Publikation

Steuervorlage und AHV-Finanzierung (STAF)

22.01.2019, Finanzen und Steuern

Am 19. Mai wird erneut über die Unternehmenssteuerrefom abgestimmt, die vom Parlament mit einer Zusatzfinanzierung der AHV verknüpft wurde. Entwicklungspolitisch stellt die Vorlage zur abgelehnten USRIII keinen nennenswerten Fortschritt dar.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Steuervorlage und AHV-Finanzierung (STAF)

Die Verknüpfung der beiden sachfremden Geschäfte Unternehmensbesteuerung und AHV-Finanzierung durch das Parlament wird landläufig als Kuhhandel bezeichnet.
© Pixabay

Nachdem das Referendum gegen die STAF zustande gekommen ist, werden die Stimmberechtigten erneut über die hängige Unternehmenssteuerreform befinden. Die steuerpolitische Analyse von Alliance Sud zeigt, dass die Vorlage aus entwicklungspolitischer Sicht im Vergleich mit der vor zwei Jahren verworfenen Unternehmenssteuerreform III (USR III) keine nennenswerten Fortschritte bringt.Erneut sollen die alten entwicklungsschädigenden Sondersteuerregime durch neue ersetzt werden.

Die aktuelle Vorlage würde die Schweizer Unternehmensbesteuerung zwar in eine international akzeptierte Form bringen und die alten Sondersteuerregime ausschliesslich für in der Schweiz versteuerte ausländische Konzerngewinne endlich abschaffen. Das ist aus entwicklungspolitischer Sicht sehr begrüssenswert. Sie schafft aber gleichzeitig neue Gewinnverschiebungsmöglichkeiten für multinationale Konzerne. Durch Gewinnverschiebungen in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen die Konzerne den Entwicklungsländern jährlich geschätzte 200 Milliarden Dollar an möglichem Steuersubstrat.

Die ausführliche Alliance Sud-Analyse von Steuerdumpingvehikeln, die auch nach der allfälligen Abschaffung der alten Statusgesellschaften erhalten bleiben, zeigt, dass die anvisierte neue Schweizer Konzernsteuerpolitik nicht mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Uno-Agenda 2030 (Sustainable Development Goals SDG) vereinbar ist. Als Land mit der höchsten Pro Kopf-Dicht an Hauptsitzen multinationaler Konzerne trägt die Schweiz aber eine spezielle Verantwortung im Kampf gegen die globale soziale Ungleichheit und für eine ausreichende Finanzierung der Agenda 2030.

Aufgrund des Steuerdumpings von Tiefsteuergebieten wie der Schweiz sinkt die Unternehmensbesteuerung weltweit seit Jahrzehnten. Dies verhindert in den Entwicklungsländern die dringendste öffentliche Versorgung benachteiligter Bevölkerungsschichten in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Infrastruktur. Dabei ist die Schweiz keine Trittbrettfahrerin auf dem Zug, der die globale Konzernbesteuerung in den Abgrund zieht – sie ist vielmehr eine der Lokomotiven und wird es mit der STAF auch bleiben.

Trotz der beträchtlichen Mängel im Steuerteil der Vorlage verzichtet Alliance Sud auf eine Abstimmungsparole zur STAF. Der AHV-Teil der Vorlage betrifft eine innenpolitische Frage, die über das entwicklungspolitische Mandat der Organisation hinausgeht. Gleichzeitig bestehen im Trägerkreis von Alliance Sud unterschiedliche Einschätzungen zur Frage, inwieweit eine entwicklungspolitisch gerechte Unternehmenssteuerreform auch über die aktuelle Vorlage hinaus möglich ist. Klar ist, dass eine solche Reform unabhängig vom Abstimmungsresultat im Mai notwendig bleibt.

Medienmitteilung

STAF: Alte Steuerschlupflöcher mit neuen Etiketten

08.04.2019, Finanzen und Steuern

Am 19. Mai stimmen die Stimmberechtigten über die «Steuervorlage und AHV-Finanzierung» (STAF) ab. Der Steuerteil der Vorlage bringt aus der Sicht von Alliance Sud im Vergleich mit der USR III keinen entwicklungspolitischen Fortschritt.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
STAF: Alte Steuerschlupflöcher mit neuen Etiketten

Ein Geschäft auf Kosten des Südens
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Die Unternehmenssteuerreform III (USRIII) wurde im Februar 2017 dank des Widerstands der Gewerkschaften und rot-grüner Par­teien an der Urne deutlich abgelehnt. Nun soll der Steuerteil der STAF – wie es schon das Ziel der USRIII war – die alten, bis Ende 2019 abzuschaffenden Sondersteuerprivilegien für Konzerne aus der Pharma-, Finanz- und Rohstoffbranche durch neue Anreize zur Steuerflucht ersetzen. Als neue Instrumente sollen dabei die Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer oder die Aufdeckung stiller Reserven bei Zuzug eingesetzt werden können.

Dominik Gross, Finanzexperte bei Alliance Sud, sagt: «Die Schweiz will mit der STAF weiter Gewin­ne multinationaler Konzerne aus dem Ausland importieren. Die entsprechenden Mechanismen krie­gen jetzt einfach neue Namen.» Den Schaden tragen die Entwicklungsländer: Gewinnverschiebun­gen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen den Gemeinwesen weltweit jährlich hunderte Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen. Dominik Gross: «Das ist Geld, das dringend für die Bekämpfung der Armut in den Ländern des Südens oder für den Um­stieg auf klimafreundliche Infrastrukturen und die Anpassung an die Klimaveränderung gebraucht würde.

In ihrem ausführlichen Analysepapier zur STAF, streicht Alliance Sud aus entwicklungspolitischer Sicht vor allem die folgenden Punkte heraus:

