Artikel, Global

Blended Finance, die grosse Blendung?

10.12.2020, Entwicklungsfinanzierung

Die Agenda 2030 beruht auf der bis anhin ambitioniertesten Finanzierungsstrategie: Ist es realistisch zu glauben, dass Billionen für die nachhaltigen Entwicklungsziele mobilisiert werden können?

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Blended Finance, die grosse Blendung?

Ein Arbeiter kontrolliert die Bierproduktion in Beni, Demokratische Republik Congo. Die zentrale Frage ist, inwieweit private Investitionen zur Armutsbekämpfung beitragen.
© Kris Pannecoucke / Panos

Zusätzlich zu öffentlichen Geldern gelten private – nationale und internationale – Finanzierungsquellen als unabdingbar. Gewisse Kreise sehen darin sogar den Königsweg zur Deckung der Finanzierungslücke. Zu diesen privaten Mitteln gehören namentlich private Investitionen, aber auch  Philanthropie und Rücküberweisungen.  In seiner Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 setzt sich der Bundesrat dafür ein, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu diversifizieren und zu intensivieren; er beabsichtigt, Gelder der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (APD) so einzusetzen, dass damit «zusätzliche private Mittel» für eine nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden.

Zu den neuen Finanzierungsinstrumenten, mit welchen private Mittel in die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung gelenkt werden sollen, gehört insbesondere der Ansatz der Mischfinanzierung (Blended Finance). Dabei sind die Erwartungen enorm, die bis heute erzielten Resultate allerdings eher bescheiden.
Versuchen wir, anhand von fünf Fragen Klarheit zu schaffen:

1. Blended Finance: Worum geht es?
Für Blended Finance gibt es keine allgemein gültige Definition. Die Idee dahinter ist aber, dass Finanzmittel und andere Ressourcen (Personal, Fachwissen, politische Kontakte etc.) aus der bilateralen und multilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe zur Mobilisierung von Investitionen des Privatsektors zugunsten der nachhaltigen Entwicklung als «Hebel» eingesetzt werden können.

2. Welche Modelle existieren zurzeit?
In der Praxis funktioniert Blended Finance wie folgt: Private Investoren streben in der Regel einen finanziellen Ertrag an, der in einem angemessenen Verhältnis zum Investitionsrisiko steht, also eine dem Risiko angepasste Rendite. Je höher das – reale oder wahrgenommene – Risiko ist, desto höher muss die angestrebte Rendite zum Ausgleich dieses Risikos sein.

In der öffentlichen Finanzierung (bilateral oder multilateral) gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, mit denen Privatinvestoren für Projekte gewonnen werden, die (a priori) nicht den risikobedingten Renditeerwartungen entsprechen: Zum einen kann das Investitionsrisiko für den privaten Investor gesenkt werden («de-risking»); zum anderen kann der potenzielle Ertrag für den privaten Investor erhöht werden.

Die Risikosenkung mittels Instrumenten wie Garantien oder Erstverlustkapital («first-loss» capital) wird in der Regel bei Projekten angewandt, die eine ausreichende Rentabilität, aber ein als erhöht eingeschätztes Ausfall- oder Wertminderungsrisiko aufweisen. Die Ertragssteigerung kann über Darlehen zu Vorzugskonditionen, welche dem Investor zur Kompensation gewisser Projektkosten gewährt werden, oder über eine Kapitalbeteiligung erreicht werden. So erhalten private Anleger einen Anreiz zu investieren. Eine weitere Möglichkeit ist die technische Hilfe zur Senkung gewisser Transaktionskosten (beispielsweise in Form von Machbarkeitsstudien).

Beide Ansätze – sowohl die Risikosenkung wie auch die Ertragssteigerung – kommen einer Subventionierung von privaten Investoren durch Gelder der öffentlichen Entwicklungshilfe gleich.

3. Welche Vorteile bringt das für die Ärmsten?
Dies ist die zentrale Frage. Laut dem Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit werden durch letztere «in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen» unterstützt (Artikel 5/2). Bis zum heutigen Tag ist in den ärmsten Ländern jedoch kaum ein Nutzen dieser Mischfinanzierung erkennbar.

Zwar verzeichnen Mischfinanzierungen ein rasantes Wachstum, doch wurden die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) bisher umgangen. Empfänger der meisten Blended Finance-Transaktionen sind die Länder mit mittlerem Einkommen (MICs), und dort sind es hauptsächlich die Sektoren mit der höchsten Kapitalrendite, die davon profitieren – wie die Bereiche Energie, Finanzdienstleistungen, Industrie, Bergbau und Bauwesen. Kaum betroffen sind Sektoren wie Bildung oder Gesundheit.

4. Welches sind die Risiken?
Blended Finance birgt die folgenden Risiken:

  • Erstens ist zu bedenken, dass bei gleichbleibendem Finanzierungsvolumen der internationalen Zusammenarbeit die verstärkte Unterstützung dieser Finanzierungsform zu einer Reduktion der «klassischen» Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) führt.
  • Zweitens könnten die für die LDCs bestimmten Entwicklungsgelder unter Druck geraten, wenn Blended Finance-Projekte hauptsächlich in den MICs realisiert werden.
  • Drittens besteht die Gefahr, dass die international anerkannten Grundsätze der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit nicht eingehalten werden; diese Grundsätze verlangen insbesondere, dass die Entwicklungsprioritäten in einer inklusiven Weise definiert werden, also in Absprache mit der begünstigten Bevölkerung.
  • Viertens könnte der Einsatz solcher Finanzierungsinstrumente Marktverzerrungen in den Entwicklungsländern verursachen und lokale Unternehmen und Investoren verdrängen (crowd-out).
  • Und schliesslich birgt Blended Finance für die Entwicklungsländer ein Verschuldungsrisiko.

In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.

5. Was sind die Alternativen?
Es stellt sich generell die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Blended Finance und Partnerschaften zwischen Akteuren der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und privaten Unternehmen die (hohen) Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen können. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Addis Ababa Action Agenda (AAAA) die Mobilisierung inländischer öffentlicher Mittel als vorrangigen Interventionsbereich für die Entwicklungsfinanzierung festlegt hat und dass diesbezüglich die Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse unabdingbar ist.

Darüber hinaus ist in Bezug auf die Entwicklung des Privatsektors lokalen Unternehmen, insbesondere Kleinst-, Klein- und mittelgrossen Unternehmen (KMU) – mit besonderem Augenmerk auf Betrieben, die von Frauen geführt werden –, sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität einzuräumen. Blended Finance kann also nur eines von mehreren Finanzierungsinstrumenten zur Umsetzung der Agenda 2030 dienen.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

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Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg

22.03.2021, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung

Zur Umsetzung der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024 will die DEZA ihre Kooperationen mit dem Privatsektor intensivieren und neue Partnerschaften eingehen. Wie wirkt sich das auf die Entwicklungsländer aus?

