ländern hat der grosse Bedarf an Fremdfinanzierung für Infrastrukturprojekte und den Ausbau der Bildungs- und Gesundheitssysteme die Kreditlast bereits wieder massiv ansteigen lassen.

Wer ist schuld an den Schulden?

Die Gründe für die zunehmende Verschuldung der Entwicklungsländer unterscheiden sich selbstverständlich von Fall zu Fall. In einzelnen Ländern nimmt die Schuldenlast zu, weil unverantwortliche und korrupte Regierungen Kredite aufnehmen, um entwicklungspolitisch sinnlose Prestigeprojekte und Waffenimporte zu finanzieren oder die eigenen Taschen zu füllen. In diesen Fällen tragen allerdings die Kreditgeber, die solche Regime unterstützen, eine Mitschuld. Sie wissen in der Regel, was für Taugenichtsen sie ihr Geld – zu einem vermutlich sehr attraktiven Zinssatz – zur Verfügung stellen. Weil zahlungsunfähige Staaten aber keinen Konkurs anmelden können, dürfen unverantwortliche Kreditgeber sogar bei einer faktischen Staatspleite damit rechnen, dass sie einen Teil ihrer Forderungen irgendwann zurückerhalten.
In den meisten Fällen wächst der Schuldenberg der Entwicklungsländer aber nicht, weil sich die betreffenden Regierungen von den Kreditgebern sinnlose Ausgaben finanzieren lassen. Vernünftigerweise werden Kredite in der Regel für Staatsvorhaben eingesetzt, die entweder selbst Profit abwerfen oder allgemein das Wirtschaftswachstum fördern. Trotzdem besteht auch hier die Gefahr, dass eine grosse Investition schlicht fehlschlägt oder Naturkatastrophen im Gefolge des Klimawandels, Währungsverluste und extern verursachte Finanz- und Wirtschaftskrisen den Schuldendienst plötzlich verunmöglichen. Dann müssen die betroffenen Länder neue Kredite aufnehmen, um alte Schulden zu bedienen – bis die Schuldenspirale immer rascher dreht und sich keine neuen Kreditgeber mehr finden.

Was geschieht bei einer Schuldenkrise?

Ist ein Staat massiv überschuldet oder faktisch schon zahlungsunfähig, kann er nicht wie ein Unternehmen einfach Konkurs anmelden und ein geregeltes Insolvenzverfahren anstrengen. Stattdessen beginnt dann ein langwieriges und mühseliges Gerangel um die Frage, welche Gläubiger bereit sind, auf welchen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Schuldnerländer und Gläubiger versuchen deshalb oft, eine längst notwendige Restrukturierung von Schulden möglichst hinauszuzögern. Sie hoffen – meist vergeblich – darauf, mit immer weiteren Überbrückungsfinanzierungen die Situation nochmals retten zu können. Die Folge ist, dass nicht nachhaltige Situationen über Jahre verschleppt und öffentliche Mittel in den Sand gesetzt werden.
Umso wichtiger wäre es, endlich einen geeigneten internationalen Rechtsrahmen für einen fairen und transparenten Insolvenzmechanismus für Staaten zu schaffen. Zahlreiche Entwicklungsorganisationen weltweit – darunter auch Alliance Sud – schlagen dies schon seit Jahren vor. Inzwischen hat auch der Bundesrat den möglichen Nutzen dieses Vorschlages erkannt. In seiner Antwort auf ein Postulat, mit dem Ständerat Gutzwiller (FDP/ZH) und 27 Mitunterzeichnende vom Bundesrat einen Vorschlag für ein faires und unabhängiges internationales Insolvenzverfahren für Staaten verlangten, hielt er Ende 2011 fest, ein solches Verfahren «könnte in Zukunft zur Lösung derartiger Probleme beitragen.» Im entsprechenden Bericht vom September 2013 betont er dann allerdings, dass es dafür international «keine nennenswerte Unterstützung» gebe.

