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Medienmitteilung
Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen
26.06.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat hat heute entschieden, dass der Schweizer Privatsektor mit 500 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine unterstützt werden soll. Finanziert wird das Ganze aus dem Betrag im Budget der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028, der eigentlich für die Ukraine vorgesehen war. Doch selbst der Bundesrat hat gemerkt, dass dieser Vorschlag nicht gesetzeskonform ist.
Charkiw (Ukraine). © imago
Im Mai 2024 hat der Bundesrat die Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 dem Parlament vorgelegt. Darin sieht er vor, dass 1.5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe ausgegeben werden. In derselben Strategie schreibt er, dass der Förderung des lokalen Privatsektors eine zentrale Rolle zukomme: «Die Zusammenarbeit zwischen der IZA und dem Privatsektor ist stets auf Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Davon profitieren lokale KMU und die Bevölkerung» (S. 41). Kaum einen Monat später kommt der Bundesrat von dieser Idee ab. Er sieht nun für den Wiederaufbau der Ukraine nämlich 500 Millionen Franken für den Schweizer Privatsektor vor. Das ist mehr als die gesamten bilateralen Mittel der DEZA für Subsahara-Afrika in einem Jahr (2022).
Dass die Förderung des Schweizer Privatsektors aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit nicht gesetzeskonform ist, weiss der Bundesrat, denn er muss dafür eine neue gesetzliche Grundlage ausarbeiten. Für Alliance Sud ist unverständlich, weshalb der Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt einen solchen Vorschlag macht, bevor die IZA-Strategie 25-28 überhaupt im Parlament behandelt wurde. Es ist unvorstellbar, wie das Parlament über die Verpflichtungskredite der internationalen Zusammenarbeit beschliessen kann, wenn davon 500 Millionen Franken ohne bestehende Gesetzesgrundlage verwendet werden sollen.
«Es ist ein Skandal, dass mit den Geldern für die internationale Zusammenarbeit Schweizer Unternehmen finanziert werden sollen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Mit diesem Entscheid soll in der Ukraine die Praxis der «tied aid» (gebundene Hilfe), die international in der Kritik steht, grossflächig zur Anwendung kommen. «Das wird den Wiederaufbau massiv verteuern, wenn die Ukraine nicht den billigsten Anbieter für ein Produkt oder eine Dienstleistung auswählen kann, sondern auf die teuren Anbieter der Geberländer angewiesen ist», sagt er weiter.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Artikel, Global
Die Büchse der Pandora ist geöffnet
21.03.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Entwicklungsausschuss der OECD hat eine in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtete Entscheidung gefällt und spielt dabei mit dem Feuer: Er hat die Anrechnung von Privatsektorinstrumenten an die Entwicklungsfinanzierung gelockert, was weitreichende Folgen für die ärmsten Länder im Globalen Süden haben kann.
© Christina Baeriswyl
Seit es die Entwicklungsfinanzierung gibt, drehen sich die Diskussionen darum, wie sie gemessen werden soll. Während Geberländer daran interessiert sind, möglichst grosszügig dazustehen, geht es den Ländern des Globalen Südens insbesondere darum, dass ein möglichst grosser Anteil der Gelder da ankommt, wo sie am dringendsten benötigt werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die aktuelle Debatte um die Anrechnung öffentlicher Beiträge für Kredite und Investitionen in Unternehmen im Globalen Süden.
Im Februar 2016 einigten sich die Mitglieder des Entwicklungsausschusses (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen der «Modernisierung» der Definition der öffentlichen Entwicklungshilfe (aide publique au développement, APD) zum ersten Mal auf Anrechnungskriterien für «Privatsektorinstrumente» (Private Sector Instruments / PSI). Diese Instrumente umfassen öffentlich finanzierte Kredite an Unternehmen, Investitionen in Form von Kapitalbeteiligungen, Mezzanine-Finanzierungen1 und Garantien.
Die Mitglieder des DAC konnten sich jedoch nicht darauf einigen, wie die Privatsektorinstrumente in die APD einbezogen werden sollen, ohne die geltenden Grundsätze zu unterlaufen. Daraufhin wurden 2018 vorläufige Berichterstattungsrichtlinien verabschiedet, anhand derer PSI angerechnet werden können. Da die PSI nur 2-3% der gesamten APD ausmachen, wurde diese provisorische Lösung als akzeptabel erachtet, bis sich das DAC auf eine dauerhaftere Lösung einigen würde. Im Oktober 2023 kam diese Einigung zustande. Damit wurden weitreichende Folgen für die Entwicklungsfinanzierung eingeleitet.
Das Problem der Zusätzlichkeit
Seit der Einführung der APD in den 60er Jahren war einer ihrer zentralen Grundsätze die Konzessionalität (Vergünstigung). Entsprechend bestehen Entwicklungsgelder aus reinen Zuwendungen (grants) oder Krediten zu Vorzugsbedingungen. Mit dem Entscheid vom Oktober 2023 hat der Entwicklungsausschuss der OECD den Grundsatz der Konzessionalität über Bord geworfen und damit die APD neu definiert. Gemäss den neuen Regeln muss bei der Anrechnung der PSI ausgewiesen werden, inwiefern diese Gelder einen finanziellen oder inhaltlichen Mehrwert sowie einen entwicklungspolitischen Mehrwert leisten (siehe «Die drei Definitionen der Zusätzlichkeit»). Entsprechend wird von den DAC-Ländern erwartet, dass sie bei der Anrechnung der Privatsektorinstrumente Rechenschaft darüber ablegen, welche Form der Zusätzlichkeit zutrifft.
