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Lichtet sich bald der Nebel um das Greenwashing?

30.09.2022, Finanzen und Steuern

Ende Mai durchsuchten Frankfurter Staatsanwälte die Büros der Deutschen Bank und ihrer Fondstochter DWS. Es ging dabei um mutmassliche Greenwashing-Aktivitäten. Zeit, dass auch in der Schweiz mit mehr Klarheit gerechnet werden kann.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Lichtet sich bald der Nebel um das Greenwashing?

Windräder in der Nähe des stillgelegten AKW Grohnde, Niedersachsen. Die EU möchte Investitionen in Atomenergie als «grün» labeln, Umweltorganisationen kritisieren das scharf.
© Foto: KEYSTONE / DPA / Julian Stratenschulte

Die Greenwashing-Vorwürfe gegen die DWS kursieren schon seit Monaten. Konkret geht es um den Vorwurf, Vermögensverwalter hätten bezüglich der Nachhaltigkeit der DWS-Produkte in Sachen Umweltschutz und Klimawandel übertrieben. Laut Staatsanwaltschaft seien «ausreichend Anhaltspunkte» dafür gefunden worden, dass die ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Governance) nur bei einem «Bruchteil der Investments» eingehalten würden.

Im vergangenen Jahr hatten die US-amerikanische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (SEC) und die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) getrennte Untersuchungen zu den Aussagen eines Whistleblowers eingeleitet, wonach die DWS ihre Fonds als ökologischer verkaufe, als sie es tatsächlich seien. Die Greenwashing-Vorwürfe, die im August ans Licht kamen, führten zu einem Kurssturz der DWS-Aktien um mehr als 20% und zum Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Asoka Wöhrmann.

Und wie sieht es in der Schweiz aus?

Dieser Vorfall wurde als Schuss vor den Bug des gesamten Finanzmarktsektors gewertet, der regelmässig im Verdacht steht, Greenwashing zu betreiben. Auch hierzulande ist das Interesse der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) für die Kommunikation rund um Finanzprodukte geweckt: Sie führt nun vermehrt Inspektionen durch, mit dem Ziel, irreführende Werbung mit «grünen» Versprechen zu bekämpfen.

Die Nachfrage von Kunden und Anlegern nach nachhaltigen Finanzprodukten und -dienstleistungen ist in den letzten Jahren markant gestiegen − und mit ihr die Gefahr, dass KundInnen und InvestorInnen über deren angeblich nachhaltigen Eigenschaften getäuscht werden (Finanzprodukte mit dem Etikett «sustainable», «green» oder «ESG»). Von Grünfärberei oder Greenwashing ist die Rede, wenn KundInnen von Finanzinstituten bewusst oder unbewusst getäuscht oder über die nachhaltigen Eigenschaften von Finanzprodukten irreführend informiert werden.

Zu den Aufgaben der FINMA gehört es, FinanzmarktkundInnen sowie auch InvestorInnen vor unlauterem Geschäftsgebaren, insbesondere Betrug, zu schützen. Nun sind die Untersuchungen der FINMA zum deutlichen Ergebnis gekommen, dass beim Verkauf von Finanzprodukten und -dienstleistungen Greenwashing-Praktiken zu beobachten sind und dass die Anbieter oftmals «vage bis irreführende Versprechungen» zu ihren Produkten machen.

Um dem Risiko zu begegnen, müsste die Transparenz im Bereich der Nachhaltigkeit dringend erhöht werden, indem einheitliche Anforderungen und Indikatoren, Klassifizierungen (Taxonomie) und Methoden zur Messung der positiven und negativen Auswirkungen von Investitionen auf das Klima und die nachhaltige Entwicklung eingeführt würden. Die Schweiz ist im Rahmen des Pariser Klimaabkommens Verpflichtungen eingegangen, die auch für ihren Finanzplatz gelten.

Keine spezifischen gesetzlichen Grundlagen

Derzeit gibt es keine spezifischen Vorschriften bezüglich der Transparenz von Produkten und Dienstleistungen, die als «nachhaltig» bezeichnet werden. Es gelten lediglich allgemeine Regeln, unter anderem das Verbot der Täuschung im Zusammenhang mit kollektiven Kapitalanlagen (Investmentfonds). Anleger sollten in der Lage sein, auch im Fall von als «nachhaltig» deklarierten Produkten fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. In einer im November 2021 veröffentlichten Richtlinie hat die FINMA in Bezug auf Schweizer Fonds konkretisiert, welche Informationen in den Dokumenten enthalten sein müssen, falls die Fonds als nachhaltig deklariert werden. Im Fall von Genehmigungsgesuchen werden solche Fonds verpflichtet, zusätzliche Informationen zu den verfolgten Nachhaltigkeitszielen, deren Umsetzung und die erwartete Wirkung zu liefern. So kann die FINMA besser beurteilen, ob eine Täuschung vorliegt, und entsprechend eingreifen.

Als Praktiken, die unter den Begriff Greenwashing fallen, nennt die FINMA insbesondere kollektive Anlagen, die sich auf Nachhaltigkeit beziehen, ohne dass tatsächlich eine nachhaltige Anlagepolitik/Strategie verfolgt wird, oder kollektive Kapitalanlagen, die mit Begriffen wie «impact» oder «kohlenstoffneutral» Nachhaltigkeit suggerieren, ohne dass die erzielten Auswirkungen oder Einsparungen messbar oder nachweisbar sind.

Allerdings ist der Handlungsspielraum der FINMA für eine wirksame Prävention und Bekämpfung von Greenwashing begrenzt. Es fehlen spezifische nachhaltigkeitsbezogene Transparenzpflichten und wirksame Kontrollgrundlagen, um Massnahmen zu ergreifen. Nur zusätzliche Regulierungsmassnahmen würden der FINMA die notwendigen Instrumente an die Hand geben, um die Bekämpfung des Greenwashing umfassender und wirksamer zu gewährleisten.

Es sei daran erinnert, dass der Bundesrat Ende 2021 seine Absicht bekannt gab, die Schweiz zu einer Marktführerin im Bereich der nachhaltigen Finanzen zu machen. Damals forderte er die Finanzmarktakteure auf, sich mit der Einführung vergleichbarer und aussagekräftiger Klimaverträglichkeitsindikatoren um mehr Transparenz zu bemühen, wodurch die AnlegerInnen Investitionen nach ihren Klimaauswirkungen einteilen und auswählen könnten. Ende Juni lancierte er die diesbezüglichen «Swiss Climate Scores», deren Anwendung den Finanzmarktakteuren jedoch auf rein freiwilliger Basis empfohlen wird.

Bis Ende 2022 sollen das eidgenössische Finanz- und das Umweltdepartement (EFD und UVEK) einen Bericht über die Umsetzung dieser Empfehlungen durch den Finanzsektor vorlegen und − in Zusammenarbeit mit der FINMA − konkrete Vorschläge dazu unterbreiten, was an der Finanzmarktregulierung geändert werden muss, damit Greenwashing verhindert werden kann.

Angesichts der Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes wäre der Bundesrat gut beraten, einen anspruchsvollen und zukunftsweisenden Regulierungsrahmen vorzuschlagen, der mindestens die einschlägigen EU-Regelungen einbezieht. So könnten Greenwashing-Praktiken unterbunden werden mit dem Ziel, die Finanzströme aus der Schweiz glaubwürdig und messbar umzulenken − zugunsten des Klimas und der nachhaltigen Entwicklung.