Schweizer Blockadehaltung in der Uno

Inzwischen gibt es auf dem internationalen Parkett aber durchaus Unterstützung für ein staatliches Insolvenzverfahren. Die Entwicklungsländer haben nämlich im September 2014 durchgesetzt, dass im Rahmen der Uno Verhandlungen hin zu einem multilateralen Rechtsrahmen für die Restrukturierung von Staatsschulden geführt werden. Sie drängen ausserdem darauf, dass auch das Schlussdokument der kommenden Uno-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens festhält. Die Schweiz gibt sich hier aber vorderhand unkooperativ. Sie hat sich in der ursprünglichen Abstimmung in der Uno der Stimme enthalten und eine Resolution zu den spezifischen Verhandlungsmodalitäten sogar abgelehnt.
Die offizielle Begründung für die Schweizer Blockadehaltung lautet, dass es bei der Abstimmung zu den Verhandlungsmodalitäten verfahrenstechnische Ungereimtheiten gab. Der eigentliche Grund dürfte jedoch sein, dass man über wichtige wirtschaftspolitische Fragen allgemein lieber im Internationalen Währungsfonds (IWF) verhandelt. Dort haben die Industrieländer deutlich mehr zu sagen als die Entwicklungsländer. Nur greifen die bisherigen Vorschläge des IWF zum Umgang mit Schuldenkrisen deutlich zu kurz.

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Jeder faule Kredit ist einer zu viel

22.06.2020, Finanzen und Steuern

Viele arme Länder sind bei Schweizer Grossbanken verschuldet. Statt für den Schuldendienst bräuchten sie ihre Mittel jetzt für die gesundheits- und sozialpolitische Bewältigung der Pandemie. Die Banken sollten nun grosszügig Kredite abschreiben.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Jeder faule Kredit ist einer zu viel

Die undurchsichtige Kreditvergabe der Credit Suisse in Mosambik hat international ein gerichtliches Nachspiel.
© Arnd Wiegmann/Reuters

Im John F. Kennedy Memorial Medical Center in Monrovia, dem grössten öffentlichen Krankenhaus Liberias streikten im April fünfzig Ärzte. Sie protestierten gegen die ungenügenden Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus in ihrem Krankenhaus. Später wurde auch die nationale Gesundheitsbehörde in der liberianischen Hauptstadt geschlossen, weil auch dort eine Häufung von Infektionen verzeichnet wurde. Obwohl in diesem westafrikanischen Land bis heute offiziell nur knapp über 200 Covid19-Fälle registriert wurden, stand die Gesundheitsversorgung in der Millionenstadt zu einem wesentlichen Teil Mitte April vorübergehend still. Denn das Gesundheitssystem in Liberia ist äusserst fragil: Auf 100 000 EinwohnerInnen kommen nur vier ÄrztInnen. In der Schweiz sind es hundert Mal mehr. Liberia gehört gemäss Weltbank-Kategorien zu den Low-income Countries, den ärmsten Ländern der Welt. In den 69 ärmsten Ländern zusammen betrugen die gesamten Kosten für das Gesundheitswesen gemäss Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im letzten Jahr 20 Milliarden Franken. In der Schweiz allein liegen diese bei 80 Milliarden.

Die Pandemie brachte weltweit nicht nur die Public Health-Strukturen an den Anschlag (oder darüber hinaus), sie hat auch gravierende wirtschaftliche Auswirkungen (siehe S. 14). So kam unter anderem der Rohstoffhandel praktisch zum Erliegen. Die Preisstürze im globalen Rohstoffgeschäft haben wiederum die Schuldenspirale in den Abbauländern weiter angetrieben. Der aus geopolitischen Gründen schon vor Corona stark gefallene Ölpreis hatte etwa der nigerianischen Wirtschaft einen heftigen Schock versetzt. In Kombination mit einem in diesem Ausmass nie dagewesenen Abzug von Investitionen aus den Entwicklungs- und Schwellenländern brachte diese Entwicklung im Frühling über 100 Länder an den Rand des Staatsbankrotts. Sie sahen sich veranlasst, den Internationalen Währungsfonds (IWF) um finanzielle Hilfe zu ersuchen. Den Ländern in Subsahara-Afrika droht die erste Rezession seit 25 Jahren.

