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Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

29.09.2023, Klimagerechtigkeit

Der Streit, wer die Schäden und Verluste als Folge der Klimaerwärmung bezahlen soll, wird seit Jahrzehnten geführt. Die UNO-Klimakonferenz in Dubai verhandelt dieses Jahr erstmals über die Zahlungsmodalitäten. Resultate sind dringend nötig.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

Eine nationale Katastrophe: Die Dürre in Kenia trocknet immer wieder das Leben aus.
© Ed Ram/Getty Images

«In meiner Heimat Kenia blieb bereits zum sechsten Mal die Regenzeit aus.» Elizabeth Wathuti spricht an diesem Abend des 22. Juni 2023 auf dem Champ de Mars in Paris laut ins Mikrofon, um von den Tausenden anwesenden Menschen gehört zu werden. «Das hat zu Ernteausfällen geführt, zu längerer Trockenheit und zu Ernährungsunsicherheit. Es hat die Kosten für unsere Landwirtschaft enorm erhöht.» Während die junge Aktivistin vor der Kulisse des Eiffelturms von den Auswirkungen der Klimakrise erzählt und zusammen mit weiteren Rednerinnen und Rednern Klimagerechtigkeit fordert, empfängt der französische Präsident Emmanuel Macron seine Gäste aus aller Welt in einem nahegelegenen Palais zum Bankett. Bereits den ganzen Tag hatten sie sich auf Einladung von Macron im Rahmen eines internationalen Gipfels über Herausforderungen und Wege für eine stärkere Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden ausgetauscht. Das Resultat: Man wird an der nächsten Konferenz weiterdiskutieren.

Die internationale Klimafinanzierung – zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an die Klimaerwärmung im Globalen Süden – ist bereits seit Jahren mit der völkerrechtlichen Verpflichtung für die Industriestaaten verbunden, Beiträge an das kollektive Finanzierungsziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu leisten. Fehlender politischer Wille in den Verursacherstaaten der Klimakrise führte allerdings dazu, dass diese Summe noch nie erreicht wurde.

An der UN-Klimakonferenz im November 2022 (COP27) in Sharm El Sheikh ist es den Staaten des Globalen Südens nun erstmals gelungen, über die Finanzierung von klimaverursachten Schäden und Verlusten verhandeln zu können, auch dank der jahrzehntelangen Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit. Dabei gehen die Schäden und Verluste bereits seit Jahren in die Milliarden, genaue Schätzungen hängen von der Definition ab – und sind dort am grössten, wo die Menschen am wenigsten Mittel haben, sich darauf vorzubereiten oder anzupassen. Ebenfalls führen sie in bereits hoch verschuldeten Ländern zu weiterer Verschuldung. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterscheidet zwischen Schäden bzw. Verlusten aus schleichenden Ereignissen (z. B. dem Anstieg des Meeresspiegels) und rasch einsetzenden Ereignissen (z. B. Stürme und Überflutungen). Ausserdem gibt es neben ökonomisch quantifizierbaren Verlusten und Schäden ebenfalls nicht-quantifizierbare, beispielsweise Schäden an Kulturgütern oder Ökosystemen.

An der diesjährigen Konferenz COP28 in Dubai wird die sogenannte «Loss and Damage»-Finanzierung eines der grossen Verhandlungsthemen werden. Denn die Vertragsparteien haben sich vor einem Jahr den Auftrag gegeben, 2023 detailliertere Bestimmungen darüber zu verabschieden, wie Schäden und Verluste finanziert werden sollen. Die Diskussion beschränkt sich dabei auf Länder, die für die Auswirkungen der Klimakrise besonders anfällig sind . Dazu soll ein UNO-Fonds aufgebaut werden, in den die Verursacherstaaten einzahlen. In diesem Zusammenhang werden innovative globale Finanzierungsquellen diskutiert, welche auch private Akteure nach dem Verursacherprinzip zur Kasse bitten könnten. «Setzen sich solche Vorschläge durch, könnten weltweit auch emissionsintensive Unternehmen zur Finanzierung beitragen», schreibt Robin Poëll, Mediensprecher des BAFU, auf Anfrage von Alliance Sud. Die Chancen für eine solche globale Abgabe für den UNO-Fonds dürften jedoch vorläufig eher gering sein. Bis es soweit ist, könnte die Schweiz vorangehen und prüfen, eine solche Abgabe zumindest auf klimaschädliche Unternehmen in der Schweiz einzuführen, um für Verluste und Schäden im Globalen Süden aufzukommen.

Vertrauensverlust erschwert Verhandlungen

Der wirkliche Zankapfel an der Klimakonferenz wird vermutlich jedoch sein, welche Staaten in den Fonds einzahlen sollen und in welche Länder das Geld fliessen darf. Für letzteres muss definiert bzw. verhandelt werden, welche Länder als besonders vulnerabel gelten. Für die noch politischere Frage, wer als Verursacherstaat einzahlen soll, trifft die historische Verantwortung der Klimakrise, die klar auf die Industriestaaten zurückzuführen ist, auf den heutigen Vergleich der Treibhausgas-Emissionen zwischen den Ländern; bei letzterem haben die grössten Schwellenländer einen höheren Anteil. Die bisherigen Geberstaaten für die Klimafinanzierungsziele wurden 1992 definiert. Die Schweiz möchte erreichen, dass in den Fonds nun mehr Länder einzahlen müssen. BAFU-Sprecher Poëll: «Es ist ein Anliegen der Schweiz, dass die Länder, welche am meisten zum Klimawandel beitragen und die Kapazitäten haben, in die Pflicht genommen werden. Konkret bedeutet dies, dass auch wohlhabende Schwellenländer mit einem hohen Treibhausgas-Ausstoss sowie private Akteure ihren Beitrag leisten.» Die Schweiz und andere Geberstaaten aus dem Globalen Norden sind in diesem Punkt bisher jedoch am Widerstand des Globalen Südens gescheitert. Denn die Industriestaaten haben ihre bisherigen Finanzierungsversprechen nicht eingehalten und sind deshalb bezüglich Klimagerechtigkeit unglaubwürdig. Die Schweiz etwa hat ihren «angemessenen Anteil» an der Klimafinanzierung nicht aufgrund ihres gesamten Klima-Fussabdrucks berechnet, sondern nur anhand der geringeren Inlandemissionen. Ganz zu schweigen vom Verfehlen ihres Klimaziels, bis 2020 die Emissionen um 20% zu reduzieren. Der Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd erschwert letztlich auch die Verhandlungen um ambitioniertere Klimaziele und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Die Länder im Globalen Süden müssen aber ihre Finanzierung für erneuerbare Energien sicherstellen können, um sich nicht ins globale Abseits zu manövrieren.

