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Bergbaugiganten klagen wegen Umweltbestimmungen

08.06.2023, Handel und Investitionen

Das Verfassungsgericht hat den Ausbau der Glencore-Kohlemine Cerrejon unterbunden und die kanadische Eco Oro vor die Tür gesetzt. Die beiden Rohstoff-Multis klagen nun gegen Kolumbien, was eine internationale NGO-Delegation scharf kritisiert.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Bergbaugiganten klagen wegen Umweltbestimmungen

Wandgemälde in El Rocio, la Guajira.
© Isolda Agazzi

«Ich kann nicht glauben, dass Glencore von Kolumbien Geld für einen Schaden fordert, den das Unternehmen selbst in unserem Territorium angerichtet hat. Wir haben Glencore nichts getan... Ich werde nie müde werden, unser Recht auf Wasser zu verteidigen», ruft Aura einer internationalen Delegation zu, die nach Kolumbien gereist ist, um die Regierung von der Kündigung des Investitionsschutzabkommens (ISA) zu überzeugen. Auch Alliance Sud gehört der Delegation an. Wir treffen die Wayuu-Frau in El Rocio, einer winzigen indigenen Gemeinschaft am Rande von Carbones de Cerrejon, Lateinamerikas grösstem Kohletagebau, der sich im alleinigen Besitz von Glencore befindet.

Die Rede ist von einer Klage, die der Schweizer Multi beim ICSID, einer Schiedsinstitution der Weltbank, gestützt auf das ISA zwischen der Schweiz und Kolumbien eingereicht hat, wobei die Höhe der geforderten Entschädigung nie publik wurde. Was den Schweizer Rohstoffriesen erzürnt, ist die Entscheidung des kolumbianischen Verfassungsgerichts, den Ausbau der Mine auszusetzen. Anlass dafür war die Umleitung des Arrojo Bruno (eines Nebenflusses des Rio Rancheria) zur Erschliessung des Steinbruchs La Puente. Da die Umleitung des Flusses potenziell das Klima in der gesamten Region bedroht, forderte das Gericht den Minenbetreiber dazu auf, eine sieben Punkte umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Konsultation der 21 Wayuu-Gemeinschaften durchzuführen.

Von den 14 Urteilen des Verfassungsgerichts ist kein einziges umgesetzt worden «Sie haben bereits 18 Nebenflüsse des Rio Rancheria, des einzigen Flusses, der das Wayuu-Gebiet durchfliesst, umgeleitet und alle sind ausgetrocknet. Der Rio Rancheria selbst ist bedroht», beklagt sich Misael Socarras, einer der Urheber der Klage vor dem Verfassungsgericht, der aufgrund der erhaltenen Drohungen und eines kürzlich erfolgten versuchten Anschlags unter Begleitschutz gestellt wurde. Er zeigt uns den umgeleiteten Lauf des Nebenflusses in der Nähe einer riesigen Mülldeponie der Mine. «Im Bereich der umgeleiteten Nebenflüsse wachsen nicht mehr die ursprünglichen Bäume, die Schatten spenden und den Wayuus heilig sind, sondern invasive Arten. Das Wasser ist verseucht; die nationalen Grenzwerte werden zwar nicht überschritten, jene der WHO jedoch sehr wohl – und das, obwohl das Wasser Teil der Wayuu-Kosmogonie ist. Wir fordern die Rückführung des Arrojo Bruno in seinen natürlichen Lauf», so Socarras.

5’000 Wayuu-Kinder sollen in den letzten zehn Jahren aufgrund von Wassermangel in Guajira, einer halbtrockenen Region und dem ärmsten Departement Kolumbiens, gestorben sein. «Das kolumbianische Verfassungsgericht ist zwar äusserst fortschrittlich in seinen Urteilen (14 Urteile gegen Menschenrechtsverletzungen liegen vor), doch keines davon wurde umgesetzt, weil die Institutionen Angst vor möglichen Klagen von Glencore haben», erklärt Luisa Rodriguez von der Heinrich-Böll-Stiftung.
 

Eco Oro gewinnt Klage im Moorgebiet Santurban

Es ist nicht der erste Versuch von Glencore, das 2016 als erstes multinationales Unternehmen, gegen Kolumbien klagte und 19 Millionen US-Dollar Schadenersatz zugesprochen erhielt. Zwei weitere Klagen folgten: jene gegen das Cerrejon-Urteil und eine weitere über eine Forderungssumme von 60 Millionen US-Dollar. Weitere Klagen sind nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus drohte Glencore in drei Fällen, über die keine Informationen vorliegen, mit Klagen. Bisher sind in Kolumbien 21 Klagen ausländischer Multis im Gesamtwert von mindestens 2,8 Milliarden USD bekannt, die meisten davon im Zusammenhang mit dem Bergbau und der Einführung neuer Umweltbestimmungen.

Bisher hat das Land zwei Prozesse verloren, wobei die meisten Klagen noch hängig sind: den ersten gegen Glencore und einen gegen Eco Oro, dessen Entschädigungssumme noch nicht feststeht. Die Forderung des kanadischen Bergbauunternehmens wird aber auf 698 Mio. USD beziffert. Wie im Fall Glencore wurde auch die Klage von Eco Oro nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts eingereicht, seine Bergbauaktivitäten einzustellen. Diese Entscheidung ging auf eine Klage des Komitees zum Schutz des Wassers und des Moores Santurban, das über 4.000 m oberhalb der Stadt Bucaramanga liegt, zurück. Das Komitee ist eine vor 14 Jahren gegründete Sozial- und Umweltplattform mit einer breiten Basis in der Bevölkerung, die nach eigenen Angaben erfolgreich 150’000 Menschen für die Verteidigung des Moores und des Wassers auf die Strasse gebracht hat.
 

Traditionelle Kleinschürfer

«Das Verfassungsgericht hat verkündet, dass es im Moorgebiet keine Minen geben darf und hat die Grenze des Moores auf 2’800 Meter Höhe festgelegt. Es ordnete jedoch auch an, dass dort weder Ackerbau noch Viehzucht betrieben werden darf, was für die Bewohner:innen und die beiden Dörfer, in denen die Kleinschürfer leben, ein existenzbedrohendes Problem schafft. Dies hat zu unglücklichen Missverständnissen zwischen den Umweltschützern und den Bewohner:innen des Moorgebietes geführt», bedauert Juan Camilo Sarmiento Lobo, ein Anwalt und Mitglied des Komitees, während unser Bus schwindelerregende Höhen erklimmt und die Kleinmine El Volcan passiert.