  • Die alten Steuerprivilegien für multinationale Konzerne werden ab 2020 von der EU und der OECD nicht mehr toleriert. Sie werden bis Ende Jahr unabhängig vom Ergebnis der STAF-Abstimmung abgeschafft werden müssen. Das sagte jüngst auch Charles Juillard, der Präsi­dent der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren gegenüber Radio SRF, auch das Eidgenös­sische Finanzdepartement bestätigt dies.
  • Wahrscheinlichste Alternative zur STAF wäre eine Minivorlage ohne neue Privilegien, wie sie die CVP in der Vernehmlassung zur damaligen Steuervorlage 17 – vor der Verknüpfung mit der AHV-Finanzierung – bereits einmal vorgeschlagen hatte.
  • Die neuen Steuerabzüge auf Patentgewinne im Rahmen der Patentbox sind schwer kalku­lierbar. Sie werden gemäss Informationen aus der Bundesverwaltung zu einer maximalen Reduk­tion von 70% des steuerbaren Gewinns führen und damit effektive Steuersätze von nur 9 Prozent ermöglichen. Damit bliebe die Schweiz ein Zugpferd im für die Bevölkerungen ruinösen internatio­nalen Steuerwettbewerb.
  • Die Koppelung der zinsbereinigten Gewinnsteuer an einen kantonalen Mindeststeuersatz ist entwicklungspolitisch wirkungslos. Es spielt für Staaten, die um ihre Steuereinnahmen geprellt werden, keine Rolle, ob entsprechende Konzerngewinne in verschiedene Schweizer Kantone fliessen oder sich allesamt in ein paar wenigen Kantonen (derzeit wäre das nur in Zürich möglich) konzentrieren.
  • Die neue Rückzahlungsregel beim Kapitaleinlageprinzip (KEP) greift nicht, wenn es sich bei den betreffenden Kapitaleignern (Aktionären) um juristische Personen handelt. Kapitaleinlagereserven, die durch Zuzug einer Gesellschaft in die Schweiz oder durch Zahlung an eine Tochterfirma eines ausländischen Konzerns nach dem 24. Februar 2008 (Einführung des KEP) in die Schweiz entstanden, sind von der Rückzahlungsregel ebenfalls befreit. Damit können Firmen in allen diesen Fällen auch nach der Einführung der STAF Kapitaleinlagereserven gänz­lich steuerfrei an ihre – vor allem auch ausländischen – AktionärInnen zurückzahlen und damit die Dividendenbesteuerung in der Schweiz weiterhin vollständig umgehen.
  • Mit der deutlichen Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer subventio­niert der Bund massive Steuersenkungen für alle Unternehmen in den Kantonen nach dem Giesskannenprinzip. Damit erhält die Abwärtsspirale der regulären Steuersätze im interkantona­len Steuerwettbewerb weiteren Schwung. Weil die Kantone je einzeln auch im internationalen „Race to the bottom“ mitmischen, ist auch diese Massnahme entwicklungspolitisch schädlich. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund ging im April 2018 von einer Senkung des durchschnittlichen kantonalen Gewinnsteuersatzes als Folge der Steuervorlage 17 von 40% aus. Mit der STAF än­dert sich daran nichts. Patentbox und zinsbereinigte Gewinnsteuer hemmen diese Abwärtsspirale nicht – anders als oft behauptet wird. Das zeigen die bereits vorhandenen STAF-Umsetzungs­konzepte vieler Kantone.

Artikel

Alles in einem Fall

20.01.2020, Finanzen und Steuern

Die «Luanda Leaks» zeigen umfassend wie selten zuvor, wie Gesetzeslücken im Schweizer Abwehrdispositiv gegen Steuervermeidung, Geldwäscherei und Korruption ausgenützt werden können – einmal mehr auf Kosten der Ärmsten weltweit.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Alles in einem Fall

© ICIJ

Die am 19. Januar 2020 vom International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) unter dem Hashtag #LuandaLeaks präsentierte Recherche stellt nicht zuletzt all jene bloss, die glauben, der Schweizer Finanz- und Konzernplatz sei nach den Reformen der letzten zehn Jahre «sauber» geworden. Trotz Lockerung des Bankgeheimnisses, mehrerer Reformen des Geldwäschereigesetzes, der Schaffung eines Potentatengeldergesetzes und der Verabschiedung einer Unternehmenssteuerreform (STAF) sind Schweizer Gesetze im Steuer- und Finanzbereich weiterhin ganz offensichtlich unzureichend, um solche Fälle zu verhindern. Die Luanda Leaks erzählen von Korruption, Geldwäscherei und Steuervermeidung, von Praktiken, die den Schweizer Finanz- und Konzernplatz und sein Geschäftsmodell zu einem der schädlichsten der Welt machen. Wer sich im Kampf gegen Ungleichheit und für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung engagieren will, wird mit diesem Fall daran erinnert: Ohne einen grundlegenden Wandel im globalen Finanzsystem wird es nicht gehen.

Wie der britische Guardian berichtet, zahlte der staatlich kontrollierte angolanische Diamantenhändler Sodiam an den Schweizer Juwelier De Grisogono in Genf hohe Darlehen, ohne dafür Gegenleistungen zu erhalten. Der Diamantenhändler im Hochsteuerland Angola zahlte indirekt über andere Steueroasen hohe Darlehen an den unprofitablen Juwelier De Grisogono im intransparenten Tiefsteuerkanton Genf. Was dort mit dem Geld aus Angola genau passierte, ist allerdings unklar. Um dies nachvollziehen zu können, sind die Jahresberichte Schweizer Firmen zu intransparent. Gesichert ist, dass De Grisogono in Genf trotz der Zuschüsse aus Angola über Jahre hinweg Verluste schrieb.Der Fall ist insofern speziell dreist, als der Hauptinvestor der unprofitablen Firma in Angola der angolanische Staat selbst war. Die Allgemeinheit in Angola wurde gleich doppelt betrogen: Durch den Geldabfluss infolge gefakter Investitionen und durch die dem Fiskus entzogenen Millionenbeträge. Organisiert und orchestriert wurde das Ganze laut dem Tages-Anzeiger neben den grossen global tätigen Beratungsfirmen wie PWC oder KPMG von einem Anwalt mit CVP-Parteibuch in Zug.

Dieser Fall zeigt in dramatischer Weise, dass Reformen in der Schweizer Steuer- und Finanzpolitik, die auch den armen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika zug Gute kommen, äusserst dringend bleiben: Die Lücken im Geldwäschereigesetz, die es Schweizer Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen nach wie vor erlauben, unbehelligt in hochdubiosen Geschäften wie jenem von Sodiam und De Grisogono tätig zu sein, müssen dringend geschlossen werden. Weiter muss die Schweiz die Bemühungen in der EU und der OECD um öffentliche Register für wirtschaftlich Berechtigte unterstützen. Solche Register machen die Profiteure von Offshorestrukturen sichtbar – in diesem Fall Isabel dos Santos, die Tochter des früheren angolanischen Präsidenten und ihr Ehemann Sindika Dokolo.

Die Luanda Leaks zeigen zudem, wie auch ganz normale Holdingfirmen in der Schweiz in Strukturen integriert werden können, die von einer atemberaubenden kriminellen Energie ihrer ErbauerInnen zeugen. Daran ändert auch die jüngste Unternehmenssteuerreform im Rahmen der STAF nichts, die auf Bundesebene seit dem 1. Januar in Kraft ist und in den Kantonen zurzeit umgesetzt wird. Zwar bezahlen Schweizer Holdingsunter dem neuen Regime der Konzernbesteuerung in der Regel etwas mehr Steuern, die Integration in komplexe Offshorestrukturen, die der Steuervermeidung und Kleptokratie dienen, unterbindet die STAF aber mitnichten. Mit der STAF werden zudem neu Steuerprivilegien eingeführt, die Konzernen bei Zuzug in die Schweiz durch die Verschiebung von Firmensitzen oder Zusammenschlüssen massive Steuereinsparungen erlauben („Abzug stiller Reserven bei Zuzug“). Auch diese erweisen sich im Kontext der Luanda Leaks als äusserst fragwürdig.  