Seit Anfang November liegt ein Kompromissvorschlag für die Ausgestaltung des neuen Fonds vor. Auffällig ist die Ansiedlung des Fonds bei der Weltbank, die weder für ihre Vorreiterrolle in der Klimakrise noch für eine faire Machtverteilung bekannt ist – entsprechend ist die Kritik von Ländern des Globalen Südens und zivilgesellschaftlichen Organisationen gross. Neben der klaren Erwartung an die Industriestaaten, zur Finanzierung beizutragen, werden auch andere Staaten «ermutigt», sich an der Finanzierung zu beteiligen. Die Frage, welche Länder als besonders schadensanfällig gelten und damit vom Fonds profitieren können, dürfte an der Konferenz offenbleiben; sie soll dem Vorstand des neuen Fonds zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Vorstand wird aus 26 Mitgliedern aus allen Weltregionen (14 aus Entwicklungsländern) zusammengesetzt sein, die mit einer 4/5-Mehrheit entscheiden können. Im schlimmsten Fall droht damit eine Blockade bei der Umsetzung des Fonds.

Die Zeit drängt, Schäden und Verluste sind bereits da und nehmen laufend zu. Das liegt auch daran, dass die Finanzierungslücke bei der Anpassung an die Klimaerwärmung gemäss dem Weltklimabericht immer grösser wird. Allerdings können sich die Menschen nicht an jede Veränderung anpassen. Einen bleibenden Eindruck hinterliess der Aussenminister des pazifischen Inselstaats Tuvalu, der im Vorfeld der UNO-Klimakonferenz von Glasgow im Jahr 2021 für eine Rede kurzerhand die Hosenbeine hochgekrempelt und sein Rednerpult ins Meer gestellt hatte, um auf den steigenden Meeresspiegel aufmerksam zu machen. In Glasgow sprach Elizabeth Wathuti an der Eröffnung der Klimakonferenz vor der versammelten Weltbühne: «Bis 2025 wird die Hälfte der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Und bis ich fünfzig bin, wird die Klimakrise allein in Subsahara-Afrika 86 Millionen Menschen vertrieben haben.»  Keine Konferenz kann die Klimakrise von heute auf morgen beenden. Aber bereits eintretende Schäden und Verluste finanziell zu decken, ist bitter nötig.

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© Karwai Tang

Elizabeth Wathuti ist eine junge kenianische Klimaschutz- aktivistin. Sie hat die Green Generation Initiative gegründet und wurde unter anderem auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 mit ihrem Aufruf für mehr Solidarität international bekannt.

Faktenblatt

Der Schweizer Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung

31.10.2022, Klimagerechtigkeit

Die internationale Staatengemeinschaft hat 2010 beschlossen, dass die Entwicklungsländer zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sowie zur Anpassung an den Klimawandel ab 2020 mit 100 Milliarden Dollar pro Jahr unterstützt werden müssen. Es handelt sich um zusätzlichen Bedarf; somit werden neue, zusätzliche Gelder erwartet. Die immer häufiger auftretenden Klimakatastrophen (z. B. Überflutungen in Pakistan) und dramatischen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die ärmsten Länder machen die Dringlichkeit der zusätzlichen Klimafinanzierung deutlich.
 

Der Schweizer Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung

Abir Abdullah / Climate Visuals

Wie viel soll die Schweiz beitragen?

Es gibt keinen Verteilschlüssel unter den entwickelten Ländern. Der Bundesrat rechnet mit einer Mischung aus Verursacherprinzip und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Indem er nur die Verursachung von Emissionen im Inland berücksichtigt, kommt er auf einen Schweizer Beitrag von 450 bis 600 Millionen USD pro Jahr. Laut dem Umweltbericht des Bundesrats von 2018 machen aber die durch den Schweizer Konsum im Ausland verursachten Emissionen mehr als die Hälfte des Schweizer Klima Fussabdrucks aus. Wenn die Schweiz diese Auslandemissionen berücksichtigen würde, müsste sie mindestens 1 Milliarde Dollar jährlich zur internationalen Klimafinanzierung beisteuern. 

Faktenblatt

Klimawandel und Schuldenkrise – ein Teufelskreis

08.09.2023, Klimagerechtigkeit

Die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung und die dramatische Staatsverschuldung in vielen Ländern des Globalen Südens sind zwei Krisen, die sich laufend verschärfen. Mindestens 54 Staaten im Globalen Süden leiden unter gravierenden Schuldenproblemen, davon gehören 28 gleichzeitig zu den 50 am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Ländern. Dabei gibt es mehrere Zusammenhänge der beiden Krisen, welche die Krisenbewältigung für die betroffenen Länder massiv erschweren.

 Klimawandel und Schuldenkrise – ein Teufelskreis

Adam Sébire / Climate Visuals

Faktenblatt

Klimafinanzierung ab 2025: Wie finanzieren?

06.09.2023, Klimagerechtigkeit

Gemäss dem Pariser Klimaabkommen müssen die Industriestaaten die Entwicklungsländer finanziell dabei unterstützen, das Klima zu schützen und sich an den Klimawandel anzupassen – dies wird «Klimafinanzierung» genannt. Von 2020 bis 2025 sollten dafür jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt werden.

Klimafinanzierung ab 2025: Wie finanzieren?

Gemäss dem Pariser Klimaabkommen müssen die Industriestaaten die Entwicklungsländer finanziell dabei unterstützen, das Klima zu schützen und sich an den Klimawandel anzupassen – dies wird «Klimafinanzierung» genannt. Von 2020 bis 2025 sollten dafür jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt werden. Bis Ende 2024 wird ein neues Ziel verhandelt, das ab 2025 gelten soll und den Voraussagen zufolge um ein Vielfaches höher ausfallen wird. Würde sich das Finanzierungsziel nach dem realen Bedarf richten, müssten gemäss UNO bis 2030 allein für Klimaanpassung jährlich 340 Milliarden $ gesprochen werden – und noch einmal mindestens so viel für die Reduktion der Treibhausgase. Es handelt sich um zusätzlichen Unterstützungsbedarf; somit werden neue, zusätzliche Gelder erwartet. Die dramatischen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die ärmsten Länder machen die Dringlichkeit der zusätzlichen Unterstützung deutlich.

Was ist der faire Anteil der Schweiz? Für das aktuelle 100-Milliarden-Ziel gibt es keinen Verteilschlüssel unter den Geberländern. Der Bundesrat rechnet mit einer Mischung aus Verursacherprinzip und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Indem er nur die Emissionen im Inland berücksichtigt, kommt er auf einen Beitrag von 450 - 600 Millionen $ pro Jahr. Gemäss Angaben des Bundes machen aber die durch den Schweizer Konsum im Ausland verursachten Emissionen mehr als die Hälfte des Schweizer Klima-Fussabdrucks aus. Wenn die Schweiz ihre Verantwortung für Emissionen im Ausland wahrnehmen würde, müsste sie bereits jetzt 1 Milliarde $ jährlich zur internationalen Klimafinanzierung beisteuern
 

Medienmitteilung

Alliance Sud sagt JA zum Klimaschutz-Gesetz

03.05.2023, Klimagerechtigkeit

Das Klimaschutz-Gesetz ist ein erster Schritt zu mehr Klimagerechtigkeit, betonen unisono die acht Geschäftsleiter:innen von Alliance Sud und ihren Mitgliedsorganisationen.