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg

Aussenminister Ignazio Cassis besucht ein Bildungsinstitut für Tourismus während seiner Afrika-Reise im Februar 2021.
© Foto: YEP Gambia

Die Kooperation mit der Privatwirtschaft ist im Rahmen der IZA der Schweiz nichts Neues, sei es bei den Aktivitäten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) oder der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).  Getreu dem in der Agenda 2030 verankerten Nachhaltigkeitsziel Nr. 17, Partnerschaften für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) einzugehen, hatte die Schweizer IZA ihre Massnahmen mit dem Privatsektor im Zeitraum 2017-2020 bereits ausgebaut.  Bislang wurde diese Zusammenarbeit jedoch nicht von einer DEZA-Strategie umrahmt. Dies wird sich nun, zumindest teilweise, ändern.

Das im Januar 2021 veröffentlichte «Leitbild Privatsektor im Rahmen der Strategie für internationale Zusammenarbeit 2021–2024» definiert die Grundprinzipien für die Aktivitäten der DEZA in Bezug auf den Privatsektor und erläutert die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Privatsektor den «grössten Beitrag zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung in der Welt» leistet – insbesondere in Bezug auf Arbeitsplätze, Steuern und «innovative Produkte, die die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern verbessern»  – wird im Dokument festgehalten, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im Rahmen der IZA-Strategie 2021-2024 und der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates intensivieren wollen.

Die DEZA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) und dem nationalen Steueraufkommen «nur durch die Mobilisierung privater Investitionen» erreicht werden können. Der Privatsektor sei damit «Teil der Lösung» zur Erfüllung der globalen Entwicklungs- und Klimaschutzziele.

Vier Handlungsfelder

Beim Einbezug des Privatsektors in die nachhaltige Entwicklung liegt der Fokus der DEZA auf den folgenden vier Handlungsfeldern: (1) Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Dazu gehören die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung und nachhaltige Investitionen. (2) Förderung lokaler Unternehmen in den Schwerpunktländern der Schweizer IZA, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). (3) Zusammenarbeit mit dem Privatsektor (englisch: Private Sector Engagement, PSE). Darunter werden Partnerschaften mit Akteuren des Privatsektors (aus der Schweiz und anderen Ländern) verstanden. Zu guter Letzt, (4) das Beschaffungswesen: Dieses Handlungsfeld umfasst Aufträge der DEZA an Akteure des Privatsektors (im In- und Ausland), die zukünftig strengere Kriterien der nachhaltigen Entwicklung erfüllen müssen.

PSE: Hat jemand PSE gesagt?

Das dritte Handlungsfeld, das Engagement des Privatsektors (PSE), umfasst laut DEZA die Zusammenarbeit zwischen der IZA und «etablierten» privatwirtschaftlichen Akteuren, welche eine «konsequente Ausrichtung» auf die nachhaltige Entwicklung wahrnehmen. Solche privatwirtschaftliche Akteure – aus der Realwirtschaft und dem Finanzsektor – können, so die DEZA, zur Armutsbekämpfung beitragen und sind daher interessante Partner für die IZA. Dazu gehören Grossunternehmen und multinationale Konzerne, KMU, Sozialunternehmen, wirkungsorientierte Unternehmen und Förderstiftungen. Jede dieser Kategorien verfüge über «spezifische Stärken». Auch NGOs und akademische Einrichtungen werden von der DEZA in diesem Zusammenhang, beispielsweise als Implementierungspartner, erwähnt.

Wie im «Handbuch der DEZA zur Kooperation mit dem Privatsektor» ausgeführt, plant die DEZA, mittelfristig, das heisst während der Umsetzung der IZA-Strategie 2021-2024, eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und eine Aufstockung der Finanzierung ihres PSE-Portfolios. Zusätzlich zu den «traditionellen» PSE-Ansätzen sollen auch «neue Finanzinstrumente» entwickelt werden, wodurch das Volumen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit auch in den ärmsten Ländern (LDCs) und in fragilen Kontexten erhöht werden soll.

500 Millionen pro Jahr?

Obschon im Dokument erwähnt wird, dass die Festlegung eines quantifizierten Wachstumsziels nicht zielführend sei, wird festgestellt, dass derzeit etwa 8% der gesamten von der DEZA finanzierten Projekte (bilaterale Aktivitäten und Globalprogramme) auf Partnerschaften mit dem Privatsektor entfallen. Ausgehend von einer Kombination verschiedener Faktoren wird geschätzt, dass langfristig etwa 20-25% aller DEZA-Aktivitäten in Kooperation mit dem Privatsektor durchgeführt werden könnten, sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Bereich. Nimmt man das Ausgabenvolumen von 2020 für die ca. 125 bestehenden Partnerschaften, CHF 165 Millionen, als Referenzwert, könnte das Volumen also langfristig fast eine halbe Milliarde an jährlichen Ausgaben erreichen.

Es sei daran erinnert, dass die IZA-Strategie 2021-2024 keine Aufstockung der jeweiligen Rahmenkredite zur Finanzierung dieser Partnerschaften vorsieht, sondern dass diese aus den für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehenen Mitteln finanziert werden sollen.  Das bedeutet, dass der Zuwachs von Partnerschaften mit dem Privatsektor zu Lasten anderer Formen der Zusammenarbeit geht, die nachweislich Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung haben, insbesondere Programme zur Unterstützung der öffentlichen Grundversorgung, einschliesslich Bildung und Gesundheit, aber möglicherweise auch zu Lasten anderer Formen der Unterstützung des Privatsektors in Entwicklungsländern, einschliesslich der Förderung lokaler KMU.

Welches sind die Auswirkungen?

Es ist daher notwendig, die entwicklungspolitische Wirkung dieser Partnerschaften bzw. die Relevanz der Ziele, die diese Art der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verfolgt, zu ermitteln. In diesem Punkt bleibt das «Leitbild Privatsektor» jedoch vage bzw. vermittelt in seiner jetzigen Form keine klare Vorstellung davon, wie die DEZA sicherstellen will, dass ihr primäres Mandat, nämlich die Armutsbekämpfung in den Schwerpunktländern, im Rahmen dieser Partnerschaften effektiv erfüllt wird.  

Im internen Handbuch der DEZA sind verschiedene Kriterien und Modalitäten für die Zusammenarbeit sowie ein komplexes Risikoanalyseverfahren aufgeführt. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Die DEZA wird sicherstellen müssen, dass diese Kriterien und Prozesse bei der Schaffung dieser Partnerschaften von allen Akteuren auch tatsächlich eingehalten werden und nicht einfach nur ein Häkchen dahinter gesetzt wird.