Das Problem ist komplex: Traditionelle Kleinminen gehören seit dem 16. Jahrhundert zur Berglandschaft. Damals fanden die spanischen Konquistadoren dort Gold und errichteten auf 3’000 Metern Höhe Veta, eine hübsche koloniale Kleinstadt mit den typischen weissen Häusern. «Die Kleinminen verursachen zwar Umweltprobleme, aber die Menschen leben davon und haben dafür die Landwirtschaft aufgegeben. Wir fördern den Ökotourismus und die Agrarökologie und versuchen, alternative Einkommensquellen zu schaffen, aber das ist nicht einfach», erklärt Judith, die selbst aus einer Familie von Kleinschürfern stammt und sich nun dem nachhaltigen und gemeinschaftlichen Tourismus verschrieben hat. Sie führt uns zu einer Lagune auf 3’600 Metern Höhe.
 

Die Mobilisierung der Bürger:innen zahlt sich aus, aber die Erfolge stehen auf tönernen Füssen

«Die Mobilisierung der Bürger:innen zahlt sich aus, wie der Fall Eco Oro zeigt, aber der Bergbau-Multi hat sich zurückgezogen, ohne die Mine zu schliessen, und informelle Bergleute schürfen unter Verwendung von Sprengstoff und Quecksilber weiter, wahrscheinlich mit der Unterstützung des Militärs. Zweimal wurde im Wasser von Bucaramanga die Quecksilber-Konzentration überschritten», erklärt ein Umweltingenieur, der Mitglied des Komitees ist, und hält nebenbei fest, dass es in Kolumbien gefährlich ist, sich für die Umwelt einzusetzen, da die Minen von der Armee und Paramilitärs bewacht werden.

Die Umweltaktivist:innen betonen, dass die Fortschritte auf tönernen Füssen stehen: Das Unternehmen Minesa aus den Arabischen Emiraten hat eine Bergbau-Konzession für das Schürfen unterhalb von 2’800 Metern Höhe (der Höhenbegrenzung des Moorgebietes) erhalten und ist dabei, an anderen Stellen zu sondieren. Sie bedauern ausserdem, dass die Regierung nicht einmal weiss, wie viel Gold von den Unternehmen abgebaut wird und dass diese vernachlässigbare Lizenzgebühren von 3,2% zahlen.

Kolumbien wird seine ISA neu verhandeln

Angesichts dieser Klagen ausländischer Konzerne beziehungsweise der Drohungen, die die Einführung von Umweltschutzbestimmungen bremsen, hat die Regierung von Gustavo Petro – die erste linksgerichtete Regierung in der Geschichte Kolumbiens – angekündigt, dass sie alle Investitionsschutzabkommen neu verhandeln wird. «Wir werden mit den Abkommen mit den USA und der Schweiz beginnen», sagte Maria Paula Arenas Quijanos, Direktorin für ausländische Investitionen im Handelsministerium, anlässlich einer öffentlichen Anhörung der internationalen Delegation am 30. Mai im Parlament.

«Unsere Absicht ist es, einige Klauseln neu zu verhandeln, um diese Abkommen ausgewogener zu gestalten.» Wie die anderen Mitglieder der Delegation würde auch Alliance Sud es vorziehen, wenn Kolumbien seine Abkommen kündigen würde, ohne neue auszuhandeln, wie es Ecuador und Bolivien getan haben. Falls neue Abkommen ausgehandelt werden, insbesondere mit der Schweiz, fordert Alliance Sud, zumindest den Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) auszuklammern und stattdessen eine Verpflichtung zur Anrufung nationaler Gerichte oder einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten zu beschliessen, dem ein Schlichtungs- und Vermittlungsverfahren vorausgeht. Dies umso mehr, als derzeit, erstmals unter Beteiligung der betroffenen Gemeinschaften, ein neues Bergbaugesetz ausgearbeitet wird, das die Einführung neuer Umweltvorschriften vorsieht.

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© Isolda Agazzi


Anhörung im Parlament am 30. Mai.

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Investitionsabkommen im Gegenwind

05.01.2015, Handel und Investitionen

Immer mehr Länder kündigen ihre Investitionsabkommen. Südafrika erneuert jene Abkommen nicht mehr, die auslaufen. Darunter auch das mit der Schweiz.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Investitionsabkommen im Gegenwind

US-Symbole nachgebaut in Mexiko-Stadt. Mexiko gehört zu den wenigen Entwicklungs- und Schwellenländern, das in seinen Investitionsabkommen mehr Vor- als Nachteile sieht.
© Martin Romers/Panos

«Die Zeiten ändern sich. Als wir unsere Investitionsabkommen abschlossen, waren wir der Paria der Weltgemeinschaft. Heute, da selbst die Europäer zugeben, dass es mit diesen Abkommen Probleme gibt, hoffen wir, dass andere Länder unserem Beispiel folgen», sagte Mustaqim De Gama vom südafrikanischen Departement für internationalen Handel und Investitionen am Investitionsforum der UNCTAD (UN Conference on Trade and Development) Mitte Oktober in Genf. Pretoria hat entschieden, seine 49 Investitionsabkommen wenn sie auslaufen, neu zu verhandeln.
«Der Handel und die Investitionen müssen der Industrialisierung des Landes und der Wertschöpfung bei uns dienen. Es geht nicht an, dass ausländische Investoren sich beim ersten Streik verabschieden. Sie müssen die nationalen Gesetze und Gerichte respektieren. Wir wollen kein Schiedsgericht mehr», erklärte Joanmarie Fubbs, Mitlied des ANC und Präsidentin des interparlamentarischen Handels- und Industriekomittees gegenüber GLOBAL+. 
2007 hatten Investoren Südafrika bei der Ankündigung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes auf 340 Mio US-Dollar verklagt. Der Fall wurde zwar gütlich beigelegt, war für die Regenbogen-Nation aber eine kalte Dusche. «Seit wir unsere Investitionsabkommen auslaufen lassen hat kein einziger Investor Südafrika den Rücken gekehrt – im Gegenteil, die Investitionen nehmen zu. Es gibt da keinen kausalen Zusammenhang», versichert De Gama. Dabei räumt er ein, dass es nicht einfach ist, aus diesen Abkommen auszusteigen, denn sie enthalten Klauseln, die Investoren auch auf Jahre hinaus Schutz zusichert.

Indonesien, Indien und Ecuador gehören zur Bewegung
Das Bedürfnis, diese Abkommen ausgewogener zu gestalten, war verbreiteter Konsens am UNCTAD-Investitionsforum. Indonesien etwa ist daran, seine 67 Abkommen zu überprüfen. Wichtige Punkte betreffen die Fragen, inwiefern Investitionen der Entwicklung dienlich sind, wer im Streitfall zwischen Investoren und Staaten schlichet und ob die Klauseln zu Meistbegünstigung und indirekter Enteignung gerecht sind. Diese Klauseln schränken die Handhabe eines Staates stark ein, in Sachen Sozial- und Umweltstandards regulierend einzugreifen. Djakarta hat seinen Vertrag mit den Niederlanden auslaufen lassen und erwägt, dasselbe auch mit anderen Ländern zu tun.
Nachdem Indien 2009 eine erste Verurteilung erfahren hat, ist das Land ebenfalls daran, seine 90 Abkommen zu überprüfen. Auch Indiens Ziel ist es, die Schlichtung eigenen Gerichten zu überlassen.
Ecuador ist das Land, gegen das am drittmeisten Klagen angestrengt worden sind – sie belaufen sich auf Schadenersatz in der Höhe von 19 Mrd. US-Dollar. Trotz dreissig Abkommen erhält Ecuador am wenigsten Investitionen von ganz Lateinamerika, die bestehenden konzentrieren sich vor allem auf den Erdöl-Sektor, wo enorme Umweltschäden angerichtet werden. Bis heute hat Ecuador zehn Verträge beendet, bei 16 weiteren steht das bevor. 2009 hat sich Ecuador gegen die Schlichtung durch das ICSID, die Schiedsstelle der Weltbank, gewehrt und eine Bürgerkommission ins Leben gerufen, die Investitionen beobachten und überprüfen soll.