Alliance Sud sagt JA zum Klimaschutz-Gesetz

Es ist Zeit, dass die Schweiz ihren Beitrag zur Bekämpfung der weltweiten Klimakrise leistet. Die schlimmsten Auswirkungen der Erderwärmung treffen die ärmsten Menschen im Globalen Süden, die den Klimawandel am wenigsten befeuern. Der Zyklon «Freddy» brach im März dieses Jahres mehrere Weltrekorde. Der tropische Sturm, der über 1’000 Menschenleben in Malawi, Mosambik und Madagaskar forderte und eine Spur der Zerstörung hinterliess, war mit mehr als einem Monat Dauer der längste je gemessene tropische Sturm. Und er akkumulierte so viel Energie wie kein anderer Zyklon zuvor.

Zyklon «Freddy» bestätigt: Klimakatastrophen im Globalen Süden führen zu immer grösseren Schäden und Verlusten. «Die Anfälligkeit für negative Auswirkungen der Klimakrise ist deutlich höher in Ländern mit tiefem Einkommen, beispielsweise wenn das Geld für die Anpassung an den Klimawandel fehlt», erklärt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Der neuste Weltklimabericht zeigt, dass in einer vulnerablen Gegend 15 Mal mehr Menschen bei einem Extremwetterereignis sterben als bei einem vergleichbaren Ereignis in einer gut angepassten Gegend wie der Schweiz.»

Die Schweiz steht in der Verantwortung, zur Eindämmung der Klimaerwärmung angemessen beizutragen. Der Vergleich der konsumbedingten jährlichen Treibhausgas-Emissionen pro Kopf zwischen der Schweiz (14 tCO2) und den meistbetroffenen Ländern wie Malawi (0.1 tCO2), Mosambik (0.3 tCO2) oder Madagaskar (0.1 tCO2) zeigt die Diskrepanz unmissverständlich auf.

Zum Schutz der Schweiz und des Globalen Südens

Das Klimaschutz-Gesetz verankert die Ziele zur Reduktion der Schweizer Emissionen auf Netto Null bis 2050. «Das ist das mindeste, was die Schweiz erreichen muss», betont Bernard DuPasquier, Vizedirektor von Heks: «Ein wirklich gerechter Beitrag zum Klimaschutz hiesse, dass die Schweiz noch schneller voranginge». Franziska Lauper, Geschäftsleiterin von terre des hommes schweiz, fügt hinzu: «Wir müssen jetzt sofort handeln, damit die künftigen Generationen – bei uns wie im Globalen Süden – nicht noch mehr unter den Folgen leiden müssen.»

Dafür ist die im Gesetz vorgesehene Halbierung der Emissionen bis 2030 zentral. Denn der Weltklimarat warnt eindringlich, dass stärkere Klimaschutzmassnahmen noch in diesem Jahrzehnt greifen müssen, um eine Überschreitung des 1.5-Grad-Limits zu verhindern. «Die Schwelle bei einer globalen Erwärmung von 1.5 Grad ist nicht willkürlich gewählt, sie ist wissenschaftlich begründet und im Pariser Klimaabkommen verankert», erinnert Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter von Helvetas, und fügt hinzu: «Die Auswirkungen jedes weiteren Anstiegs sind verheerend – besonders für die Menschen im Globalen Süden».

Der Bericht des Weltklimarats zeigt auch die vorhandenen Möglichkeiten zur Erreichung von Klimaneutralität auf. «Es braucht eine rasche Dekarbonisierung, auch in der Schweiz. Dies ist technisch längst machbar. Wir müssen die Nutzung fossiler Energien beenden, sobald wie möglich», sagt Bernd Nilles, Geschäftsleiter von Fastenaktion. Peter Lack, Direktor von Caritas Schweiz, ergänzt: «Das Gesetz sieht vor, dass der Klimaschutz sozialverträglich ausgestaltet wird. Das ist wichtig, denn so kann er auch von Personen mit tiefen Einkommen mitgetragen und so breit abgestützt werden.»

Für mehr Ernährungs- und Energiesicherheit

Gerade für die Ernährungssicherheit ist Klimaschutz zentral. «Der Weltklimabericht zeigt auf, dass die Produktivität der Landwirtschaft mit der Klimaerwärmung insgesamt abnimmt. Die Produktion von ausreichend gesunder und vielfältiger Nahrung wird bei zunehmender Trockenheit und unberechenbarem Wetter schwieriger – einerseits bei uns, aber vor allem für Kleinbauernfamilien in armen Ländern», unterstreicht Markus Allemann, Geschäftsleiter von SWISSAID. «Die Ernährung ist aber auch ein Teil der Lösung, wenn wir uns klimafreundlicher, ökologischer ernähren».

Ein Ja zum Klimaschutzgesetz ist nicht nur für die Versorgungssicherheit und den Erhalt unserer eigenen Lebensgrundlagen wichtig, es ist auch eine Chance, der Weltgemeinschaft zu signalisieren, dass die Schweizer Bevölkerung die Klimakrise ernst nimmt. «Mit der aktuellen Vielfachkrise und den immer heftigeren Klimakatastrophen im Globalen Süden ist es wichtig, dass wir mit dem Ja zum Klimaschutz auch ein Zeichen der Solidarität setzen», resümiert Felix Gnehm, Geschäftsleiter von Solidar Suisse. «Wir wollen einen gerechten Übergang zu einer klimafreundlichen Welt – da gehört der Klimaschutz in der Schweiz dazu.»


Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +41 31 390 93 30
Delia Berner, Klimaexpertin Alliance Sud, Tel. +41 77 432 57 46
Marco Fähndrich, Kommunikationsverantwortlicher Alliance Sud, Tel. +41 79 374 59 73

Medienmitteilung

Die Schweiz muss mehr für den Globalen Süden tun

03.11.2022, Klimagerechtigkeit

Alliance Sud fordert, dass die Schweizer Delegation an der COP27 in Ägypten nicht nur zu einem ambitionierten Mitigationsprogramm beiträgt, sondern sich auch in Finanzierungsfragen für eine verstärkte Unterstützung des Globalen Südens einsetzt.

 

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Die Schweiz muss mehr für den Globalen Süden tun

© Alliance Sud

Die Klimakrise führt zu unberechenbaren Extremereignissen wie Überschwemmungen, Dürre, Stürmen, lässt den Meeresspiegel ansteigen und die Gletscher schmelzen. «Immense Schäden wie zum Beispiel in Pakistan oder die Zunahme von Hunger und Mangelernährung in weiten Teilen Afrikas als Folge von Trockenheit zeigen, dass die Bekämpfung der globalen Klimaerwärmung an Dringlichkeit nicht zu überbieten ist», sagt Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. An der diesjährigen Konferenz der Vertragsparteien der UNO-Klimakonvention (COP27) vom 6.-18. November 2022 in Ägypten muss die Schweiz mithelfen, noch mehr auf die Bedürfnisse des globalen Südens einzugehen.

Weg von fossilen Energien und deren Subventionen

An der Klimakonferenz müssen die Anstrengungen zum Ausstieg aus fossilen Energien und zu einer raschen und fairen Umstellung bedeutend verstärkt werden, damit das Ziel einer maximalen Erwärmung um 1.5°C eingehalten werden kann. Aktuell wird ein Arbeitsprogramm zu Mitigation verhandelt, um in der Reduktion von Treibhausgasen schneller voranzukommen. «Das Mitigation Work Programme kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des 1.5°C-Ziels leisten. Dazu muss in Ägypten die Chance genutzt werden, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern in sektoriellen Strategien festzuhalten, zusammen mit einem Fahrplan und klaren Verantwortlichkeiten», sagt David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit bei Fastenaktion. Sektorielle Dekarbonisierung zum Beispiel im Energiesektor bedingt eine gezielte Strategie und eine transparente Berichterstattung. «Transparenz ist der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung von klimapolitischen Zielen», ergänzt Knecht, der als Beobachter in Ägypten sein wird.