Der DAC selbst bedauert, dass die bislang übermittelten Daten uneinheitlich und die vorgelegten Berichte über die Zusätzlichkeit «unvollständig und nicht überzeugend» waren. Eine seriöse Berichterstattung über die Zusätzlichkeit ist jedoch entscheidend, um sicherzustellen, dass die DAC-Länder die begrenzten öffentlichen Entwicklungsgelder dort einsetzen, wo der Bedarf am grössten ist und die Wirkung am stärksten sein kann.
Die drei Definitionen der Zusätzlichkeit
Damit Privatsektorinstrumente der APD angerechnet werden können, müssen sie entweder einen finanziellen oder inhaltlichen sowie einen entwicklungspolitischen Mehrwert aufweisen:
- Ein Privatsektorinstrument erfüllt eine «finanzielle Zusätzlichkeit», wenn es Partnern aus dem Privatsektor (z. B. ein lokales Unternehmen) nicht möglich ist, auf den (lokalen oder internationalen) Kapitalmärkten zu den erforderlichen Bedingungen und/oder im erforderlichen Umfang eine Finanzierung für ihr Vorhaben zu erhalten; oder wenn die Aktivität Mittel aus dem Privatsektor mobilisiert, die sonst nicht investiert worden wären.
- Ein «inhaltlicher Mehrwert» liegt vor, wenn der öffentliche Sektor zusätzlich zu seiner Investition einen nicht-finanziellen Mehrwert für die Partner aus dem Privatsektor bereitstellt, den die Kapitalmärkte nicht bieten würden und der zu besseren Entwicklungsergebnissen führen soll. Dieser Mehrwert wird häufig durch die Konditionalität von Investitionen (z. B. Auferlegen von ESG/Environmental, Social, Governance-Kriterien), aktive Beteiligung (z. B. Einsitz im Verwaltungsrat), Aktivitäten zum Aufbau von Kapazitäten, Beratungsleistungen sowie andere Formen der technischen Hilfe angestrebt.
- Schliesslich liegt ein «entwicklungspolitischer Mehrwert» vor, wenn das Projekt darauf abzielt, eine Entwicklungswirkung zu erzielen, die ohne die Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor nicht eingetreten wäre.
Ohne klar nachvollziehbare und transparente Informationen zur Zusätzlichkeit besteht das Risiko, dass die APD durch kreative Buchführungspraktiken künstlich in die Höhe getrieben und damit die Definition von «Entwicklungshilfe» immer mehr verwässert wird. Immerhin werden ab 2026 die Informationen über die Zusätzlichkeit der PSI vom DAC speziell überprüft, «um die Integrität der APD zu fördern». Es ist zu hoffen, dass diese Überprüfungen mehr Licht ins Dunkel bringen.
SIFEM und Co.
Gemäss einer Studie des NGO-Netzwerks Eurodad wurde zwischen 2018 und 2021 ein Gesamtvolumen von 20.6 Milliarden US-Dollar als PSI deklariert, was einem Anteil von 3% an der gesamten APD entspricht. Vier der wichtigsten europäischen Geber (Grossbritannien, EU, Deutschland und Frankreich) stellen allein 80% der gesamten PSI zur Verfügung. Die Schweiz folgt weiter hinten auf dem 11. Platz mit 0.7% der gesamten PSI.
85% des Gesamtvolumens der PSI werden über Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (Development Finance Institutions / DFI) weitergeleitet, darunter ist in der Schweiz die Swiss Investment Fund for Emerging Markets (SIFEM). Die Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen der vier grössten europäischen Geber – British International Investment (BII) in Grossbritannien, die Europäische Investitionsbank (EIB/EU), die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sowie Proparco in Frankreich – machen 91% der als PSI gemeldeten Beiträge dieser DAC-Mitglieder aus. Einige dieser DFI haben ihr Portfolio innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt, und es ist zu erwarten, dass dieses Finanzvolumen in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.
Diese Entwicklungsfinanzierungsgesellschaften haben ein Renditemandat und investieren daher vorzugsweise in Ländern und Regionen, die ein geringeres Risikoprofil aufweisen und sicherere Gewinnchancen bieten. Wie die Abbildung oben zeigt, wurde zwischen 2018 und 2021 der überwiegende Teil der PSI in Ländern mit mittlerem Einkommen im oberen Bereich (UMICs) investiert (59 Prozent), gefolgt von Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (LMICs) (37 Prozent). Lediglich 4 Prozent der PSI gingen an die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs). Dies zeigt, dass die Entwicklungsgelder, die über PSI abgewickelt werden, kaum diejenigen Länder erreichen, die sie am dringendsten benötigen würden.
Die Schweiz rechnet der APD jährlich rund CHF 35 Mio. als PSI an. Diese umfassen die Kapitalzahlungen an die SIFEM im Rahmen von ungefähr CHF 30 Mio., zu denen noch andere Instrumente (weniger als CHF 5 Mio.) hinzukommen. Die SIFEM ist auf die langfristige Finanzierung von KMUs und anderen «schnell wachsenden» Unternehmen spezialisiert, mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.
Mobilisierte Gelder des Privatsektors
Die Privatsektorinstrumente müssen von den «mobilisierten Geldern des Privatsektors» unterschieden werden. Letztere umfassen alle privaten Mittel, die durch öffentliche Entwicklungsfinanzierungsmassnahmen angestossen werden; sie sind nicht Bestandteil der APD. Die mobilisierten Mittel können aber der breiter gefassten Kennzahl der Entwicklungsfinanzierung – dem total official support for sustainable development (TOSSD) – angerechnet werden.