Angesichts des klaren Trends innerhalb der multilateralen Institutionen  und der bilateralen Geber könnte die DEZA unter Druck geraten, ihr PSE-Portfolio «zu forcieren», ohne garantieren zu können, dass diese Partnerschaften mit den Kernzielen der Agenda 2030, «niemanden zurückzulassen», im Einklang stehen.

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Medienmitteilung

SDG Impact Finance Initiative: Wirkung für wen?

16.03.2022, Entwicklungsfinanzierung

Eine neue SECO-Initiative möchte Privatkapital für Entwicklungsländer mobilisieren. Sie wirft etliche Fragen bezüglich Governance und Entwicklungsauswirkungen auf.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

+41 22 901 14 81 laurent.matile@alliancesud.ch
SDG Impact Finance Initiative: Wirkung für wen?

Die zwei Gesichter der Privatwirtschaft: Einerseits transportiert sie im Sommer 2020 Hilfsgüter von Zürich nach Venezuela; andererseits wirtschaften Schweizer Banken mit der Elite des krisengeschüttelten Landes, wie die «Suisse Secrets» gezeigt haben.
© KEYSTONE / POOL / Ennio Leanza

Am 1. Dezember 2021 kündigte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die SDG Impact Finance Initiative an, eine neue «öffentlich-private Partnerschaft für innovative Entwicklungsfinanzierung». Mit dabei sind die UBS Optimus Foundation, die Credit Suisse Foundation und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Laut diesen Trägern soll die Initiative bis zu einer Milliarde Franken Privatkapital mobilisieren, mit dem Ziel «messbarer Ergebnisse in den Entwicklungsländern». Das SECO unterstützt die Initiative mit 19,5 Millionen Franken, die UBS Optimus Foundation mit 5 Millionen Franken; die Beiträge der anderen Beteiligten sind noch nicht bekannt.

Blending is trendy

Das SECO begründet die Partnerschaft damit, dass für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine Finanzierungslücke bestehe, die bis 2030 auf über 2,5 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird, und folgert: «Zur Schliessung dieser Finanzierungslücke müssen die privaten Investitionen in den Entwicklungsländern erhöht werden.» Die Mischfinanzierung (Blending) aus öffentlichen und philanthropischen Mitteln sei ein wirksames Mittel zur Mobilisierung privater Gelder, die andernfalls nicht in die betreffenden Länder fliessen würden. Die SDG Impact Finance Initiative bezweckt, bis 2030 100 Millionen Franken von öffentlichen und philanthropischen Akteuren aufzubringen, wodurch in der Folge «bis zu einer Milliarde Franken an privatem Kapital zur Umsetzung der SDGs in Entwicklungsländern» mobilisiert werden soll.

Dabei werden drei Ziele genannt: (1) die Unterstützung «innovativer Finanzierungslösungen» für neue «Impact-Investing-Produkte» durch Zuschüsse und Anschubfinanzierung, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Investitionen neben der finanziellen Rendite auch eine messbare gesellschaftliche und ökologische Wirkung erzielen sollen (innovation window); (2) Förderung von Impact Investing, indem mehr privates Kapital mobilisiert wird und Unternehmen, die Teil von Impact-Investing-Anlagen sind, gestärkt werden (product window); und (3)  Beitrag zu einer «Verbesserung der Rahmenbedingungen für Impact Investing in der Schweiz» und Förderung der «Qualität der Wirkungsmessung». Hierfür werde die Initiative eng mit Swiss Sustainable Finance (Dachverband von Finanzdienstleistern zur Förderung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft) und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zusammenarbeiten.

Die Debatte ist eröffnet

Die Lancierung der Initiative (SIFI) wirft zahlreiche Fragen auf, zunächst in Bezug auf die Governance und die Steuerung; es wurde ein Verein gegründet, dessen Vorsitz ein Wirtschaftsanwalt innehat und in dem jeweils ein Vertreter der beiden Bankenstiftungen Einsitz hat, die sich an der SIFI beteiligen. Weder das SECO noch die DEZA sind im Vorstand vertreten. Es ist daher schwer nachvollziehbar, wie sich die Bundesvertreter für die Entwicklungsprioritäten einsetzen wollen, die durch den Beitrag des SECO (und in Zukunft wahrscheinlich auch der DEZA) umgesetzt werden sollen.

Eine weitere − zentrale − Frage lautet: Wie werden Wirkung und Messbarkeit definiert? Bis dato gibt es in der Tat keine universell gültige Definition von Impact Investing und laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Grenzen dessen, was als Impact Investing betrachtet werden kann, fliessend. Laut der Vorsitzenden des OECD-DAC (Development Cooperation Committee) «besteht die Schwierigkeit darin, diesen Impact zu definieren und zu messen. Die verschiedenen Länder und öffentlichen und privaten Organisationen verwenden unterschiedliche Instrumente zur Messung unterschiedlicher Kriterien. Damit dem Risiko des Impact Washing begegnet werden kann, sind die öffentlichen Behörden dafür verantwortlich, Standards festzulegen und deren Einhaltung zu überwachen.» Darüber hinaus fehlt es an international vergleichbaren Daten und Bewertungsinstrumenten.

Der Rückgriff auf Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (derzeit 19,5 Millionen des SECO) wirft die grundlegende Frage nach der Rolle und den Zielen des Bundes im Rahmen dieser Initiative auf; denn das angekündigte Ziel, private Finanzmittel in Höhe von CHF 1 Milliarde zur Finanzierung der SDGs in Entwicklungsländern «zu beschaffen», setzt Massnahmen zur Verringerung der (tatsächlichen oder wahrgenommenen) Risiken für private Investoren voraus (De-Risking). Solche Massnahmen können in Form von Garantien, Deckung von Erstverlusten (first loss), technischer Hilfe für Portfolio-Unternehmen oder der Übernahme von Projektvorbereitungskosten erfolgen. Alle diese Massnahmen kommen Subventionen gleich, deren implizites Ziel es ist, die Bereitstellung eines Portfolios bankfähiger Projekte (bancable projects) zu ermöglichen, die den von privaten institutionellen Investoren erwarteten Risiko-Rendite-Profilen (risk adjusted return) entsprechen müssen. Besteht der Zweck der IZA-Gelder also darin, den wachsenden Appetit der InvestorInnen zu stillen oder im Gegenteil dafür zu sorgen, dass die beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen von Investitionen in Bezug auf Entwicklung gemessen, überwacht und offengelegt werden?

