Medienmitteilung

Klimagerechtigkeit im Zentrum der COP-22

27.10.2016, Klimagerechtigkeit

In Marrakesch wird darum gerungen, wie die Industriestaaten das Versprechen einlösen, ihre Klima-Beiträge an Entwicklungsländer bis 2020 auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu steigern. Alliance Sud ist in Marrakesch vor Ort.

Klimagerechtigkeit im Zentrum der COP-22

Am 4. November tritt das im vergangenen Dezember ausgehandelte Klimaübereinkommen in Kraft. Am ersten Gipfeltreffen nach Paris vom 7. bis 18. November in Marrakesch wird über die Modalitäten bei der Umsetzung des historischen Klimavertrags verhandelt.

Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat das Verhandlungsmandat der Schweizer Delegation beschlossen. Es legt den Schwerpunkt auf die Forderung nach robusten und wirksamen Regeln bei der Festsetzung und Berichterstattung über die Klimaziele der einzelnen Staaten. Darüber hinaus will sich die Schweiz für «die Schaffung von Anreizen» für private Investitionen in erneuerbare Technologien einsetzen und klaren Vorschriften für die Anrechnung von Mitteln bei der Unterstützung von dringend benötigten Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländer zum Durchbruch verhelfen.  

«So rühmlich der Fokus auf klare ‚Modalitäten der Anrechnung‘ ist, so sehr täuscht dieser darüber hinweg, dass es dringender denn je zusätzliche öffentliche Finanzmittel braucht um die Schutzmassnahmen in Entwicklungsländern zu ermöglichen», sagt Jürg Staudenmann, Klimaexperte bei Alliance Sud. Denn für Massnahmen, um sich an die zunehmenden Folgen des Klimawandels anzupassen, werden kaum private, auf Gewinn ausgerichtete Investitionen mobilisiert werden können. Hier braucht es – und das ist im Pariser Übereinkommen ausdrücklich festgehalten – zusätzliche Mittel der öffentlichen Hand.

Ein kürzlich vorgelegter Bericht der OECD-Staaten macht deutlich, dass die Industriestaaten dieses Ziel bis jetzt weit verfehlen. Die unter Mithilfe der Schweiz ausgearbeitete «100-Billion Roadmap» der OECD prognostiziert bis 2020 nicht einmal die Hälfte der versprochenen Beiträge für Klima-Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländern. Hier hat auch die Schweiz noch ihre Hausaufgaben zu machen. Denn bis heute hat der Bundesrat keinen Plan vorgelegt, wie er die benötigten rund 1 Milliarde Schweizer Franken mobilisieren will.

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COP28: ein unterfinanzierter Schritt weg von fossilen Energien

13.12.2023, Klimagerechtigkeit

Die Klimakonferenz in Dubai ist mit einer Einigung heute zu Ende gegangen. Während erstmals alle Staaten aufgerufen werden, zur Transition weg von fossilen Energien beizutragen, bleibt die Finanzierung für den Globalen Süden völlig unklar. Die Staaten im Globalen Norden stehen in der Pflicht, bis zur COP29 in Baku die benötigte Finanzierung bereitzustellen. Der gerechte Wandel wird ansonsten zur tragischen Illusion.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP28: ein unterfinanzierter Schritt weg von fossilen Energien

Die grosse Schwäche des Konferenzbeschlusses ist die fehlende Verbesserung bei der Finanzierung für den Globalen Süden,

© Fastenaktion

Nach zwei Jahren Vorbereitung war die Hoffnung auf eine ambitionierte globale Bestandesaufnahme gross. Auch die COP-Präsidentschaft unter Sultan Al Jaber hat wiederholt beteuert, dass sie einen ambitionierten Abschluss anpeilte. Während der Konferenz zeigten sich grosse Differenzen, aber der Druck stieg, den Ausstieg aus den fossilen Energien gemeinsam zu beschliessen. Der Schlusstext fordert nun neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien erstmals die Staaten dazu auf, zur Abkehr von den fossilen Energien in Energiesystemen beizutragen: ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht.

«Das Momentum, den Ausstieg aus den fossilen Energien zu fordern, stieg aufgrund des engagierten Einsatzes von unzähligen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt», betonen David Knecht und Stefan Salzmann, Experten von Faktenaktion und Beobachter vor Ort. «Leider entspricht der Beschlusstext aber bei weitem nicht der Dringlichkeit der Klimakrise: Die ärmsten Menschen, die bereits jetzt unter der Krise leiden, müssen weiter auf ambitionierten Klimaschutz warten».

CO2-Gesetz setzt auf Kompensation statt Transition in der Schweiz

Bundesrat Rösti hat in Dubai für die Schweiz die Forderung nach einem Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 unterstützt. Dem muss der Nationalrat bei der Beratung des CO2-Gesetzes nächste Woche Taten folgen lassen. Das Vorhaben, mehr als die Hälfte der zusätzlichen Anstrengungen bis 2030 durch die Kompensation im Ausland zu erreichen, ist der reichen Schweiz nicht würdig. Denn Auslandkompensationen sind kein Ersatz für die Reduktion der Emissionen im Inland, wie Alliance Sud am Beispiel des ersten Programms in Bangkok diese Woche aufzeigte. Der Nationalrat muss das Gesetz nachbessern und insbesondere dem Bundesrat die Möglichkeit geben, die CO2-Abgabe nach oben anzupassen.

Finanzierung für den Globalen Süden reicht nicht aus

Die grosse Schwäche des Konferenzbeschlusses ist die fehlende Verbesserung bei der Finanzierung für den Globalen Süden, damit der gerechte Wandel weltweit vorangetrieben werden kann. Eine umso grössere Herausforderung stellt sich damit für die nächste Konferenz, die im November 2024 in Aserbaidschan stattfinden wird: die Verhandlung des nächsten kollektiven Finanzziels zur Unterstützung des Globalen Südens bei der Umsetzung des Pariser Abkommens.

«Fehlende Finanzierung ist das grösste Hindernis für Staaten im Globalen Süden, einen gerechten Wandel in die Wege zu leiten, und die grösste Ungerechtigkeit für die ärmsten Menschen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen, aber in keiner Weise dafür verantwortlich sind», erklärt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

Daran ändert auch die Verabschiedung des neuen Fonds für Schäden und Verluste am ersten Konferenztag wenig, denn es bleibt viel zu unverbindlich für die Verursacherstaaten, in diesen Fonds einzuzahlen. Die Schweiz ist dabei fast der einzige Industriestaat, der dem Fonds noch keinen Rappen zugesprochen hat – und gleichzeitig lautstark fordert, andere sollen mehr bezahlen.

Zusätzliche Mittel auch für Klimaanpassung nötig

Auch im Bereich der Anpassung an die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind die Ergebnisse der Konferenz unzureichend. «Damit sich die ärmsten und verwundbarsten Länder an die negativen Folgen der globalen Erwärmung anpassen können, muss die Finanzierung der Anpassung durch die Industrieländer verdoppelt und der Anpassungsfonds gestärkt werden», stellt Christina Aebischer, Expertin von Helvetas und Beobachterin vor Ort, klar. Die Finanzierung der Anpassung muss aus öffentlichen Mitteln stammen und auf Zuschüssen, nicht auf Krediten basieren. Diese Mittel sollten zusätzlich zu den Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit der Industrieländer bereitgestellt werden. Hier ist auch die Schweiz gefordert, die spätestens an der nächsten COP ihre Beiträge wird ausbauen müssen.


Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch
Fastenaktion, Stefan Salzmann, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 078 666 35 89, salzmann@fastenaktion.ch
Fastenaktion, David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 076 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch
Helvetas, Katrin Hafner, Koordinatorin Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org

 

 

 

 

Medienmitteilung

COP28: mehr Finanzierung für den Globalen Süden

27.11.2023, Klimagerechtigkeit

Die diesjährige UNO-Klimakonferenz «COP28» vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai spielt eine Schlüsselrolle, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch erreicht werden können. Für eine klimafreundliche Entwicklung im Globalen Süden braucht es mehr finanzielle Unterstützung, auch von der Schweiz.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP28: mehr Finanzierung für den Globalen Süden

Murgang in Peru. 

© Alberto Orbegoso

Nach den heissesten 12 Monaten seit 125'000 Jahren sind die Erwartungen an die Staatengemeinschaft an der UNO-Klimakonferenz COP28 riesig. «Es braucht eine rasche Kurskorrektur, damit das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken, noch erreicht werden kann», sagt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Unter jedem Zehntelsgrad zusätzlicher Erwärmung leiden die ärmsten Menschen am meisten, wobei diese gleichzeitig am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.» Alliance Sud fordert, dass die Schweiz ihre Verhandlungsposition an den Bedürfnissen der ärmsten Menschen im Globalen Süden ausrichtet.

Nach drei Jahren Laufzeit des Pariser Abkommens werden die Vertragsstaaten – als Teil des Ambitionssteigerungs-Mechanismus – in Dubai erstmals die «Globale Bestandesaufnahme» über die Umsetzung des Abkommens verhandeln. «Der Erfolg der COP28 wird sich daran messen, ob die Beschlüsse zur Globalen Bestandesaufnahme die ernüchternde Realität abbilden, dass die nationalen Klimaschutzpläne in der Summe zu wenig ambitioniert sind, um die Ziele zu erreichen. Es braucht unbedingt konkrete Pläne, wie Lücken geschlossen werden können und welche Prozesse dafür vorgesehen sind», betont Stefan Salzmann von Fastenaktion.

Ein drängendes Thema ist der Wandel im Energiebereich – und wer ihn finanziert. Investitionen des Privatsektors können in dieser Hinsicht keine Wunder bewirken. Sie konnten bisher die Finanzierungsbedürfnisse in den Entwicklungsländern bei weitem nicht erfüllen. Insbesondere höhere oder als höher wahrgenommene Risiken hemmen Investor:innen. Ausserdem gibt es praktisch keine privaten Finanzmittel für Massnahmen zur Anpassung in den ärmsten Ländern.

Für eine gerechte Energiewende …

Die Präsidentschaft der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, setzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, ohne sich aber gleichzeitig zum raschen Ausstieg aus den fossilen Energien zu bekennen. Die benötigte Transition muss jedoch beides beinhalten, denn der Ausbau bei den Erneuerbaren allein reduziert noch keine Treibhausgase.

«Bei aller Dringlichkeit von neuen Investitionen dürfen die Menschen in den Fabriken und auf den Feldern auf keinen Fall vergessen gehen. Ihr Wohlergehen müssen wir für einen gerechten Wandel im Auge behalten», betont Cyrill Rogger von Solidar Suisse. Und Annette Mokler von terre des hommes schweiz fügt hinzu: «Betroffene Bevölkerungsgruppen und indigene Gemeinschaften müssen direkt in Pläne für einen gerechten Wandel miteinbezogen werden.» Klar ist bereits jetzt: Der Übergang zu erneuerbaren Energien im Globalen Süden kann nur gelingen, wenn bedeutend mehr finanzielle Unterstützung – internationale Klimafinanzierung – bereitgestellt wird.

… braucht es mehr Klimafinanzierung

Die Finanzierung fehlt nicht nur für die Dekarbonisierung: Die Lücken bei der Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen im Globalen Süden werden immer grösser. Dabei würde laut dem neusten «Adaptation Gap Report 2023» des UNO-Umweltprogramms jede Milliarde Dollar, die in Anpassung investiert wird, 14 Milliarden Dollar wirtschaftliche Schäden vermeiden. «Mit der gegenwärtigen Klimafinanzierung der Industriestaaten kann weniger als ein Zehntel des Finanzierungsbedarfs für die Anpassung im Globalen Süden gedeckt werden. Das ist problematisch, denn das führt zu immer grösseren Schäden und höheren Verlusten», mahnt Christina Aebischer von Helvetas.

Finanzierungsfragen bestimmen seit Jahren die Agenda und die Streitpunkte an der Klimakonferenz. Das ist kein Zufall, denn mindestens 28 der Länder im Globalen Süden, welche am schlimmsten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, haben gleichzeitig gravierende Schuldenprobleme. Viele Länder sind nicht in der Lage, Klimaschutzmassnahmen aus dem eigenen Haushalt zu finanzieren, weil sie stattdessen die Schulden bedienen müssen – ein Teufelskreis.

Fonds für Schäden und Verluste muss gefüllt werden

Dieses Jahr will die Staatengemeinschaft die Modalitäten für den 2022 beschlossenen Fonds für Schäden und Verluste verabschieden. Der bestehende, von 30 Staaten ausgearbeitete Kompro-misstext stellt nur wenig Verbindlichkeit für die Beiträge her. Sollte es dabei bleiben, ist es umso wichtiger, dass die Verursacherstaaten die Konferenz nutzen, um die rasche Gründung und Auffüllung des Fonds sicherzustellen. «Die Industriestaaten behaupten, es sei kein Geld vorhanden. Gleichzeitig verbuchen Konzerne Milliardengewinne aus fossilen Energien und CO2-intensiven Industrien. Es liegt auf der Hand, dass diese Konzerne ihren Beitrag zur Wiedergutmachung der Schäden, die sie verursachen, leisten müssen», erläutert Cybèle Schneider von Heks.

«Einer der Hauptgründe, weshalb die Verhandlungen rund um die finanzielle Unterstützung an den Globalen Süden so harzen, ist das verloren gegangene Vertrauen der ärmeren Länder in reiche Länder wie die Schweiz», erklärt Sonja Tschirren von SWISSAID: «Denn die Industriestaaten be-zahlen ihre bisherige Rechnung nicht.» 2009 wurde beschlossen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Klimaschutz- und Anpassungspläne der Länder im Globalen Süden bereitzustellen. Die neusten Zahlen der OECD zeigen jedoch, dass noch 2021 dieses Ziel um mehr als 10 Milliarden verfehlt wurde. «Die Schweiz und andere Staaten bedienen sich buchhalterischer Tricks, um ihren Beitrag an die Klimafinanzierung schönzurechnen», erklärt Angela Lindt von Caritas Schweiz: «Statt wie international vereinbart neue, zusätzliche Gelder bereitzustellen, setzen Länder wie die Schweiz vor allem Gelder ein, die für die Armutsbekämpfung vorgesehen waren. Kein Wunder, ist sehr viel Misstrauen bei den Verhandlungen da.» Alliance Sud fordert seit Jahren, dass die Schweiz jährlich 1 Milliarde US-Dollar zur Klimafinanzierung beiträgt, ohne dafür das Budget der internationalen Zusammenarbeit zu belasten.

 

Für weitere Informationen:

- Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

- Fastenaktion, Stefan Salzmann, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 041 227 59 53, salzmann@fastenaktion.ch. Stefan Salzmann ist als Beobachter vor Ort in Dubai.