Die Reaktion der Weltgemeinschaft auf die Klimakrise darf sich keinesfalls auf ökologische Massnahmen beschränken. «Der ökologische Wandel muss gerecht und sozialverträglich sein», wie Cyrill Rogger von Solidar Suisse unterstreicht; «es ist allgemein bekannt, dass die Menschen in den ärmeren Weltregionen den höchsten Preis zahlen.»

Ungenügende Finanzierung des Nordens ist ein Knackpunkt für den Süden
Die COP27 muss wegweisend sein für eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihres Beitrags zur klimaneutralen Welt sowie von dringend benötigten Anpassungsmassnahmen in ihren Ländern. Die Schweiz muss ihre finanzielle Unterstützung dringend ausbauen und sich in den Verhandlungen für ein stärkeres Engagement aller grossen Verursacher-Staaten einsetzen. Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft bei SWISSAID, erklärt: «Der Wohlstand, den wir uns in den letzten 200 Jahren erarbeitet haben, ging auch zulasten der Umwelt. Wir haben zusammen mit den anderen Industriestaaten die nie da gewesene Beschleunigung des Klimawandels verursacht, worunter die ärmsten Länder in exponierten Staaten bitter leiden. Ein proaktives Engagement der Schweiz, um diese Länder angemessen zu unterstützen, ist zwingend.»

Für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder ist die Verhandlung über eine finanzielle Unterstützung für erlittene Schäden und Verluste besonders wichtig, zumal die Verursacher-Staaten sich bisher weigern, finanzielle Zusagen zu machen. Dabei ist es zentral, die Bedürfnisse dieser Länder auf Augenhöhe zu berücksichtigen. «Den Stimmen der Betroffenen muss bei der Erarbeitung von Lösungen Gehör verschafft werden», betont Christina Aebischer, die für Helvetas an der COP teilnimmt. Die Schweiz muss als konstruktive Brückenbauerin Konsenslösungen aktiv stützen.

Aber auch Schweizer Konzerne, die massgeblich zum Klimawandel beitragen, stehen in der Pflicht, findet Yvan Maillard Ardenti, Programmverantwortlicher für Klimagerechtigkeit bei Heks: «Nicht nur Staaten, sondern auch private Verursacher wie Konzerne sollten sich an einem Fonds für die Kompensierung von klimabedingten Schäden und Verlusten beteiligen».

Symptomatisch für die schlechte Zahlungsmoral der grossen EmittentInnen wie der Schweiz ist die Umsetzung des aktuellen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar ab 2020 pro Jahr für Mitigations- und Anpassungsmassnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern (die sogenannte ‘Klimafinanzierung’): Es wurde um mindestens 16.7 Milliarden Dollar verfehlt und zu 71% in Darlehen geleistet, die zurückbezahlt werden müssen bzw. sich als Schulden anhäufen. Auch die Schweiz kommt ihren Verpflichtungen nur unzureichend nach: Statt neue, zusätzliche Mittel bereitzustellen setzt sie dafür vorwiegend Gelder ein, die für die Entwicklungszusammenarbeit budgetiert waren. «Damit werden Klimaschutz und Armutsbekämpfung gegeneinander ausgespielt», kritisiert Angela Lindt von Caritas Schweiz.

Jetzt die Weichen für das nächste Finanzierungsziel stellen

In Ägypten werden Verhandlungen für ein nächstes Finanzierungsziel nach 2025 geführt. Auch wenn hier noch kein Durchbruch erwartet wird, muss die Schweiz sich dafür einsetzen, dass die Lehren aus dem Scheitern des jetzigen Ziels gezogen werden. «Die kollektive Verantwortung wird auch bei einem nächsten Finanzierungsziel scheitern, wenn dieses nicht verbindlicher vereinbart wird», befürchtet Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud. Es muss klar sein, wie sich der faire Anteil jedes Staats am gemeinsamen Ziel berechnen lässt, damit die nötige Gesamtsumme zustande kommt.

Für weitere Informationen:
Fastenaktion, David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. +4176 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch
Solidar Suisse, Cyrill Rogger, Desk Officer Südosteuropa, Tel. +4144 444 19 87, cyrill.rogger@solidar.ch
SWISSAID, Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft, Tel. +4179 363 54 36, s.tschirren@swissaid.ch
Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. +4144 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org
Heks, Yvan Maillard Ardenti, Programmverantwortlicher für Klimagerechtigkeit, Tel. +4179 267 01 09, yvan.maillard@heks.ch
Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungspolitik, Tel. +4141 419 23 95, alindt@caritas.ch
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, Tel. +4177 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

Side-Events während der COP27:
-    07.11.22: Climate Symposium von Caritas Schweiz zum Thema «The Role of International Development NGOs in Climate Change Adaptation», Hotel Bern in Bern. Der Anlass ist offen für interessierte Medienschaffende.
-    10.11.22: Side Event zu «Dealing with Losses and Damages», organisiert durch HELVETAS und Ministerium für Umwelt und Wasser Ecuador. 13:15 – 14:45 Cairo Time, Livestream auf Youtube, Link via www.helvetas.org/cop27

Zum Weiterlesen siehe auch das Faktenblatt von Alliance Sud zum Schweizer Beitrag an die internationale Klimafinanzierung

Artikel

Klimafinanzierung: der wundersame Anstieg

06.12.2022, Klimagerechtigkeit

Auf dem Papier hat die Schweiz in den letzten zehn Jahren die Unterstützungsleistungen an Entwicklungs- und Schwellenländer für den Klimaschutz mehr als verdreifacht. In Wirklichkeit ist der Beitrag des Bundes aber nicht wesentlich gewachsen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Klimafinanzierung: der wundersame Anstieg
Muhammad Chuttal Korai vor dem Restaurant seiner Familie in Khairpur Nathan Shah, Pakistan. Bei der Flut im Jahr 2022 haben mehr als 1500 Menschen ihr Leben und Millionen ihr Haus verloren.
© Gideon Mendel / Drowning World

Die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan sind nur ein Beispiel: Die Auswirkungen der Klimaerwärmung werden Jahr für Jahr stärker und sichtbarer. Die ärmsten Länder und die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen trifft es oft besonders schwer. Sie haben die grösste Not, sich an das veränderte Klima anpassen zu können, sei es ihre Küste vor Stürmen und Fluten zu schützen oder ihre Landwirtschaft auf Hitze und Trockenheit einzustellen. Gleichzeitig braucht es für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1.5°C Klimaneutralität in allen Ländern. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Klimawandel bleibt eine globale Herausforderung.