Brasilien und Deutschland sind skeptisch
Brasilien ist jenes Land in Lateinamerika, das am meisten Investitionen empfängt, hat jedoch kein einziges Investitionsabkommen. Die 14 Abkommen, die in den 1990er Jahren unterzeichnet wurden – darunter auch mit der Schweiz – sind vom Parlament nie ratifiziert worden, weil sie für verfassungswidrig gehalten wurden. Unlängst hat die Regierung eine neue Art von Abkommen vorgeschlagen, die die indirekte Enteignung ausschliessen und die Streit-schlichtung in die Hände von Herkunft- und Empfängerstaat der Investition legt.
Die deutsche Regierung will das System der Schiedsstelle ebenfalls neu regeln. Deutschland ist mit einer 4,7 Mrd US-Dollar-Klage des schwedischen Energie-Multis Vattenfall konfrontiert, nachdem es den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat. Der Vorschlag ist, dass ein Berufungs-Mechanismus und mehr Transparenz zur Schlichtung gehören sollen, dass die Richter einen Verhaltenskodex befolgen und deren Honorare begrenzt werden. Im Bundestag gibt es Widerstand gegen das Vorhaben, dass die Schlichtung Teil des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) werden soll.

Mexiko und der Privatsektor im anderen Lager
Trotz der kritischen Haltung vieler, setzen andere Entwicklungsländer nach wie vor auf Investitionsabkommen. Mexiko, das seit 2012 zu den Kapital-Exporteuren zählt, unterhält rund vierzig davon. Es hat in den letzten Jahren im Durchschnitt pro Jahr 20 Mrd. US-Dollar an Investitionen erhalten. Zwar wurde Mexiko 15 Mal auf insgesamt 266 Mio. US-Dollar verklagt, unter dem Strich hält es die Bilanz jedoch für positiv. Das erstaunt nicht, denn der Privatsektor verteidigt das Abkommen und die Streitschlichtung  mit Zähnen und Klauen. Das Business and Industry Advisory Committee der OECD stellt fest, dass von den 586 bekannten Fällen 274 (43%) zugunsten der Regierungen, 90 (31%) zugunsten der klagenden Unternehmen entschieden wurden. Die verbleibenden 26% der Fälle konnten einvernehmlich beigelegt werden. Die NGO erwidern darauf, dass es die Regierungen aus Angst vor Klagen vorziehen, nicht zu regulieren. Komme dazu, dass in den beigelegten Fällen die Regierungen meist weitreichende Konzessionen gemacht hätten. Und: Viele Streitfälle sind gar nicht öffentlich geworden.

Nötig ist mehr Transparenz bei der Schlichtung. Die Intransparenz des Streitschlichtungsverfahrens zwischen Investor und Staat könnte durch neue Regeln verbessert werden, die für Investitionsabkommen gelten, die nach dem 1. April 2014 in Kraft treten. Aufgestellt werden sie von der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Die rund 3000 früher geschlossenen Abkommen werden den neuen Regeln automatisch unterworfen, wenn sich Staaten der neuen UN-Konvention über die Transparenz in der Streitschlichtung anschliessen. Diese kann ab März 2015 unterzeichnet werden.

Die Schweiz bewegt sich (zu langsam). Das Abkommen zwischen der Schweiz und Südafrika ist am 31. Oktober 2014 ausgelaufen. Während zwanzig Jahren bleiben jedoch Schutzklauseln in Kraft. Bis heute wurde kein anderes Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz gekündigt. Bern will die neue UN-Konvention über die Transparenz in der Streitschlichtung unterzeichnen. Alliance Sud begrüsst das und drängt darauf, keine Vorbehalte anzubringen. Am besten wäre es, die Streitschlichtung würde den Herkunfts- und Empfängerstaaten oder Gerichten im Empfängerstaat überlassen. Die Schweiz sollte in Zukunft auf die Klausel verzichten, die über den Ablauf eines Vertrags hinausreichen. Verzichten oder stark abzuschwächen sind auch die Klauseln über die indirekte Enteignung und die gerechte und faire Behandlung.

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Schweizer Multis klagen­ gegen Staaten

30.06.2016, Handel und Investitionen

Schweizer Multis nutzen Investitionsschutzabkommen, um mit Klagen ihre Interessen durchzusetzen. Parallel dazu arbeitet das Seco an einer Revision dieser Abkommen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Schweizer Multis klagen­ gegen Staaten

Anfang März hat das Staatsekretairat für Wirtschaft (Seco) den Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe publiziert. Thema : die Überarbeitung der Schweizer Investitionsschutzabkommen (ISA). Alliance Sud und andere NGOs sind ernüchtert. Der Bericht verspricht zwar, dass umstrittene Bestimmungen besser definiert werden, doch es steht zu befürchten, dass die heikelsten Bestimmungen im – nicht veröffentlichten – Modellabkommen nicht ausgemerzt wurden. Zum Beispiel die Schirmklausel, die es einer Firma erlaubt, mit Verweis auf ein Investitionsschutzabkommen auf Verletzung ihres Vertrags mit einem Staat zu klagen. Oder die Tatsache, dass Gesundheits- und Umweltschutz immer noch nicht als Ausnahmen für eine indirekte Enteignung akzeptiert werden.

Dieses neue Modell für Investitionsschutzabkommen soll nicht rückwirkend auf die bestehenden 131 Abkommen mit Entwicklungsländern angewendet werden. Es ist jenen Entwicklungsländern vorbehalten, die ihre Abkommen mit der Schweiz auf eine neue Grundlage stellen wollen und vielleicht auch Industriestaaten (Kanada, den USA, der EU) angeboten werden sollen, mit denen die Schweiz keine solchen Abkom-men hat. Und die Schweiz könnte anlässlich der Verhandlun-gen um einen Freihandelsvertrag mit Kanada versucht sein, dort den Streitschlichtungsmechanismus (Investor State Dis-pute Settlement, ISDS) einzubauen, so wie das Ottawa mit der EU im CETA-Abkommen getan hat. Sollte die Schweiz der TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) beitreten, müsste sie diesen umstrittenen Mechanismus auch mit den USA und der EU übernehmen.