- Solidar Suisse, Cyrill Rogger, Desk Officer Südosteuropa, Tel. 044 444 19 87, cyrill.rogger@solidar.ch

- terre des hommes schweiz, Annette Mokler, Verantwortliche Entwicklungspolitik und Programmkoordination Westsahara, Tel. 061 335 91 53, annette.mokler@terredeshommes.ch

- Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org. Christina Aebischer ist als Beobachterin vor Ort in Dubai.

- Heks, Cybèle Schneider, Fachperson Klimagerechtigkeit, Tel. 079 900 37 08, cybele.schneider@heks.ch

- SWISSAID, Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft, Tel. 079 363 54 36, s.tschirren@swissaid.ch

- Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungspolitik, Tel. 041 419 23 95, alindt@caritas.ch

 

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Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

29.09.2023, Klimagerechtigkeit

Der Streit, wer die Schäden und Verluste als Folge der Klimaerwärmung bezahlen soll, wird seit Jahrzehnten geführt. Die UNO-Klimakonferenz in Dubai verhandelt dieses Jahr erstmals über die Zahlungsmodalitäten. Resultate sind dringend nötig.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

Eine nationale Katastrophe: Die Dürre in Kenia trocknet immer wieder das Leben aus.
© Ed Ram/Getty Images

«In meiner Heimat Kenia blieb bereits zum sechsten Mal die Regenzeit aus.» Elizabeth Wathuti spricht an diesem Abend des 22. Juni 2023 auf dem Champ de Mars in Paris laut ins Mikrofon, um von den Tausenden anwesenden Menschen gehört zu werden. «Das hat zu Ernteausfällen geführt, zu längerer Trockenheit und zu Ernährungsunsicherheit. Es hat die Kosten für unsere Landwirtschaft enorm erhöht.» Während die junge Aktivistin vor der Kulisse des Eiffelturms von den Auswirkungen der Klimakrise erzählt und zusammen mit weiteren Rednerinnen und Rednern Klimagerechtigkeit fordert, empfängt der französische Präsident Emmanuel Macron seine Gäste aus aller Welt in einem nahegelegenen Palais zum Bankett. Bereits den ganzen Tag hatten sie sich auf Einladung von Macron im Rahmen eines internationalen Gipfels über Herausforderungen und Wege für eine stärkere Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden ausgetauscht. Das Resultat: Man wird an der nächsten Konferenz weiterdiskutieren.

Die internationale Klimafinanzierung – zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an die Klimaerwärmung im Globalen Süden – ist bereits seit Jahren mit der völkerrechtlichen Verpflichtung für die Industriestaaten verbunden, Beiträge an das kollektive Finanzierungsziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu leisten. Fehlender politischer Wille in den Verursacherstaaten der Klimakrise führte allerdings dazu, dass diese Summe noch nie erreicht wurde.

An der UN-Klimakonferenz im November 2022 (COP27) in Sharm El Sheikh ist es den Staaten des Globalen Südens nun erstmals gelungen, über die Finanzierung von klimaverursachten Schäden und Verlusten verhandeln zu können, auch dank der jahrzehntelangen Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit. Dabei gehen die Schäden und Verluste bereits seit Jahren in die Milliarden, genaue Schätzungen hängen von der Definition ab – und sind dort am grössten, wo die Menschen am wenigsten Mittel haben, sich darauf vorzubereiten oder anzupassen. Ebenfalls führen sie in bereits hoch verschuldeten Ländern zu weiterer Verschuldung. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterscheidet zwischen Schäden bzw. Verlusten aus schleichenden Ereignissen (z. B. dem Anstieg des Meeresspiegels) und rasch einsetzenden Ereignissen (z. B. Stürme und Überflutungen). Ausserdem gibt es neben ökonomisch quantifizierbaren Verlusten und Schäden ebenfalls nicht-quantifizierbare, beispielsweise Schäden an Kulturgütern oder Ökosystemen.

An der diesjährigen Konferenz COP28 in Dubai wird die sogenannte «Loss and Damage»-Finanzierung eines der grossen Verhandlungsthemen werden. Denn die Vertragsparteien haben sich vor einem Jahr den Auftrag gegeben, 2023 detailliertere Bestimmungen darüber zu verabschieden, wie Schäden und Verluste finanziert werden sollen. Die Diskussion beschränkt sich dabei auf Länder, die für die Auswirkungen der Klimakrise besonders anfällig sind . Dazu soll ein UNO-Fonds aufgebaut werden, in den die Verursacherstaaten einzahlen. In diesem Zusammenhang werden innovative globale Finanzierungsquellen diskutiert, welche auch private Akteure nach dem Verursacherprinzip zur Kasse bitten könnten. «Setzen sich solche Vorschläge durch, könnten weltweit auch emissionsintensive Unternehmen zur Finanzierung beitragen», schreibt Robin Poëll, Mediensprecher des BAFU, auf Anfrage von Alliance Sud. Die Chancen für eine solche globale Abgabe für den UNO-Fonds dürften jedoch vorläufig eher gering sein. Bis es soweit ist, könnte die Schweiz vorangehen und prüfen, eine solche Abgabe zumindest auf klimaschädliche Unternehmen in der Schweiz einzuführen, um für Verluste und Schäden im Globalen Süden aufzukommen.

Vertrauensverlust erschwert Verhandlungen

Der wirkliche Zankapfel an der Klimakonferenz wird vermutlich jedoch sein, welche Staaten in den Fonds einzahlen sollen und in welche Länder das Geld fliessen darf. Für letzteres muss definiert bzw. verhandelt werden, welche Länder als besonders vulnerabel gelten. Für die noch politischere Frage, wer als Verursacherstaat einzahlen soll, trifft die historische Verantwortung der Klimakrise, die klar auf die Industriestaaten zurückzuführen ist, auf den heutigen Vergleich der Treibhausgas-Emissionen zwischen den Ländern; bei letzterem haben die grössten Schwellenländer einen höheren Anteil. Die bisherigen Geberstaaten für die Klimafinanzierungsziele wurden 1992 definiert. Die Schweiz möchte erreichen, dass in den Fonds nun mehr Länder einzahlen müssen. BAFU-Sprecher Poëll: «Es ist ein Anliegen der Schweiz, dass die Länder, welche am meisten zum Klimawandel beitragen und die Kapazitäten haben, in die Pflicht genommen werden. Konkret bedeutet dies, dass auch wohlhabende Schwellenländer mit einem hohen Treibhausgas-Ausstoss sowie private Akteure ihren Beitrag leisten.» Die Schweiz und andere Geberstaaten aus dem Globalen Norden sind in diesem Punkt bisher jedoch am Widerstand des Globalen Südens gescheitert. Denn die Industriestaaten haben ihre bisherigen Finanzierungsversprechen nicht eingehalten und sind deshalb bezüglich Klimagerechtigkeit unglaubwürdig. Die Schweiz etwa hat ihren «angemessenen Anteil» an der Klimafinanzierung nicht aufgrund ihres gesamten Klima-Fussabdrucks berechnet, sondern nur anhand der geringeren Inlandemissionen. Ganz zu schweigen vom Verfehlen ihres Klimaziels, bis 2020 die Emissionen um 20% zu reduzieren. Der Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd erschwert letztlich auch die Verhandlungen um ambitioniertere Klimaziele und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Die Länder im Globalen Süden müssen aber ihre Finanzierung für erneuerbare Energien sicherstellen können, um sich nicht ins globale Abseits zu manövrieren.