Im kürzlich erschienenen Bericht über die Transparenz der dreissig grössten Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen – welche notabene ein Gesamtvermögen von 2000 Milliarden US-Dollar verwalten – wurde die SIFEM ganz unten platziert. Ende 2022 verfügte diese über ein Investitionsportfolio von USD 451 Millionen, das fast vollständig in Ländern mittleren Einkommens (MICs) investiert wurde. Genauer gesagt wurden 62% in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (LMIC) und 34% in Ländern mit hohem mittlerem Einkommen (UMIC) investiert. Auf Länder mit niedrigem Einkommen (LDC, z. B. Äthiopien und Malawi) entfielen nur 3% des Investitionsportfolios. Gleichzeitig wurden nur 42% des Portfolios in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz investiert.
Privatsektorinstrumente für wen?
Wir befinden uns in einer kritischen Zeit. Kriege, die Nachwehen der Corona-Pandemie und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels drängen Millionen von Menschen in die Armut. Gleichzeitig nehmen die Mittelzuwendungen ab oder bleiben bestenfalls gleich hoch. Es drängt sich also die Frage auf, ob der Ausbau der Privatsektorinstrumente, die mehrheitlich Ländern mittleren Einkommens dienen, der richtige Weg für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz ist. Für eine abschliessende Beurteilung der Wirksamkeit dieser Instrumente ist die aktuelle Datengrundlage nicht ausreichend. Aufgrund der geographischen Verteilung ist aber zu bezweifeln, dass sie einen Beitrag zum verfassungsmässigen Auftrag der IZA leisten – nämlich die Überwindung von Armut und Not für die ärmsten Länder, Regionen und Bevölkerungsgruppen. Deshalb sollten sie auch in Zukunft keinen zentralen Platz in der IZA einnehmen. Weitaus relevanter ist es aber sicherzustellen, dass die wichtigste Messgrösse der Entwicklungsfinanzierung – die APD – im Zuge des Modernisierungsprozesses nicht weiter verwässert und die Büchse der Pandora wieder geschlossen wird.
1 Mezzanine-Finanzierung wird von der OECD definiert als «Instrumente, die sich auf Finanzierungsarten beziehen, die zwischen vorrangigem Fremdkapital und Eigenkapital eines Unternehmens angesiedelt sind und sowohl Merkmale von Darlehen als auch von Eigenkapital aufweisen».
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global
Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
Medienmitteilung
Private Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit?
01.10.2020, Entwicklungsfinanzierung
In seiner Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024, die von beiden Parlamentskammern verabschiedet wurde, plant der Bundesrat, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft zugunsten der nachhaltigen Entwicklung zu diversifizieren, zu verstärken und neue Finanzinstrumente zu erproben. Ein neues Positionspapier von Alliance Sud analysiert das Potenzial, die Grenzen und Risiken dieses Vorgehens.
© Gerd Altmann / Pixabay
Der Bundesrat will mit den Mitteln der öffentlichen Entwicklungshilfe (aide publique au développement, APD) die «Mobilisierung zusätzlicher privater Mittel» für die nachhaltige Entwicklung ermöglichen, insbesondere durch sogenannte Mischfinanzierungen. Konkreteres bleibt die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 allerdings schuldig: Weder beziffert sie die Beträge, die für den Ausbau dieser Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft vorgesehen sind, noch stellt sie die konkreten Instrumente vor, geschweige denn die privaten Akteure, mit denen die offizielle Schweiz in Zukunft zusammenarbeiten will.
Zwar gibt es einen breiten Konsens darüber, dass private Investitionen in Entwicklungsländern notwendig sind, um die Finanzierung der Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) sicherzustellen; jüngste Studien und Berichte weisen jedoch darauf hin, dass die Erwartungen an von Staat und Privatsektor gemeinsam getragene, gemischte Finanzierungen stark übertrieben sind. Darüber hinaus stellen diese Analysen fest, dass die Umsetzung dieser Blended Finance-Strategien in den am wenigsten entwickelten Ländern (least developped countries, LDC) mit vielen Einschränkungen und erheblichen Risiken verbunden sind.
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» fasst Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken der verschiedenen Instrumente der gemischten Finanzierung zusammen. In ihren Schlussfolgerungen und Empfehlungen in Bezug auf die Finanzierung der Uno-Agenda 2030, in welcher die 17 SDG zusammengefasst sind, erinnert Alliance Sud u.a. daran, dass
- die Mobilisierung eigener öffentlicher Mittel der Entwicklungsländer eine Priorität sein muss, um die Finanzierung der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen; in diesem Zusammenhang muss namentlich der Kampf gegen unlautere Finanzströme (illicit financial flows) hohe Priorität geniessen.
- im Hinblick auf die Entwicklung des Privatsektors den lokalen Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität eingeräumt werden sollte.
- der Einsatz von Mischfinanzierungen und Partnerschaften zwischen Staaten und privaten Unternehmen nur eine Möglichkeit ist, um zur Erreichung der SDG beizutragen.
Alliance Sud fordert, dass alle Formen der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz evaluiert werden, und dass vor der Entwicklung neuer Partnerschaften bzw. neuer Finanzierungsinstrumente eine detaillierte Strategie vorgelegt wird, in der neben ökonomischen auch soziale und ökologische Kriterien gebührend berücksichtigt werden.
Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit: Die Position von Alliance Sud, 29 Seiten, September 2020.