Das Seco bekräftigt, es wolle mehr Transparenz in Streitfällen. Wie nötig das ist, zeigt die unlängst bekannt gewordene Klage von Glencore gegen Kolumbien. Eingereicht wurde sie am 16. März beim Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) auf der Basis des Investi­tionsschutzabkommens zwischen der Schweiz und Kolumbien. Worum es genau geht, ist völlig unbekannt, weder Glencore noch das Seco haben dazu informiert.

Neuland für Kolumbien

Bei der Klage handelt es sich um eine der ersten eines multinationalen Konzerns gegen Kolumbien. Gemäss der kolumbianischen Presse geht es um eine Anpassung im Vertrag um die Ausbeutung der Kohlemine von Calenturitas, die 2010 von Glencore und den kolumbianischen Behörden ausgehandelt wurde. Es ging dabei darum, dass Glencore Kolumbien weniger Abgaben entrichten sollte, seine Produktion erhöhen würde und davon letztlich auch Kolumbien finanziell profitieren sollte. Doch es kam anders. 2010 gingen die Abgaben von 129 auf 77 Milliarden kolumbianische Pesos zurück. Der kolumbianische Rechnungshof hat darauf die von Korruptionsgerüchten begleitete Neuverhandlung des Vertrags angefochten und Glencore zu einer Busse von 62 Milliarden Pesos (18 Millionen Dollar) verurteilt.

Kolumbien ist von der Baisse der Rohstoffpreise stark betroffen, zudem ist die Öffentlichkeit schockiert über eine Korruptionsaffäre rund um die Modernisierung der Raffinerie von Cartagena, die Glencore 2006 hätte in Angriff nehmen sollen. Kommt dazu, dass auch andere multinationale Rohstofffirmen gegen Bogotà geklagt und Umweltschutzmassnahmen wie die Schaffung eines Naturparks angefochten haben.

Für Alliance Sud ist es inakzeptabel, dass Gerichtsentschei-de eines souveränen Staates durch ein Handelsschiedsgericht, das privatwirtschaftliche Interessen beurteilt, in Frage gestellt werden können.

Eine weitere Klage am Horizont

Es könnte sein, dass noch weiteres Ungemach auf Kolumbien zu kommt. In einer «Erklärung von öffentlichem Interesse» hat das Land bekannt gegeben, dass es für die Ausgabe einer «obligatorischen Lizenz» für das Novartis-Leukämie-Medikament Glivec einsteht, das in Kolumbien unter dem Namen Imatinib verkauft wird. Dies würde der lokalen Pharmaindustrie erlauben, das Arzneimittel als Generikum zu 77 Prozent tieferen ­Kosten als Glivec zu produzieren. Aktuell kostet die Glivec-Be-handlung pro Patient und Jahr 20 000 Dollar. Zwischen 2008 und 2014 haben KolumbianerInnen gegen 134 Millionen Dollar für ­Glivec ausgegeben. Der Glivec-Entscheid ist präzedenzlos in Kolumbien.

Kein Wunder, wehrt sich Novartis dagegen. Schon er­ staunlicher und umstritten ist dagegen, dass auch die Schweiz Bogotá unter Druck setzt, den Entscheid zurückzuziehen. Ver-gangenes Jahr schrieb das Seco den kolumbianischen Behörden einen Brief und mahnte, die Glivec-Affäre könnte die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern, die auf Freihandels-, Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen fussen, gefährden.

Eigentlich ist die Ausgabe solcher obligatorischer Lizenzen ge-deckt durch das WTO-Abkommen über handelsbezogene As-pekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Aber das Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Kolumbien ver-stärkt die Rechte an geistigem Eigentum und erschwert die Produktion von Generika. Es ist einer der Gründe, weshalb sich Alliance Sud gegen solche Abkommen ausspricht. Ein Land wie Kolumbien, das sich im Wiederaufbau nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs befindet, benötigt zusätzliche Mittel, um das Recht auf Gesundheit seiner Bevölkerung zu sichern. Kommt dazu, dass auch in diesem Fall zu befürchten ist, dass der Streit letztlich wie der Glencore-Fall von einem zweifelhaft legiti-mierten Schiedsgericht verhandelt wird.

Klage von Alpiq gegen Rumänien

Mit Alpiq lässt es sich noch ein Schweizer Unternehmen nicht nehmen, im Ausland etwas einzuklagen, wofür es in der Schweiz keine Rechtsgrundlage gibt. Während der Stromkon-zern einen Teil seiner unrentablen Schweizer Staudämme verkaufen will und Subventionen verlangt, zögert er nicht, einen souveränen Staat einzuklagen, mit dem er sich nicht über vertraglich geregelte Abmachungen einigen kann.

2014 klagte Alpiq gegen Rumänien, nachdem der öffentliche Energiedienstleister Hidroelectrica Konkurs gegangen war und den Vertrag über Stromlieferungen kündigen musste. Die Klage bezieht sich auf das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Rumänien und den Vertrag über die Energiecharta, ein multilaterales Abkommen, dem die Schweiz angehört. Alpiq verlangt von Rumänien eine Entschädigung von 100 Millionen Euro ; die Klage ist hängig.

Für Alliance Sud ist es unhaltbar, dass ein Unternehmen gegen einen Staat klagt, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Denn gegen die Schweiz könnte Alpiq nicht klagen. Wenn hingegen die Schweiz ihre Staudämme an ausländische Unternehmen verkaufte, könnte sie von diesen verklagt werden. Im Falle etwa, dass sie Umwelt-schutzmassnahmen erliesse, welche den Profit der neuen Besitzer schmälern könnten. Und dies, selbst wenn es sich um Minderheitsbeteiligungen handeln würde.

Die heutigen Investitionsschutzabkommen bevorteilen einseitig die ausländischen Unternehmen, denn sie erlauben Klagen nur in eine Richtung. Seit einigen Jahren schon verlangt Alliance Sud von der Schweiz, ihre Abkommen ausgewogener zu gestalten und auf die Streitschlichtungsmechanismen zu verzichten. Bis heute wurde die Schweiz selbst noch nie an­ geklagt. Angesichts zunehmender Auslandsinvestitionen in der Schweiz liegt es jedoch auch im Interesse unseres Landes, ­dieser Möglichkeit mit gerechteren Investitionsschutzabkommen vorzubeugen.

Dieser Artikel ist in GLOBAL+ (Sommer 2016) erschienen.