Seit Anfang November liegt ein Kompromissvorschlag für die Ausgestaltung des neuen Fonds vor. Auffällig ist die Ansiedlung des Fonds bei der Weltbank, die weder für ihre Vorreiterrolle in der Klimakrise noch für eine faire Machtverteilung bekannt ist – entsprechend ist die Kritik von Ländern des Globalen Südens und zivilgesellschaftlichen Organisationen gross. Neben der klaren Erwartung an die Industriestaaten, zur Finanzierung beizutragen, werden auch andere Staaten «ermutigt», sich an der Finanzierung zu beteiligen. Die Frage, welche Länder als besonders schadensanfällig gelten und damit vom Fonds profitieren können, dürfte an der Konferenz offenbleiben; sie soll dem Vorstand des neuen Fonds zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Vorstand wird aus 26 Mitgliedern aus allen Weltregionen (14 aus Entwicklungsländern) zusammengesetzt sein, die mit einer 4/5-Mehrheit entscheiden können. Im schlimmsten Fall droht damit eine Blockade bei der Umsetzung des Fonds.

Die Zeit drängt, Schäden und Verluste sind bereits da und nehmen laufend zu. Das liegt auch daran, dass die Finanzierungslücke bei der Anpassung an die Klimaerwärmung gemäss dem Weltklimabericht immer grösser wird. Allerdings können sich die Menschen nicht an jede Veränderung anpassen. Einen bleibenden Eindruck hinterliess der Aussenminister des pazifischen Inselstaats Tuvalu, der im Vorfeld der UNO-Klimakonferenz von Glasgow im Jahr 2021 für eine Rede kurzerhand die Hosenbeine hochgekrempelt und sein Rednerpult ins Meer gestellt hatte, um auf den steigenden Meeresspiegel aufmerksam zu machen. In Glasgow sprach Elizabeth Wathuti an der Eröffnung der Klimakonferenz vor der versammelten Weltbühne: «Bis 2025 wird die Hälfte der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Und bis ich fünfzig bin, wird die Klimakrise allein in Subsahara-Afrika 86 Millionen Menschen vertrieben haben.»  Keine Konferenz kann die Klimakrise von heute auf morgen beenden. Aber bereits eintretende Schäden und Verluste finanziell zu decken, ist bitter nötig.

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© Karwai Tang

Elizabeth Wathuti ist eine junge kenianische Klimaschutz- aktivistin. Sie hat die Green Generation Initiative gegründet und wurde unter anderem auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 mit ihrem Aufruf für mehr Solidarität international bekannt.

Medienmitteilung

Die Schweiz muss mehr für den Globalen Süden tun

03.11.2022, Klimagerechtigkeit

Alliance Sud fordert, dass die Schweizer Delegation an der COP27 in Ägypten nicht nur zu einem ambitionierten Mitigationsprogramm beiträgt, sondern sich auch in Finanzierungsfragen für eine verstärkte Unterstützung des Globalen Südens einsetzt.

 

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Die Schweiz muss mehr für den Globalen Süden tun

© Alliance Sud

Die Klimakrise führt zu unberechenbaren Extremereignissen wie Überschwemmungen, Dürre, Stürmen, lässt den Meeresspiegel ansteigen und die Gletscher schmelzen. «Immense Schäden wie zum Beispiel in Pakistan oder die Zunahme von Hunger und Mangelernährung in weiten Teilen Afrikas als Folge von Trockenheit zeigen, dass die Bekämpfung der globalen Klimaerwärmung an Dringlichkeit nicht zu überbieten ist», sagt Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. An der diesjährigen Konferenz der Vertragsparteien der UNO-Klimakonvention (COP27) vom 6.-18. November 2022 in Ägypten muss die Schweiz mithelfen, noch mehr auf die Bedürfnisse des globalen Südens einzugehen.

Weg von fossilen Energien und deren Subventionen

An der Klimakonferenz müssen die Anstrengungen zum Ausstieg aus fossilen Energien und zu einer raschen und fairen Umstellung bedeutend verstärkt werden, damit das Ziel einer maximalen Erwärmung um 1.5°C eingehalten werden kann. Aktuell wird ein Arbeitsprogramm zu Mitigation verhandelt, um in der Reduktion von Treibhausgasen schneller voranzukommen. «Das Mitigation Work Programme kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des 1.5°C-Ziels leisten. Dazu muss in Ägypten die Chance genutzt werden, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern in sektoriellen Strategien festzuhalten, zusammen mit einem Fahrplan und klaren Verantwortlichkeiten», sagt David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit bei Fastenaktion. Sektorielle Dekarbonisierung zum Beispiel im Energiesektor bedingt eine gezielte Strategie und eine transparente Berichterstattung. «Transparenz ist der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung von klimapolitischen Zielen», ergänzt Knecht, der als Beobachter in Ägypten sein wird.

Die Reaktion der Weltgemeinschaft auf die Klimakrise darf sich keinesfalls auf ökologische Massnahmen beschränken. «Der ökologische Wandel muss gerecht und sozialverträglich sein», wie Cyrill Rogger von Solidar Suisse unterstreicht; «es ist allgemein bekannt, dass die Menschen in den ärmeren Weltregionen den höchsten Preis zahlen.»

Ungenügende Finanzierung des Nordens ist ein Knackpunkt für den Süden
Die COP27 muss wegweisend sein für eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung ihres Beitrags zur klimaneutralen Welt sowie von dringend benötigten Anpassungsmassnahmen in ihren Ländern. Die Schweiz muss ihre finanzielle Unterstützung dringend ausbauen und sich in den Verhandlungen für ein stärkeres Engagement aller grossen Verursacher-Staaten einsetzen. Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft bei SWISSAID, erklärt: «Der Wohlstand, den wir uns in den letzten 200 Jahren erarbeitet haben, ging auch zulasten der Umwelt. Wir haben zusammen mit den anderen Industriestaaten die nie da gewesene Beschleunigung des Klimawandels verursacht, worunter die ärmsten Länder in exponierten Staaten bitter leiden. Ein proaktives Engagement der Schweiz, um diese Länder angemessen zu unterstützen, ist zwingend.»

Für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder ist die Verhandlung über eine finanzielle Unterstützung für erlittene Schäden und Verluste besonders wichtig, zumal die Verursacher-Staaten sich bisher weigern, finanzielle Zusagen zu machen. Dabei ist es zentral, die Bedürfnisse dieser Länder auf Augenhöhe zu berücksichtigen. «Den Stimmen der Betroffenen muss bei der Erarbeitung von Lösungen Gehör verschafft werden», betont Christina Aebischer, die für Helvetas an der COP teilnimmt. Die Schweiz muss als konstruktive Brückenbauerin Konsenslösungen aktiv stützen.

Aber auch Schweizer Konzerne, die massgeblich zum Klimawandel beitragen, stehen in der Pflicht, findet Yvan Maillard Ardenti, Programmverantwortlicher für Klimagerechtigkeit bei Heks: «Nicht nur Staaten, sondern auch private Verursacher wie Konzerne sollten sich an einem Fonds für die Kompensierung von klimabedingten Schäden und Verlusten beteiligen».

Symptomatisch für die schlechte Zahlungsmoral der grossen EmittentInnen wie der Schweiz ist die Umsetzung des aktuellen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar ab 2020 pro Jahr für Mitigations- und Anpassungsmassnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern (die sogenannte ‘Klimafinanzierung’): Es wurde um mindestens 16.7 Milliarden Dollar verfehlt und zu 71% in Darlehen geleistet, die zurückbezahlt werden müssen bzw. sich als Schulden anhäufen. Auch die Schweiz kommt ihren Verpflichtungen nur unzureichend nach: Statt neue, zusätzliche Mittel bereitzustellen setzt sie dafür vorwiegend Gelder ein, die für die Entwicklungszusammenarbeit budgetiert waren. «Damit werden Klimaschutz und Armutsbekämpfung gegeneinander ausgespielt», kritisiert Angela Lindt von Caritas Schweiz.