Weitere Informationen:
Laurent Matile, Dossier Unternehmen und Entwicklung, Alliance Sud, Tel. +41 78 802 06 20
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Verpasste Chancen in Addis Abeba
16.08.2015, Entwicklungsfinanzierung
Die Addis Abeba Action Agenda ist unter Dach und Fach. Während die Diplomaten die Verhandlungen als Erfolg feiern, kritisiert die Zivilgesellschaft das Resultat als ungenügend.
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Die internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba war geprägt vom Streit um unlautere Finanzflüsse und Steuerfragen. Die Entwicklungsländer forderten ein neues intergouvernementales Gremium, um bei der internationalen Zusammenarbeit gegen die Steuerflucht und die Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne endlich gleichberechtigte Mitsprache zu erhalten. Die Industrieländer blockierten dieses wichtige Anliegen jedoch erfolgreich. Das bereits bestehende Steuerkomitee der Uno wird zwar mit mehr Ressourcen ausgestattet, aber die wichtigen politischen Entscheidungen werden weiterhin in der OECD fallen – unter Ausschluss des globalen Südens.
Doch nicht nur in der Steuerfrage mussten die Entwicklungsländer klein beigeben. Die reichen Industrieländer sind auch nicht bereit, sich auf eine Frist für das vor Jahrzehnten gegebene Versprechens einzulassen, 0.7% ihres jeweiligen Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Zwar bestätigen sie im heutigen Schlussdokument der Konferenz das 0.7%-Ziel; ohne einen verbindlichen Zeitrahmen ist dieses Versprechen jedoch nur wenig wert.
Immerhin konnten die Entwicklungsländer in Addis Abeba durchsetzen, dass es im Uno-Rahmen weiterhin eigenständige Konferenzen zur Entwicklungsfinanzierung geben wird. Auch soll an diesen Konferenzen weiterhin über die grossen Fragen der Weltwirtschaft und die Mitsprache der Entwicklungsländer in der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds diskutiert werden. Dafür gelang es den reichen Industrieländern, weitere Diskussionen um ein geregeltes Verfahren zur Restrukturierung von Staatsschulden abzublocken. Die Entwicklungsländer werden also ähnlich wie Griechenland weiterhin neue Kredite aufnehmen müssen, um alte und oft illegitime Schulden abzustottern.
Für Alliance Sud sind an der Konferenz von Addis Abeba wesentliche Chancen verpasst worden, um eine nachhaltige Zukunft zu finanzieren. Die Ablehnung der Hauptforderungen der Entwicklungsländer wird an der Klimakonferenz vom Dezember in Paris den Druck erhöhen, weitere Mittel im Kampf gegen den Klimawandel zu generieren. Notabene sind die Entwicklungsländer speziell von den Folgen des Klimawandels betroffen. Ein weiteres Mal dürfen sich die Industrieländer also nicht vor der Verantwortung drücken, ihren Teil zu einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung beizutragen.
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Ringen um Entwicklungsfinanzierung
13.07.2015, Entwicklungsfinanzierung
Heute beginnen in Addis Abeba die Verhandlungen um einen Finanzierungsrahmen für nachhaltige Entwicklung. Über 600 NGOs rufen dazu auf, die nötigen Finanzen sicherzustellen.
Im September sollen die Uno-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) verabschiedet werden. Bereits heute wird in Addis Abeba, Äthiopien, über einen Rahmen zur Finanzierung dieser Ziele verhandelt. Aus Sicht von Alliance Sud sind die bisherigen Verhandlungsergebnisse allerdings enttäuschend. Einigkeit herrscht bloss bezüglich der Tatsache, dass enorme Summen notwendig sein werden, um die Ziele zu erreichen. Aber woher soll das Geld kommen? Mit Ausnahme von einigen wenigen Ländern sind die reichen Industrieländer nicht bereit, ihr Versprechen einzulösen und 0.7% ihres Nationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Einspringen soll einerseits der Privatsektor, andererseits die Entwicklungsländer selber, die durch effizientere Verwaltungen ihre Steuereinnahmen erhöhen sollen.
Für Alliance Sud braucht es eine klare Frist zur Erreichung des 0.7%-Ziels. Ohne Frist ist eine Bekräftigung des vor Jahrzehnten gegebenen Versprechens nichts wert. Zweitens braucht es ein universelles, intergouvernementales Gremium für Steuerfragen. Um das Potential selber generierter Steuereinkommen auszunutzen, müssen Entwicklungsländer nicht nur nationale Steuergesetze besser umsetzen, sondern auch die internationalen Regeln in Steuerfragen mitbestimmen können. Durch Steuerhinterziehung entgehen den Entwicklungsländern jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. Und drittens braucht es für private Investitionen nicht nur Anreize, sondern klare Rahmenbedingungen, um diese in nachhaltige Projekte zu lenken.
Am Vorabend der Konferenz verabschiedete Alliance Sud gemeinsam mit über 600 zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Erklärung. Darin wird die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, mit einem ambitionierten Schlussdokument ein starkes Zeichen zu setzen. Ein solches ist notwendig für die Glaubwürdigkeit, dass es der Staatengemeinschaft ernst ist mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Bekämpfung des Klimawandels, über die später im Jahr verhandelt wird.
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Artikel, Global
Blended Finance, die grosse Blendung?
10.12.2020, Entwicklungsfinanzierung
Die Agenda 2030 beruht auf der bis anhin ambitioniertesten Finanzierungsstrategie: Ist es realistisch zu glauben, dass Billionen für die nachhaltigen Entwicklungsziele mobilisiert werden können?