Der globale Norden ist nicht nur für die Klimakrise verantwortlich, er verfügt auch über die meisten finanziellen Mittel, sowohl zur Bekämpfung des Klimawandels (‘Mitigation’) wie auch für die Anpassung an das veränderte Klima (‘Adaptation’). Bereits 2010 hat die Weltgemeinschaft beschlossen, dass die Industriestaaten den Entwicklungs- und Schwellenländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen müssen, damit diese die Entwicklung ihrer Netto-Null-Gesellschaft sowie die benötigte Anpassung an den Klimawandel finanzieren können. Dabei muss es sich laut Klimarahmenkonvention um neue, zusätzliche Gelder handeln. Für eine verbindliche Aufteilung der Rechnung auf die verantwortlichen Staaten reichte der politische Wille aber nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass das globale Ziel im Jahr 2020 verfehlt wurde. Gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kam – optimistisch mit den offiziellen Zahlen der Geberstaaten gerechnet – ein Betrag von 83.3 Milliarden Dollar zusammen; 71% der Gelder wurden allerdings nur geliehen und müssen wieder zurückbezahlt werden. Dies trägt zur Verschuldung der Empfängerstaaten bei.

Der Bundesrat berechnet mit einer Mischung aus dem Verbraucherprinzip und unserem Wohlstand, dass die Schweiz zwischen 450 und 600 Millionen Dollar zum globalen Finanzierungsziel beitragen soll. Das ist zu tief; der faire Anteil läge – unter Berücksichtigung der im Ausland anfallenden Emissionen der Schweiz – bei 1 Milliarde . Er sagt auch, woher das Geld hauptsächlich kommen soll: aus dem bestehenden Budget der internationalen Zusammenarbeit. Dieses wurde im Verlauf der Jahre nicht mehr erhöht als der allgemeine Bundeshaushalt. Das ist Geld, das gleichzeitig dazu dienen soll, die internationalen Vorgaben für die öffentliche Entwicklungshilfe zu erfüllen (wobei die Schweiz bei weitem nicht auf Kurs ist). Ganz nach dem Motto: Zweimal ausweisen, einmal bezahlen.

In diesem Sinn beginnt die Schweiz, innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit einen zunehmend grösseren Schwerpunkt auf Klima zu setzen und rechnet immer mehr Projekte der Klimafinanzierung an. So erklärt sich die Verdoppelung des Beitrags der Schweiz für bilaterale Klimaprojekte von 2011 bis 2020. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sowie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), welche für diese Projekte zuständig sind, haben natürlich Recht, den Klimawandel in ihren Projekten vermehrt zu berücksichtigen. Jedoch ist dabei sehr undurchsichtig, ob alle Projekte gezielt klimarelevant  konzipiert werden oder ob Projekte vor allem im Nachhinein als solche klassifiziert werden. Doppelt angerechnet mit der Entwicklungszusammenarbeit werden sie allemal.

Ein zweiter Grund für den steilen Anstieg der ausgewiesenen Klimafinanzierung liegt in den Beiträgen der Schweiz an multilaterale Institutionen. Dazu gehören multilaterale Fonds wie der Grüne Klimafonds (GCF) und thematisch breitere Institutionen wie die Entwicklungsbanken. Klimafonds wurden gezielt zur Umsetzung der Klimakonvention gegründet. Der Schweizer Beitrag für diese steigt richtigerweise an, beträgt aber 2020 nur ein Drittel der multilateralen Klimafinanzierung der Schweiz. Zwei Drittel werden über Entwicklungsbanken, allen voran die Weltbank investiert. Dort gibt es jedoch ein ähnliches Phänomen wie bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit: Es werden immer mehr Projekte der Klimafinanzierung angerechnet, welche bereits vorher im Portfolio enthalten waren. Mit neuen Anrechnungsmethoden für die multilateralen Beiträge steigt die Klimafinanzierung der Schweiz über die Jahre mehrmals sprunghaft an.

So berichtet die Schweiz der UNO für das Jahr 2020 einen Beitrag von 411 Millionen Dollar öffentlicher Mittel für die Klimafinanzierung, dazu werden 106 Millionen Dollar private Mittel zum Schweizer Beitrag gezählt, die dank öffentlicher Mittel «mobilisiert» worden seien (z.B. mittels Anschubfinanzierungen oder Garantien für risikoreiche private Investitionen). Der Bundesrat zeigt sich ganz zufrieden damit. Neue und zusätzliche Gelder für die Klimafinanzierung, die nicht aus dem Entwicklungsbudget «geklaut» wurden, machen aber nur einen Bruchteil aus, nämlich in Form bescheidener Beiträge an die multilateralen Klimafonds – das wären dann 68 Millionen Dollar. Die Bücher der Eidgenossenschaft sind manchmal lesenswert.

Klimafinanzierung kurz erklärt

In der internationalen Klimapolitik bedeutet Klimafinanzierung die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern im Klimabereich. Die ärmsten Länder sind am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich und haben am wenigsten finanzielle Ressourcen, um den Klimawandel zu bekämpfen und sich an die Klimaveränderungen anzupassen.
Dabei ist die Klimafinanzierung nur ein Aspekt der Klimagerechtigkeit. Genauso wichtig für den globalen Süden ist der Abbau der CO2-Emissionen im globalen Norden, inklusive der Schweiz.

Weitere Informationen in unserem Faktenblatt.

Artikel

Eine Frage des Designs

22.03.2023, Klimagerechtigkeit

Die Politikempfehlungen des Weltklimaberichts aus Interlaken machen den riesigen und dringlichen Finanzierungsbedarf im Globalen Süden noch deutlicher. Aber wo stehen die Verhandlungen für ein neues Ziel der internationalen Klimafinanzierung ab 2025?

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Eine Frage des Designs

© Delia Berner / Alliance Sud

Am UNO-Sitz in Wien wehen die Fahnen der Staaten im Wind, während vor dem Eingang einige Aktivist:innen gegen das brutale Vorgehen des iranischen Regimes demonstrieren. Drinnen wird eifrig darüber diskutiert, wie ab 2025 die Entwicklungsländer im Klimabereich besser finanziell unterstützt werden sollen. Dabei steht ausser Frage, dass die Bedürfnisse bereits jetzt weit über der verfügbaren Klimafinanzierung liegen und in naher Zukunft nochmals stark ansteigen werden. Allein zur Anpassung («Adaptation») an die Klimaerwärmung im Globalen Süden rechnet die UNO mit einem jährlichen Bedarf von mehr als 300 Milliarden Dollar bis 2030 und mehr als 500 Milliarden Dollar bis 2050. Dazu kommt die globale Herausforderung zur Eindämmung der Erwärmung auf maximal 1.5 Grad Celsius durch die Reduktion und Vermeidung von Treibhausgasen («Mitigation»), die ebenfalls massive finanzielle Unterstützung im Globalen Süden voraussetzt. Noch nicht einberechnet sind die stark wachsenden Finanzierungsbedürfnisse von Schäden und Verlusten in den Ländern, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.