Jetzt die Weichen für das nächste Finanzierungsziel stellen

In Ägypten werden Verhandlungen für ein nächstes Finanzierungsziel nach 2025 geführt. Auch wenn hier noch kein Durchbruch erwartet wird, muss die Schweiz sich dafür einsetzen, dass die Lehren aus dem Scheitern des jetzigen Ziels gezogen werden. «Die kollektive Verantwortung wird auch bei einem nächsten Finanzierungsziel scheitern, wenn dieses nicht verbindlicher vereinbart wird», befürchtet Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud. Es muss klar sein, wie sich der faire Anteil jedes Staats am gemeinsamen Ziel berechnen lässt, damit die nötige Gesamtsumme zustande kommt.

Für weitere Informationen:
Fastenaktion, David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. +4176 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch
Solidar Suisse, Cyrill Rogger, Desk Officer Südosteuropa, Tel. +4144 444 19 87, cyrill.rogger@solidar.ch
SWISSAID, Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft, Tel. +4179 363 54 36, s.tschirren@swissaid.ch
Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. +4144 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org
Heks, Yvan Maillard Ardenti, Programmverantwortlicher für Klimagerechtigkeit, Tel. +4179 267 01 09, yvan.maillard@heks.ch
Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungspolitik, Tel. +4141 419 23 95, alindt@caritas.ch
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, Tel. +4177 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

Side-Events während der COP27:
-    07.11.22: Climate Symposium von Caritas Schweiz zum Thema «The Role of International Development NGOs in Climate Change Adaptation», Hotel Bern in Bern. Der Anlass ist offen für interessierte Medienschaffende.
-    10.11.22: Side Event zu «Dealing with Losses and Damages», organisiert durch HELVETAS und Ministerium für Umwelt und Wasser Ecuador. 13:15 – 14:45 Cairo Time, Livestream auf Youtube, Link via www.helvetas.org/cop27

Zum Weiterlesen siehe auch das Faktenblatt von Alliance Sud zum Schweizer Beitrag an die internationale Klimafinanzierung

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Fossile Brennstoffe im Boden lassen!

06.04.2015, Klimagerechtigkeit

Sinnvoller als um den CO₂-Ausstoss in den einzelnen Ländern zu feilschen, wäre es, die fossilen Energiereserven gar nicht erst zu fördern. Vielleicht gibt eine Studie von «Nature» den Anstoss dazu.

Fossile Brennstoffe im Boden lassen!

© Dieter Schütz/pixelio.de

Der letzte Uno-Sachstandsbericht hält fest: Aus der Verbrennung fossiler Energien dürfen in Zukunft höchstens noch etwa 1‘000 Gigatonnen CO₂ emittiert werden, wenn die globale Klimaerwärmung 1.5 bis maximal 2° Celsius nicht überschreiten soll. Auf dem Niveau des derzeitigen Verbrauchs an Öl, Erdgas und Kohle werden die kumulierten Emissionen diesen Wert jedoch bereits in 25 bis 30 Jahren überschreiten.

Eine kürzlich in «Nature» veröffentlichte Studie beleuchtet diese Problematik. Damit die zukünftig in die Atmosphäre emittierte Menge an fossilem CO₂ die Gesamtmenge von 1‘100 Gigatonnen nicht überschreitet, müssten von den heute erschliessbaren Weltreserven ein Drittel der Öl-, die Hälfte aller Gas- und über 80% der globalen Kohlevorkommen unangetastet im Boden bleiben.

Das heisst nichts anderes, als dass die klassische Frage nach der Endlichkeit der fossilen Energieressourcen eigentlich die falsche ist. Das wahre Problem ist, dass ein Grossteil der fossilen Ressourcen in Zukunft gar nicht mehr genutzt werden darf. Denn bei vollständiger Verbrennung der bereits erschlossenen fossilen Energiereserven entstünden CO2-Emissionen, welche die maximal tolerierbare CO₂-Menge um ein Dreifaches übersteigen würden. Nimmt man die erst vermuteten fossilen Ressourcen der Erde dazu, so würde dies zu einer geschätzten Gesamt-Emission von 11‘000 Gigatonnen CO2 führen. 

Die De-Investition ins Öl hat begonnen

Beschlösse die Weltgemeinschaft, dass der Grossteil der globalen fossilen Ressourcen im Boden bleiben sollen, so verlören diese an Wert.  Bereits heute stellen die gestiegenen Produktionskosten für die Erschliessung und Förderung von Öl-, Erdgas- und Kohlereserven, aber auch die kontinuierlich sinkenden Kosten für erneuerbare Energien die Rentabilität der Fossilindustrie in Frage. Der Ölpreiszerfall der letzten Monate, auch wenn unterschiedlichste Gründe dafür geltend gemacht werden, zeigt exemplarisch, welche Auswirkungen der Ölpreis auf Investitionen und die Weltwirtschaft hat. Bleibt der Ölpreis unterhalb von 60 US-Dollar pro Fass, so wurden gemäss Schätzungen von «Carbon Tracker» bereits Förder-Investitionen im Wert von 10 Mrd. US-Dollar in den Sand gesetzt. Die Energie- und Finanzindustrie hat reagiert und bereits bewilligte Förderprojekte im Umfang von schätzungsweise 75 Mrd. US-Dollar wieder sistiert. Der deutsche Energieriese E-On verkündete Ende 2014, sein fossiles Portfolio abzustossen. Auch die Rockefeller Foundation hat verlauten lassen, in Zukunft nur noch in Kohlenstoff-freie Projekte zu investieren. Und Warren Buffet, dessen Entscheide in der Finanzwelt als wegweisende Orakel gelten, verkaufte unlängst mehrere Millionen Aktien von Exxon-Mobil und anderen Ölfirmen.

Trotz der alarmierenden Befunde der Klimaforschung treiben die meisten Länder die schnelle und vollständige Erschliessung ihrer nationalen Vorkommen weiterhin voran, auch mit Unterstützung öffentlicher Gelder. Dabei stellt der absehbare Wertzerfall der fossilen Ressourcen staatliche Förderprogramme grundsätzlich in Frage. Die Ver(sch)wendung weiterer öffentlicher Gelder für Energien der Vergangenheit ist entsprechend politisch unverantwortlich. Dennoch besteht die Gefahr, dass Staaten, die über fossile Bodenschätze verfügen, die weitere Förderung – quasi im Endspurt um den letzten, noch verfügbaren «Atmosphärenplatz» – gar zu beschleunigen versuchen. Und Entwicklungsländer argumentieren, dass sie auf ihre fossilen Ressourcen angewiesen sind um das vorrangige Ziel – die Bekämpfung der Armut – zu erreichen. Da heute die technischen Möglichkeiten für eine klimaneutrale Energie-Versorgung existieren und diese auch finanzierbar wären, ist dieses Argument aber nicht stichhaltig.

Es bleibt darum die Frage, unter welchen Voraussetzungen «aufholende Volkswirtschaften» auf relativ einfach zugängliche fossile Energievorräte und die damit verbundene (wenn auch schrumpfende) Wertschöpfung verzichten würden. Dass eine internationale «Verteilung von Förderrechten» über den Weg der Klimaverhandlungen erzielt, geschweige denn durchgesetzt werden könnte, ist unrealistisch. Der vielversprechendste Weg wäre die rasche Bereitstellung ausreichender technologischer und finanzieller Mittel durch die wohlhabenden Länder, die über die klassische Entwicklungshilfe hinausgeht.