Je ärmer, desto schlimmer die Schulden

In der Schuldenfalle sitzen jetzt jene armen Länder, die schon seit Jahrzehnten unter Kapitalflucht, Korruption und Überschuldung leiden und an den Finanzmärkten – anders als einige Schwellenländer – nicht als empfehlenswerte Staaten für Investitionen gelten. Auf Grund ihrer oft sehr schwachen eigenen Währungen, machtloser Zentralbanken, einer schlechten Mobilisierung von Steuersubstrat und einer hohen Verschuldung in Fremdwährungen können diese Länder kaum eine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben und damit auf globale Krisen auch keine selbstständigen Antworten finden. Nehmen sie neue Kredite an den Finanzmärkten auf – etwa durch die Herausgabe neuer Staatsanleihen –, sind die Zinsen dafür um ein vielfaches höher als beispielsweise für den Schweizer Bund. Dieser kann sich zurzeit auf Grund der Negativzinsen der Schweizer Nationalbank zum Nulltarif mit frischem Kapital versorgen. Das hat die Schweiz ihrer starken Exportwirtschaft, dem Finanzplatz und ihren Konzerntiefsteuergebieten zu verdanken. Die Banken, die Konzerne und die Exportindustrie sorgen für einen stetigen Zufluss von Kapital,  was den Kapitalabfluss durch Importe überwiegt und der Schweiz eine hohe Kreditwürdigkeit garantiert.

Wie kann man diesen armen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika aus dieser multiplen Krise hinaushelfen? Steuerflucht, Korruption und Geldwäscherei sind bekanntlich sehr dicke politische Bretter, die wohl in dieser Krise nicht schneller zu durchbohren sind als üblich. Wenn die Staaten sich sogar im direkten medizinischen Kampf gegen das Coronavirus nur unter grossen Mühen zu internationaler Zusammenarbeit durchringen können, wird das in der hochumstrittenen Frage, wie ein gerechteres globales Steuersystem aussehen könnte, wohl erst recht nicht gelingen. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass das Installieren eines solchen an sich eine sehr einleuchtende politische Antwort auf die globale Gesundheitskrise wäre. Denn sie führt wie selten ein Ereignis zuvor der ganzen Welt vor Augen, welche zentrale Rolle der Staat bei der Gewährleistung der Gesundheit seiner BürgerInnen spielt.

Einfacher ist es in der Schuldenfrage. Wenn sich Schuldner und Gläubiger einigen können, sind Schulden innert Kürze getilgt. Milliarden Dollar würden dann frei für öffentliche Investitionen in die Gesundheit und die soziale Wohlfahrt. Ein Erlass aller Schulden in den 69 ärmsten Ländern der Welt alleine für 2020 würde diesen 25 Milliarden Dollar mehr in die Staatskassen spülen. Die finanziellen Mittel, die sie für den Kampf gegen die Coronakrise verwenden könnten, würden sich dadurch schlagartig mehr als verdoppeln. Hier könnte die Schweiz als einer der grössten Finanzplätze der Welt einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise leisten. Nächstes Jahr allerdings stünden diese Länder wieder vor denselben Problemen. Mittelfristig braucht es deshalb auch einen Umbau der Schuldenregime auf multilateraler Ebene.