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Investitionsschutz: Philip Morris gegen Uruguay

04.08.2016, Handel und Investitionen

2010 klagte Philip Morris gegen Uruguay wegen seiner Antitabak-Gesetzgebung. Der Tabakmulti verlangte eine Entschädigung von 25 Mio. Dollar. Am 8. Juli 2016 erhielt Uruguay Recht – für Alliance Sud hätte es dieses Verfahren nie geben dürfen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Investitionsschutz: Philip Morris gegen Uruguay

© I-vista/pixelio.de

Alliance Sud, wie auch zahlreiche NGO und Regierungen namentlich aus Lateinamerika, setzen sich seit Jahrzehnten gegen Investitionsschutzabkommen ein, die den Investoren Rechte, den Staaten aber nur Pflichten auferlegen. Diese Abkommen führen in letzter Zeit immer häufiger dazu, dass Multis gegen Staaten vorgehen und dabei öffentliche Interessen, sei es im Gesundheits- oder im Umweltbereich, mit Füssen treten.

Angriff wegen Antitabak-Gesetz

Der Fall von Uruguay ist in dieser Hinsicht beispielhaft. 2010 klagte Philip Morris vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem Schiedsgericht der Weltbank. Im Juli 2013 erklärte sich das ICSID zuständig für die Beurteilung des Falls.

Philip Morris forderte 25 Millionen Dollar, weil Uruguay ein seiner Meinung nach zu restriktives Antitabak-Gesetz eingeführt hatte. Der bekannteste Zigarettenhersteller der Welt, dessen operativer Hauptsitz in der Schweiz liegt, focht eine Verordnung Uruguays an, die verfügte, dass an einer Verkaufsstelle nur jeweils eine Sorte einer Marke (z. Bsp. Marlboro rot, gold oder silber) angeboten werden darf und das 80% der Oberfläche eines Päckchens durch den Warnhinweis vor der Nikotinsucht bedeckt sein soll. Seine Klage stützte Philip Morris auf das Investitionsschutzabkommen, das seit 1991 zwischen der Schweiz und Uruguay in Kraft ist.

Die Schweiz kann und muss intervenieren

2014 verlangte Alliance Sud von der Schweiz, dass sie eine Auslegungsnote zur Klage von Philip Morris gegen Uruguay verfassen soll.  Ein solches Gutachten hätte die Frage klären sollen, ob Uruguay aufgrund des Investitionsschutzabkommens Massnahmen gegen die Nikotinsucht treffen darf. 

Das Abkommen schreibt nämlich vor, dass beiden Staaten das Recht vorbehalten bleibt, wirtschaftliche Tätigkeiten zu unterbinden, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Bern hat darum eine spezielle Verantwortung in diesem Fall und muss handeln. Es muss darauf beharren, dass die Vertragspartner im Respekt internationaler Konventionen alle Regulierungsmassnahmen treffen dürfen, die dem öffentlichen Interesse dienen, ohne dass damit gleichzeitig Sanktionen durch ausländische Investoren riskiert werden müssen.

Erfolg auf der ganzen Linie für Uruguay

Am 8. Juli hatte das Warten ein Ende: Das ICSID gab Uruguay in sämtlichen Punkten recht und verurteilte Philip Morris zur Bezahlung sämtlicher Gerichts- und Prozesskosten in der Höhe von 7 Millionen Dollar. Alliance Sud und die NGO Amigos de la Tierra (Uruguay) begrüssten dieses Urteil, unterstrichen aber, dass es gar nie zu diesem Verfahren hätte kommen dürfen. Es hatte eine abschreckende Wirkung auf weitere Antitabak-Massnahmen in Uruguay selbst, aber auch auf Gesetzgebungen in anderen Ländern wie Costa Rica, Paraguay oder Neuseeland. Ohne den starken politischen Willen des uruguayischen Präsidenten Vazquez und die finanzielle Unterstützung einer privaten Stiftung hätte sich Uruguay möglicherweise bereits 2010 dem Druck von Philip Morris gebeugt. Der Streitschlichtungsmechanismus zwischen Investor und Staat ist unausgewogen und muss abgeschafft werden. Stattdessen wollen die Staaten diesen Mechanismus in der Transatlantischen Handel und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU einführen, so wie er schon in der Transpazifischen Partnerschaft (TTP) und im Vertrag zwischen der EU und Kanada (CETA) verankert Fall ist.

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Schiedsgericht: Nicht mehr als ein Etappensieg

03.10.2016, Handel und Investitionen

Uruguay hat den jahrelangen Rechtsstreit wegen seiner Antitabak-Politik gegen Philip Morris gewonnen. Das Verfahren, das der Tabakmulti aufgrund eines Investitionsschutz-Abkommens der Schweiz angestrengt hatte, hätte auch anders ausgehen können.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Schiedsgericht: Nicht mehr als ein Etappensieg

© Pablo La Rosa/Reuters

Philip Morris hatte 2010 vor dem ICSID, einem Schiedsgericht der Weltbank, Klage erhoben. Der Tabak-Weltkonzern mit Hauptsitz in der Schweiz wehrte sich dagegen, dass Uruguay den Verkauf verschiedene Marlboro-Marken nur noch in einer Einheitspackung zulassen und 80% der Päckchen mit Warnung vor dem Tabakmissbrauch versehen wollte.
Die Klage sorgte unter NGOs weltweit für Empörung, in der Schweiz engagierte sich Alliance Sud an der Seite von Friends of the Earth Uruguay. Bemerkenswert: die Sekretariate der Weltgesundheitsorganisation und des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs hatten einen «amicus curiae» eingereicht. Diese schriftliche Stellungnahme legte dar, dass Uruguays Vorgehen mit der besagten Uno-Konvention durchaus vereinbar sei.
Das Schiedsgericht gab Uruguay auf der ganzen Linie Recht und verpflichtete Philip Morris nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch einen Teil Prozesskosten des lateinamerikanischen Kleinstaats in der Höhe von 7 Millionen Dollar zu übernehmen. Es hielt fest:

  1. Uruguay hat keine seiner Verpflichtungen verletzt, die ihm aus dem ISA mit der Schweiz erwachsen.
  2. Die Regulierungsmassnahmen Uruguays waren keine Enteignung von Philip Morris sondern geschahen im guten Glauben, die öffentliche Gesundheit zu schützen.
  3. Die Massnahmen waren nicht willkürlich und stellten keine Verletzung der Rechte von Philip Morris dar. Im Gegenteil, es handelte sich um eine «faire und gerechte Behandlung», die durch die Wissenschaft und die internationale Gemeinschaft gestützt werde.
  4. Die Massnahmen hinderten Philip Morris nicht, in einer «unvernünftigen und diskriminierenden» Weise von seinen Patenten Gebrauch zu machen. Solange Uruguay legitime Interessen verfolge, ziele seine Politik nicht darauf, den Wert der Investitionen zu schmälern.

Bereits vergangenes Jahr war Philip Morris Asien mit einer vergleichbaren Klage gegen Australien abgeblitzt. In jenem Fall war ein ISA zwischen Hong Kong und Australien Grundlage der Klage, das Schiedsgericht hatte sich damals als nicht zuständig erklärt und war darum gar nicht auf die Klage eingetreten.