Klimafinanzierung neu denken

Die «Nature»-Studie unterstreicht damit die Bedeutung der internationalen Klimafinanzierung. Die reichen Länder haben im Zuge ihrer Industrialisierung bereits über 2‘000 Gigatonnen CO₂ emittiert und tragen damit die Hauptverantwortung für den Klimawandel. Sie haben denn auch den Entwicklungsländern ab 2020 Finanzhilfen von 100 Mrd. US-Dollar versprochen, allerdings ohne konkrete Verpflichtungen und einem Plan, wie diese zusätzlichen Gelder mobilisiert werden sollen. Dies auch darum, weil auch Schwellenländer Zugang zu diesen Hilfsleistungen verlangen. Weil gerade dort der Verbrauch fossiler Energien und die damit zusammenhängenden Treibhausgas-Emissionen rasant ansteigen, müsste das Konzept der Klimafinanzierung womöglich überdacht werden. Denn bereits liegen erste Entschädigungs-Forderungen für den (zukünftigen) Verzicht auf fossile Energien auf dem Tisch. Mit Bezug auf Artikel 8(h) im Entwurf des Uno-Klimaschutzabkommens, das sich auf die «nationalen Besonderheiten von Staaten, deren Wirtschaft stark von Einnahmen aus Produktion, Verarbeitung und Export fossiler Brennstoffe abhängen» bezieht, verweisen beispielsweise Golfstaaten auf die schrumpfenden globalen Märkte als Folge von Mitigations-Massnahmen. Erinnert sei auch an Ecuador, das (vergeblich) auf Kompensation für den Verzicht auf Ölförderung in einem Naturschutzgebiet gepocht hatte.

Es ist absehbar, dass solche oder ähnliche Forderungen im Zuge des knapper werdenden «Atmosphären-Budgets» in Zukunft lauter werden. Der Wandel des Weltmarkts für fossile Energieträger ist im Gang, was dieser alles nach sich zieht, ist aber weitgehend offen. Zwar muss der Anspruch bestehen bleiben, die Klimafinanzierung auf die Unterstützung der ärmsten und verwundbarsten Staaten auszurichten. Zusätzlich muss aber auch diese Frage in Zentrum rücken: Wie sollen Länder entschädigt werden, die – gleich wie der Norden – ihre Entwicklung (noch) einseitig auf nicht erneuerbare Ressourcen ausgerichtet haben? 

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Wermutstropfen im Champagner

12.12.2015, Klimagerechtigkeit

Der relative Erfolg der Klimakonferenz in Paris darf nicht darüber hinwegtäuschen: Hunderte Millionen von Menschen in Entwicklungsländern hofften vergebens auf konkrete Lösungen.

Wermutstropfen im Champagner

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»


An den Pariser Klimaverhandlungen wird der Champagner kühl gestellt. Der sich abzeichnende diplomatische Erfolg soll gefeiert werden. Doch einer Mehrheit der Weltbevölkerung ist nach wie vor kaum zum Feiern zumute. Denn im besten Fall wird der neue Klimavertrag kaum mehr sein als ein  – wenn auch wichtiger – Zwischenschritt in der globalen Klimadiplomatie. Hunderte Millionen von Menschen hofften vergebens auf konkrete Lösungen, wie ihre bedrohten Lebensgrundlagen gesichert werden.

Die Pariser Klimaverhandlungen sind in der Nachspiel-Phase. Nach zwei Wochen zäher Verhandlungen hat die französische Präsidentschaft am Donnerstagabend einen zweiten «definitiven » Vertragsentwurf vorgelegt. Dieser enthält zwar alle Elemente, die für einen ambitiösen, umfassenden und bindenden neuen Klimavertrag notwendig sind. Doch entschieden ist noch nichts. Die immer noch enthaltenen «Optionen» im Entwurf sind lediglich das Abbild der bis an diesen Punkt eingedampften, kaum vereinbaren Verhandlungspositionen der Länderdelegationen.

Die in den Pariser Vorort Le Bourget zurückgekehrten Ministerinnen und Minister treffen sich in zahlreichen bi- und multilateralen Konstellationen. Sie müssen darüber entscheiden, welche Passagen beibehalten oder unter dem sich zuspitzenden Erfolgs- und Zeitdruck rausgestrichen werden. Für konstruktive Kompromissformulierungen bleibt immer weniger Zeit. In den kommenden Stunden wird sich weisen, ob das neue Klimaabkommen tatsächlich den erhofften Grundstein legen kann für eine Kehrtwende nach zwanzig Jahren schleppender globaler Klimadiplomatie.
Vor allem sinkt die Hoffnung, dass das neue Abkommen umgehend dringende Massnahmen in Entwicklungsländern auslösen wird. Denn das hiesse, dass der Vertrag an den Prinzipien globaler Gleichbehandlung ausgerichtet sein müsste. Für die westlichen Staaten – und da spielte die Schweiz in der ersten Reihe mit – geht es prioritär darum, einen effektiven Mechanismus für ambitionierte Treibhausgasreduktionen festzulegen. Wenn alles gut geht, werden denn auch alle Länder im Fünfjahresabstand Pläne vorlegen müssen, wie sie ihre CO₂-Emissionen reduzieren. Diese Pläne sollen überprüft und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nach und nach verschärft werden. Das ist ein wichtiger Schritt bei der Ursachenbekämpfung des Klimawandels und auf dem Weg zum Ziel, die 1,5-Grad-Marke nicht zu überschreiten. Doch wird damit nur eine Seite der sich zuspitzenden Klimamisere abgedeckt.

Denn die Entwicklungsländer sehen sich einer doppelten Herausforderung gegenüber. Der neue Klimavertrag wird sie in die Pflicht nehmen, ihren zukünftigen Fortschritt – anders als wir es getan haben – weitgehend ohne das Verbrennen fossiler Brennstoffe voranzutreiben. Gleichzeitig müssen sie den Schutz ihrer Bevölkerung und Wirtschaft vor den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels sicherstellen. Beides braucht bedeutende, zusätzliche Mittel. Uno-Generalsekretär Ban-Ki Moon hatte den Staatschefs zu Beginn der Konferenz nochmals in Erinnerung gerufen, dass die dafür notwendige Unterstützung nicht mit Wohltätigkeit zu verwechseln sei, sondern eine Pflicht der wohlhabenden Staaten darstelle. Denn insbesondere in Inselstaaten und bevölkerungsreichen Regionen nahe dem Meeresspiegel müssen umgehend Klimaanpassungsmassnahmen in die Wege geleitet werden. Dasselbe gilt für Weltgegenden, die heute schon von Trockenheit und sich verändernden Regenzyklen bedroht sind. Denn die Emissionen werden nicht von heute auf morgen gestoppt werden können.

Wer in diesem Punkt noch immer auf konkrete Fortschritte im neuen Klimavertrag hofft, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Ausser einer Bestätigung des Grundprinzips der Lastenteilung, welches schon 1992 in der Klimakonvention festgelegt wurde, hatten bereits die dreijährigen Vorbereitungen zum Pariser Gipfel keine Fortschritte gebracht. Das bedeutet, dass das Schicksal von Hunderten von Millionen der Ärmsten dieser Welt weiterhin durch den Willen der 20% Wohlhabendsten der Welt, die für 80% der Treibhausgase verantwortlich sind, bestimmt werden wird.

