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Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg

22.03.2021, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung

Zur Umsetzung der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024 will die DEZA ihre Kooperationen mit dem Privatsektor intensivieren und neue Partnerschaften eingehen. Wie wirkt sich das auf die Entwicklungsländer aus?

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg

Aussenminister Ignazio Cassis besucht ein Bildungsinstitut für Tourismus während seiner Afrika-Reise im Februar 2021.
© Foto: YEP Gambia

Die Kooperation mit der Privatwirtschaft ist im Rahmen der IZA der Schweiz nichts Neues, sei es bei den Aktivitäten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) oder der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).  Getreu dem in der Agenda 2030 verankerten Nachhaltigkeitsziel Nr. 17, Partnerschaften für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) einzugehen, hatte die Schweizer IZA ihre Massnahmen mit dem Privatsektor im Zeitraum 2017-2020 bereits ausgebaut.  Bislang wurde diese Zusammenarbeit jedoch nicht von einer DEZA-Strategie umrahmt. Dies wird sich nun, zumindest teilweise, ändern.

Das im Januar 2021 veröffentlichte «Leitbild Privatsektor im Rahmen der Strategie für internationale Zusammenarbeit 2021–2024» definiert die Grundprinzipien für die Aktivitäten der DEZA in Bezug auf den Privatsektor und erläutert die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Privatsektor den «grössten Beitrag zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung in der Welt» leistet – insbesondere in Bezug auf Arbeitsplätze, Steuern und «innovative Produkte, die die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern verbessern»  – wird im Dokument festgehalten, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im Rahmen der IZA-Strategie 2021-2024 und der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates intensivieren wollen.

Die DEZA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) und dem nationalen Steueraufkommen «nur durch die Mobilisierung privater Investitionen» erreicht werden können. Der Privatsektor sei damit «Teil der Lösung» zur Erfüllung der globalen Entwicklungs- und Klimaschutzziele.

Vier Handlungsfelder

Beim Einbezug des Privatsektors in die nachhaltige Entwicklung liegt der Fokus der DEZA auf den folgenden vier Handlungsfeldern: (1) Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Dazu gehören die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung und nachhaltige Investitionen. (2) Förderung lokaler Unternehmen in den Schwerpunktländern der Schweizer IZA, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). (3) Zusammenarbeit mit dem Privatsektor (englisch: Private Sector Engagement, PSE). Darunter werden Partnerschaften mit Akteuren des Privatsektors (aus der Schweiz und anderen Ländern) verstanden. Zu guter Letzt, (4) das Beschaffungswesen: Dieses Handlungsfeld umfasst Aufträge der DEZA an Akteure des Privatsektors (im In- und Ausland), die zukünftig strengere Kriterien der nachhaltigen Entwicklung erfüllen müssen.

PSE: Hat jemand PSE gesagt?

Das dritte Handlungsfeld, das Engagement des Privatsektors (PSE), umfasst laut DEZA die Zusammenarbeit zwischen der IZA und «etablierten» privatwirtschaftlichen Akteuren, welche eine «konsequente Ausrichtung» auf die nachhaltige Entwicklung wahrnehmen. Solche privatwirtschaftliche Akteure – aus der Realwirtschaft und dem Finanzsektor – können, so die DEZA, zur Armutsbekämpfung beitragen und sind daher interessante Partner für die IZA. Dazu gehören Grossunternehmen und multinationale Konzerne, KMU, Sozialunternehmen, wirkungsorientierte Unternehmen und Förderstiftungen. Jede dieser Kategorien verfüge über «spezifische Stärken». Auch NGOs und akademische Einrichtungen werden von der DEZA in diesem Zusammenhang, beispielsweise als Implementierungspartner, erwähnt.

Wie im «Handbuch der DEZA zur Kooperation mit dem Privatsektor» ausgeführt, plant die DEZA, mittelfristig, das heisst während der Umsetzung der IZA-Strategie 2021-2024, eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und eine Aufstockung der Finanzierung ihres PSE-Portfolios. Zusätzlich zu den «traditionellen» PSE-Ansätzen sollen auch «neue Finanzinstrumente» entwickelt werden, wodurch das Volumen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit auch in den ärmsten Ländern (LDCs) und in fragilen Kontexten erhöht werden soll.

500 Millionen pro Jahr?

Obschon im Dokument erwähnt wird, dass die Festlegung eines quantifizierten Wachstumsziels nicht zielführend sei, wird festgestellt, dass derzeit etwa 8% der gesamten von der DEZA finanzierten Projekte (bilaterale Aktivitäten und Globalprogramme) auf Partnerschaften mit dem Privatsektor entfallen. Ausgehend von einer Kombination verschiedener Faktoren wird geschätzt, dass langfristig etwa 20-25% aller DEZA-Aktivitäten in Kooperation mit dem Privatsektor durchgeführt werden könnten, sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Bereich. Nimmt man das Ausgabenvolumen von 2020 für die ca. 125 bestehenden Partnerschaften, CHF 165 Millionen, als Referenzwert, könnte das Volumen also langfristig fast eine halbe Milliarde an jährlichen Ausgaben erreichen.

Es sei daran erinnert, dass die IZA-Strategie 2021-2024 keine Aufstockung der jeweiligen Rahmenkredite zur Finanzierung dieser Partnerschaften vorsieht, sondern dass diese aus den für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehenen Mitteln finanziert werden sollen.  Das bedeutet, dass der Zuwachs von Partnerschaften mit dem Privatsektor zu Lasten anderer Formen der Zusammenarbeit geht, die nachweislich Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung haben, insbesondere Programme zur Unterstützung der öffentlichen Grundversorgung, einschliesslich Bildung und Gesundheit, aber möglicherweise auch zu Lasten anderer Formen der Unterstützung des Privatsektors in Entwicklungsländern, einschliesslich der Förderung lokaler KMU.

Welches sind die Auswirkungen?

Es ist daher notwendig, die entwicklungspolitische Wirkung dieser Partnerschaften bzw. die Relevanz der Ziele, die diese Art der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verfolgt, zu ermitteln. In diesem Punkt bleibt das «Leitbild Privatsektor» jedoch vage bzw. vermittelt in seiner jetzigen Form keine klare Vorstellung davon, wie die DEZA sicherstellen will, dass ihr primäres Mandat, nämlich die Armutsbekämpfung in den Schwerpunktländern, im Rahmen dieser Partnerschaften effektiv erfüllt wird.  

Im internen Handbuch der DEZA sind verschiedene Kriterien und Modalitäten für die Zusammenarbeit sowie ein komplexes Risikoanalyseverfahren aufgeführt. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Die DEZA wird sicherstellen müssen, dass diese Kriterien und Prozesse bei der Schaffung dieser Partnerschaften von allen Akteuren auch tatsächlich eingehalten werden und nicht einfach nur ein Häkchen dahinter gesetzt wird.

Angesichts des klaren Trends innerhalb der multilateralen Institutionen  und der bilateralen Geber könnte die DEZA unter Druck geraten, ihr PSE-Portfolio «zu forcieren», ohne garantieren zu können, dass diese Partnerschaften mit den Kernzielen der Agenda 2030, «niemanden zurückzulassen», im Einklang stehen.

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