Was das Urteil bedeutet

Was bedeuten diese beiden Urteile für einen der weltweit führenden Zigarettenhersteller, für den Kampf gegen den Tabakmissbrauch und für das Verhältnis zwischen Investoren und Staaten, auf deren Gebiet investiert wird? Zeigt dieses Urteil, dass das System funktioniert und es zu keinen weiteren Klagen gegen Staaten kommen wird, die ihre öffentliche Gesundheit schützen, so wie es die Verteidiger des heutigen Systems behaupten? Nichts ist weniger sicher als das.

Die meisten Kommentatoren des Urteils sind sich einig, dass die Klagen von Philip Morris ihr Ziel auch so erreicht haben. Sie haben andere Staaten eingeschüchtert («chilling effect»), die eine ähnliche Politik wie Uruguay einschlagen wollen. Costa Rica, Paraguay, Neuseeland u.a. haben ihre entsprechenden Pläne zurückgefahren oder auf Eis gelegt. Und die Tabakmultis werden kaum zögern jene der ärmsten Länder in Afrika anzugreifen, die für sie als Zukunftsmärkte gelten.
Betont werden muss auch, dass dieser Urteilsspruch kein Präzedenzfall im internationalen Recht darstellt, dem es sich in Zukunft anzupassen gilt. Denn Schiedsverfahren sprechen nicht Recht. Schiedssprüche haben per definitionem etwas Unvorhergesehenes und Zufälliges. Der Grund dafür liegt in ihrer juristischen Vielfalt, das ICSID ist nur eine von verschiedenen Schiedsstellen, die juristischen Grundlagen, auf die sich die Schiedsrichter berufen, bleiben unklar und vage. Im vorliegenden Fall unterlag jener Schiedsrichter, den Philip Morris bestimmen durfte, gegen seine beiden Kollegen und publizierte eine abweichende Meinung. Das alles spricht dafür, dass die ISA im Interesse der Staaten, in denen investiert wird, ausgewogener formuliert werden müssen. Auch und gerade die Schweizer ISA.


Die Klausel zur «fairen und gerechten Behandlung»

ia. Philip Morris hatte namentlich eine Verletzung des Prinzips der «fairen und gerechten Behandlung» geltend gemacht , ein äusserst dehnbarer und verschwommener Begriff. Nicht umsonst ist es jenes Prinzip, dass vor den Schiedsgerichten am häufigsten ins Feld geführt wird. Es beinhaltet das Konzept «legitimer Erwartung» des Investors, nicht nur in Bezug auf seine Investition, sondern auch bezüglich des Rechts seine Geschäfte zu gestalten.  Im Fall einer Investition in der Landwirtschaft kann das zum Beispiel heissen, dass heute oder in Zukunft Wasser zu Bewässerungszwecken gepumpt werden darf, selbst wenn dies zu Konflikten mit den Bedürfnissen der Bevölkerung führen könnte.

Sogar wenn – wie im Philip Morris-Fall – die Schiedsrichter zum Schluss kommen, dass dieses Prinzip nicht verletzt wurde, gibt es durchaus verschiedene Auslegungen wie gross der Spielraum einer Regierung ist, den sie im Fall der öffentlichen Gesundheit beanspruchen kann. Im Fall Duke Energy and Al vs. Ekuator (2008) zum Beispiel unterstrich das Schiedsgericht, dass die Erwartungen des Investors bezüglich des gesetzlichen und geschäftlichen Umfelds angemessen sein müssen. Es gab dem klagenden Unternehmen trotzdem Recht und stellte fest, dass Ekuador der Firma keine Garantiezahlung gewährt habe, wie es im Investitionsvertrag vorgesehen gewesen sei. Ekuador wurde zu einer Entschädigungszahlung von 5.5 Millionen Dollar plus Zinsen verurteilt.

Im Fall CMS vs. Argentinien (2005) machte die US-amerikanische Gasfirma CMS Gaz Transmission Company eine Verletzung der «fairen und gerechten Behandlung» geltend und erhielt eine Entschädigung von 132 Millionen Dollar zugesprochen. Ende der 1980er Jahre hatte Argentinien beschlossen, gewisse Staatsunternehmen – namentlich im Gassektor − zu privatisieren und den Peso an den Dollar zu koppeln. Zehn Jahre später, als es darum ging einer tiefen Rezession zu begegnen, erklärt Argentinien den Ausnahmezustand und gab die Währung frei. Seither ächzt Argentinien unter den Klagen ausländischer Investoren, mehr als vierzig an der Zahl. In diesem Fall hatte das Schiedsgericht entschieden, dass das Tarifregime ein entscheidendes Element für den Investor gewesen sei und dessen Änderung die rechtliche und geschäftliche Umgebung, auf welche sich der Investor ursprünglich eingestellt habe, komplett verändert habe. 

Sicher, dabei handelt es sich nicht um Klagen, die auf Schweizer Abkommen beruhen, aber solche Klagen kann es jederzeit wieder geben. Für Alliance Sud sollte sich das Modell neuer Schweizer ISA an den Abkommen zwischen den USA und Kanada orientieren. Das kanadische Modell übernimmt eine sehr zurückhaltende Interpretation der «fairen und gerechten Behandlung»: Es setzt voraus, dass diese in ihrem Geltungsbereich nicht über die generellen Prinzipien des internationalen Gewohnheitsrechts hinausgehen soll und sich daran orientieren soll, was dort als Minimalstandard bei der Behandlung von Ausländern gilt.

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Kolumbien beugt sich dem Druck von Novartis

05.12.2016, Handel und Investitionen

Der Druck von Novartis scheint zu wirken. Kolumbien will offenbar darauf verzichten, eine «obligatorische Lizenz» für das Anti-Krebsmittel Glivec auszustellen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Kolumbien beugt sich dem Druck von Novartis

Glivec Tablette
© Wikimedia Commons

Gegenstand des Streits ist das Novartis-Medikament Glivec, das Kolumbien gerne als Generikum auf den Markt bringen möchte. Novartis wehrt sich dagegen und beruft sich auf das Investitionsschutzabkommen Schweiz-Kolumbien. Eine investigative Website hat den genauen Inhalt des Konflikts Ende November publik gemacht.

Die von Alliance Sud geäusserten Bedenken (Artikel GLOBAL+, Sommer 2016) scheinen sich zu bestätigen: Novartis will Kolumbien offenbar mit einer Klage drohen, falls dieses mit einer obligatorischen Lizenz den Weg für ein Glivec-Generikum freimacht. Eine solche würde der lokalen Pharmaindustrie erlauben, das Arzneimittel als Generikum zu 77% tieferen Kosten als Glivec zu produzieren. Aktuell kostet die Glivec-Behandlung pro Patient und Jahr in Kolumbien je nach Quelle 15‘000 bis 20'000 Dollar und wird von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge übernommen – eine schwere finanzielle Belastung für das staatliche Gesundheitsbudget. Glivec gehört zu jenen Medikamenten, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als essentiell einstuft.