Das werden die Wermutstropfen im Champagner zum Ende der Klimakonferenz sein. Bei der Klimagerechtigkeit ist die Welt nach drei Jahren noch immer auf Feld eins. Die Sicherung der Lebensgrundlage eines Grossteils der Weltbevölkerung wird trotz neuem Klimavertrag der Spielball westlicher (Real-)Politik bleiben.

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Klimapolitik: Versprechen und kaum Geld dafür

20.01.2016, Klimagerechtigkeit

Der Kampf gegen die Klimaerwärmung ist von höchster Dringlichkeit. Ohne Klimagerechtigkeit ist eine Katastrophe unvermeidlich. Doch die Entscheidungen und die Versprechen der Industriestaaten reichen in keiner Weise aus.

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Experte für Klimapolitik bei Alliance Sud

Seit der Konferenz von Kyoto 1997 gab es jedes Jahr eine Weltklimakonferenz. Und dies ohne substantielle Fortschritte bis zur COP21 (Conference of the Parties) 2015 in Paris. Ob in Durban (2011), Doha (2012), Warschau (2013) oder in Lima (2014), es gelang den Staaten nie, sich auf eine verpflichtende Begrenzung des Ausstosses schädlicher Treibhausgase zu einigen.

Seit dem 12. Dezember 2015 gibt es einen Hoffnungsschimmer: Der internationale Klimavertrag von Paris, der das Kyoto-Protokoll ablösen und ab 2020 für alle Länder verbindlich angewendet werden muss, vereinbart als Ziel eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1.5 bis 2.0°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Die guten Absichten könnten allerdings toter Buchstabe bleiben. Konkrete Massnahmen und deren Finanzierung, um die Klimaerwärmung und deren negative Auswirkungen tatsächlich in den Griff zu bekommen, bleiben vage. Das von 195 Staaten unterzeichnete Abkommen bleibt zudem weit vom Konzept der Klimagerechtigkeit entfernt.


Klimagerechtigkeit: Verschmutzer in die Pflicht nehmen

Neben dem Vorsorgeprinzip – das heisst die Ursachen der Klimaerwärmung anzugehen – steht das zentrale Prinzip im Zentrum, wonach der Verursacher eines Schadens diesen auch bezahlen soll: Staaten und einzelne Akteure, die viel Treibhausgasemissionen verursachen, müssen entsprechend mehr beitragen zur Finanzierung von Klimaschutz- und -anpassungsmassnahmen; insbesondere in den Entwicklungsländern, deren Bevölkerungen weitgehend unverschuldet den Folgen des Klimawandels ausgesetzt sind. Es wäre ebenso aussichtslos wie ungerecht, wenn der globale Kampf gegen die Klimaerwärmung und ihre Folgen primär auf Kosten der Ärmsten und Exponiertesten in Entwicklungsländern geführt würde.


Hohle Versprechen

Es geht einerseits um die Finanzierung von Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen, insbesondere die komplette Vermeidung des CO₂-Ausstosses bis 2050. Andererseits aber auch um Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des bereits stattfindenden Klimawandels. 2010, anlässlich der gescheiterten Klimakonferenz von Cancún, versprachen die reichen Länder finanzielle Beiträge für Klimamassnahmen zur Verfügung zu stellen, die bis ins Jahr 2020 auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr anwachsen sollten. Seither weigerten sie sich allerdings, einen verbindlichen Zeitplan festzulegen. Die bisherigen Zahlungen an den dafür geschaffenen Green Climate Fund bleiben mit gesamthaft knapp über 10 Milliarden US-Dollar (Stand Mitte 2016) weit hinter diesem Versprechen zurück.


Unsichere Finanzierung

Eine von der Weltbank veröffentlichte Studie geht davon aus, dass die globale Erwärmung der Atmosphäre in den kommenden 15 Jahren 100 Millionen Menschen neu in die extreme Armut treiben könnte, namentlich in Subsahara-Afrika und in Asien. Zur Abwendung dieses Risikos gibt es, anders als etwa bei der Umstellung auf erneuerbare Energien, kaum Hoffnung auf private, also gewinnorientierte Investitionen. Denn auch in der Schweiz wäre es undenkbar, dass Firmen von sich aus beispielsweise in den kommunalen Hochwasserschutz investieren. Die Finanzierung dieser Aufgaben durch die öffentliche Hand ist darum zwingend.  

Gemäss dem «Adaptation Finance Gap Report» der Uno-Umweltbehörde (UNEP) von 2016 werden die durchschnittlichen Kosten für Klimaanpassungsmassnahmen alleine in den Entwicklungsländern bis 2030 auf jährlich 140 bis 300 Milliarden Dollar ansteigen. Zurzeit sind wir von einer gesicherten Finanzierung jedoch weit entfernt. In den Jahren bis und mit 2014 flossen über bilaterale und multilaterale Kanäle insgesamt gerade mal 22.5 Milliarden US-Dollar für Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländer.


Klima-Petition mit über 100‘000 Unterschriften

Alliance Sud hat an mehreren Weltklimakonferenzen als Vertreterin der Zivilgesellschaft teilgenommen. Am 28. Mai 2015 überreichte sie zusammen mit dem WWF und im Namen von rund sechzig in der Klimaallianz Schweiz zusammengeschlossenen Organisationen die «Petition für eine gerechte Klimapolitik». Diese verlangt vom Bundesrat und den eidgenössischen Räten, sich für einen effektiven und gerechten Klimaschutz auf nationaler und internationaler Ebene zu engagieren. Das heisst zum einen, die nationale Energieversorgung bis 2050 vollständig auf erneuerbare Energiequelle umzustellen. Zum andern muss die Schweiz angemessen zum Schutz der Bevölkerung armer Länder vor den Folgen des fortschreitenden Klimawandels beitragen. An jenen 100 Milliarden Dollar, welche die industrialisierten den Entwicklungsländern für Treibhausgasreduktions- und Klimaanpassungsmassnahmen versprochen haben, muss sich die Schweiz mit rund 1% – also bis spätestens 2020 mit rund 1 Milliarde Franken pro Jahr – beteiligen.

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COP22: Überraschende Wende am Klimagipfel

21.11.2016, Klimagerechtigkeit

48 der ärmsten Länder wollen bis 2050 vollständig auf erneuerbare Energien setzen. Damit steigt der Druck auf die reichen Länder, mit der versprochenen finanziellen Unterstützung ernst zu machen.

COP22: Überraschende Wende am Klimagipfel

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Nicht die US-Wahlen gaben bei den Klimaverhandlungen in Marrakesch (COP22) am meisten zu reden. Es war die gemeinsame Erklärung von 48 der ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder: Sie kündigten an, bis spätestens 2050 ihre Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Quellen umzustellen. Das kommt einer Ohrfeige für wohlhabende Staaten wie der Schweiz gleich, welche die Umsetzung des Pariser Klimaübereinkommens nur zögerlich angehen.

Die erste Klimakonferenz nach Inkrafttreten des Pariser Abkommens stand im Zeichen von dessen Umsetzung. Bis 2018 muss einerseits das sogenannte Regelwerk verhandelt werden. Es beschreibt, wie die Staatengemeinschaft den Klimawandel möglichst rasch bremsen will. Andererseits muss bis dann gewährleistet werden, dass den am stärksten betroffenen Bevölkerungen die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sich gegen die voranschreitenden Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Die wohlhabenden Staaten haben sich in Paris verpflichtet, bis 2020 mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr dafür einzusetzen.