Es stellt sich ausserdem die Frage, welche Kriterien für die geplanten Investitionen gelten sollen. Da es bislang keinen von öffentlichen Gebern definierten «Nachhaltigkeitsrahmen » für private Finanzierungen gibt, besteht die Gefahr, dass ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), deren Anforderungsniveau je nach Investor stark variiert, nach Gutdünken angewandt werden (SDG Washing). Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, für welche Sektoren und Länder die Mischfinanzierung bestimmt ist bzw. zu welchen SDGs sie beitragen soll. Last but not least wirft diese Art der öffentlich-privaten Partnerschaft eine Reihe systemischer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Finanzialisierung der Entwicklung auf; denn die entscheidende Frage, wenn ein Teil der IZA-Mittel ihrer ursprünglichen Bestimmung der nachhaltigen Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen entzogen und als «Köder» und Hebel für private Investitionen eingesetzt wird, lautet: Ist diese neue Verwendung öffentlicher Mittel tatsächlich im Sinne einer inklusiven Entwicklung, wie sie in der Agenda 2030 angestrebt wird (leave no one behind)? Oder anders ausgedrückt: Wie geeignet sind diese öffentlichen Gelder, private Investitionen tatsächlich auf die Ziele einer nachhaltigen und inklusiven Entwicklung und Armutsbekämpfung auszurichten? Welche Art von Entwicklung wird durch diese Finanzialisierung gefördert? Inwieweit können diese Investitionen in Entwicklungsländern zur Bekämpfung von Ungleichheiten sowohl auf regionaler Ebene als auch zwischen sozialen Gruppen beitragen? Die Diskussion darüber hat eben erst angefangen.

Positionspapier

Blended Finance - Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit

20.09.2020, Entwicklungsfinanzierung

In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Analysepapier

Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit

21.07.2023, Entwicklungsfinanzierung

In der Debatte um die internationale Zusammenarbeit (IZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Das Analysepapier von Alliance Sud bietet eine differenzierte Sicht.

Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit

In kontroversen Diskussionen über die internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz und ganz besonders im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Aber wer genau ist gemeint, wenn vom Einbezug des «Privatsektors» in die EZA gesprochen wird? Das Analysepapier von Alliance Sud soll einen Beitrag dazu leisten, die oft sehr verkürzt und ideologisch geführte Debatte zur Rolle des Privatsektors in der EZA zu differenzieren. Gleichzeitig werden Empfehlungen zur zukünftigen Rolle der Privatwirtschaft in der EZA abgegeben.

Artikel

Ein (zu) kleiner Schritt

21.07.2015, Entwicklungsfinanzierung

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. Eva Schmassmann über das magere Ergebnis der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung vom Juli 2015 in Addis Abeba. Und die Aussichten für die nachhaltigen Entwicklungsziele.

Ein (zu) kleiner Schritt

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

«Wir sind die erste Generation, die der Armut ein Ende setzen kann, und die letzte, die die schlimmsten Folgen des Klimawandels abwehren kann.» Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon wird nicht müde, mit diesen Worten auf die Chance und die Dringlichkeit hinzuweisen, mit der wir konfrontiert sind. Die internationale Staatengemeinschaft hat dieses Jahr die Gelegenheit, an drei Konferenzen Ban Ki-moons Appell Folge zu leisten. Letzte Woche fand in Addis Abeba die dritte internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung statt. Im September sollen in New York die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet werden, und im Dezember findet der Klimagipfel in Paris statt.

Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) sollen die dieses Jahr auslaufenden Millennium-Entwicklungsziele ablösen. Die SDG sind ein ambitioniertes Rahmenwerk, um die Welt bis 2030 in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Dazu gehört unter anderem die Ausrottung extremer Armut, der Schutz und Erhalt unserer Ökosysteme, aber auch der Wandel hin zu nachhaltigen Produktions- und Konsumstrukturen. Die Entwicklungsländer konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, bereits vor der Verabschiedung der SDG durch die Uno-Generalversammlung über die Finanzierung dieser globalen Agenda zu diskutieren. Denn, soweit sind sich alle einig, zur Erreichung der SDG werden enorme Summen Geld benötigt.
Das Gastgeberland der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, Äthiopien, ist selbst eines der ärmsten Länder der Welt, das vor kapitalen Herausforderungen steht. Rund zwei Drittel der Bevölkerung muss mit täglich weniger als zwei US-Dollar überleben. Analphabetenrate und Kindersterblichkeit sind enorm hoch. Die Konferenz in Addis Abeba hatte sich nicht das Ziel gesetzt, eine konkrete Summe Geld zu sprechen. Denn Geld allein reicht nicht, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Die Konferenz sollte vielmehr aufzeigen, welche Voraussetzungen es für nachhaltige Entwicklung braucht. Eine zentrale Rolle spielen dabei Änderungen im internationalen Finanzsystem, um bestehende Geldflüsse für die Entwicklung verfüg- und nutzbar zu machen. Doch just hier hat es die Konferenz verpasst, notwendige strukturelle Änderungen voranzutreiben.

Noch immer fliessen mehr Gelder vom globalen Süden in den Norden als umgekehrt. Laut einem Uno-Bericht verliert Afrika jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar durch unlautere Finanzflüsse. Das ist doppelt so viel, wie der Kontinent jährlich an Entwicklungsgeldern erhält. Die Datenlage ist allerdings schwach und es ist anzunehmen, dass die Finanzabflüsse sogar weit grösser sind.
Eine zentrale Forderung von Alliance Sud ist darum, diese unlauteren Finanzflüsse wirksam zu bekämpfen, zu verhindern, dass unversteuerte oder illegal erworbene Vermögen in ausländische Steueroasen verfrachtet werden. Dafür braucht es die enge Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Zielländern der dubiosen Gelder. Bis heute werden die Regeln für internationale Steuerpolitik von den reichen Industrieländern in der OECD bestimmt. Entwicklungsländer fordern darum seit langem eine Zusammenarbeit in Steuerfragen auf Augenhöhe im Rahmen der Uno. In Addis Abeba hätte die Gelegenheit genutzt werden können, um endlich ein zwischenstaatliches Gremium für Steuerfragen zu schaffen. Dies umso mehr als die Industrieländer verlangen, dass die Entwicklungsländer vermehrt eigene Ressourcen mobilisieren, sprich die nationalen Steuereinnahmen erhöhen. Dabei sind legale Steuervermeidungspraktiken und die Steuerflucht multinationaler Firmen nachweislich die Haupthindernisse bei der einheimischen Ressourcenmobilisierung. Doch die OECD-Länder beharrten auf ihrer Machtposition und haben die Schaffung dieses neuen Gremiums bis zur letzten Minute bekämpft. Auch auf die Gefahr hin, die Konferenz scheitern zu lassen. Zum Schluss haben die Entwicklungsländer klein beigegeben und in ein Abschlussdokument ohne Steuergremium eingewilligt.

