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Was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte

14.04.2023, Entwicklungsfinanzierung

Aussenminister Ignazio Cassis informierte über die mittelfristige Finanzierungsstrategie zur Ukraine-Unterstützung. Doch er verzichtete auf Ausführungen zur Herkunft der Gelder. Wir erläutern, was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte

© Stephan Poost / pixelio.de

Im Kontext der Frühlingstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Washington gab Bundesrat Cassis am 13.4. in der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF ein Interview. Dabei betonte er die langfristige Unterstützung der Ukraine; gleichzeitig versprach er, dass die Gelder für die Armutsbekämpfung im Globalen Süden gewährleistet bleiben. Geht diese Rechnung auf?

Bundesrat Cassis erläuterte, dass in einem ersten Schritt «etwas Geld von der internationalen Zusammenarbeit in einen separaten Fonds in der Höhe von 1.8 Milliarden gesetzt» würden. Doch wie werden diese 1.8 Mia. Franken finanziert, ohne das Budget für Internationale Zusammenarbeit (IZA) zu belasten? Gemäss unseren Informationen setzen sich die 1.8 Milliarden wie folgt zusammen:

  • 300 Mio. Franken sind für 2023–2024 vorgesehen (bestehend aus Zusatzkrediten und laufendem Budget).
  • Schon bisher war bekannt, dass das vorgesehene nominale Wachstum der IZA-Ausgaben 2025-2028 (+2.5%/Jahr) für den Wiederaufbau der Ukraine reserviert wird, das ergibt rund 650 Millionen Franken.
  • Es fehlen also 850 Mio. Franken, die zulasten des Budgets für Internationale Zusammenarbeit 2025-2028 gehen werden.

Dieses Budget wurde aber bereits im Rahmen der Eckwerte der mehrjährigen Finanzbeschlüsse eingefroren (eben weil das nominale Wachstum vollständig für die Ukraine verwendet wird), real wird es allein deshalb im aktuellen Inflationsumfeld sinken. Man könnte zwar jetzt noch argumentieren, dass ja schon vor dem Krieg IZA-Geld aus der «Entwicklungszusammenarbeit Ost» für die Ukraine verwendet wurde, also gar nicht so viel umgeschichtet werden muss. Im Schnitt über 4 Jahre waren das aber bis 2021 nur etwa 33 Mio. Franken pro Jahr, es fehlen also auch so schöngerechnet noch über 700 Millionen.

Kann also, wie Bundesrat Cassis sagt, «die totale Summe für die normalen Programme der Armutsbekämpfung und der nachhaltigen Entwicklung [bestehen bleiben]»? Eben nicht, die Aussage verschleiert die Tatsache, dass die Prioritäten innerhalb der internationalen Zusammenarbeit neu gesetzt werden müssen, um 700 Millionen einzusparen und die Solidarität mit der Ukraine auf Kosten der Solidarität mit anderen Ländern geht. Ländern des Globalen Südens, welche nach wie vor unter den Auswirkungen der Corona-Krise, den steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen leiden und zunehmend von der Klimakrise betroffen sind.

Alliance Sud fordert die grosszügige Unterstützung der Ukraine im humanitären Bereich, bei der Aufnahme von Geflüchteten in der Schweiz und beim Wiederaufbau. Doch diese Unterstützung muss zusätzlich finanziert werden und darf nicht auf Kosten der globalen Armutsbekämpfung gehen. Im Gegenteil, die Entwicklungsfinanzierung muss endlich erhöht werden.