Schliesslich zeigt dieser Fall auch, wie wichtig es ist, dass die reiche Schweiz arme Länder dabei unterstützt, die internationalen Standards im Bereich der Steuertransparenz zu erfüllen und damit von den entsprechenden internationalen Datenaustauschprogrammen profitieren zu können. So ist zum Beispiel Angola weder Teil des Schweizer Netzwerkes zum internationalen automatischen Austausch von Bankkundendaten (AIA) noch jenem für die länderbezogene Berichterstattung multinationaler Konzerne (ALBA/Country-by-Country-Reporting (CbCR)). Mit dem Zugang zu diesen Informationssystemen könnten die angolanischen Steuerbehörden eruieren, ob potente SteuerzahlerInnen ihre Einkommen und Gewinne in Angola gesetzeskonform versteuern, oder sie, wie in diesem Fall, fern ihrer Heimat in transnationalen Offshorekonstrukten verstecken, die auch von der Schweiz aus betrieben werden.

Für weitere Informationen:
Dominik Gross, Experte für Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud: +4178 838 40 79

Medienmitteilung

Kein Schweizer Engagement für mehr Gerechtigkeit

31.01.2020, Finanzen und Steuern

Die Vorschläge für eine Reform des internationalen Steuersystems drohen die globale Un­gleichheit zu zementieren. Die Schweiz verteidigt die Interessen hierzulande angesiedelter multinationaler Konzerne statt sich für einen finanziellen Ausgleich zwischen Nord und Süd einzusetzen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Kein Schweizer Engagement für mehr Gerechtigkeit

Das Steuersekretariat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat heute über den Stand der Verhandlungen zwischen 134 Staaten zu neuen globalen Konzernsteuerregeln informiert.

Erfreulicherweise enthält der Reformvorschlag die Einführung eines Verteilschlüssels für Konzern­gewinne zwischen den Ländern. Auch schlägt die OECD die Einführung eines globalen Mindest­steuersatzes vor. Das sind grundsätzlich begrüssenswerte Schritte in Richtung mehr globaler Steuergerechtigkeit. Arme Länder könnten von diesen jedoch in dieser Form nicht profitieren: Unter anderem deswegen, weil die neuen Regeln kein Mittel gegen die entwicklungsschädigenden Ge­schäftspraktiken der Rohstoffindustrie darstellen. Ausgerechnet diese gehört in den armen Ländern des Südens aber zu den schlimmsten Steuervermeidern. Der Verteilschlüssel bleibt zudem auf einen sehr kleinen Anteil der Gesamtgewinne beschränkt und begünstigt so ausschliesslich grosse Absatzmärkte.

Mit dem heutigen System müssen Konzerne ihre Gewinne nicht dort versteuern, wo sie erarbeitet werden, sondern können die Gewinne dorthin verschieben, wo sie dafür am wenigsten Steuern be­zahlen – auch in die Schweiz. Entwicklungsländer verlieren so jährlich hunderte Milliarden Dollar. Gemäss aktuellen Berechnungen der «Economists without borders» um Berkeley-Professor Gabriel Zucman resultieren 28% der Schweizer Konzernsteuereinnahmen aus Gewinnverschie­bungen. Der vorliegende Reformvorschlag der OECD wird an all dem kaum etwas ändern. Trotz­dem geht er dem Bundesrat noch zu weit: Er möchte einen globalen Mindeststeuersatz entweder ganz verhindern oder ihn sehr weit unter dem aktuellen globalen Durschnitt ansetzen. Dieser liegt knapp unter 25%.

Dominik Gross, Spezialist für Steuerpolitik bei Alliance Sud, sagt: «Weltweit leiden Gemeinwesen unter der Steuervermeidung der Konzerne. Der Bundesrat muss sich auf internationaler Ebene für globale Regeln einsetzen, die sowohl entwicklungspolitisch sinnvoll sind wie auch den Service public in der Schweiz und damit auch den hiesigen Wirtschaftsstandort stärken.» Dies ist kein Widerspruch: Die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes in angemessener Höhe würde die weltweite Abwärtsspirale bei den Konzernsteuersätzen beenden und so auch in der Schweiz Steuereinnahmen sichern und den Service public stärken. Ein Verteilschlüssel auf sämtliche Kon­zerngewinne, der neben dem Umsatz auch den Faktor Arbeit berücksichtigt, würde zudem sicher­stellen, dass Gewinne dort versteuert werden, wo sie auch effektiv erarbeitet werden.

Für weitere Auskünfte:

Dominik Gross, Spezialist für Steuerpolitik bei Alliance Sud +41 78 838 40 79 

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Staatliche Hilfe für Steuervermeider?

25.05.2020, Finanzen und Steuern

Auch multinationale Konzerne, die in der Schweiz und im Ausland Steuern vermeiden, können von Hilfskrediten des Bundes im Rahmen der Corona-Hilfe profitieren. Dagegen hilft nur Transparenz über die Kapitalflüsse innerhalb dieser Konzerne.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Staatliche Hilfe für Steuervermeider?

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Rechtlich gesehen kommen gemäss der Notverordnung des Bundesrates vom 25. März auch Tochtergesellschaften von multinationalen Konzernen für Covid-19-Solidarbürgschaftskredite infrage. Voraussetzung dafür ist, dass sie als einzelne Gesellschaft einen Jahresumsatz von höchstens 500 Millionen Franken ausweisen. Auch Hilfskredite für mehrere Töchter desselben Konzerns sind möglich.

Das ist aus entwicklungspolitischer Sicht höchst problematisch: Es besteht ein erhebliches Risiko, dass Tochtergesellschaften von Multis in der Schweiz Hilfskredite beantragen. Solche Tochtergesellschaften können etwa als Finanzierungsgesellschaften innerhalb eines Konzerns fungieren und so die Rolle von Banken innerhalb eines Konzerns übernehmen. Wenn sie jetzt aufgrund der Coronakrise in Liquiditätsengpässe bei der Darlehensvergabe geraten, könnten sie Hilfskredite beantragen. Gleichzeitig könnten sie aufgrund ihrer spezifischen Geschäftstätigkeit und Steuerplanung weiterhin Gewinne aus armen Ländern abziehen. Diese Länder leiden gegenwärtig auf Grund der Krise unter nie dagewesenen Kapitalabflüssen, die eine angemessene gesundheits-, sozial- und wirtschaftspolitische Reaktion dieser Länder auf die Pandemie dramatisch erschweren. Bereits unter „normalen“ Umständen fällt es diesen Gemeinwesen auf Grund von Steuerflucht und Schuldenlast schwer, öffentliche Gesundheitswesen zu betreiben, die eine stabile Versorgung der gesamten Bevölkerung garantieren und eine soziale Wohlfahrt sicherstellen, die Menschen in existentiellen Nöten auffangen kann.

Ein Zahlenvergleich illustriert die katastrophale Situation im Gesundheitswesen in vielen armen Ländern der Welt auf eindrückliche Weise: Die jährlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen in der Schweiz betragen 80 Milliarden Franken, in den 69 ärmsten Ländern der Welt sind es insgesamt (also alle Länder zusammengerechnet) 20 Milliarden.

