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Staatliche Hilfe für Steuervermeider?

25.05.2020, Finanzen und Steuern

Auch multinationale Konzerne, die in der Schweiz und im Ausland Steuern vermeiden, können von Hilfskrediten des Bundes im Rahmen der Corona-Hilfe profitieren. Dagegen hilft nur Transparenz über die Kapitalflüsse innerhalb dieser Konzerne.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Staatliche Hilfe für Steuervermeider?

© Pixabay

Rechtlich gesehen kommen gemäss der Notverordnung des Bundesrates vom 25. März auch Tochtergesellschaften von multinationalen Konzernen für Covid-19-Solidarbürgschaftskredite infrage. Voraussetzung dafür ist, dass sie als einzelne Gesellschaft einen Jahresumsatz von höchstens 500 Millionen Franken ausweisen. Auch Hilfskredite für mehrere Töchter desselben Konzerns sind möglich.

Das ist aus entwicklungspolitischer Sicht höchst problematisch: Es besteht ein erhebliches Risiko, dass Tochtergesellschaften von Multis in der Schweiz Hilfskredite beantragen. Solche Tochtergesellschaften können etwa als Finanzierungsgesellschaften innerhalb eines Konzerns fungieren und so die Rolle von Banken innerhalb eines Konzerns übernehmen. Wenn sie jetzt aufgrund der Coronakrise in Liquiditätsengpässe bei der Darlehensvergabe geraten, könnten sie Hilfskredite beantragen. Gleichzeitig könnten sie aufgrund ihrer spezifischen Geschäftstätigkeit und Steuerplanung weiterhin Gewinne aus armen Ländern abziehen. Diese Länder leiden gegenwärtig auf Grund der Krise unter nie dagewesenen Kapitalabflüssen, die eine angemessene gesundheits-, sozial- und wirtschaftspolitische Reaktion dieser Länder auf die Pandemie dramatisch erschweren. Bereits unter „normalen“ Umständen fällt es diesen Gemeinwesen auf Grund von Steuerflucht und Schuldenlast schwer, öffentliche Gesundheitswesen zu betreiben, die eine stabile Versorgung der gesamten Bevölkerung garantieren und eine soziale Wohlfahrt sicherstellen, die Menschen in existentiellen Nöten auffangen kann.

Ein Zahlenvergleich illustriert die katastrophale Situation im Gesundheitswesen in vielen armen Ländern der Welt auf eindrückliche Weise: Die jährlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen in der Schweiz betragen 80 Milliarden Franken, in den 69 ärmsten Ländern der Welt sind es insgesamt (also alle Länder zusammengerechnet) 20 Milliarden.

Gemäss neusten Zahlen der Forschungsgruppe Economists without Boarders um den Berkeley-Professor Gabriel Zucman verschoben multinationale Konzerne 2017 Gewinne in der Höhe von 98 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland in die Schweiz. In diesen Zahlen sind allerdings viele afrikanische Länder infolge der äusserst prekären Datenlage bei ihren Steuerbehörden noch gar nicht eingerechnet. Zucman und KollegInnen bestätigen aber, dass die Entwicklungsländer unter dem Strich zu den grossen Verlierern des weltweiten Steuerdumpings gehören, während dem die Schweiz daraus 38% ihrer Unternehmenssteuereinnahmen generiert. Vor allem auf Grund der Rohstoff- und Nahrungsmittelbranche, die unter den Schweizer Konzernen sehr gut vertreten sind, müssen wir davon ausgehen, dass ein signifikanter Teil dieser in die Schweiz verschobenen Gewinne aus armen Ländern des Südens kommt. Im Verhältnis zu den Ausgaben für die Gesundheitswesen in diesen Ländern, handelt es sich hier so oder so um exorbitante Summen.

Eine Möglichkeit, das Risiko von Steuervermeidung bei Gesellschaften in der Schweiz, die von den Coronahilfskrediten profitieren, zu reduzieren, wäre die Veröffentlichung von Daten aus dem Country-by-Country-Reporting der betroffenen Firmen auf der Basis des Schweizer ALBA-Gesetzes. Damit könnten diese Unternehmen dazu gebracht werden, ihre steuerlich relevanten Daten, die sie bereits heute im Rahmen ihrer länderbezogenen Berichte («Country-by-Country-Reporting») den Steuerbehörden abliefern müssen, auf ihren Webseiten zu veröffentlichen – dieses Prinzip gilt in der EU bereits für Finanzdienstleister. Damit würden Konzernzahlen wie Umsatz, Einnahmen, Gewinn, Anzahl Beschäftigter, bezahlte und verursachte Steuern öffentlich dargelegt und wir als steuerzahlende Bürgerinnen und Bürger könnten selbst überprüfen, ob wir mit unseren Steuern nicht multinationale Unternehmen durch die Krise helfen, die in armen Ländern die Menschen gleichzeitig um eine gute Gesundheitsversorgung, Bildung oder Verkehrsinfrastruktur bringen.