Die Schweizer Grossbanken stehen in der Pflicht

Grundsätzlich gibt es auf der Welt drei Arten von Gläubigern: Private (zum Beispiel Banken, Pensionskassen, Vermögensverwalter, Unternehmen ausserhalb der Finanzindustrie oder Privatpersonen), multilaterale – vor allem die sog. Bretton Woods-Institutionen, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) – und bilaterale, also Staaten, die anderen Staaten Geld leihen. Die Schweiz engagiert sich schon länger nicht mehr als bilaterale Gläubigerin. Auch beim IWF und der Weltbank ist politisch nicht viel zu holen: Die politischen Bedingungen, die diese multilateralen Institutionen mit ihren Kreditvergaben verknüpfen, bräuchten zwar dringend eine Reform. Sie sollten angesichts der globalen Klima-, Gesundheits- und Ungleichheitskrise nicht mehr ausschliesslich ein klassisches Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf dessen soziale und ökologische Folgen fördern, sondern eine umfassende Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030. Doch die Schweiz hat in den Bretton Woods-Institutionen auf Grund ihrer beschränkten Stimmrechte erstens nicht viel Einfluss und zweitens verfolgt sie dort seit Jahrzehnten – wenig verwunderlich – einen wenig progressiven Kurs.
Bleiben also die privaten Gläubiger: Zurzeit sind vierzig Schweizer Banken gemäss Angaben der Schweizer Nationalbank (SNB) und der Bank für internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) mit insgesamt 5,7 Milliarden Franken in den 86 ärmsten Ländern engagiert. Angesichts der Tatsache, dass die gesamten Gesundheitsausgaben gemäss Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der 69 ärmsten Länder gerade einmal 19,7 Milliarden betragen, sind diese 5,7 Milliarden eine sehr signifikante Summe und entsprechen der Hälfte des Budgets für die internationale Zusammenarbeit (IZA) des Bundes in den nächsten vier Jahren. In den letzten Jahren riesige Korruptionsskandale in Mosambik und in Papua-Neuguinea, wie gross und wie verheerend die Rolle der Schweizer Grossbanken als gewichtige Gläubiger in den Schuldenwirtschaften armer Länder sein kann: In Mosambik vergab die Credit Suisse dem Staat vor sieben Jahren gesamthaft Kredite über 2 Milliarden Dollar – damals ein Achtel des Bruttoinlandproduktes des südostafrikanischen Landes. Was in den staatlichen Ausbau der Fischereiindustrie hätte investiert werden sollen, versickerte in den Taschen der Strippenzieher des Deals und trieb das Land in den Staatsbankrott. Mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung: «Als Folge der wirtschaftlichen Misere gab es in den letzten Jahren keine deutlichen Verbesserungen mehr bei der Bekämpfung von HIV oder Malaria. Die Kinder- und Mütter­sterblichkeit blieb auf hohem Niveau», schrieb das Online-Magazin Republik im letzten Jahr über den Fall. Zudem wurden die ärmsten Regionen Mosambiks im Frühling 2019 von einem Zyklon heimgesucht; die betroffene Bevölkerung blieb bei der Bewältigung der Folgen praktisch auf sich alleine gestellt. Hunger und Malaria grassieren. Kaum vorzustellen, was passierte, wenn dort auch noch die Covid19-Pandemie zu wüten begänne.

In Papua-Neuguinea wiederum lieh sich die Regierung 2014 945 Millionen Franken von der UBS, um damit Aktien des wichtigsten Erdölförderers des Landes zu kaufen, der Oil Search Ltd. Der Finanzminister wehrte sich gegen das Geschäft, der Premierminister boxte es mit mutmasslich rechtswidrigen Methoden – der Prozess ist hängig – trotzdem durch. Zum Leidwesen der Bevölkerung: «Während die UBS am Kreditgeschäft mehr als 80 Millionen Franken verdiente, wurde es für Papua-Neuguinea zu einem gewaltigen Verlustgeschäft. Denn wenige Monate nach Kreditabschluss fielen die Öl- und Gaspreise und die Regierung musste alle Aktien von Oil Search mit Verlust verkaufen. Durch das Kreditgeschäft und seine Folgen hat der finanzschwache Inselstaat ungefähr 400 Millionen Dollar verloren», berichtete die Südostasienkorrespondentin von Radio SRF Karin Wenger vor einem Jahr in der Sendung Echo der Zeit. Für einen Staat mit Gesamtausgaben von 14 Milliarden Dollar alles andere als ein Pappenstiel.

In solchen Fällen kann ein Schuldenschnitt bzw. die Abschreibung der entsprechenden Kredite bei den Schweizer Grossbanken für die Bevölkerungen der betroffenen Länder ein Segen sein. Er würde aber umgekehrt auch die Banken von unangenehmen Kreditrisiken befreien: Sollte die Rettungsaktion durch die grossen Zentralbanken des Westens vom März 2020 das Finanzsystem in dieser Krise doch nicht genügend stabilisiert haben, werden auch die grossen Banken wieder ins Trudeln kommen. Und spätestens dann ist wieder – wie damals in der Finanzkrise 2008 – jeder nicht abgeschriebene faule Kredit einer zu viel.