Gemäss neusten Zahlen der Forschungsgruppe Economists without Boarders um den Berkeley-Professor Gabriel Zucman verschoben multinationale Konzerne 2017 Gewinne in der Höhe von 98 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland in die Schweiz. In diesen Zahlen sind allerdings viele afrikanische Länder infolge der äusserst prekären Datenlage bei ihren Steuerbehörden noch gar nicht eingerechnet. Zucman und KollegInnen bestätigen aber, dass die Entwicklungsländer unter dem Strich zu den grossen Verlierern des weltweiten Steuerdumpings gehören, während dem die Schweiz daraus 38% ihrer Unternehmenssteuereinnahmen generiert. Vor allem auf Grund der Rohstoff- und Nahrungsmittelbranche, die unter den Schweizer Konzernen sehr gut vertreten sind, müssen wir davon ausgehen, dass ein signifikanter Teil dieser in die Schweiz verschobenen Gewinne aus armen Ländern des Südens kommt. Im Verhältnis zu den Ausgaben für die Gesundheitswesen in diesen Ländern, handelt es sich hier so oder so um exorbitante Summen.

Eine Möglichkeit, das Risiko von Steuervermeidung bei Gesellschaften in der Schweiz, die von den Coronahilfskrediten profitieren, zu reduzieren, wäre die Veröffentlichung von Daten aus dem Country-by-Country-Reporting der betroffenen Firmen auf der Basis des Schweizer ALBA-Gesetzes. Damit könnten diese Unternehmen dazu gebracht werden, ihre steuerlich relevanten Daten, die sie bereits heute im Rahmen ihrer länderbezogenen Berichte («Country-by-Country-Reporting») den Steuerbehörden abliefern müssen, auf ihren Webseiten zu veröffentlichen – dieses Prinzip gilt in der EU bereits für Finanzdienstleister. Damit würden Konzernzahlen wie Umsatz, Einnahmen, Gewinn, Anzahl Beschäftigter, bezahlte und verursachte Steuern öffentlich dargelegt und wir als steuerzahlende Bürgerinnen und Bürger könnten selbst überprüfen, ob wir mit unseren Steuern nicht multinationale Unternehmen durch die Krise helfen, die in armen Ländern die Menschen gleichzeitig um eine gute Gesundheitsversorgung, Bildung oder Verkehrsinfrastruktur bringen.

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Mit kleinen Schritten zu mehr Steuertransparenz

05.10.2020, Finanzen und Steuern

Seit Juli ist es amtlich bestätigt: Die Schweiz gehört zu den grossen Gewinnerinnen des globalen Gewinnverschiebungsspiels multinationaler Konzerne. Rechtliche Schritte für mehr Steuertransparenz lassen indes weiter auf sich warten.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Mit kleinen Schritten zu mehr Steuertransparenz

Pflegepersonal im Ronald Ross Spital in Mufulira, Sambia, wo Glencore eine grosse Kupfermine betreibt.
© Jason Larkin / Panos

Erstmals hat die OECD im Juli aggregierte Steuerdaten von Konzernen veröffentlicht. Und damit ein kleines bisschen Licht in die Blackbox geworfen, die das internationale Steuersystem für multinationale Konzerne nach wie vor darstellt. Ohne Transparenzvorschriften in der Rechnungslegung der Konzerne bleibt es für Aussenstehende allerdings weiterhin schwierig, die Steuerstrategien der grossen Unternehmen nachvollziehen zu können und auf Gewinnverschiebungs- und andere Steuervermeidungsaktivitäten hinzuweisen. Hier hilft auch das seit 2016 in vielen Ländern – seit 2017 auch in der Schweiz – eingeführte Country-by-Country-Reporting (CbCR) zwischen nationalen Steuerbehörden nur wenig.

Das CbCR für Steuerämter war nur ein kleiner Schritt in Richtung mehr Transparenz im globalen Steuersystem für multinationale Konzerne. Erstens weil ausgerechnet jene Länder im globalen Süden nicht von diesem Instrument profitieren können, in denen Konzernsteuervermeidung die negativsten Folgen zeitigt. Sie bleiben von diesem Informationsaustausch ausgeschlossen, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen (können). Zweitens ist es auch bei Steuerbehörden umstritten, ob dieser beschränkte Informationsaustausch von einigen Daten aus den Konzernbuchhaltungen wirklich genug Informationen liefert, um die Gewinnverschiebungen zwischen unterschiedlichen Einheiten in verschiedenen Ländern desselben Konzerns wirklich nachvollziehen zu können. Und selbst wenn die Behörden dazu fähig sind: Vielerorts fehlen die rechtlichen Grundlagen, um dagegen auch vorgehen zu können. Drittens ist dieses System eines ohne demokratische Checks & Balances: Öffentliche Institutionen, die mit Wirtschaftspolitik zu tun haben, befinden sich häufig im Sandwich zwischen Standortförderung und Sanktionierung von unlauteren Aktivitäten der Unternehmen. Auch deshalb sollten CbCR-Daten veröffentlicht werden, um es Journalistinnen, Wissenschaftlern, NGOs, Aktivisten und Politikerinnen zu ermöglichen, die entsprechenden Aktivitäten der Konzerne nachvollziehen zu können. Sie könnten so von den Konzernen Rechenschaft verlangen, ohne auf die Behörden angewiesen zu sein.

Trotz allem bringen die im Juli 2020 erstmals veröffentlichten OECD-Daten zu den Steueraufkommen von Konzernen in jenen Ländern, die am Informationsaustausch teilnehmen, ein wenig mehr Transparenz. Obwohl diese Daten aus dem ersten Berichtsjahr überhaupt stammen (2016) und erst Daten aus 26 Ländern und von 4000 Unternehmen beinhalten, wird damit einmal mehr deutlich: Der Schweizer Fiskus gehört zu den Hauptprofiteuren des dysfunktionalen globalen Steuersystems, das es multinationalen Konzernen ermöglicht, ihre Profite nicht dort zu versteuern, wo sie erarbeitet werden, sondern dort, wo sie sich am billigsten versteuern lassen – unter anderen eben in den Schweizer Tiefsteuerkantonen. Gleichzeitig ist die Informationslage zu den Steuerpraktiken der hiesigen Konzerne hierzulande noch schlechter als in EU-Tiefsteuergebieten wie Irland, den Niederlanden oder Luxemburg. Der Grund: Die Rechnungslegungspflichten verlangen in der Schweiz von Unternehmen noch weniger Transparenz über interne Finanzflüsse als das zum Beispiel in der EU der Fall ist. Umso dringlicher ist es, in der Schweiz mehr Steuertransparenz für Konzerne einzuführen.

Bekanntlich ist die Schweiz im Bereich der Steuerpolitik nur zu Fortschritten bereit, wenn sie aus dem Ausland unter entsprechenden Druck gesetzt wird. Ob sich dort in naher Zukunft etwas bewegt, ist zurzeit schwer vorauszusagen: Im November 2019 scheiterte im EU-Ministerrat in Brüssel ein Vorschlag der EU-Kommission und des Parlaments für ein öffentliches CbCR an der Stimmenthaltung des deutschen Finanzministers. Dieser heisst Olaf Scholz, ist Sozialdemokrat und 2021 Kanzlerkandidat der SPD. Ohne Unterstützung Deutschlands wird aber ein öffentliches CbCR auch in Brüssel in den nächsten Jahren nicht zu haben sein.