Äthiopien stand dabei besonders unter Druck – und hat den Druck afrikanischen und anderen Entwicklungsländern weitergegeben. Als Gastgeberland lag ihm daran, die Konferenz zu einem Abschluss zu bringen. Die nächsten zwei Konferenzen finden in New York und Paris statt. Wie wird es dort um die Kompromissbereitschaft des Nordens bestellt sein? Denn eines ist nach Addis Abeba klar: Ban Ki-moons Wunsch wurde (noch) nicht erfüllt. Es sind noch viele, grössere Schritte notwendig, um der Armut ein Ende zu setzen und den Klimawandel zu bekämpfen.

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Retten Konzerne die Welt?

26.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

Multinationale Konzerne investierten seit 2010 mehr als 600 Milliarden Dollar pro Jahr in Entwicklungsländern – Tendenz steigend. Deutlich mehr als an öffentlichen Geldern floss. Sind multinationale Konzerne also die Speerspitze der Entwicklung?

Retten Konzerne die Welt?

© Daniel Rihs/Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Multinationale Konzerne investierten seit 2010 durchschnittlich mehr als 600 Milliarden Dollar pro Jahr in Geschäftsaktivitäten in Entwicklungsländern – Tendenz steigend. Zugenommen haben nicht nur ihre Direktinvestitionen in China, Indien oder Südafrika, sondern auch jene in den ärmeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Sie übersteigen klar die Ausgaben der Industrieländer für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in diesen Ländern.

Heute versichern diese Konzerne, dass sie sich bei ihren Investitionen in Entwicklungsländern freiwillig an Kriterien der sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung orientieren. Und nicht wenige inszenieren sich als Vorreiter bei der Umsetzung der Uno-Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung. Hinter diesen Versprechen stecken oft nur Marketingüberlegungen, manchmal aber auch die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung letztlich alternativlos ist. Sind multinationale Konzerne also die neue Speerspitze der Entwicklungszusammenarbeit?

Die Antwort: leider nein. Zwar können multinationale Konzerne tatsächlich dazu beitragen, dass in Entwicklungsländern neue Arbeitsplätze und Lebensperspektiven entstehen. Oder dass sich umweltfreundliche Technologien verbreiten. Oft genug drängen sie aber schwächere lokale Betriebe aus dem Markt und ersetzen einheimische Arbeitskräfte durch importierte Maschinen. Gleichzeitig nutzen sie ihren politischen Einfluss, um sich privilegierten Zugang zu öffentlich finanzierter Infrastruktur zu verschaffen. Vor allem aber schaffen zu viele ihre Gewinne immer noch ins steuergünstige Ausland.

Trotzdem setzen die Entwicklungsagenturen der Industrieländer mehr denn je auf Partnerschaften mit solchen Unternehmen. Sie wollen private Investitionen in Richtung Entwicklungsländer mobilisieren, indem sie deren Risiken absichern. Bevorzugte Partner sind oft die Konzerne des eigenen Landes. Will heissen: Öffentliche Entwicklungsgelder und die Expertise staatlicher Entwicklungsfachleute werden eingesetzt, um die Investitionen von privaten Grossunternehmen des Geberlandes risikoärmer und lukrativer zu machen.

Für diese neue Strategie gibt es zwei Gründe. Da ist einerseits die Hoffnung, dass tatsächlich mehr entwicklungsfördernde Investitionen in ärmere Länder fliessen. Andererseits geht es darum, Budgetkürzungen zu kaschieren. Wenn die Industrieländer mit ihren schrumpfenden staatlichen Entwicklungsausgaben mehr private Investitionsflüsse erzeugen, hat das einen strategischen Effekt: Es fällt weniger auf, wie weit sie sich vom Ziel entfernen, 0,7 Prozent ihres Nationaleinkommens in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Ob und wie der tatsächliche Entwicklungsnutzen von Partnerschaften mit dem Privatsektor gemessen werden soll, ist offen.

Auch bei der Finanzierung von Schutzmassnahmen gegen den Klimawandel soll der Privatsektor vorangehen. Doch mit Schutzdämmen – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – wird sich nie eine Rendite erwirtschaften lassen. Dennoch setzt der Bundesrat in seinem jüngsten Bericht zur internationalen Klimafinanzierung der Schweiz weitestgehend auf private Beiträge. Nur hat er keinen Plan, wie das funktionieren soll. Sein Motto scheint : Entwicklung ist umso besser, je weniger sie die öffentliche Hand kostet. Diese zynische Haltung verkennt die Fakten.

Privatsektor

Zusammen­arbeit mit dem Privatsektor

Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass Partnerschaften mit dem Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit die Armutsbekämpfung zum Ziel haben und hohen Anforderungen an Transparenz und Wirkungsmessung unterliegen.

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Worum es geht

Seit der Verabschiedung der UNO-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) wurden sowohl auf multilateraler Ebene (Weltbankgruppe, OECD, regionale Entwicklungsbanken) als auch in vielen Ländern Strategien zur «Mobilisierung» privater Finanzmittel für nachhaltige Entwicklung verabschiedet, dies mit dem Ziel, die auf rund 2,5 Billionen USD pro Jahr geschätzte Finanzierungslücke zur Erreichung der SDGs zu schliessen.

Zu diesem Zweck wurde eine breite Palette von Institutionen und Instrumenten gefördert oder neu geschaffen. Dabei sind die Ambitionen oft übertrieben, sowohl was die Höhe der Finanzierung betrifft, die auf diese Weise aufgebracht werden kann, als auch was das Potenzial und die Relevanz der Privatsektorfinanzierung für die Armutsbekämpfung anbelangt.

Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass Partnerschaften mit dem Privatsektor von DEZA und SECO die Armutsbekämpfung zum Ziel haben sowie hohen Anforderungen an Transparenz und Wirkungsmessung unterliegen. 

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«Sie sagten, sie brächten Entwicklung.»

14.06.2019, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat will in der Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft vermehrt mit dem Privatsektor zusammenarbeiten. Wer genau hinschaut, weiss: Die Risiken dabei sind enorm. Fallstudie einer Schweizer Agrarfirma in Ghana.

Kristina Lanz
Kristina Lanz

Expertin für internationale Zusammenarbeit

«Sie sagten, sie brächten Entwicklung.»

Die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor steht in der internationalen Entwicklungspolitik hoch im Kurs. Nicht nur die Weltbank spricht davon, es brauche Billionen um in den ärmsten Ländern die Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung  zu erreichen (Agenda 2030). Auch Geberländer wie die Schweiz glauben, dafür benötige es zwingend die enorme Hebelwirkung, die der Einsatz privater Gelder erlaube. Vollmundig ist die Rede von einem Win-Win-Win-Szenario, von dem die Investoren, die Regierungen der Entwicklungsländer und deren Bevölkerungen gleichermassen profitieren. Vor allem im Landwirtschaftsbereich sind public-private partnerships (PPP) – zuweilen auch public-private-development partnerships (PPDP) genannt – längst eine Realität. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, was mit diesen Modellen bisher erreicht wurde.