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Die Welt braucht einen Schuldenschnitt

29.09.2020, Finanzen und Steuern

Die Covid-19-Pandemie hat viele Länder in eine tiefe Krise gestürzt, der Ruf nach Schuldenschnitten wird weltweit immer lauter. In der Schweiz sind vor allem private Gläubiger gefordert, doch der Bundesrat zögert noch, sie in die Pflicht zu nehmen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Die Welt braucht einen Schuldenschnitt

© Jorma Bork / pixelio.de

In den letzten zehn Jahren haben sich die öffentlichen Schulden jener armen Länder verdoppelt, die gemäss Weltbank in die Kategorie Entwicklungsländer fallen. Mittlerweile droht über 50 Ländern der Staatsbankrott. Das zeigt ein neues Datenportal zur Staatsverschuldung, das die britische NGO Jubilee Debt Campaign (JDC) kürzlich lancierte. Die Gründe für die neue Schuldenkrise im globalen Süden sind vielfältig. Fallende Rohstoffpreise – vor allem beim Erdöl – und jüngst die Coronakrise gehören dazu.

Dabei wird armen Ländern ihre generell schwache Stellung im globalen Finanzsystem zum Verhängnis. Während Japans Schuldenquote 198,3% des Bruttoinlandprodukts (BIP) beträgt (2018), womit man in Tokio den höchsten Schuldenstand weltweit ausweist, beläuft sich jene Ghanas nur auf 59,3%. Trotzdem befindet sich Ghana in einer Schuldenkrise, Japan nicht. Ein Grund dafür ist, dass Japan über einen starken eigenen Finanzsektor verfügt. Der Staat kann neue Schulden also im Inland und in seiner eigenen Währung – dem im internationalen Vergleich starken Yen – aufnehmen. Länder mit einer schwachen eigenen Finanzwirtschaft sind umgekehrt von ausländischen Gläubigern abhängig und müssen sich in Fremdwährungen verschulden – sehr oft in US-Dollar. Sinkt etwa der Wert des US-Dollars im Vergleich mit der ghanaischen Währung Cedi, steigt auch Ghanas Schuldenquote, ohne dass der ghanaische Staat neue Kredite aufgenommen hätte. In diesem Jahr werden nach Berechnungen von JDC so sage und schreibe 50% der ghanaischen Staatseinnahmen in den Schuldendienst gegenüber ausländischen Gläubigern fliessen, vor zehn Jahren waren es noch 5% gewesen. In Japan sind es trotz eines Vielfachen an Staatschulden nur 1,4%.

Schuldenschnitte werden immer dringender

Das Beispiel Ghana zeigt: Ausgerechnet jene Länder, die auch schon durch Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne und durch Steuerflucht reicher Privatpersonen massiv Steuereinnahmen verlieren, leiden auch unter exorbitanten Schuldenlasten. Dies geht auf Kosten der breiten Bevölkerung in diesen Ländern: Die Finanzierung öffentlicher Gesundheitsversorgungen, von Bildungsangeboten und der sozialen Sicherungssysteme wird ausgerechnet in der Coronakrise noch prekärer.

Heute findet im Rahmen der UN-Jahresversammlung ein virtuelles Treffen sämtlicher Finanzminister statt. Alliance Sud hat aus diesem Anlass einen offenen Brief mit 350 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen unterschrieben, der von den Regierungen dringend ein breites Reformpaket für eine nachhaltigere globale Finanz- und Steuerpolitik fordert. Neben Massnahmen gegen Steuerflucht und einer Reorganisation der globalen Steuerpolitik fordert der Brief auch umfassende Schuldenschnitte und die Etablierung eines multilateralen Verfahrens zur Umstrukturierung von Staatschulden im Rahmen der UNO. Entwicklungsländer brauchen zudem Liquiditätsspritzen in Form von Sonderziehungsrechten beim Internationalen Währungsfonds.