Mehr Steuergerechtigkeit in der und durch die Schweiz liegt notabene nicht nur im Interesse der Allgemeinheit im geprellten Ausland, sondern ist auch innenpolitisch sinnvoll: Eine Veröffentlichung von CbCR-Daten würde es einfacher machen, die Steueroptimierungspraktiken von Konzernen nachzuvollziehen, die nicht nur Staaten gegeneinander ausspielen, sondern auch Schweizer Kantone.

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Vom Regen in die Traufe?

05.10.2020, Finanzen und Steuern

Seit Anfang 2019 verhandeln über hundert Staaten im Rahmen des sogenannten Inclusive Framework der OECD über eine weitere Reform des globalen Konzernsteuersystems. Im Fokus steht die Digitalisierung der Konzerngeschäftsmodelle.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Vom Regen in die Traufe?

Die beteiligten Regierungen und das OECD-Sekretariat für Steuern haben zwei Reformsäulen definiert: Die erste soll eine Umverteilung der Besteuerungsrechte von den Sitzländern multinationaler Konzerne – darunter prominent die Schweiz – hin zu deren Absatzmärkten bringen. Im Rahmen der zweiten Säule wird die Einführung von Mechanismen verhandelt, die für einen effektiven globalen Mindeststeuersatz sorgen sollen.

Die beiden Säulen sollen das globale Steuersystem fairer machen, um das Problem wenigstens teilweise zu entschärfen, dass multinationale Konzerne ihre Steuern nicht vornehmlich dort zahlen, wo sie ihre Wertschöpfung erzielen, sondern dort, wo sie am wenigsten an den Fiskus abliefern müssen. Der Teufel steckt aber wie immer im Detail: Von den neuen Umverteilungsmechanismen unter Säule 1 würden die meisten ökonomisch benachteiligten Länder im globalen Süden nicht profitieren, denn sie sind meist weder Sitz- noch Absatzländer der Multis, sondern beherbergen deren Produktionsstätten: Speziell ausgeprägt ist das im Rohstoffsektor, der von den Reformen, die bei der OECD zurzeit diskutiert werden, just überhaupt nicht betroffen wäre. Zudem würde nur ein kleiner Teil der Gesamtgewinne der Konzerne umverteilt. Das Steuersystem bliebe eines, das die Sitzstaaten von Konzernen stark begünstigt. Die Schweizer Tiefsteuergebiete und der Bund würden bei einer allfälligen Verabschiedung dieser Massnahmen demnach kaum signifikant Gewinnsteuereinnahmen von Konzernen verlieren.

Unwahrscheinlich ist zudem, dass die Regeln für eine Mindestbesteuerung am Ende für alle beteiligten Staaten bindend wären. Allenfalls würden die Konzerne zu einem effektiven Mindeststeuersatz verpflichtet, der weit unter dem aktuellen globalen Durchschnitt von etwas unter 25% zu liegen käme. Am wahrscheinlichsten wären wohl 12,5% – also just etwa der Satz, mit dem die steuergünstigsten Kantone in der Schweiz Firmen anlocken. Für viele Länder des Südens, denen jedes Jahr Steuereinnahmen von Konzernen in Milliardenhöhe entgehen, wären die Verhandlungen einmal mehr ein Rennen vom Regen in die Traufe gewesen.

Das Expertenkomitee der UNO für internationale Kooperation in Steuersachen versucht nun, im Interesse einer wirklich globalen Lösung der OECD Konkurrenz zu machen und hat in diesem Sommer eine Konsultation zum Thema eingeleitet. In der UNO fehlen aber die institutionellen Strukturen, die es ihren Mitgliedsländern ermöglichen würden, unter ihrem Dach weltweit verbindliche Steuerregeln zu implementieren – affaire à suivre.

Positionspapier

Steuereinnahmen müssen in den globalen Süden

10.03.2022, Finanzen und Steuern

Mit der Einführung der OECD-Mindeststeuer wird die Schweiz zusätzliche Steuereinnahmen aus den Gewinnen multinationaler Konzerne erzielen. In ihrem Positionspapier fordert Alliance Sud, dass auch arme Länder des globalen Südens davon profitieren.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Steuereinnahmen müssen in den globalen Süden

Unternehmenssteuersätze in ausgewählten Ländern und Schweizer Kantonen im Jahr 2021. Quelle: KPMG-Bericht «Clarity on Swiss Taxes» 2021.
© Alliance Sud / global

Mit der Einführung der OECD-Mindeststeuer wird die Schweiz zusätzliche Steuereinnahmen aus den Gewinnen multinationaler Konzerne erzielen. Ein Teil dieser Gewinne wird in armen Ländern erwirtschaftet, aber in der Schweiz versteuert. Alliance Sud fordert deshalb von Bundesrat und Parlament dafür zu sorgen, dass die Schweiz einen Teil dieser zusätzlichen Einnahmen an arme Produktionsländer der Konzerne zurückgibt – andernfalls behalten wir uns für die Volksabstimmung im Juni 2023 eine Nein-Parole vor.

Alliance Sud, das Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, begrüsst es, dass der Bundesrat die neue Mindeststeuer für multinationale Konzerne der OECD in der Schweiz umsetzen will. Damit würde die Schweiz einen Beitrag leisten, um die schädliche Abwärtsspirale bei den Konzernsteuern sowohl international wie auch zwischen den Kantonen zu bremsen.

Wie das Positionspapier von Alliance Sud zeigt, werden arme Länder des globalen Südens von dieser Einführung nicht profitieren. Vor allem für Schweizer Rohstoffkonzerne wird es sich auch mit der Mindeststeuer weiterhin lohnen, in der Schweiz Steuerdumping auf Kosten der Ärmsten der Welt zu betreiben. Aus zwei Gründen, wie Dominik Gross, Experte für Steuerpolitik bei Alliance Sud, sagt: Der Mindeststeuersatz ist mit 15% viel zu tief. Rohstoffländer im globalen Süden haben Gewinnsteuersätze zwischen 25% und 35%.“ Auf Grund dieser Differenz werden diese ihre Gewinne weiterhin nicht dort versteuern, wo sie ihr Nickel schürfen oder ihr Palmöl herstellen, sondern in den Schweizer Tiefsteuerkantonen, wo ihr Management sitzt und sie trotz Mindeststeuer viel weniger Steuern bezahlen. „Zudem könnten Entwicklungsländer, in denen die Konzerne Tochterfirmen betreiben, von der Mindeststeuer nur dann profitieren, wenn reiche Länder wie die Schweiz, in denen die Konzerne ihre Konzernobergesellschaften haben, darauf verzichten. Eine krasse Benachteiligung!“, sagt Gross. Kantone wie Zug oder Genf werden mit der Einführung der Mindeststeuer noch mehr Steuereinnahmen aus Gewinnen von Konzernen generieren, die ihre Profite in Ländern machen, wo sie ihre Profite in armen Ländern machen, die dringend auf mehr Steuereinnahmen angewiesen sind.