Diese Partnerschaften nehmen verschiedene Formen an. In manchen Fällen co-finanziert eine Entwicklungsbehörde direkt eine private landwirtschaftliche Investition, in anderen Fällen fliessen die Gelder in kapitalkräftige Fonds, welche die Mittel weiterleiten an privatwirtschaftliche Unternehmen. Was diese Agro-Unternehmen alle gemeinsam haben: Sie versprechen das nachhaltig Blaue vom Himmel, dass ihre Investitionen in den betreffenden Gebieten ein Segen seien, dass nationale und globale Ernährungssicherheit, Frauenförderung und Arbeitsbeschaffung Hand in Hand gehen würden.

Der Fall GADCO

2011 gründeten ein nigerianischer und ein britischer Investmentbanker die Global Agro-Development Company (GADCO). Von Landwirtschaft hatte weder der eine noch der andere eine Ahnung, doch beide suchten nach der globalen Finanzkrise von 2008 ein neues Tätigkeitsfeld. Es gelang ihnen, eine ganze Reihe entwicklungsorientierter Investoren für ihre Idee zu gewinnen, in der Voltaregion in Ghana den grössten Reisproduzenten Westafrikas aufzubauen. Unter den Partnern und Kapitalgebern war die Syngenta Foundation for Sustainable Agriculture, die Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA), die Agricultural Development Company (AgDevCo), der Acumen Fund sowie der Africa Agriculture and Trade Investment Fund (Aatif).[1] GADCO genoss international und auch in Ghana viel positive Berichterstattung – nicht zuletzt aufgrund ihres Anspruchs auf Engagement für Nachhaltigkeit, community development und die ökonomische Stärkung der Frauen (women’s economic empowerment).

Trotz anfänglicher Erfolge, grosser finanzieller Unterstützung und erster Reisernten vermeldete die Firma drei Jahre nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit den Bankrott und wurde 2015 von der Schweizer Firma RMG Concept mit Sitz in Delémont/JU übernommen, die GADCO schon zuvor mit Pestiziden und Düngemitteln versorgt hatte. RMG Concept, die sich auf ihrer Website ebenfalls als Vorreiterin der nachhaltigen Landwirtschaft und als verlässliche Partnerin von KleinbäuerInnen und Kleinbauern anpreist, betreibt seitdem die grosse Reisplantage und das daran angegliedertes Vertragslandwirtschaftsprojekt – nach wie vor unter dem Namen GADCO.

Die Mehrheit geht leer aus

In Ghana werden ungefähr 80% der gesamten Landfläche von lokalen Dorfvorstehern (chiefs) verwaltet. Deren weitgehende Machtbefugnisse wurden zu einem grossen Teil von den englischen Kolonialherren geschaffen und sind in der Verfassung verankert. Achtmonatige Recherchen vor Ort in den Jahren 2014 und 2016 im Rahmen einer Dissertation zu den Genderaspekten von landwirtschaftlichen Privatsektorinvestitionen zeigten,[2] dass für GADCO die Chiefs  von Anfang an die zentralen Bezugspersonen waren, dies obwohl in der Voltaregion Land auch im Besitz von Familien ist und die Chiefs nur eine Art Aufsichts- und Streitschlichtungsfunktion besitzen. Zusammen mit den Chiefs, die meist eine höhere Ausbildung genossen haben, erarbeiteten die Firmenvertreter einen community-private partnership Vertrag. Dieser legte fest, dass die Gemeinschaft den Investoren 2000 ha Land zur Verfügung stellt und dafür im Gegenzug mit 2.5% am Umsatz der Firma beteiligt wird, was nach fünf Jahren auf 5% erhöht wurde - Gelder, die dann ausschliesslich für Entwicklungsprojekte in den lokalen Dörfern eingesetzt werden sollten.

An der Basis angekommen war  von den Gewinnen zum Zeitpunkt der Forschung allerdings kaum etwas. Eine junge Frau meinte dazu: «Ich habe keine Ahnung wofür sie das Geld nutzen – bis heute haben wir nicht einmal gutes Trinkwasser in den Dörfern.» Im vom Farmlandverlust am meisten betroffenen Dorf Bakpa Adzani, in dem vor allem Menschen mit Binnenmigrationshintergrund wohnen, wurde die Bevölkerung weder informiert noch konsultiert. Eine ältere Witwe bestätigt: «Wir wurden nicht informiert. Wir waren gerade auf der Farm, als die Firmenvertreter kamen und sagten, sie würden nun unser Land pflügen. Wir flehten sie an, wenigstens bis nach der Ernte zu warten.»

Während der Feldforschung war es offensichtlich, dass die Chiefs eigenmächtig über Kompensationen entschieden. So verwundert es nicht, dass vor allem Clan- und Familienmitglieder der Chiefs entschädigt wurden und dass diese auch die Hauptprofiteure des lokalen Vertragslandwirtschaftsprojekts namens Fievie Connect waren.

Versprochen war, dass die Hälfte aller im sogenannten outgrower scheme Beschäftigten  Frauen sein sollten.  2014 und 2016 waren die meisten outgrower wohlbetuchte, ältere Frauen und Männer, von denen etliche nicht selber auf die Felder gingen, sondern ärmere Frauen zu geringen Löhnen anstellten. Und für das outgrower scheme eingetragene Männer schickten oft ihre Frauen auf die Felder, was deren generelle Arbeitslast substantiell vergrösserte, was deren generelle Arbeitslast substantiell vergrösserte.

Negative Auswirkungen hatten zudem mehrere Ernteausfälle, sowie die Intransparenz der auftraggebenden GADCO, die immer höhere Preise für Düngemittel und Pestizide in Rechnung stellte; entsprechend schrumpfte der erwirtschaftete Profit der VertragslandwirtInnen.

Auch bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen wies GADCO eine schlechte Bilanz auf. 2014 besass von den rund 150 Angestellten nur eine Minderheit einen Arbeitsvertrag, die Löhne waren so tief, dass viele befragte Personen von der Rückkehr in die karge Subsistenzlandwirtschaft träumten. Frauen waren zudem fast ausschliesslich als Tagelöhnerinnen für das Ausbringen von Dünger angestellt und verdienten dabei umgerechnet 3 US-Dollar pro Tag. Unter diesen Umständen von women’s empowerment zu sprechen, ist ein Hohn.