Die Klimakonferenz COP26 in Glasgow verabschiedete ein Mandat zur Verhandlung eines nächsten Finanzierungsziels innerhalb von drei Jahren, da das heutige 100-Milliarden-Ziel der Klimafinanzierung 2025 ausläuft. Das sogenannte New Collective Quantified Goal, kurz NCQG, soll die Umsetzung von Artikel 2 des Pariser Abkommens beschleunigen – Artikel 2 beinhaltet Mitigation (bzw. das 1.5-Grad-Ziel), Adaptation und die Transition zu klimaverträglichen Finanzflüssen. Das Ziel darf gemäss Mandat nicht tiefer als die bisherigen 100 Milliarden Dollar pro Jahr liegen, muss die Bedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigen und soll nicht nur aus einer Zahl bestehen, sondern auch qualitative Anforderungen beschreiben – welche, ist Gegenstand der Verhandlungen. Es sollen die Lehren aus dem ungenügend erfüllten 100-Milliarden-Ziel gezogen werden.

In Wien fand vom 8. bis 10. März 2023 ein Technischer Dialog statt, der die Verhandlungen zum NCQG an den nächsten beiden COP-Klimakonferenzen vorbereiten soll. Die Vertreterinnen und Vertreter der Vertragsstaaten diskutierten unter Einbezug einiger Personen aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und dem Privatsektor über verschiedene Möglichkeiten des «Designs» des neuen Ziels. Der auf Englisch benutzte Begriff «design» kann auf Deutsch mit Gestaltung, Entwicklung, Bauweise und vielem mehr übersetzt werden, was die Breite der offenen Fragen gut umschreibt. Die Schweiz war durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) vertreten, das weiteren Interessierten aus der Schweiz wie Alliance Sud eine Teilnahme ermöglichte.

Welche Unterziele?

Die Vorschläge, wie das neue Ziel aussehen soll, sind naturgemäss sehr unterschiedlich und zeigen die ganze Bandbreite der politischen Positionen auf. Die meisten Delegationen des Globalen Südens schlagen eine Aufteilung des Ziels in drei Unterziele zu Mitigation, Adaptation und Schäden und Verluste vor. Mitigation und Adaptation sollten aus mehreren Gründen aufgeteilt werden. Während die Finanzierung von Mitigation – insbesondere die Förderung erneuerbarer Energien – immer häufiger durch Unternehmen und Inverstor:innen erfolgt, wird die Finanzierung der Klimaanpassung auch in Zukunft grosse Mengen an öffentlichen Geldern benötigen. Werden die beiden Bereiche wie bisher zusammengenommen, erhalten die Geberstaaten im Globalen Norden einen Anreiz, öffentliche Mittel einzusparen, indem sie vermehrt auf die Mobilisierung privater Mittel setzen – mit dem Resultat, dass wie heute der Globale Süden viel zu wenig in der Klimaanpassung unterstützt wird und die privaten Investitionen hauptsächlich in Länder mittleren Einkommens getätigt werden.

Mitigation und Adaptation aufzuteilen würde also bedeuten, die Lehren aus dem heutigen Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Bereichen sowie aus der Vernachlässigung der ärmsten Länder zu ziehen. Die bisherigen Geberstaaten beharren derweil auf Flexibilität und lehnen darum die Unterteilung in Unterziele ab. Qualitative Aspekte sollen lediglich als Prinzipien einfliessen, also beispielsweise die Balance zwischen Mitigation und Adaptation im Beschlussestext erwähnt werden. Man könnte auch sagen: weiter wie bisher.

Die Finanzierung von Schäden und Verlusten über ein zusätzliches Unterziel würde aus der Perspektive der Klimagerechtigkeit absolut Sinn machen, wenn dadurch zusätzliche öffentliche Mittel gesprochen werden. Nach dem Entscheid der COP27 in Ägypten für einen Fonds zur Deckung von Kosten bei Schäden und Verlusten können sich die Länder des Globalen Nordens dieser Diskussion nicht mehr entziehen.

Eine weitere Frage stellt sich nach der zeitlichen Komponente des Ziels. Soll es ein kollektives Ziel für jährliche Beiträge sein, die bis zu einem festgelegten Zeitpunkt (z. B. bis 2030 oder bis 2035) geleistet werden sollen, nach dem der ganze Verhandlungsprozess wieder von vorne beginnt? Oder schafft es die Staatengemeinschaft, sich auf längerfristige Mechanismen zu einigen, sodass zumindest die Grundsätze des Ziels nicht mehr alle fünf Jahre neu verhandelt werden müssen?

Der Wille für ein längerfristiges Design scheint bei vielen vorhanden, die Krux ist aber, einen akzeptierten Überprüfungsmechanismus zu finden, mit dem das Ziel periodisch auf neue Realitäten angepasst werden kann. Eine weitere offene Frage betrifft schliesslich die Höhe der neuen kollektiven finanziellen Verpflichtungen. Hier besteht die grundlegende Meinungsdifferenz darin, ob die Höhe technisch auf objektiven Schätzungen für die Bedürfnisse beruhen soll oder ob dies eine rein politisch auszuhandelnde Grösse ist. Letztlich werden all diese Fragen erst an der COP29 im Jahr 2024 fertigverhandelt. Die Technischen Dialoge bieten aber die Gelegenheit, mögliche Optionen zu erarbeiten, die auch in der Umsetzung funktionieren könnten und dabei die Prioritäten und Bedürfnisse der anderen Parteien besser berücksichtigen.

Öffentliche Finanzierung für Klimaanpassung stärken

Die Schweiz gehört zu denjenigen Staaten, deren bisherige Klimafinanzierung tatsächlich eine Balance zwischen Mitigation und Adaptation erreicht (allerdings auf Kosten bisheriger Entwicklungszusammenarbeit und insgesamt zu tief angesetzt). Sie sollte sich dafür einsetzen, dass die ärmsten Länder angesichts stark steigender Finanzierungslücken längerfristig mit genügend öffentlichen Mitteln zur Klimaanpassung unterstützt werden. Am klarsten kann dies mit einem starken Unterziel für öffentliche Anpassungsfinanzierung erreicht werden. Für die ab 2025 anstehende Umsetzung in der Schweiz bedeutet dies, dass verursachergerechte neue Finanzierungsinstrumente gefunden werden müssen, um zusätzliche öffentliche Einkünfte dafür generieren zu können. Die Schweiz darf sich nicht ein zweites Mal erlauben, die Klimafinanzierung ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel auf dem Buckel der internationalen Zusammenarbeit umzusetzen. Klimafinanzierung ist keine zusätzliche Unterstützung für den Globalen Süden, wenn sie bisherige Unterstützung in anderen Bereichen verdrängt.

Meinung

Im Schatten des Vulkans

23.03.2023, Klimagerechtigkeit

Sandstrände, Rum und farbige Fische: Das ist die Karibik aus dem Ferienprospekt. Vergessen geht dabei, dass die karibischen Inseln ganz besonders durch Naturereignisse gefährdet sind. Von Karin Wenger.

Im Schatten des Vulkans

© Karin Wenger

Als wir der Westküste von Montserrat entlangsegeln, rieche ich es auf einmal: Ein übler Gestank. Vielleicht ein fliegender Fisch, der an Deck gesprungen ist, ohne dass wir ihn entdeckt haben? Nein. Es stinkt nach faulen Eiern. Und dann sehen wir sie: kleine Schwefelwölkchen, die aus dem Schlund des Vulkans quellen und mit dem Wind zu uns aufs Meer getrieben werden. Der Soufrière-Hills-Vulkan spuckt, und das schon seit fast dreissig Jahren.