Gewinnverschiebungen auf Kosten der Ärmsten


In einem Bericht vom letzten Oktober zeigten Alliance Sud und weitere NGOs, wie der Palmöl- und Kautschuk-Konzern Socfin in Liberia und Sierra Leone wie zu Kolonialzeiten Arbeits- und Landrechte verletzt und gleichzeitig in Fribourg Steuern spart. Jüngst sorgte der Bergbaukonzern Solway mit Sitz in der Steueroase Zug für schlechte Schlagzeilen, weil er in seiner Nickel-Mine in Guatemala Wasser und Luft verschmutzt und die entsprechenden Folgen zu vertuschen versucht hat.

Dominik Gross: „Es darf nicht sein, dass Schweizer Kantone dank solchen schmutzigen Geschäften noch zusätzliche Steuereinnahmen erhalten. Diese Steuereinnahmen gehören den Produktionsländern der Konzerne, damit sie mit ihnen eine sozialere und ökologischere Wirtschaft aufbauen können.“


Weitere Informationen:

Dominik Gross, Experte für Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud, +4178 838 40 79dominik.gross@alliancesud.ch

Positionspapier: die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer für multinationale Konzerne in der Schweiz aus der Sicht von Alliance Sud

Positionspapier

Wer nimmt, dem wird gegeben

23.02.2023, Finanzen und Steuern

Die OECD wollte mit der neuen Mindeststeuer das internationale Unternehmenssteuersystem ein wenig gerechter machen. National- und Ständerat kehrten sie in ihr Gegenteil um. Alliance Sud sagt deshalb «Nein» zur entsprechenden Verfassungsänderung.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Wer nimmt, dem wird gegeben

Die Schweizer Umsetzung der OECD-Mindeststeuer ist im Interesse der Konzerne, nicht aber des Globalen Südens. Im Bild: der ehemalige Bundesrat Ueli Maurer, rechts, und Vizekanzler Andre Simonazzi.
© ANTHONY ANEX / Keystone SDA

Technisch ist die Mindeststeuer zweifellos sehr kompliziert, aus einer streng innenpolitischen Sicht ist ihre Rechnung aber sehr einfach. Der ehemalige Schweizer Finanzminister Ueli Maurer hatte diese denn auch sehr schnell gemacht, als der Bundesrat die Vorlage zur nationalen Umsetzung der Mindeststeuer im Juni letzten Jahres vorstellte: «Wenn die Schweiz das zusätzliche Geld nicht nimmt, werden es andere tun», sagte er.

Wer sich wie Alliance Sud für mehr globale Steuergerechtigkeit einsetzt, muss die Rechnung allerdings genau umgekehrt machen: Länder im Globalen Süden, die Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen beherbergen, bekommen das zusätzliche Geld nur, wenn die Schweiz es nicht nimmt. Kernstück der Schweizer Umsetzung der Mindeststeuer ist eine sogenannte nationale Ergänzungssteuer (in der Sprache der OECD «Domestic Minimum Top-up tax, DMTT)»). Diese sorgt dafür, dass multinationale Konzerne, die auf ihre in der Schweiz verbuchten Gewinne bisher weniger als 15% Steuern zahlten, neu mit zusätzlichen Steuerprozenten belegt werden, die die effektiven Steuersätze in Zukunft auf das OECD-Minimum von 15% anheben. Ein Beispiel: Ein Rohstoffkonzern im Kanton Zug hat bisher 11% Gewinnsteuer bezahlt. In Zukunft muss er die Differenz von 4% zusätzlich entrichten.

So weit, so gut, die nationale Ergänzungssteuer hat aber aus entwicklungspolitischer Sicht einen grossen Haken: Die gesamten zusätzlichen Steuereinnahmen bleiben im Kanton Zug, wo der Rohstoffkonzern seinen Sitz hat. Die Länder im Globalen Süden, wo der Konzern seine Rohstoffe abbaut, die er dann von Zug aus handelt, gehen leer aus. Zu Unrecht: Denn oft sind die Gewinne, die Konzerne in der Schweiz versteuern, nicht hier erarbeitet worden, sondern in den Produktionsländern im Globalen Süden − bei einem Rohstoffkonzern etwa in einer Kupfermine in einem afrikanischen Land. Länder im Globalen Süden, in denen Schweizer Konzerne Tochtergesellschaften betreiben, kriegen das Geld aus der Mindeststeuer nur, wenn es die Schweiz nicht nimmt. Sprich, wenn die Schweiz die nationale Ergänzungssteuer nicht einführt. Das könnte sie problemlos tun, denn im Unterschied zur letzten internationalen Unternehmenssteuerreform setzen OECD, G20 und die EU dieses Mal nicht auf Sanktionen gegenüber Ländern, die nicht mitziehen, sondern auf genau jene volkswirtschaftlichen Anreize, die Ueli Maurer im obigen Zitat so schön auf den Punkt gebracht hat.

Die Schweizer Umsetzung ist kein Beitrag zu mehr globaler Steuergerechtigkeit

Für wirtschaftlich benachteiligte Länder im Globalen Süden, in denen Schweizer Konzerne tätig sind, ist die Mindeststeuer aus den folgenden Gründen kein Fortschritt, ja sogar ein Rückschritt:

a) Der Steuersatz der Mindeststeuer ist viel zu tief: Die Gewinnsteuersätze in den Produktionsländern des Globalen Südens liegen in aller Regel zwischen 25% und 35%. Die viel tiefere Mindeststeuer von 15% sichert ihnen keine zusätzlichen Steuereinnahmen. Im Frühling 2021 hatten die USA unter der neuen demokratischen Regierung Biden noch 21% Mindeststeuersatz gefordert. Dann verhandelte die Schweiz gemeinsam mit anderen Tiefsteuerländern wie Irland und Luxemburg diesen erfolgreich hinunter. Das zeigt ein Brief von Ueli Maurer an den OECD-Generalsekretär Mathias Cormann vom Herbst 2021.

b) Die Mindeststeuer unterbindet Gewinnverschiebungen nicht: Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne, die sie mit der Produktion in Ländern mit hohen Steuersätzen erzielen, in Tiefsteuerländer mit sehr tiefen Steuersätzen. Damit sparen sie viele Steuern in den Produktionsländern, ermöglichen es aber gleichzeitig Schweizer Kantonen, zu niedrigen Steuersätzen Gewinne zu versteuern, die gar nicht in der Schweiz erarbeitet wurden. Das zeigt etwa der Fall des schweizerisch-luxemburgischen Agrarrohstoffhändlers Socfin. Zudem zeigen Analysen von Ökonom:innen um den Standford-Professor Gabriel Zucman, dass multinationale Konzerne im letzten Jahr 111 Milliarden Dollar Gewinne in die Schweiz verschoben. 39 Prozent der gesamten Schweizer Gewinnsteuereinnahmen von insgesamt 22,7 Milliarden Dollar stammen aus Gewinnverschiebungen. In dieser Rechnung sind die Gewinnverschiebungen aus vielen Ländern des Südens allerdings noch gar nicht enthalten, weil dort die nötigen Steuerdaten für solche Berechnungen fehlen. Fälle wie der oben erwähnte von Socfin in Fribourg zeigen aber, dass damit gerechnet werden muss, dass die entsprechenden Beträge solcher Gewinnverschiebungen noch viel höher sind. Aus einer Studie der Ökonomen Petr Janský und Miroslav Palanský von 2019 geht hervor, dass jährlich mindestens rund 80 Milliarden Euro an Gewinnen aus Entwicklungsländern in Tiefsteuerländer wie die Schweiz verschoben werden. Wie viel von diesem Geld genau in der Schweiz landet, lässt sich aber aufgrund der erwähnten Datenprobleme in den Herkunftsländern und auch wegen der Intransparenz der Schweizer Rechnungslegungsstandards bis heute nicht sagen. Auch mit der Einführung der Mindeststeuer bleibt die Schweiz als Zielland von Gewinnverschiebungen aus Entwicklungsländern so attraktiv wie bisher.