Eine substantielle Beteiligung privater Gläubiger ist unumgänglich

Bereits im Juni haben Alliance Sud und zehn weitere Schweizer NGO den Bundesrat zur Einberufung eines runden Tisches aufgefordert, an dem über die Abschreibung von Krediten in der Höhe von 5,7 Milliarden Franken verhandelt werden soll, die Schweizer Banken an die 86 ärmsten Länder der Welt vergeben haben. Im August zeigte sich der Bundesrat in einer Antwort auf eine entsprechende Interpellation von SP-Nationalrat Fabian Molina zurückhaltend gegenüber dieser Idee. Er hielt fest, dass er die Debt Service Suspension Initiative (DSSI) des Internationalen Weährungsfonds (IWF) und der Weltbank unterstützt und sich «fürs Gelingen der DSSI» einsetzt und für eine möglichst breite und einheitliche Gläubigerbeteiligung plädiert – wozu selbstverständlich auch private Gläubiger gehören würden. Im Rahmen der DSSI geht es aber nicht um Schuldenerlasse, sondern nur um Schuldenstundungen. Zudem liegen bis heute keine verbindlichen Zusagen wesentlicher privater Gläubiger vor, sich an der DSSI substantiell zu beteiligen. Eine solche wäre aber – vor allem auch im Rahmen von Schuldenerlassen – entscheidend für ein Gelingen einer nachhaltigen Entschuldung von Entwicklungsländern, die auf Grund der Coronakrise in Zahlungsnot geraten sind bzw. auch wegen ihrer hohen Verschuldung nicht in der Lage sind, diese Krise gesundheits- und sozialpolitisch so zu bewältigen, dass sich die Verheerungen für die unterprivilegierten Bevölkerungsschichten in Grenzen hält. So hat die Jubilee Debt Campaign im Juli gezeigt, dass von den Geldern, die der IWF den 69 ärmsten Ländern zur Krisenbewältigung gewährte und um Staatsbankrotte zu vermeiden, neun Milliarden Dollar direkt im Rahmen des Schuldendienstes an private Gläubiger floss.


 
Hintergrundinformationen, Fragen und Antworten zum Thema (PDF zum Download)
Globale Schuldenkrise: Es braucht einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer durch private Schweizer Gläubiger
 

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Schuldenkrise: mit Aufschub gegen die Wand

17.03.2022, Finanzen und Steuern

Die Corona-Pandemie führt in eine globale Schuldenkrise. Besonders betroffen davon sind ärmere Länder des Südens. Trotz einiger multilateraler Bemühungen um Schuldenerleichterungen in den letzten zwei Jahren verschärft sich ihre Lage dauernd.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Schuldenkrise: mit Aufschub gegen die Wand

© Philip Bürli

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren rückte die Verschuldungsfrage wieder ins Zentrum entwicklungspolitischer Debatten. Dass sie eine der zentralen politischen Auseinandersetzungen in der Bekämpfung der globalen Ungleichheit darstellt, ist allerdings nichts Neues. Auch dass eine fundamentale Veränderung im politischen Umgang mit Staatsschulden nötig ist, um die Volkswirtschaften der Welt auf die Entwicklung ökologischerer, sozialerer und demokratischerer Gesellschaften auszurichten, ist kein Geheimnis. Wieso oft, ist eine Erkenntnis aber auch bei diesem Thema keine hinreichende Bedingung für praktische Veränderungen: Gemäss dem jährlichen Schuldenreport der deutschen NGOs Misereor und erlassjahr.de weisen heute 135 der 148 der im Bericht untersuchten Länder eine problematische Verschuldung auf. Akut von einem Staatsbankrott gefährdet sind davon 39; zu diesen gehören Länder aller Einkommensgruppen und ihre Zahl hat sich seit Ausbruch der Pandemie vervierfacht.