Ein Arbeiter kontrolliert die Bierproduktion in Beni, Demokratische Republik Congo. Die zentrale Frage ist, inwieweit private Investitionen zur Armutsbekämpfung beitragen.
© Kris Pannecoucke / Panos
Zusätzlich zu öffentlichen Geldern gelten private – nationale und internationale – Finanzierungsquellen als unabdingbar. Gewisse Kreise sehen darin sogar den Königsweg zur Deckung der Finanzierungslücke. Zu diesen privaten Mitteln gehören namentlich private Investitionen, aber auch Philanthropie und Rücküberweisungen. In seiner Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 setzt sich der Bundesrat dafür ein, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu diversifizieren und zu intensivieren; er beabsichtigt, Gelder der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (APD) so einzusetzen, dass damit «zusätzliche private Mittel» für eine nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden.
Zu den neuen Finanzierungsinstrumenten, mit welchen private Mittel in die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung gelenkt werden sollen, gehört insbesondere der Ansatz der Mischfinanzierung (Blended Finance). Dabei sind die Erwartungen enorm, die bis heute erzielten Resultate allerdings eher bescheiden.
Versuchen wir, anhand von fünf Fragen Klarheit zu schaffen:
1. Blended Finance: Worum geht es?
Für Blended Finance gibt es keine allgemein gültige Definition. Die Idee dahinter ist aber, dass Finanzmittel und andere Ressourcen (Personal, Fachwissen, politische Kontakte etc.) aus der bilateralen und multilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe zur Mobilisierung von Investitionen des Privatsektors zugunsten der nachhaltigen Entwicklung als «Hebel» eingesetzt werden können.
2. Welche Modelle existieren zurzeit?
In der Praxis funktioniert Blended Finance wie folgt: Private Investoren streben in der Regel einen finanziellen Ertrag an, der in einem angemessenen Verhältnis zum Investitionsrisiko steht, also eine dem Risiko angepasste Rendite. Je höher das – reale oder wahrgenommene – Risiko ist, desto höher muss die angestrebte Rendite zum Ausgleich dieses Risikos sein.
In der öffentlichen Finanzierung (bilateral oder multilateral) gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, mit denen Privatinvestoren für Projekte gewonnen werden, die (a priori) nicht den risikobedingten Renditeerwartungen entsprechen: Zum einen kann das Investitionsrisiko für den privaten Investor gesenkt werden («de-risking»); zum anderen kann der potenzielle Ertrag für den privaten Investor erhöht werden.
Die Risikosenkung mittels Instrumenten wie Garantien oder Erstverlustkapital («first-loss» capital) wird in der Regel bei Projekten angewandt, die eine ausreichende Rentabilität, aber ein als erhöht eingeschätztes Ausfall- oder Wertminderungsrisiko aufweisen. Die Ertragssteigerung kann über Darlehen zu Vorzugskonditionen, welche dem Investor zur Kompensation gewisser Projektkosten gewährt werden, oder über eine Kapitalbeteiligung erreicht werden. So erhalten private Anleger einen Anreiz zu investieren. Eine weitere Möglichkeit ist die technische Hilfe zur Senkung gewisser Transaktionskosten (beispielsweise in Form von Machbarkeitsstudien).
Beide Ansätze – sowohl die Risikosenkung wie auch die Ertragssteigerung – kommen einer Subventionierung von privaten Investoren durch Gelder der öffentlichen Entwicklungshilfe gleich.
3. Welche Vorteile bringt das für die Ärmsten?
Dies ist die zentrale Frage. Laut dem Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit werden durch letztere «in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen» unterstützt (Artikel 5/2). Bis zum heutigen Tag ist in den ärmsten Ländern jedoch kaum ein Nutzen dieser Mischfinanzierung erkennbar.
Zwar verzeichnen Mischfinanzierungen ein rasantes Wachstum, doch wurden die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) bisher umgangen. Empfänger der meisten Blended Finance-Transaktionen sind die Länder mit mittlerem Einkommen (MICs), und dort sind es hauptsächlich die Sektoren mit der höchsten Kapitalrendite, die davon profitieren – wie die Bereiche Energie, Finanzdienstleistungen, Industrie, Bergbau und Bauwesen. Kaum betroffen sind Sektoren wie Bildung oder Gesundheit.
4. Welches sind die Risiken?
Blended Finance birgt die folgenden Risiken:
- Erstens ist zu bedenken, dass bei gleichbleibendem Finanzierungsvolumen der internationalen Zusammenarbeit die verstärkte Unterstützung dieser Finanzierungsform zu einer Reduktion der «klassischen» Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) führt.
- Zweitens könnten die für die LDCs bestimmten Entwicklungsgelder unter Druck geraten, wenn Blended Finance-Projekte hauptsächlich in den MICs realisiert werden.
- Drittens besteht die Gefahr, dass die international anerkannten Grundsätze der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit nicht eingehalten werden; diese Grundsätze verlangen insbesondere, dass die Entwicklungsprioritäten in einer inklusiven Weise definiert werden, also in Absprache mit der begünstigten Bevölkerung.
- Viertens könnte der Einsatz solcher Finanzierungsinstrumente Marktverzerrungen in den Entwicklungsländern verursachen und lokale Unternehmen und Investoren verdrängen (crowd-out).
- Und schliesslich birgt Blended Finance für die Entwicklungsländer ein Verschuldungsrisiko.
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.