c) Die Mindeststeuer beschneidet die Steuerautonomie von Ländern des Südens: Länder im Globalen Süden, die die Mindeststeuer einführen, werden in der Ausgestaltung ihrer eigenen Steuergesetze eingeschränkt. Führen sie die Mindeststeuer ebenfalls ein, können diese Länder unilaterale Massnahmen, wie zum Beispiel eine Quellensteuer auf konzerninternen, grenzüberschreitenden Zahlungen, die über 9% liegt (das ist die Schwelle, die gemäss den neuen OECD-Regeln noch erlaubt ist) nicht mehr anwenden. Quellensteuern mit Steuersätzen, die im Bereich der regulären Besteuerung von Unternehmen in diesen Ländern liegen (in der Regel über 20%), sind aber ein probates Mittel im Kampf gegen Gewinnverschiebungen. Wenn diese nur noch eingeschränkt anwendbar sind, führt das in den betroffenen Ländern zu zusätzlichen Steuerausfällen. Führen diese Länder aus diesen Gründen die Mindeststeuer hingegen nicht ein, müssen sie akzeptieren, dass die Schweiz das gesamte zusätzliche Steuersubstrat aus der Mindeststeuer abschöpft. Der Druck auf diese Länder steigt so, ihre Steuersätze für Konzerne zu senken, um die Differenz zu den Steuersätzen in der Schweiz und anderen Tiefsteuerländern zu verringern und so den Anreiz für Gewinnverschiebungen zu reduzieren: Aus dem „Race to the bottom“ würde ein „Race to the minimum“.

Standortförderungsmassnahmen zugunsten der Konzerne mit Mindeststeuereinnahmen

Gemäss dem Willen des Parlaments sollen nur 25% der Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer beim Bund bleiben. Die restlichen 75% gehen an die Kantone. Profitieren werden vor allem die beiden prominenten Konzerntiefsteuergebiete Zug (Rohstoffhändler) und Basel-Stadt (Pharma). Wie das zusätzliche Steuergeld eingesetzt werden soll, ist auch bereits grösstenteils klar. Beim Bund sollen die Einnahmen gemäss Bundesbeschluss explizit für Standortförderungsmassnahmen verwendet werden. Viele Kantone haben solche ebenfalls bereits angekündigt – wahrscheinlich vor allem in Form von Senkungen der Kapitalsteuern oder jener von natürlichen Personen mit hohen Einkommen (sprich von Konzern-Managern). Auch neue Spezialarrangements zwischen den kantonalen Steuerbehörden und den Konzernen, bei denen der Staat einen Teil der Betriebskosten der Firmen übernimmt, Forschungsförderungsmassnahmen für (pharmanahe) Start-ups (in Basel) oder sogar direkte Subventionierungen von Löhnen in den Konzernen werden diskutiert.

Kurz: Die Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer sollen in der Schweiz nicht zugunsten der Allgemeinheit eingesetzt werden, wie das die Linke im Parlament verlangte, sondern an die Konzerne zurückfliessen. Mehreinnahmen notabene, die in der Regel aus Gewinnverschiebungen der Konzerne aus Ländern mit Steuersätzen von über 20 oder 25 Prozent resultieren. Aus Sicht der Konzerne ist das eine sehr raffinierte Geschichte: Jene Steuereinnahmen, um die Schweizer Konzerne andere Länder prellen, indem sie ihre Gewinne in die Schweiz verschieben und hier zu viel tieferen Sätzen versteuern lassen, sollen in der Schweiz nun ausgerechnet wieder zugunsten genau dieser Konzerne eingesetzt werden. Kein Wunder, wollen die Konzernverbände wie Economiesuisse oder Swiss Holdings diese Reform unbedingt – auch wenn ihre Mitglieder auf den ersten Blick mehr Steuern zahlen müssen als bisher.

Steuerschlupflöcher untergraben die Mindeststeuer zusätzlich

Damit aber nicht genug: Das Umsetzungskonzept der Mindeststeuer, wie es der Bundesrat dem Parlament vorgelegt hat, ist nämlich auch noch voller Steuerschlupflöcher. Auch um diese haben sich National- und Ständerat in den letzten Monaten nicht gekümmert. So besteht ein gewisses Risiko, dass die Mindeststeuer wider Erwarten gar nicht zu signifikanten Mehreinnahmen in der Schweiz führen wird. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass die bürgerliche Mehrheit in Bern die Mindeststeuer vor allem einführen will, um Schweizer Konzerne vor zusätzlicher Besteuerung in anderen Ländern zu schützen.

Das geht letztlich auf Kosten sowohl der breiten Bevölkerungen in der Schweiz wie auch in der ganzen Welt: Schweizer Konzerne in armen Ländern des Globalen Südens beuten nicht nur Arbeitskräfte aus oder verschmutzen die Umwelt: Sie verhindern mit ihrem dortigen Steuerdumping auch noch den Aufbau von guten Bildungs-, Gesundheits- und Infrastruktursystemen.

Das Schweizer Unternehmenssteuerrecht kommt ihnen dabei entscheidend zu Hilfe. Alliance Sud kann eine weitere Konzernsteuerreform, von der letztlich vor allem die Konzerne selbst profitieren, nicht akzeptieren. Sie schadet den Entwicklungsländern direkt. Stattdessen sollte die Schweiz auf die Einführung der Mindeststeuer verzichten und so den Produktionsländern von Schweizer Konzernen die Möglichkeit geben, diese nach ihrem eigenen Gutdünken zu besteuern.

Artikel, Global

New York statt Paris!

18.06.2023, Finanzen und Steuern

2016 versprach die OECD eine Reform des internationalen Steuersystems, die auch den Interessen des Globalen Südens gerecht werde. Sieben Jahre später ist die OECD an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert. Es könnte die Stunde der UNO schlagen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

New York statt Paris!