Im Gegensatz zu den reicheren Ländern des Nordens, die sich in der Regel in ihrer eigenen Währung verschulden und sich über ihre finanz- und fiskalpolitischen Institutionen (u.a. die Zentralbanken) eine gewisse Flexibilität im Management ihrer Schulden bewahren, verschulden sich arme Länder üblicherweise in Fremdwährungen wie dem US-Dollar oder dem chinesischen Renminbi. Zudem zahlen ärmere Länder auf Grund ihrer schwächeren Volkswirtschaften an den Finanzmärkten auch viel höhere Zinsen als reiche Staaten – in der Regel um die 5%. Die Schweiz oder Deutschland hingegen konnten in den letzten Jahren praktisch zum Nulltarif neue Schulden aufnehmen.
Ohne Schuldenerlasse kommen ärmere Länder kaum mehr aus einer Schuldenfalle heraus. Allerdings geht diesen die politische Frage voraus, wer die Kosten der entsprechenden Kreditausfälle tragen soll: Die breite Bevölkerung, die auf Grund von Sparmassnahmen des Staates, die der Schuldenreduktion dienen, mit schlechteren öffentlichen Gesundheits-, Bildungs- und Infrastruktursystemen konfrontiert ist und weniger Geld zum Leben hat, oder die Gläubiger, die auf Renditen verzichten und Verluste auf ihrem Eigenkapital in Kauf nehmen müssen.

Schuldenpolitisches Damoklesschwert nur verschob


Im aktuellen Fall der Staatschuldenkrise im globalen Süden gaben die massgebenden G20-Staaten in Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder dieselbe Antwort: Für diese Krise sollen die Gesellschaften in den betroffenen Ländern bezahlen und nicht die KapitalgeberInnen. Zwar wurden im Rahmen dieser multilateralen Institutionen seit Ausbruch der Coronakrise mehrere Initiativen lanciert, die die Lage der verschuldeten Staaten zum Teil kurzfristig etwas entschärften, wirkliche Auswege aus der Schuldenkrise stellen sie allerdings alle nicht dar – dazu gehören vor allem der „Catastrophe Containment and Relief Trust“ (CCRT) des IWF und die „Debt service suspension initiative“ (DSSI) der G20-Länder.

Der IWF schuf den CCRT im Jahr 2010. Auf die Corona-Krise reagierte er mit einer Ausweitung des Trusts bis auf 29 Länder mit niedrigem Einkommen. Bis im April dieses Jahres übernimmt der CCRT sämtliche fälligen Zahlungen dieser Länder an den IWF. Die DSSI wurde von den G20-Ländern nach Ausbruch der Coronakrise im Frühling 2020 neu geschaffen. Sie bietet den 73 ärmsten Ländern der Welt, die die Kriterien für eine Kreditvergabe der Internationalen Entwicklungsorganisation IDA (die zur Weltbank gehört) erfüllen, ein Schuldenmoratorium an: Länder, die die DSSI in Anspruch nahmen, konnten 2020 und 2021 ihre Zahlungen an bilaterale Gläubiger (also andere Staaten) aussetzen. In den Jahren 2023 bis 2027 müssen sie diese Zahlungen allerdings nachholen. Während der CCRT also nur einen sehr engen Länderkreis umfasst und nur sehr punktuell gewisse Schuldenerleichterungen gegenüber dem IWF bringt, verschiebt die DSSI wiederum das Problem nur in die Zukunft. Für die betroffenen Länder war die Initiative zwar hilfreich, um einen gewissen finanziellen Spielraum für die unmittelbare Bewältigung der Pandemie zu erhalten. Gelöst ist das Problem mitnichten, wie der Schuldenreport von Misereor und erlassjahr.de zeigt: «58 Länder mit niedrigem oder mittlerem Nationaleinkommen zahlten 2020 mehr an Zins- und Tilgungszahlungen an private Gläubiger im Ausland, als sie im gleichen Zeitraum von diesen an neuen Krediten zur Verfügung gestellt bekamen.»

Die Kombination aus Schuldenmoratorien für öffentliche und multilaterale Kredite und der Weigerung privater Gläubiger wie Banken und Rohstoffhändlern, sich an Schuldenerleichterungen zu beteiligen, führen dazu, dass private Forderungen auf öffentliche Haushalte abgewälzt werden. «Gleichzeitig», so schreiben die AutorInnen des Schuldenreports, «wurde die Atempause, die durch das Schuldenmoratorium DSSI der G20 und die massiven Liquiditätshilfen geschaffen wurde, nicht für überfällige Reformen der Schuldenarchitektur genutzt.»