5. Was sind die Alternativen?
Es stellt sich generell die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Blended Finance und Partnerschaften zwischen Akteuren der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und privaten Unternehmen die (hohen) Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen können. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Addis Ababa Action Agenda (AAAA) die Mobilisierung inländischer öffentlicher Mittel als vorrangigen Interventionsbereich für die Entwicklungsfinanzierung festlegt hat und dass diesbezüglich die Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse unabdingbar ist.
Darüber hinaus ist in Bezug auf die Entwicklung des Privatsektors lokalen Unternehmen, insbesondere Kleinst-, Klein- und mittelgrossen Unternehmen (KMU) – mit besonderem Augenmerk auf Betrieben, die von Frauen geführt werden –, sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität einzuräumen. Blended Finance kann also nur eines von mehreren Finanzierungsinstrumenten zur Umsetzung der Agenda 2030 dienen.
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Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg
22.03.2021, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung
Zur Umsetzung der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024 will die DEZA ihre Kooperationen mit dem Privatsektor intensivieren und neue Partnerschaften eingehen. Wie wirkt sich das auf die Entwicklungsländer aus?
Aussenminister Ignazio Cassis besucht ein Bildungsinstitut für Tourismus während seiner Afrika-Reise im Februar 2021.
© Foto: YEP Gambia
Die Kooperation mit der Privatwirtschaft ist im Rahmen der IZA der Schweiz nichts Neues, sei es bei den Aktivitäten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) oder der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Getreu dem in der Agenda 2030 verankerten Nachhaltigkeitsziel Nr. 17, Partnerschaften für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) einzugehen, hatte die Schweizer IZA ihre Massnahmen mit dem Privatsektor im Zeitraum 2017-2020 bereits ausgebaut. Bislang wurde diese Zusammenarbeit jedoch nicht von einer DEZA-Strategie umrahmt. Dies wird sich nun, zumindest teilweise, ändern.
Das im Januar 2021 veröffentlichte «Leitbild Privatsektor im Rahmen der Strategie für internationale Zusammenarbeit 2021–2024» definiert die Grundprinzipien für die Aktivitäten der DEZA in Bezug auf den Privatsektor und erläutert die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.
In Anbetracht der Tatsache, dass der Privatsektor den «grössten Beitrag zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung in der Welt» leistet – insbesondere in Bezug auf Arbeitsplätze, Steuern und «innovative Produkte, die die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern verbessern» – wird im Dokument festgehalten, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im Rahmen der IZA-Strategie 2021-2024 und der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates intensivieren wollen.
Die DEZA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) und dem nationalen Steueraufkommen «nur durch die Mobilisierung privater Investitionen» erreicht werden können. Der Privatsektor sei damit «Teil der Lösung» zur Erfüllung der globalen Entwicklungs- und Klimaschutzziele.
Vier Handlungsfelder
Beim Einbezug des Privatsektors in die nachhaltige Entwicklung liegt der Fokus der DEZA auf den folgenden vier Handlungsfeldern: (1) Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Dazu gehören die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung und nachhaltige Investitionen. (2) Förderung lokaler Unternehmen in den Schwerpunktländern der Schweizer IZA, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). (3) Zusammenarbeit mit dem Privatsektor (englisch: Private Sector Engagement, PSE). Darunter werden Partnerschaften mit Akteuren des Privatsektors (aus der Schweiz und anderen Ländern) verstanden. Zu guter Letzt, (4) das Beschaffungswesen: Dieses Handlungsfeld umfasst Aufträge der DEZA an Akteure des Privatsektors (im In- und Ausland), die zukünftig strengere Kriterien der nachhaltigen Entwicklung erfüllen müssen.
PSE: Hat jemand PSE gesagt?
Das dritte Handlungsfeld, das Engagement des Privatsektors (PSE), umfasst laut DEZA die Zusammenarbeit zwischen der IZA und «etablierten» privatwirtschaftlichen Akteuren, welche eine «konsequente Ausrichtung» auf die nachhaltige Entwicklung wahrnehmen. Solche privatwirtschaftliche Akteure – aus der Realwirtschaft und dem Finanzsektor – können, so die DEZA, zur Armutsbekämpfung beitragen und sind daher interessante Partner für die IZA. Dazu gehören Grossunternehmen und multinationale Konzerne, KMU, Sozialunternehmen, wirkungsorientierte Unternehmen und Förderstiftungen. Jede dieser Kategorien verfüge über «spezifische Stärken». Auch NGOs und akademische Einrichtungen werden von der DEZA in diesem Zusammenhang, beispielsweise als Implementierungspartner, erwähnt.
Wie im «Handbuch der DEZA zur Kooperation mit dem Privatsektor» ausgeführt, plant die DEZA, mittelfristig, das heisst während der Umsetzung der IZA-Strategie 2021-2024, eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und eine Aufstockung der Finanzierung ihres PSE-Portfolios. Zusätzlich zu den «traditionellen» PSE-Ansätzen sollen auch «neue Finanzinstrumente» entwickelt werden, wodurch das Volumen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit auch in den ärmsten Ländern (LDCs) und in fragilen Kontexten erhöht werden soll.
500 Millionen pro Jahr?
Obschon im Dokument erwähnt wird, dass die Festlegung eines quantifizierten Wachstumsziels nicht zielführend sei, wird festgestellt, dass derzeit etwa 8% der gesamten von der DEZA finanzierten Projekte (bilaterale Aktivitäten und Globalprogramme) auf Partnerschaften mit dem Privatsektor entfallen. Ausgehend von einer Kombination verschiedener Faktoren wird geschätzt, dass langfristig etwa 20-25% aller DEZA-Aktivitäten in Kooperation mit dem Privatsektor durchgeführt werden könnten, sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Bereich. Nimmt man das Ausgabenvolumen von 2020 für die ca. 125 bestehenden Partnerschaften, CHF 165 Millionen, als Referenzwert, könnte das Volumen also langfristig fast eine halbe Milliarde an jährlichen Ausgaben erreichen.