Bei seinem Ausbruch 1995 erwischte er die Bewohner:innen kalt. Seit dem 16. Jahrhundert hatte sich der Soufrière-Hills-Vulkan nicht geregt und auf einmal, nach 270 Jahren Dornröschenschlaf, war er erwacht. Der Vulkan begann Asche und Lava zu spucken, die Hauptstadt Plymouth, die an der Westseite des Vulkans liegt, musste evakuiert werden. Von den mehr als 11’000 Inselbewohner:innen zogen die meisten fort. Da Montserrat bis heute ein britisches Überseegebiet ist, gingen viele nach England, wo sie Hilfe bekamen.

Auch Vernaire Bass, die beim Ausbruch des Vulkans Teenager war, verliess damals ihre Heimat. «Nicht nur die Infrastruktur war zerstört, sondern es gab auch keine Arbeit mehr und keine Zukunft für uns», erinnert sich Bass, die heute unter anderem das Nationalmuseum auf der Insel leitet. Zudem sei der Vulkan nicht die einzige Gefahr gewesen. «Jedes Jahr ab Juni müssen wir damit rechnen, dass alles, was wir uns aufgebaut haben, von einem Hurrikan vernichtet wird. Das bedeutet ein Leben in ständiger Unsicherheit. Viele Inselbewohnener:innen – nicht nur hier, sondern in der ganzen Karibik – leiden deshalb an PTSD, Posttraumatischer Belastungsstörung.» So tobte beispielsweise 1989 Hurrikan Hugo über die Karibik und richtete riesige Verwüstungen an, auch in Montserrat. Während sechs Jahren wurden die Hauptstadt Plymouth und die Infrastruktur der Insel wieder aufgebaut, es gab ein neues Spital und neue Schulen; als alles wieder hergerichtet war, brach der Vulkan aus. Vernaire sagt: «Ohne die Hilfe aus England wäre die Insel heute wohl menschenleer. Wir hätten schlicht nicht das Geld gehabt, alles wieder aufzubauen.»

Montserrat ist nicht die einzige Vulkaninsel in der Region. Hier stösst die karibische Platte auf andere Platten, was Reibung erzeugt; deshalb kommt es hier immer wieder zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Gerade im Gebiet der Antillen, zu denen auch Montserrat gehört, gibt es einen Kreuzungspunkt der nord- und südamerikanischen und der karibischen Platte, sodass hier besonders grosse Spannungen entstehen können. Die Hurrikan-Saison beginnt jedes Jahr im Juni und dauert bis November. 2022 fegten 14 grosse Stürme und acht Hurrikane über die Karibik. Auf einigen Inseln richteten sie grossen Schaden an. So traf Hurrikan Ian im vergangenen September auf Kuba. Über drei Millionen Kubanerinnen und Kubaner waren direkt betroffen, Zehntausende verloren ihr Zuhause. Steigt die Temperatur um zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, besteht laut Klimaforscher:innen in der Karibik eine fünf Mal höhere Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen von Hurrikanen, Stürmen und schweren Fluten. Das bedeutet als Zukunftsszenario: die Zerstörung von Lebensraum und die Vertreibung von Millionen von Menschen.

Auch Montserrat wurde im vergangenen Jahr von einem schweren Hurrikan getroffen. Hurrikan Fiona fegte am 16. September 2022 über die Insel. Am stärksten betroffen war Plymouth, die ehemalige Hauptstadt, die bereits vom Vulkan zerstört worden war. Der Vulkan hat seit 1995 nicht mehr aufgehört zu spucken. In den vergangenen Jahren wuchs der Dom des Vulkans immer wieder um hunderte von Metern, um dann zu kollabieren. Den letzten Domkollaps gab es 2010. Immer noch sind zwei Drittel der Insel und ein Umkreis von zehn Seemeilen um den südlichen Teil der Insel Sperrgebiet, auch Plymouth. Nur dank einer Spezialbewilligung können wir die Überreste von Plymouth besuchen. Hier, wo früher geschäftiges Treiben herrschte, liegt nun eine geisterhafte Stille über den Ruinen. Der Vulkan hat die Stadt regelrecht eingeäschert und verschluckt. Von dreistöckigen Gebäuden sind nur noch die obersten Stockwerke sichtbar; wo einst ein langes Dock für Kreuzfahrtschiffe war, sieht man bloss noch den kleinen Stumpf eines Docks – der Vulkan hat so viel Masse ausgespuckt, dass die Küstenlinie um hundert Meter ins Meer verschoben wurde. Wo einst Wasser war, ist nun neues Land.

Heute wird der Vulkan von einer Gruppe internationaler Wissenschaftler:innen des «Montserrat Volcano Observatory» rund um die Uhr überwacht. Einer von ihnen ist José Manuel Marrero, ein spanischer Vulkanologe. Er sagt: «Die Gefahr eines neuen, grossen Ausbruchs besteht. Wir wissen nur nicht, wann er stattfinden wird.»

Trotzdem ist Vernaire Bass nach mehr als zwei Jahrzehnten in Grossbritannien vor drei Jahren auf die kleine Karibikinsel zurückgekehrt. «Ich sehnte mich nach meiner Heimat und wollte an der Entwicklung der Insel teilnehmen», sagt sie. Doch die Insel hat sich verändert. Von den einst mehr als 11’000 Bewohner:innen sind nur 3’000 geblieben. Jeder kennt jeden, Korruption ist weit verbreitet und neue Ideen scheitern oft an den starren Vorstellungen einiger weniger Familien mit Macht und Einfluss. Es gibt Momente, in denen Vernaire ihre Rückkehr in die Heimat bereut. Trotzdem sagt sie, der Vulkan habe ihr ein Geschenk gemacht: «Er hat mich gelehrt, mich anzupassen. Ich kann überall überleben, wenn ich Nahrung und eine Unterkunft habe. Das unterscheidet uns Inselbewohner:innen wahrscheinlich von den Europäer:innen: Die ständige Gefahr macht uns widerstands- und überlebensfähig.»

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© zVg
Karin Wenger

Die Autorin: Karin Wenger

Karin Wenger war von 2009 bis 2022 Süd- und Südostasien-Korrespondentin von Radio SRF mit Sitz in Neu Delhi und Bangkok. Im Frühling hat sie drei Bücher über ihre Zeit in Asien veröffentlicht. Seit Sommer segelt sie mit ihrem Partner durch die Karibik und schreibt über vergessene Themen und Weltgegenden. Mehr Informationen finden Sie hier www.karinwenger.ch oder www.sailingmabul.com

Artikel

Fossile Brennstoffe im Boden lassen!

06.04.2015, Klimagerechtigkeit

Sinnvoller als um den CO₂-Ausstoss in den einzelnen Ländern zu feilschen, wäre es, die fossilen Energiereserven gar nicht erst zu fördern. Vielleicht gibt eine Studie von «Nature» den Anstoss dazu.

Fossile Brennstoffe im Boden lassen!