Staatsbankrotte mit Schweizer «Hilfe»

Bei der Bewältigung der Schuldenkrise steht die Schweiz besonders in der Pflicht. Dass zeigt ein Blick auf drei Länder im globalen Süden, für die der Staatsbankrott bereits Tatsache ist. Sie können dem Schuldendienst mit den Mitteln des eigenen Staatshaushaltes nicht mehr nachkommen und sind also auf die Hilfe des IWF oder der Weltbank angewiesen; bzw. darauf, dass ihre Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten.

  • Im Tschad heisst der einzige private Gläubiger Glencore. Der Rohstoffkonzern wickelt die meisten seiner Geschäfte, zu denen auch sogenannte «Resource-backed loans» (RBLs) gehören, über den Kanton Zug ab. Bei RBLs versprechen die Rohstoffabbauländer den Händlern mit Hilfe von Terminkontrakten zukünftige Lieferungen, im Gegenzug erhalten sie von den Händlern Vorauszahlungen für die entsprechenden Mengen zu einem bestimmten Preis als Kredite. Obwohl sogar Weltbank-Chef David Malpass Glencore im Frühling 2021 dazu aufgerufen hat, dem Tschad Schuldenerleichterungen zu gewähren, bewegte sich der Zuger Konzern bisher nicht.
  • Auch Sambia gehörte bisher zu den wichtigsten Rohstoffabbaustandorten von Glencore. Zu dessen Geschäften gehört nachweislich auch die massive Steuervermeidung – zum Schaden des sambischen Staathaushaltes und zum Vorteil des Fiskus in der Schweiz.
  • In Mosambik wiederum sind illegale Kreditgeschäfte mit der Credit Suisse sogar hauptverantwortlich für den Staatsbankrott: Statt in den Aufbau einer halbstaatlichen Fischereiflotte, flossen die Kredite in die Taschen der dortigen Wirtschafts- und Politeliten.

Diese drei Staaten gehören zu den Schwerpunktländern der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Die Geschäfte von Schweizern Grosskonzernen, mit denen der Bund im Rahmen seiner Aussenwirtschaftspolitik auch im Ausland zusammenarbeitet, unterminieren die Glaubwürdigkeit des Schweizer Engagements für nachhaltige Entwicklung. Es wäre deshalb gut, wenn der Bund seine zweifellos vorhandenen guten Beziehungen zu diesen Unternehmen nützen würde, um sie zu einer Beteiligung an den nötigen Entschuldungen zu motivieren.

Entschuldung

Entschuldung

Seit einigen Jahren wächst die Verschuldung von Ländern des Globalen Südens wieder. Klimakrise, Krieg und die wirtschaftlichen Folgen der Pan-demie verschärfen das Problem. Schweizer Kreditgeber müssen sich an Entschuldungsverfahren aktiv beteiligen.

Worum es geht >

Worum es geht

Die Überschuldung vieler Länder des Globalen Südens ist ein grosses Hindernis, um neue wachstumsfördernde Investitionen zu finanzieren. Geld, das sie für den Schuldendienst zu Gunsten ihrer Gläubiger im Norden verwenden müssen, fehlt dann für die dringend benötigten Entwicklungsausgaben. In der Schweiz agieren Banken und Rohstoffhändler als Kreditgeber. Angesichts der Rolle der Schweiz als Sitzland wichtiger privater Gläubiger reicht es in ihrem Fall nicht aus, sich mit bescheidenen Beiträgen an den Schuldenerlassprogrammen des IWF (Internationalen Währungsfonds) oder der Weltbank zu beteiligen.

Es herrscht in diesem Bereich zudem grosse Intransparenz: Es ist nicht bekannt, welche Banken und Rohstoffhändler wo genau wieviel Kredite vergeben oder Anleihen gezeichnet haben. Alliance Sud will mehr Transparenz auf diesem Gebiet und einen aktiven Bund, der private Gläubiger in der Schweiz dazu bewegt, sich an substantiellen Entschuldungsprogrammen für Länder des Südens zu beteiligen.