Es sei daran erinnert, dass die IZA-Strategie 2021-2024 keine Aufstockung der jeweiligen Rahmenkredite zur Finanzierung dieser Partnerschaften vorsieht, sondern dass diese aus den für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehenen Mitteln finanziert werden sollen. Das bedeutet, dass der Zuwachs von Partnerschaften mit dem Privatsektor zu Lasten anderer Formen der Zusammenarbeit geht, die nachweislich Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung haben, insbesondere Programme zur Unterstützung der öffentlichen Grundversorgung, einschliesslich Bildung und Gesundheit, aber möglicherweise auch zu Lasten anderer Formen der Unterstützung des Privatsektors in Entwicklungsländern, einschliesslich der Förderung lokaler KMU.
Welches sind die Auswirkungen?
Es ist daher notwendig, die entwicklungspolitische Wirkung dieser Partnerschaften bzw. die Relevanz der Ziele, die diese Art der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verfolgt, zu ermitteln. In diesem Punkt bleibt das «Leitbild Privatsektor» jedoch vage bzw. vermittelt in seiner jetzigen Form keine klare Vorstellung davon, wie die DEZA sicherstellen will, dass ihr primäres Mandat, nämlich die Armutsbekämpfung in den Schwerpunktländern, im Rahmen dieser Partnerschaften effektiv erfüllt wird.
Im internen Handbuch der DEZA sind verschiedene Kriterien und Modalitäten für die Zusammenarbeit sowie ein komplexes Risikoanalyseverfahren aufgeführt. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Die DEZA wird sicherstellen müssen, dass diese Kriterien und Prozesse bei der Schaffung dieser Partnerschaften von allen Akteuren auch tatsächlich eingehalten werden und nicht einfach nur ein Häkchen dahinter gesetzt wird.
Angesichts des klaren Trends innerhalb der multilateralen Institutionen und der bilateralen Geber könnte die DEZA unter Druck geraten, ihr PSE-Portfolio «zu forcieren», ohne garantieren zu können, dass diese Partnerschaften mit den Kernzielen der Agenda 2030, «niemanden zurückzulassen», im Einklang stehen.
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SDG Impact Finance Initiative: Wirkung für wen?
16.03.2022, Entwicklungsfinanzierung
Eine neue SECO-Initiative möchte Privatkapital für Entwicklungsländer mobilisieren. Sie wirft etliche Fragen bezüglich Governance und Entwicklungsauswirkungen auf.
Die zwei Gesichter der Privatwirtschaft: Einerseits transportiert sie im Sommer 2020 Hilfsgüter von Zürich nach Venezuela; andererseits wirtschaften Schweizer Banken mit der Elite des krisengeschüttelten Landes, wie die «Suisse Secrets» gezeigt haben.
© KEYSTONE / POOL / Ennio Leanza
Am 1. Dezember 2021 kündigte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die SDG Impact Finance Initiative an, eine neue «öffentlich-private Partnerschaft für innovative Entwicklungsfinanzierung». Mit dabei sind die UBS Optimus Foundation, die Credit Suisse Foundation und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Laut diesen Trägern soll die Initiative bis zu einer Milliarde Franken Privatkapital mobilisieren, mit dem Ziel «messbarer Ergebnisse in den Entwicklungsländern». Das SECO unterstützt die Initiative mit 19,5 Millionen Franken, die UBS Optimus Foundation mit 5 Millionen Franken; die Beiträge der anderen Beteiligten sind noch nicht bekannt.
Blending is trendy
Das SECO begründet die Partnerschaft damit, dass für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine Finanzierungslücke bestehe, die bis 2030 auf über 2,5 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird, und folgert: «Zur Schliessung dieser Finanzierungslücke müssen die privaten Investitionen in den Entwicklungsländern erhöht werden.» Die Mischfinanzierung (Blending) aus öffentlichen und philanthropischen Mitteln sei ein wirksames Mittel zur Mobilisierung privater Gelder, die andernfalls nicht in die betreffenden Länder fliessen würden. Die SDG Impact Finance Initiative bezweckt, bis 2030 100 Millionen Franken von öffentlichen und philanthropischen Akteuren aufzubringen, wodurch in der Folge «bis zu einer Milliarde Franken an privatem Kapital zur Umsetzung der SDGs in Entwicklungsländern» mobilisiert werden soll.
Dabei werden drei Ziele genannt: (1) die Unterstützung «innovativer Finanzierungslösungen» für neue «Impact-Investing-Produkte» durch Zuschüsse und Anschubfinanzierung, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Investitionen neben der finanziellen Rendite auch eine messbare gesellschaftliche und ökologische Wirkung erzielen sollen (innovation window); (2) Förderung von Impact Investing, indem mehr privates Kapital mobilisiert wird und Unternehmen, die Teil von Impact-Investing-Anlagen sind, gestärkt werden (product window); und (3) Beitrag zu einer «Verbesserung der Rahmenbedingungen für Impact Investing in der Schweiz» und Förderung der «Qualität der Wirkungsmessung». Hierfür werde die Initiative eng mit Swiss Sustainable Finance (Dachverband von Finanzdienstleistern zur Förderung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft) und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zusammenarbeiten.