© Dieter Schütz/pixelio.de

Der letzte Uno-Sachstandsbericht hält fest: Aus der Verbrennung fossiler Energien dürfen in Zukunft höchstens noch etwa 1‘000 Gigatonnen CO₂ emittiert werden, wenn die globale Klimaerwärmung 1.5 bis maximal 2° Celsius nicht überschreiten soll. Auf dem Niveau des derzeitigen Verbrauchs an Öl, Erdgas und Kohle werden die kumulierten Emissionen diesen Wert jedoch bereits in 25 bis 30 Jahren überschreiten.

Eine kürzlich in «Nature» veröffentlichte Studie beleuchtet diese Problematik. Damit die zukünftig in die Atmosphäre emittierte Menge an fossilem CO₂ die Gesamtmenge von 1‘100 Gigatonnen nicht überschreitet, müssten von den heute erschliessbaren Weltreserven ein Drittel der Öl-, die Hälfte aller Gas- und über 80% der globalen Kohlevorkommen unangetastet im Boden bleiben.

Das heisst nichts anderes, als dass die klassische Frage nach der Endlichkeit der fossilen Energieressourcen eigentlich die falsche ist. Das wahre Problem ist, dass ein Grossteil der fossilen Ressourcen in Zukunft gar nicht mehr genutzt werden darf. Denn bei vollständiger Verbrennung der bereits erschlossenen fossilen Energiereserven entstünden CO2-Emissionen, welche die maximal tolerierbare CO₂-Menge um ein Dreifaches übersteigen würden. Nimmt man die erst vermuteten fossilen Ressourcen der Erde dazu, so würde dies zu einer geschätzten Gesamt-Emission von 11‘000 Gigatonnen CO2 führen. 

Die De-Investition ins Öl hat begonnen

Beschlösse die Weltgemeinschaft, dass der Grossteil der globalen fossilen Ressourcen im Boden bleiben sollen, so verlören diese an Wert.  Bereits heute stellen die gestiegenen Produktionskosten für die Erschliessung und Förderung von Öl-, Erdgas- und Kohlereserven, aber auch die kontinuierlich sinkenden Kosten für erneuerbare Energien die Rentabilität der Fossilindustrie in Frage. Der Ölpreiszerfall der letzten Monate, auch wenn unterschiedlichste Gründe dafür geltend gemacht werden, zeigt exemplarisch, welche Auswirkungen der Ölpreis auf Investitionen und die Weltwirtschaft hat. Bleibt der Ölpreis unterhalb von 60 US-Dollar pro Fass, so wurden gemäss Schätzungen von «Carbon Tracker» bereits Förder-Investitionen im Wert von 10 Mrd. US-Dollar in den Sand gesetzt. Die Energie- und Finanzindustrie hat reagiert und bereits bewilligte Förderprojekte im Umfang von schätzungsweise 75 Mrd. US-Dollar wieder sistiert. Der deutsche Energieriese E-On verkündete Ende 2014, sein fossiles Portfolio abzustossen. Auch die Rockefeller Foundation hat verlauten lassen, in Zukunft nur noch in Kohlenstoff-freie Projekte zu investieren. Und Warren Buffet, dessen Entscheide in der Finanzwelt als wegweisende Orakel gelten, verkaufte unlängst mehrere Millionen Aktien von Exxon-Mobil und anderen Ölfirmen.

Trotz der alarmierenden Befunde der Klimaforschung treiben die meisten Länder die schnelle und vollständige Erschliessung ihrer nationalen Vorkommen weiterhin voran, auch mit Unterstützung öffentlicher Gelder. Dabei stellt der absehbare Wertzerfall der fossilen Ressourcen staatliche Förderprogramme grundsätzlich in Frage. Die Ver(sch)wendung weiterer öffentlicher Gelder für Energien der Vergangenheit ist entsprechend politisch unverantwortlich. Dennoch besteht die Gefahr, dass Staaten, die über fossile Bodenschätze verfügen, die weitere Förderung – quasi im Endspurt um den letzten, noch verfügbaren «Atmosphärenplatz» – gar zu beschleunigen versuchen. Und Entwicklungsländer argumentieren, dass sie auf ihre fossilen Ressourcen angewiesen sind um das vorrangige Ziel – die Bekämpfung der Armut – zu erreichen. Da heute die technischen Möglichkeiten für eine klimaneutrale Energie-Versorgung existieren und diese auch finanzierbar wären, ist dieses Argument aber nicht stichhaltig.

Es bleibt darum die Frage, unter welchen Voraussetzungen «aufholende Volkswirtschaften» auf relativ einfach zugängliche fossile Energievorräte und die damit verbundene (wenn auch schrumpfende) Wertschöpfung verzichten würden. Dass eine internationale «Verteilung von Förderrechten» über den Weg der Klimaverhandlungen erzielt, geschweige denn durchgesetzt werden könnte, ist unrealistisch. Der vielversprechendste Weg wäre die rasche Bereitstellung ausreichender technologischer und finanzieller Mittel durch die wohlhabenden Länder, die über die klassische Entwicklungshilfe hinausgeht.

Klimafinanzierung neu denken

Die «Nature»-Studie unterstreicht damit die Bedeutung der internationalen Klimafinanzierung. Die reichen Länder haben im Zuge ihrer Industrialisierung bereits über 2‘000 Gigatonnen CO₂ emittiert und tragen damit die Hauptverantwortung für den Klimawandel. Sie haben denn auch den Entwicklungsländern ab 2020 Finanzhilfen von 100 Mrd. US-Dollar versprochen, allerdings ohne konkrete Verpflichtungen und einem Plan, wie diese zusätzlichen Gelder mobilisiert werden sollen. Dies auch darum, weil auch Schwellenländer Zugang zu diesen Hilfsleistungen verlangen. Weil gerade dort der Verbrauch fossiler Energien und die damit zusammenhängenden Treibhausgas-Emissionen rasant ansteigen, müsste das Konzept der Klimafinanzierung womöglich überdacht werden. Denn bereits liegen erste Entschädigungs-Forderungen für den (zukünftigen) Verzicht auf fossile Energien auf dem Tisch. Mit Bezug auf Artikel 8(h) im Entwurf des Uno-Klimaschutzabkommens, das sich auf die «nationalen Besonderheiten von Staaten, deren Wirtschaft stark von Einnahmen aus Produktion, Verarbeitung und Export fossiler Brennstoffe abhängen» bezieht, verweisen beispielsweise Golfstaaten auf die schrumpfenden globalen Märkte als Folge von Mitigations-Massnahmen. Erinnert sei auch an Ecuador, das (vergeblich) auf Kompensation für den Verzicht auf Ölförderung in einem Naturschutzgebiet gepocht hatte.

Es ist absehbar, dass solche oder ähnliche Forderungen im Zuge des knapper werdenden «Atmosphären-Budgets» in Zukunft lauter werden. Der Wandel des Weltmarkts für fossile Energieträger ist im Gang, was dieser alles nach sich zieht, ist aber weitgehend offen. Zwar muss der Anspruch bestehen bleiben, die Klimafinanzierung auf die Unterstützung der ärmsten und verwundbarsten Staaten auszurichten. Zusätzlich muss aber auch diese Frage in Zentrum rücken: Wie sollen Länder entschädigt werden, die – gleich wie der Norden – ihre Entwicklung (noch) einseitig auf nicht erneuerbare Ressourcen ausgerichtet haben?