Im April 2016 hatte es Verhandlungen zwischen dem kolumbianischen Gesundheitsminister Alejandro Gaviria und Novartis gegeben. Die investigative Website International Arbitration Reporter hat jetzt bekannt gemacht, dass der kolumbianische Handelsminister am 24. April von Novartis eine Notice of dispute erhalten hat, die Bezug nimmt auf das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien. Wenige Tage später hatte Gaviria bekanntgegeben, dass er auf die Ausgabe der obligatorischen Lizenz verzichten wolle. Einen Monat später hiess es dann, Kolumbien wolle den Preis des Medikaments um 45% senken, worauf der Handelsminister der USA Kolumbien aufforderte, Novartis mehr Zeit für eine Antwort einzuräumen. Offenbar befürchten die USA, globaler Player auf dem Pharmamarkt, einen für ihre Industrie gefährlichen Präzedenzfall. Erst vor kurzem, am 22. November hat eine nationale Kommission in einem Rundschreiben festgehalten, es erlasse Preissenkungen für Medikamente, die von öffentlichem Interesse sind. Glivec sollte Teil davon sein, man weiss allerdings nicht, wie gross die Preisreduktion sein soll – sicher nicht 77%.

Bereits früher hatte es diplomatische Druckversuche gegeben. Im Mai 2015 hatte Livia Leu vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) einen Brief nach Kolumbien geschickt und verlangt, dass Kolumbien von seinen Plänen abrücke. Offenbar gab es auch Druck von US-Senatoren, die gar damit gedroht hätten, dass die USA ihre finanzielle Unterstützung für den Friedensprozess zurückzögen und dass Kolumbien von der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) ausgeschlossen werde.

Was Kolumbien aber offenbar am meisten fürchtet und zum Rückzug bewegt hat, ist die Drohung mit einer Klage vor einem Schiedsgericht. Soweit Alliance Sud bekannt ist, würde es sich dabei um die erste Klage handeln, die sich um den Preis bzw. die Verbilligung eines Medikaments dreht. Bemerkenswert ist, dass diese Premiere ein Abkommen der Schweiz betrifft. Die Schweiz käme wohl darum herum, wenn sie ihre Investitionsschutzabkommen endlich so anpassen würde, dass auch das Recht auf Gesundheit der Bevölkerungen berücksichtigt würde.

Für Alliance Sud sollte das aktuelle System zur Streitschlichtung zwischen Investoren und Staaten abgeschafft werden. Bei Streitfällen sollen sich ausländische Investoren an nationale Gerichte wenden, so wie es auch einheimische Investoren tun müssen. Die Tendenz geht allerdings in die gegenteilige Richtung: Die Europäische Union führt zurzeit breite Konsultationen über die Einführung einer permanenten Schlichtungsstelle.

Für mehr Informationen:
Marco Alberto Velasquez Ruiz, Instituto PENSAR, Bogotà,
Tel: +571 3208320 (Ext 5505)

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Investitionsschutz: Ein System kollabiert

09.10.2017, Handel und Investitionen

Staaten schliessen untereinander Investitionsschutzabkommen, multinationale Konzerne können deren Verletzung einklagen. Das geschieht immer häufiger. Doch immer mehr Staaten reagieren darauf mit der Kündigung der Abkommen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Investitionsschutz: Ein System kollabiert

Das kolumbianische Gesundheitswesen kennt viele Probleme. Teure, patentgeschützte Medikamente sind eines, die notorische Korruption ein anderes. Bild: In der Klinik von Santa Cruz del Islote, wo der Arzt aus Cartegena nur alle paar Monate vorbeischaut.
© Luca Zanetti

Im rechtlichen Gefüge um Investitionen und deren Absicherung bleibt kaum ein Stein auf dem anderen: So haben vier Entwicklungsländer (Südafrika, Indonesien, Indien, Ecuador) ihre Investitionsschutzabkommen (ISA) mit der Schweiz in den letzten 3 Jahren gekündigt. Und letztes Jahr hat erstmals ein Schiedsgericht die Gegenklage eines Staates (Argentinien) gegen einen (spanischen) Investor gutgeheissen. In der internationalen Handelsdiplomatie wird aktuell die Ablösung der bisherigen Schiedsgerichte durch die Schaffung eines Internationalen Schiedsgerichtshofs diskutiert.   

Das Streitschlichtungsverfahren zwischen Investoren und Staaten, das Investor State Dispute Settlement (ISDS) ächzt und steht vor dem Kollaps. Laut der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) sind zwischen Januar 2016 und Juli 2017 nicht weniger als 104 neue Klagen ausländischer Investoren gegen Empfängerstaaten eingereicht worden, womit die Gesamtzahl seit 1987 steil auf 817 steigt. .In 60% der Streitfälle haben die multinational tätigen Investoren Recht erhalten. Die Schadenersatzsummen bewegten sich zwischen 10 Mio. und den 16.5 Mrd. US-Dollar, welche der amerikanische Multi Cosigo Resources (Gold-Abbau) von Kolumbien beansprucht.  

Auch Schweizer Unternehmen hielten sich mit Klagen nicht zurück, die letzte bekanntgewordene hat Glencore gegen Kolumbien angestrengt; ausserdem gab es zuletzt die Klageandrohung von Novartis gegen denselben Staat.[1] Schweizer Unternehmen belegen Platz 11 der klagefreudigsten Multis, die Eidgenossenschaft selbst wurde hingegen noch nie eingeklagt.

Unter diesen Umständen erstaunt es wenig, dass immer mehr Entwicklungsländer ihre ISA kündigen und neue zu besseren Konditionen aushandeln möchten. So haben Indien, Südafrika, Indonesien und Ekuador ihre Abkommen mit der Schweiz gekündigt. Indien hat allen Grund, sich Sorgen zu machen: Bis 2010 war der Subkontinent nie von einem Schiedsgericht verurteilt worden, seither sind aber immer mehr Klagen eingereicht worden (22 insgesamt), die meisten davon sind noch hängig. Noch vorsichtiger war Südafrika: kaum war die erste – mittlerweile zurückgezogene – Klage eingetroffen, wurden alle ISA gekündigt. Gleich ist Indonesien vorgegangen, das siebenmal beklagt wurde, zwei dieser Klagen sind noch hängig.

BürgerInnen-Kommission in Ekuador

Ein symbolträchtiger Fall ist jener von Ekuador. Der Andenstaat wurde 23 bekannte Male vor das Schiedsgericht gezogen, die meisten der Klagen – es ist keine aus der Schweiz darunter – sind noch hängig. Die meisten stehen im Zusammenhang mit Enteignungen im Energiesektor, die der frühere Präsident Rafael Correa angeordnet hatte. Letztes Jahr musste Quito der US-Ölfirma Occidental 980 Mio. US-Dollar für den Ausstieg aus einem Vertrag entrichten. Ein anderes Schiedsgericht entschied auf eine Zahlung von 380 Mio. US-Dollar zugunsten des US-Energieriesen ConocoPhilips.