Die Debatte ist eröffnet
Die Lancierung der Initiative (SIFI) wirft zahlreiche Fragen auf, zunächst in Bezug auf die Governance und die Steuerung; es wurde ein Verein gegründet, dessen Vorsitz ein Wirtschaftsanwalt innehat und in dem jeweils ein Vertreter der beiden Bankenstiftungen Einsitz hat, die sich an der SIFI beteiligen. Weder das SECO noch die DEZA sind im Vorstand vertreten. Es ist daher schwer nachvollziehbar, wie sich die Bundesvertreter für die Entwicklungsprioritäten einsetzen wollen, die durch den Beitrag des SECO (und in Zukunft wahrscheinlich auch der DEZA) umgesetzt werden sollen.
Eine weitere − zentrale − Frage lautet: Wie werden Wirkung und Messbarkeit definiert? Bis dato gibt es in der Tat keine universell gültige Definition von Impact Investing und laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Grenzen dessen, was als Impact Investing betrachtet werden kann, fliessend. Laut der Vorsitzenden des OECD-DAC (Development Cooperation Committee) «besteht die Schwierigkeit darin, diesen Impact zu definieren und zu messen. Die verschiedenen Länder und öffentlichen und privaten Organisationen verwenden unterschiedliche Instrumente zur Messung unterschiedlicher Kriterien. Damit dem Risiko des Impact Washing begegnet werden kann, sind die öffentlichen Behörden dafür verantwortlich, Standards festzulegen und deren Einhaltung zu überwachen.» Darüber hinaus fehlt es an international vergleichbaren Daten und Bewertungsinstrumenten.
Der Rückgriff auf Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (derzeit 19,5 Millionen des SECO) wirft die grundlegende Frage nach der Rolle und den Zielen des Bundes im Rahmen dieser Initiative auf; denn das angekündigte Ziel, private Finanzmittel in Höhe von CHF 1 Milliarde zur Finanzierung der SDGs in Entwicklungsländern «zu beschaffen», setzt Massnahmen zur Verringerung der (tatsächlichen oder wahrgenommenen) Risiken für private Investoren voraus (De-Risking). Solche Massnahmen können in Form von Garantien, Deckung von Erstverlusten (first loss), technischer Hilfe für Portfolio-Unternehmen oder der Übernahme von Projektvorbereitungskosten erfolgen. Alle diese Massnahmen kommen Subventionen gleich, deren implizites Ziel es ist, die Bereitstellung eines Portfolios bankfähiger Projekte (bancable projects) zu ermöglichen, die den von privaten institutionellen Investoren erwarteten Risiko-Rendite-Profilen (risk adjusted return) entsprechen müssen. Besteht der Zweck der IZA-Gelder also darin, den wachsenden Appetit der InvestorInnen zu stillen oder im Gegenteil dafür zu sorgen, dass die beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen von Investitionen in Bezug auf Entwicklung gemessen, überwacht und offengelegt werden?
Es stellt sich ausserdem die Frage, welche Kriterien für die geplanten Investitionen gelten sollen. Da es bislang keinen von öffentlichen Gebern definierten «Nachhaltigkeitsrahmen » für private Finanzierungen gibt, besteht die Gefahr, dass ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), deren Anforderungsniveau je nach Investor stark variiert, nach Gutdünken angewandt werden (SDG Washing). Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, für welche Sektoren und Länder die Mischfinanzierung bestimmt ist bzw. zu welchen SDGs sie beitragen soll. Last but not least wirft diese Art der öffentlich-privaten Partnerschaft eine Reihe systemischer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Finanzialisierung der Entwicklung auf; denn die entscheidende Frage, wenn ein Teil der IZA-Mittel ihrer ursprünglichen Bestimmung der nachhaltigen Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen entzogen und als «Köder» und Hebel für private Investitionen eingesetzt wird, lautet: Ist diese neue Verwendung öffentlicher Mittel tatsächlich im Sinne einer inklusiven Entwicklung, wie sie in der Agenda 2030 angestrebt wird (leave no one behind)? Oder anders ausgedrückt: Wie geeignet sind diese öffentlichen Gelder, private Investitionen tatsächlich auf die Ziele einer nachhaltigen und inklusiven Entwicklung und Armutsbekämpfung auszurichten? Welche Art von Entwicklung wird durch diese Finanzialisierung gefördert? Inwieweit können diese Investitionen in Entwicklungsländern zur Bekämpfung von Ungleichheiten sowohl auf regionaler Ebene als auch zwischen sozialen Gruppen beitragen? Die Diskussion darüber hat eben erst angefangen.
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Positionspapier
Blended Finance - Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit
20.09.2020, Entwicklungsfinanzierung
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.
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Analysepapier
Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit
21.07.2023, Entwicklungsfinanzierung
In der Debatte um die internationale Zusammenarbeit (IZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Das Analysepapier von Alliance Sud bietet eine differenzierte Sicht.
In kontroversen Diskussionen über die internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz und ganz besonders im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Aber wer genau ist gemeint, wenn vom Einbezug des «Privatsektors» in die EZA gesprochen wird? Das Analysepapier von Alliance Sud soll einen Beitrag dazu leisten, die oft sehr verkürzt und ideologisch geführte Debatte zur Rolle des Privatsektors in der EZA zu differenzieren. Gleichzeitig werden Empfehlungen zur zukünftigen Rolle der Privatwirtschaft in der EZA abgegeben.
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