Die Ärmsten sind die VerliererInnen

Bei der Umwandlung von privat- und gemeinsam genutztem Land in eine Reis-Monokultur haben die Ärmsten den höchsten Preis bezahlt, allen voran MigrantInnen und alleinstehende Frauen. Vor allem der Verlust grosser Flächen gemeinschaftlich genutzten Landes (den sog. commons), das von Regierungs- und Firmenvertretern gerne als «ungenutzes» Land bezeichnet wird, traf die Ärmsten am stärksten. Eine Vielzahl von Fischteichen und kleinen Bächen, die nicht nur stark zur Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung beitrugen, sondern für mehrere Dörfer auch die einzigen Wasserquellen waren, wurden von GADCO zerstört; ebenso sämtliche Pflanzen. Die vielen über das Land verteilten Bäume wurden zuvor als Feuerholz für den Eigenbedarf genutzt und bildeten die Lebensgrundlage vieler ärmerer Frauen, die das Holz zu Kohle verarbeiteten und verkauften. Eine von ihnen erzählte:  «Früher haben wir die Bäume beschnitten, um Kohle zu produzieren, aber nun haben sie (GADCO) alle Bäume gefällt und wir haben Mühe überhaupt etwas zu essen zu kaufen.»

Das Dorf Kpevikpo wurde komplett von der Reisplantage umzingelt. Die Zugangsstrasse zum Dorf wurde von GADCO vergrössert, damit ihre Traktoren darauf fahren konnten, und direkt vor dem Eingang zum Dorf wurde ein Bewässerungskanal gebaut. In der Regenzeit, sowie jedes Mal, wenn die Firma ihre Felder bewässerte, blieben die Menschen faktisch in ihrem Dorf eingesperrt. Kinder konnten nicht zur Schule gehen, in der Regenzeit mussten Frauen, die zum Markt gehen wollten, durch brusthohes Wasser waten, um das Dorf zu verlassen. Eine Frau aus Kpevikpo: «Ich sehe nichts Positives an der Firma. Sie haben nur unser Land zerstört. Wir haben sie gefragt, ob sie eine kleine Brücke über den Kanal bauen können, aber sie haben sich geweigert.»

Richtete GADCO Schäden an, so wusch die Firma ihre Hände in Unschuld; Verhandlungen wurden generell über die Chiefs abgewickelt; Widerstand und Proteste der Lokalbevölkerung wurden von den Chiefs von Fall zu Fall auch unter Einsatz von Gewalt niedergeschlagen. Dabei war sich GADCO der verschiedenen Probleme durchaus bewusst. Der ehemalige Manager Adidakpo Abimbola räumte sogar ein, dass den Chiefs regelmässig ein Pick-Up Truck ausgeliehen werde, wenn es Probleme mit der lokalen Bevölkerung gebe. Die Chiefs bewaffneten dann einige Jugendliche mit Stöcken und schlugen die Aufständischen in die Flucht.

Auf die Frage, ob sich GADCO bewusst sei, dass hier im Namen von nachhaltiger Entwicklung gesprochene Gelder für Profitinteressen einiger Weniger zweckentfremdet würden, meinte der neue Manager Satyendra Kumar Singh nur: «Wie die lokale Bevölkerung mit dem Geld umgeht, geht uns nichts an. Wir haben unsere Geschäftsstrukturen und sie haben ihre. Wir mischen uns nicht ein.”

Der beschriebene und wissenschaftlich dokumentierte Fall ist brisant – nicht nur, weil sich GADCO gross Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibt, sondern weil die Firma dafür auch von verschiedenen Entwicklungsakteuren finanziell unterstützt wurde. Für Alliance Sud ist es unabdingbar, dass, wenn die Schweiz in Zukunft in der Entwicklungszusammenarbeit vermehrt auf den Privatsektor setzen möchte, dieses Engagement auf klaren Kriterien, sowie einer detaillierten Kontextanalyse aufbaut und durch ein rigoroses, unabhängiges Monitoring regelmässig überprüft wird.

 

 

 

[1] Verschiedene Geldgeber von GADCO werden ihrerseits von staatlichen Entwicklungsakteuren unterstützt: AgDevCo wird hauptsächlich vom englischen Department for International Development (DfID) finanziert;  AGRA erhält Gelder von DfID, dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), USAID und verschiedenen anderen Entwicklungsakteuren; Aatif ist eine Initiative des BMZ und der KfW Bankengruppe.

[2] PhD Dissertation in Sozialanthropologie mit dem Titel: «Institutional Change, Gender and Power Relations. Case study of a "best practice" large-scale land acquisition in Ghana.» Universität Bern, 2018.

Artikel

Mobilisierung privater Gelder: viele offene Fragen

27.03.2023,

Seit der UN-Konferenz in Addis Abeba im Jahr 2015 erklingt aus der internationalen Gemeinschaft praktisch unisono das Mantra: Nur mit der Mobilisierung privater Gelder können die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) erreicht werden.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Mobilisierung privater Gelder: viele offene Fragen
Soldaten aus Ruanda beschützen eine Anlage des Gasförderprojekts von Total in Cabo Delgado, Mosambik.
© Simon Wohlfahrt/AFP/Keystone

Die Finanzierungslücke für die SDGs wurde 2021, in einer Neuevaluierung nach der COVID-Krise, auf 3'900 Milliarden USD beziffert. Im selben Jahr erreichte die Gesamtsumme der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) einen (Rekord-)Betrag von 185,9 Milliarden USD. Mit dem Pariser Abkommen haben die Industrieländer ihre Verpflichtung bekräftigt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden USD für die internationale Klimafinanzierung zu mobilisieren. 2021 kamen 83 Milliarden USD zusammen. Es besteht also eine klaffende Lücke. Auf die Frage, wie sie gefüllt werden könnte, wird sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene immer wieder auf die Mobilisierung privater Mittel verwiesen.

Doch in welchem Umfang lassen sich tatsächlich private Gelder für diesen Zweck erschliessen? Über welche Mechanismen (leveraging mechanisms)? Und welche Herausforderungen gilt es dabei zu beachten? In einem kürzlich publizierten Bericht versuchte die OECD, ein realistisches Bild der Situation zu zeichnen. Es liefert zwar einige Antworten; doch auch hier bleiben viele Fragen offen.

Wie hoch sind die Beträge?
Von 2018-2020 wurden durchschnittlich 48,6 Milliarden USD durch Massnahmen der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung (official development finance) im Privatsektor mobilisiert. Im Jahr 2012 hatte sich dieser Betrag noch auf 15,3 Milliarden USD belaufen. Dieses Ergebnis wird von der OECD selbst als «bescheiden» und «hinter den Erwartungen zurückbleibend» bezeichnet.

In welchen Ländern wurde investiert?

  • 35% der privaten Finanzierung waren für Afrika bestimmt (16,5 Mrd. USD/Jahr, davon 3,4 Mrd. USD für Gas-Megaprojekte allein in Mosambik), während Asien mit 13,5 Mrd. USD, davon 3,3 Mrd. USD allein für Indien, an zweiter Stelle stand.
  • Die Top 7 der Empfängerländer sind Mosambik, Indien, China (VRC), die Türkei und Ägypten, gefolgt von Brasilien und der Ukraine.