Eine Hauptstrasse vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York am 24. März 2022.
© Ed JONES / AFP / Keystone

«Damit das Geld in der Schweiz bleibt.» Das stand auf den Plakaten der Befürworter:innen der Schweizer Einführung der OECD-Mindeststeuer. Mit diesem einfachen Slogan haben die Konzern-Verbände von economiesuisse und SwissHoldings unter gütiger Mithilfe der bürgerlichen Parteien die Abstimmung vom 18. Juni denn auch gewonnen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Bundesrat die Mindeststeuer in Kraft setzen. Kommt es dank dieser tatsächlich zu substanziellen Mehreinnahmen in der Schweiz, werden sie in Zukunft zu Gunsten der Standortförderung in der Schweiz eingesetzt. Damit sollen die Mehreinnahmen ausgerechnet an jene Konzerne in der Schweiz zurückfliessen, die anderen Ländern jährlich über 100 Milliarden Dollar an Steuersubstrat entziehen und den Schweizer Tiefsteuerkantonen wie Zug und Basel-Stadt üppige Gewinnsteuereinnahmen garantieren. Allein die Tatsache, dass eine solche Umsetzung der Mindeststeuer überhaupt möglich ist, zeigt: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz in Paris ist mit ihren Bemühungen der letzten zehn Jahre, das globale Steuersystem etwas fairer zu gestalten, gescheitert. Das ist wenig überraschend. Denn obwohl an den Verhandlungen zur Mindeststeuer über 140 Staaten teilnahmen, darunter also auch einige Schwellen- und Entwicklungsländer, setzten sich in diesem Rahmen einmal mehr die Interessen der reichen Länder aus dem Globalen Norden durch.

Gleich lange Spiesse nur bei der UNO

Das hat auch mit der Geschichte dieses sogenannten «Inclusive Framework» zu tun, das 2016 von der OECD gegründet wurde. Das damalige Versprechen waren gleich lange Spiesse für alle Länder. Allerdings ist die Bedingung für den Beitritt zu diesem OECD-Rahmenwerk die Übernahme der Regeln gegen «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS), die die nur 39 Mitgliedsländer der OECD (vor allem die reichen Staaten des Globalen Nordens) in den Jahren zuvor ausgearbeitet hatten. Über 100 Entwicklungsländer waren von diesem Prozess ausgeschlossen. Entsprechend sind diese Regeln auf die reichen Länder des Nordens zugeschnitten und der Preis für die Mitgliedschaft im «Inclusive Framework» für Entwicklungsländer deshalb hoch. Die Länder des Globalen Südens, in denen in der heutigen Weltwirtschaft ein Grossteil der Produktion stattfindet, werden von den rund 250 Milliarden Mehreinnahmen, mit denen die OECD dank der Einführung der Mindeststeuer global rechnet, kaum etwas sehen.

Jetzt muss eine Alternative her, und diese entsteht derzeit in New York: Ende letzten Jahres verabschiedete die UNO-Generalversammlung auf Initiative der afrikanischen Ländergruppe und der G-77 (die Gruppe aller Entwicklungsländer) eine Resolution, die einen Entwurf für eine UNO-Steuerkonvention in Gang bringt. Sie würde – analog etwa zur UNO-Klimarahmenkonvention, die seit 1992 den Rhythmus und die Richtung der globalen Klimapolitik prägt – einen wirklich inklusiven multilateralen Rahmen für die internationale Steuerpolitik schaffen. Damit würden die Erarbeitung und Verhandlung von steuerpolitischen Grundsätzen für die Welt möglich, die das fundamentale Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd im heutigen globalen Steuersystem überwinden könnten. Eine UNO-Steuerkonvention würde die Schaffung multilateraler Regeln für ein Steuersystem ermöglichen, das transnational verankert ist und nicht mehr auf bilateralen Verträgen basiert. Im heutigen System ergänzen ein paar multilaterale Abkommen zwar die Regeln, die in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) verankert sind, letztlich bestimmen aber diese die Art und Weise, wie Länder das Steuersubstrat aufteilen, das aus den grenzüberschreitenden Finanzflüssen in der Weltwirtschaft resultiert. Dies geht oft auf Kosten der Entwicklungsländer, die in den bilateralen Verhandlungen zu DBAs mit Ländern des Nordens auf Grund ihrer schwächeren Wirtschaftskraft oft den Kürzeren ziehen.

Zeit für eine Gesamtbesteuerung

Eine UNO-Rahmenkonvention für die Steuerpolitik wäre auch die Voraussetzung dafür, dass auf eine globale Gesamtbesteuerung multinationaler Konzerne hingearbeitet werden könnte. Im gegenwärtigen Steuersystem werden die einzelnen Ländergesellschaften multinationaler Konzerne als einzelne Firmen behandelt. Entsprechend sollten die Konzerne in jedem Land gemäss dem Gewinnaufkommen versteuert werden, das sie in einem bestimmten Land erzielen. Allerdings sind Gewinnverschiebungen für Länder mit vergleichsweise hohen Steuersätzen seit Jahrzehnten ein grosses Problem. Indem multinationale Konzerne ihre Gewinne nicht dort versteuern, wo ihre Wertschöpfung stattfindet, sondern dort, wo die Gewinne am tiefsten sind, entgehen vielen Ländern jedes Jahr Milliarden von Steuereinnahmen. Eine Gesamtkonzernbesteuerung würde Gewinnverschiebungen obsolet machen, weil einzelne Gesellschaften eines multinationalen Konzerns nicht mehr pro Land besteuert würden und so der Anreiz für die Konzerne wegfiele, ihre Gewinne dort zu verbuchen, wo die Steuersätze am tiefsten sind. Stattdessen würden sämtliche Gewinne aus allen Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, zusammengerechnet und das Gewinnsteuersubstrat gemäss einer Formel, die Anzahl Mitarbeiter:innen pro Land, Umsatz und physische Werte (also zum Beispiel Fabriken) berücksichtigt, jedem einzelnen Land zugeordnet. Dieses wiederum besteuert diese Gewinne dann gemäss seinen nationalen Steuerregeln.

Zurzeit erarbeitet das Büro des UNO-Generalsekretärs António Guterres einen Bericht zur Schaffung einer Steuerkonvention, der nach Konsultationen mit den UNO-Mitgliedsstaaten und Stakeholdern im September in New York präsentiert werden soll. Die «Global Alliance for Tax Justice» (GATJ) und das europäische Netzwerk für Schulden und Entwicklung («Eurodad»), bei denen Alliance Sud Mitglied ist, engagieren sich stark in diesem Prozess.

Die Schweiz ist dagegen

Die Schweiz hat der Resolution in der Generalversammlung zwar zugestimmt. Der Bundesrat betont aber in einer Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrat und Swissaid-Co-Präsident Fabian Molina, dass er «eine Bestandesaufnahme des institutionellen Rahmens der internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich» in der UNO zwar unterstütze, die Schaffung einer UNO-Steuerkonvention aber ablehne. Dabei ist er offenbar davon überzeugt, besser zu wissen, was für die Entwicklungsländer gut ist, als diese selbst. So schreibt er ganz in alter kolonial-paternalistischer Manier: «Den Nutzen einer Steuerkonvention der Vereinten Nationen für die Position der Entwicklungsländer beurteilt der Bundesrat demgegenüber als fraglich.»

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.