Paukenschlag der Ärmsten

Am letzten Tag der Verhandlungen kündigten die 48 der ärmsten und verwundbarsten Länder überraschend an, ihre nationalen Energieversorgungen in den kommenden 15 bis 35 Jahren vollständig auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. Die im «Climate Vulnerable Forum» organisierten Staaten haben die Zeichen der Zeit erkannt, denn der Zubau von Wind- und Solarkraftwerken überstieg bereits im vergangenen Jahr jenen von Kohlekraftwerken. Vor allem aber stufen diese Länder Klimaschutz nicht als kostspieliges Hemmnis ein, sie sehen darin vielmehr eine Chance, ihre Entwicklung und die angestrebte Nachhaltigkeit zu beschleunigen.
Spätestens jetzt muss ein Ruck durch den Kreis der etablierten, sich selber stets als «Klimapioniere» feiernden Industrieländer gehen. Bis anhin hatten diese «den Entwicklungsländern» stets vorgeworfen, für den Kampf gegen die Folgen des einsetzenden Klimawandels zwar finanzielle Unterstützung zu fordern, sich gleichzeitig aber davor zu drücken, kohlestofffreie Entwicklungspfade in Betracht zu ziehen.

Die Konstellation im globalen Klimapoker hat sich mit diesem Paukenschlag verändert: Wenn die am wenigsten entwickelten und für den Investitionsmarkt minder attraktiven Länder sich zu ehrgeizigeren Zielen bekennen als das Gros der Industrieländer, dann kommen letztere unter Zugzwang. Denn nur die reichen Länder besitzen das Know-how, das Kapital und die Innovationskraft, um die nötige Transformation der Energiepolitik voranzutreiben. Das Mantra, dass die Entwicklungsländer zuerst eine ambitionierte Klimapolitik vorlegen müssten, bevor sie dafür Gelder von den Industrieländern fordern könnten, hat ausgedient.

Nicht die schwer einzuordnende Präsidentenwahl in den USA hat das Fundament der globalen Klima-Architektur erschüttert. Sondern, erfreulicherweise, das Vorangehen derer, die den Klimawandel nicht nur wortreich debattieren, sondern dessen Folgen bereits am eigenen Leib spüren. Ausreden der Industrieländer gelten jetzt nicht mehr. An der nächsten Klimakonferenz, die in einem Jahr unter der Schirmherrschaft von Fidschi in Bonn stattfindet, müssen sie endlich aufzeigen, wie sie die versprochenen Unterstützungsgelder bereitstellen werden.

Auch Schweiz kann sich nicht mehr verstecken

Das gilt auch für die Schweiz, die im internationalen Klimapoker eine zwiespältige Rolle spielt: Zwar hat Bundesrätin Doris Leuthard recht, wenn sie die schleppende Umsetzung der Pariser Beschlüsse beklagt. Gleichzeitig gehört gerade unser Land in der Finanzierungsfrage zu den Bremserinnen. In der Diskussion, woher die bis 2020 auf rund 1 Milliarde Franken pro Jahr geschätzten Beiträge der Schweiz ans internationale Klimaregime kommen sollen, setzt der Bundesrat auf den Privatsektor. Die von den OECD-Staaten vorgelegte «100 Billion Roadmap» kommt aber zum Schluss, dass gerade für dringende Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländern kaum private Investitionen zu mobilisieren sind. Die Prognose der OECD rechnet damit, dass bis 2020 nicht einmal die Hälfte der versprochenen Gelder zusammenkommt.
Die globale Transition hin zu einer kohlestofffreien Welt bis Mitte dieses Jahrhunderts kann nur mit gemeinsamen Anstrengungen aller Länder und Akteure bewerkstelligt werden. Wenn die Ärmsten mit zielführenden Rezepten vorangehen, sollte die reiche Schweiz nicht abseits stehen. Vor allem aber darf sie sich nicht länger um Ihre Verantwortung drücken.

Meinung

Trump in Uganda

05.12.2016, Klimagerechtigkeit

Die Schockwelle des Wahlsiegs von Donald Trump war auch im globalen Süden zu spüren. Aber anders.

Trump in Uganda

«Trump versteht was von Kohle.» Wahlhelferin im Bundesstaat West Virginia.

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Donald Trump hat gewonnen. Zumindest die Stimmenmehrheit der weissen männlichen Wähler in massgebenden Bundesstaaten. Verloren haben u.a. der Klimaschutz, der politische Anstand, die Muslime und wir, der afrikanische Kontinent. So und ähnlich lautet der Tenor der Kommentare zu den US-Wahlen in den Online-Medien in Kenia, Nigeria und Uganda.

Ein Blick in die Wahlberichterstattung und LeserInnen-Beiträge ausserhalb des reichen Nordens lohnt sich. Wie berichten eigentlich die Medien in Entwicklungs- und Schwellenländern, die von der US-Politik genauso betroffen sind wie wir?

In Bangladesch zeugen zahlreiche Beiträge von der massiven (und wohl berechtigten) Furcht, dass sich der Klimawandel nochmals verschärfen könnte. Trump hält die globale Erwärmung bekanntlich für eine hässliche Erfindung der chinesischen Propaganda. Was kümmert ihn, dass in Bangladesch der Anstieg des Meeresspiegels bereits Auswirkungen zeigt und Sturmfluten zunehmen? Immerhin haben die Entwicklungsländer an der jüngsten Klimakonferenz in Marrakesch bekannt gegeben, dass sie nun umso ambitioniertere eigene CO₂-Reduktionsziele verfolgen wollen. Und umso dringender ist, dass andere reiche Länder als Trumps USA sie jetzt dabei unterstützen und die dafür versprochenen Mittel bereitstellen. Bedenklich: In der Schweiz hat der Bundesrat 2011 entsprechende Vorschläge in der Schublade verschwinden lassen.

Zurück zu Trump. Nicht nur in Bangladesch, auch in Mexiko und anderswo ist man besorgt über Trumps Pläne zur Ausschaffung der sogenannt illegalen Einwanderer. Wohin mit Zehntausenden von Landsleuten, die möglicherweise zurückkehren müssen? Was tun ohne die Geldüberweisungen der Familienmitglieder? Was wird mit der US-amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit geschehen? Und was mit Exporten in die USA, die wieder mit hohen Zöllen belegt werden sollen?

Daniel Kalinaki beschreibt die Wahl Trumps in Kenias Daily Nation als die wohl afrikanischste in der Geschichte der USA. Einige LeserInnen widersprechen: Immerhin habe die unterlegene Partei die Niederlage anerkannt, ohne eine Revolte anzuzetteln.

Sicher berechtigt ist die Frage, die Owei Lakemfa in der nigerianischen Premium Times stellt: Wie sollen wir uns ein Vorbild nehmen an der Demokratie eines Landes, das zutiefst gespalten ist und der Welt einen frauenfeindlichen, xenophoben Steuerhinterzieher vor die Nase setzt? Die Dhaka Tribune teilt die Befürchtung vieler KommentatorInnen in Nord und Süd, das Beispiel Trump könnte Schule machen und fremdenfeindlichen verlogenen Demagogen dieser Welt massiven politischen Auftrieb geben.

Es wurde x-fach gesagt: Jetzt soll die neue Administration ihre Arbeit aufnehmen, bevor sich zeigt, wohin sich die Politik der USA bewegt. Anlass für Optimismus gibt es dabei kaum. Eines ist aber sicher: Die gewisse moralische Autorität, welche die USA mit der Wahl des ersten schwarzen Präsidenten vor acht Jahren gewonnen hatte, ist verspielt und breitester Ernüchterung gewichen.