Was bedeutet dies für die ärmsten Länder?

  • 87% der Mittel gingen an Länder mit mittlerem Einkommen (Middle Income countries/MICs), d. h. an Entwicklungsländer mit «niedrigem Risikoprofil».
  • 12% der mobilisierten privaten Finanzierung gingen an einkommensschwache Länder (LICs), wobei zwei Drittel davon in nur fünf Länder (Mosambik, Bangladesch, Uganda, Guinea und Angola) flossen.

Welche Sektoren profitieren?
90% der privaten Finanzierungen flossen in Infrastrukturprojekte und Unternehmensdienstleistungen, davon Banken (36%), Industrie, Bergbau und Bauwesen (21%) sowie Energie (18%). Im Energiesektor wurden (und werden noch heute) 4,8 Mrd. USD/Jahr in Öl und Gas investiert, während 6,8 Mrd. in erneuerbare Energien flossen. Nur 7% waren für soziale Infrastruktur und Dienstleistungen bestimmt, zu denen Bildung (1%), Gesundheit und Bevölkerung (2%), Wasser und Abwasser (3%) gehören.

Wer mobilisiert wieviel?

  • 69% der privaten Gelder wurden von multilateralen Entwicklungsbanken mobilisiert. Allein die Weltbankgruppe zeichnet für 34% dieser Mobilisierung verantwortlich, gefolgt von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). Die Schweiz ist, mit Ausnahme der EIB, Mitglied aller dieser multilateralen Entwicklungsbanken und beabsichtigt, in Zukunft die von diesen Banken mobilisierten privaten Finanzierungen, auch im Klimabereich, anteilig zu ihrer Kapitalbeteiligung zu verbuchen, um internationale Zielvorgaben zu erreichen.
  • 25% wurden von bilateralen Institutionen mobilisiert, darunter vor allem Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, zu denen auch der Swiss Investment Fund for Emerging Markets (SIFEM) gehört. Letzterer liegt mit durchschnittlich 42 Millionen USD an mobilisierten privaten Geldern pro Jahr auf Platz 11. Multilaterale Institutionen, welche die Schweiz unterstützt, beteiligten sich mit insgesamt 5% an der Mobilisierung privater Mittel, darunter die Private Infrastructure Development Group (PIDG), die Global Environment Facility (GEF) und der Green Climate Fund (GCF).

Wieviel Geld floss in Klimamassnahmen?

  • Rund 32% der 2018-20 mobilisierten privaten Finanzmittel trugen zum Klimaschutz und/oder zur Klimaanpassung bei, insgesamt 15,5 Milliarden USD pro Jahr. Obwohl der Anteil der für die Klimaanpassung mobilisierten privaten Mittel von 1,9 Mrd. USD im Jahr 2018 auf 4,4 Mrd. USD im Jahr 2020 gestiegen ist, macht er durchschnittlich pro Jahr nur 4% des Gesamtvolumens aus. Im Durchschnitt der Jahre 2016-2020 wurden 86% der für den Klimaschutz mobilisierten privaten Mittel für Projekte zur Emissionsminderung (Mitigation) eingesetzt, davon 53% allein im Energiebereich (hauptsächlich durch Gas-Megaprojekte in Mosambik, siehe Box weiter unten).

Laut OECD-Bericht begründen die öffentlichen und privaten Akteur:innen mit direkter Finanzierungsbeteiligung die «bescheidenen Erfolge» weitgehend mit den Herausforderungen in Entwicklungsländern: das als hoch wahrgenommene Risiko, die niedrigen Renditen, der Mangel an Projekten und bankfähigen/bedeutenden Investitionsmöglichkeiten sowie das Fehlen «finanzieller Innovation» in den Portfolios der Institutionen. Weiter heisst es, dass das von privaten Investor:innen wahrgenommene Risiko in den Ländern und Sektoren besonders hoch sei, in denen sie am dringendsten benötigt würden.

Trotz der im Bericht hervorgehobenen durchzogenen Ergebnisse geben Regierungen und Entwicklungsbanken an, dass sie ihre Bemühungen zur Mobilisierung von mehr privaten Finanzmitteln fortsetzen wollen. Die fast schon frenetische Suche nach privater Entwicklungs- und Klimafinanzierung wirft jedoch eine Reihe von (systemischen) Fragen auf, deren Relevanz der OECD-Bericht anerkennt, ohne sie jedoch zu beantworten: Inwieweit kann die Mobilisierung privater Mittel angesichts des Umfangs und der Komplexität der tatsächlichen oder wahrgenommenen Risiken für private Investor:innen in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) eine glaubwürdige und substanzielle Alternative zur öffentlichen Entwicklungsfinanzierung (Aide publique au développement, APD) darstellen? Inwieweit ist es machbar bzw. wünschenswert, private Mittel in Sektoren zu investieren, in denen die finanzielle Rendite gering oder fast gleich Null ist – und naturgemäss auch bleiben wird –, weil es um den gerechten Zugang der Bevölkerung zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen geht (namentlich zu Bildung, Gesundheit, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen)?  Inwieweit gewährleisten Grossprojekte, die von privaten Investoren mitfinanziert werden, die Einhaltung der Grundsätze der Entwicklungswirksamkeit? Diese Frage betrifft ganz besonders auch die Mitsprache der betroffenen Bevölkerung. Und «last but not least» stellt sich die Frage der Neuverschuldung der Empfängerländer, wenn die Investitionen des Privatsektors substantiell zunehmen. Zwischen Traum und Wirklichkeit liegen mitunter Welten.

 

Private Mittel für Entwicklung und Klimaanpassung? – Das Beispiel der Megaprojekte in Mosambik

Nach der Entdeckung riesiger Erdgasreserven in Mosambik schmiedeten multinationale Konzerne, darunter TotalEnergies, ExxonMobil, die italienische Eni oder die japanische Mitsui, grossangelegte Pläne für Flüssigerdgasvorhaben, unter anderem die Förderung auf See, eine Unterwasserpipeline und eine Verarbeitungsanlage an Land. Das Grossprojekt, das von der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) mitfinanziert wird, stellt die bislang grösste ausländische Direktinvestition und die grösste Projektfinanzierung in Afrika dar.

Mosambik dürfte durch diese Projekte zum drittgrössten Lieferanten von Flüssigerdgas der Welt aufsteigen. Teilprojekte zur Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung werden dabei zynischerweise als Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel dargestellt. Nach einem islamistischen Aufstand in der Region Cabo Delgado, der diese Projekte bedrohte, kündigte die EU an, ihre finanzielle Unterstützung für eine Militärmission in Mosambik zu erhöhen. Damit wollte sie eine schnellstmögliche Realisierung der Gasprojekte sicherstellen, um die Abhängigkeit der EU von russischem Gas zu verringern.