In Ekuador drängte das BürgerInnen-Kommission CAITISA in einem 668seitigen Bericht auf die Kündigung der ISA; es legte dar, dass die Abkommen für Ekuador mehr Schaden anrichten als nützen: Obwohl Ekuador zu den Ländern zählt, die in der Region am fleissigsten ISA unterzeichnete, erhielt es zwischen 2001 und 2011 von den Direktinvestitionen nur gerade 0.79%. Die bedeutendsten Investitionen kamen erst noch aus Ländern, mit denen es kein Abkommen gab: Brasilien, Mexiko und Panama. Im ekuadorianischen Budget des Jahres 2017 machen Schadenersatzzahlungen und aufgelaufene Zinsen 52% (!) der Staatsausgaben aus.

Die Kommission befürwortet, dass auf das Investor State Dispute Settlement, die indirekte Enteignung, die «faire und gerechte Behandlung» sowie die Schirmklausel in Zukunft ganz zu verzichten sei. Das sind Forderungen, die Alliance Sud auch in Bezug auf die Schweizer ISA erhebt. Bis jetzt ohne Erfolg; das für die Abkommen zuständige Seco hat sich darauf beschränkt, am neuen Modellabkommen vom März 2016 ein paar kosmetische Änderungen vorzunehmen.  

Menschenrechte und Gegenklage

Cecilia Olivet vom Transnational Institute, welches die CAITISA-Arbeiten präsidiert hat, meint: «Unser alternatives Modell für Investitionsschutzabkommen sieht vor, dass Investoren auch rechtliche Verpflichtungen eingehen müssen und nicht nur Rechte erhalten.»

Bis jetzt schützen ISAs nur die Rechte der Investoren, nicht aber die Menschenrechte von Bevölkerungen. Eine erste Bresche in diese Richtung hatte im Juli 2016 die Verurteilung von Philip Morris gegen Uruguay geschlagen, der Zigarettenhersteller mit Hauptsitz in der Schweiz verlor auf der ganzen Linie. Einen zweiten Hoffnungsschimmer gab es Ende 2016 als ein Schiedsgericht die Klage des spanischen Konzerns Urbaser zurückwies. Urbaser war in der Wasser- und Abwasserversorgung von Buenos Aires tätig und hatte nach der Argentinien-Krise 2001/2002 dort Konkurs angemeldet. Erstmals war dabei das Prinzip der Gegenklage akzeptiert worden. Argentinien gewann die Klage nur im Prinzip, also nicht etwa weil das Recht auf Wasser verletzt wurde, sondern weil das ISA zwischen Spanien und Argentinien ausdrücklich «beiden Parteien» ein Klagerecht in Streitfällen einräumt.

Genau dies ist nicht vorgesehen in den Schweizer ISA, wo nur der Investor Kläger sein kann, nicht aber die vertragschliessenden Staaten.[2] Die laufende Überarbeitung von Schweizer ISAs bietet Gelegenheit, dies zu ändern. Es bliebe allerdings eine bescheidene Neuerung, denn das Recht als erster zu klagen, bliebe dem Investor vorbehalten. Opfer, deren Rechte auf Wasser, Gesundheit, Gewerkschaftsfreiheit verletzt werden, könnten dann aus eigenem Antrieb immer noch keine Klage gegen multinationale Unternehmen führen.

Internationaler Schiedsgerichtshof : Eine falsche richtige Idee?

Nachdem die Kritik am ISDS beinahe das Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) zum Absturz brachte, schlug die EU-Kommission vor, einen permanenten Schiedsgerichtshof einzurichten. Ein solches Gericht mit ständigen Richtern und der Möglichkeit, Rekurs gegen Urteile einzulegen, wäre gegenüber heute zwar ein Fortschritt. Alliance Sud und andere NGO verfolgen diese Entwicklung aber skeptisch, weil das Prinzip einer privaten Justiz im Dienst ausländischer Multis damit nicht angetastet würde. Ähnlich sieht es Cecilia Olivet: «Die jetzigen Streitschlichtung (ISDS) lehnen wir strikt ab. Mit einem internationalen Streitgerichtshof, so wie ihn Prof. Gus Van Harten vorschlägt, könnten wir uns aber nur dann anfreunden, wenn es genug Garantien in Sachen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gäbe. Der Vorschlag der Europäischen Kommission tut das aber nicht.»

Multis mit Sitz in welchen Ländern haben geklagt?

  1. USA                           152 Klagen
  2. Niederlande                 96 Klagen
  3. Grossbritannien           69 Klagen


11. Schweiz                          26 Klagen

Die ersten Länder aus der südlichen Hemisphäre sind die Arabischen Emirate (Platz 27 mit 8 Klagen) bzw. Chile (Platz 28 mit 7 Klagen).

Welche Länder wurden eingeklagt ?

  1. Argentinien                  60 Klagen
  2. Venezuela                   42 Klagen
  3. Spanien                       36 Klagen


9. Ekuador:                           23 Klagen
11. Indien:                            22 Klagen
19. Indonesien:                      7 Klagen
24. Südafrika:                         1 Klage

 

 

[1] Diese Klageandrohung ist unbestätigt, sie wurde von «IAReporter» gemeldet.

[2] Vgl. Art. 10.2 im jüngsten ISA zwischen der Schweiz und Georgien.

Investitionsschutzabkommen

Investitions­schutz­abkommen

Die Investitionsschutzabkommen der Schweiz bevorteilen ihre multinationalen Unternehmen, wenn diese im Ausland investieren. Alliance Sud fordert die Wiederherstellung eines Gleichgewichts, damit das Gastland im öffentlichen Interesse regulieren kann, sowie den Ausschluss des Streitbeilegungsmechanismus durch Schiedsgerichte. 

Worum es geht >

Worum es geht

Mit einem Volumen an Direktinvestitionen im Ausland von über 1'460 Milliarden CHF gehören Schweizer Unternehmen zu den zehn grössten Kapitalexporteuren der Welt. Zum Schutz dieser Investitionen hat der Bundesrat 111 Investitionsschutzabkommen (ISA) mit Entwicklungsländern abgeschlossen, mit der nennenswerten Ausnahme des Energiecharta-Vertrags, der auch die EU-Mitgliedstaaten und die EU selbst umfasst.

Diese Abkommen übertragen jedoch fast ausschliesslich Rechte an ausländische Investoren und Pflichten an die Gastländer. Darüber hinaus sind sie mit einem Streitbeilegungsmechanismus, dem «Investor State Dispute Settlement» (ISDS), ausgestattet. Dieser Mechanismus ist im internationalen Recht einzigartig und ermöglicht es einem ausländischen Unternehmen, gegen das Gastland zu klagen, wenn es sich auf der Grundlage des geltenden Vertrags zwischen dem Herkunfts- und dem Gaststaat für geschädigt hält. Alliance Sud fordert eine Korrektur dieses Ungleichgewichts und den Ausschluss von ISDS.