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Uno: Steuervorlage 17 schadet den Menschenrechten
04.10.2017, Finanzen und Steuern
Der UN-Sachverständige Juan Pablo Bohoslavsky hat die Auswirkungen der Schweizer Steuer- und Finanzplatzpolitik auf die Menschenrechte untersucht. Seine Befunde sind bemerkenswert. Die Steuervorlage 17 hält der Menschenrechtsexperte für bedenklich.
von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud
Ende September besuchte der UN-Menschenrechtsexperte Juan Pablo Bohoslavsky die Schweiz. Sein Auftrag: die menschenrechtlichen Folgen der schweizerischen Steuer- und Finanzplatzpolitik und die Bemühungen der Schweiz bei der Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse zu prüfen. Im März 2018 wird Bohoslavsky dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einen umfassenden Schlussbericht vorlegen. Ein erster Zwischenbericht ist aber bereits Anfang Oktober den Medien vorgestellt worden. Die Befunde werden in der Schweiz vermutlich für heisse Köpfe sorgen.
Der Bericht macht zunächst einmal deutlich, wie schädlich unlautere Finanzflüsse für die Menschenrechte sind: Steuerflucht ins Ausland, Gewinnverschiebungen von multinationalen Konzernen und der Abfluss von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten entziehen den Entwicklungsländern Ressourcen, die sie sonst für ein gut funktionierendes Bildungssystem und Gesundheitswesen – also das Recht auf Bildung und das Recht auf Gesundheit – und überhaupt für einen funktionierenden Rechtsstaat einsetzen können. Steueroasen, die solche Gelder verstecken helfen, sind dafür mitverantwortlich, dass die Menschenrechte vielerorts nicht vollumfänglich gewährleistet sind.
Zu Rolle der Schweiz äussert sich der Bericht zwar diplomatisch, aber die Nachricht ist kristallklar: Es gibt noch viel zu tun, wenn der Finanzplatz und Unternehmensstandort Schweiz die Menschenrechte anderswo nicht gefährden soll! Äusserst bemerkenswert sind die Aussagen zur Steuervorlage 17, der Neuauflage der an der Urne versenkten Unternehmenssteuerreform III (USR III). Hier zeigt sich der UN-Experte besorgt über die potentiell schädlichen Menschenrechtsfolgen der überarbeiteten Reform. Die Vorlage könnte neue Anreize für die steuerlich motivierte Verschiebung von Unternehmensgewinnen in die Schweiz schaffen – also dazu beitragen, dass dem Ausland weiterhin die nötigen Einnahmen für die Gewährleistung der Menschenrechte fehlen. Der Bericht fordert die Schweiz deshalb auf, die geplante Reform zunächst auf ihre möglichen menschenrechtlichen und sozialen Folgen zu prüfen.
Lesenswert sind aber auch die kritischen Äusserungen zum Ausschluss der Entwicklungsländer vom automatischen Informationssaustausch (AIA) in Steuerfragen und zu Lücken im schweizerischen Dispositiv gegen die Geldwäscherei. Die Konzernverantwortungsinitiative erscheint im Bericht als notwendige Ergänzung zum nationalen Aktionsplan (NAP) des Bundesrates, der bei der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen voll und ganz auf freiwillige Massnahmen setzt. Hier empfiehlt der UN-Experte, der Bundesrat sollte sich ernsthaft Gedanken über die nötigen gesetzlichen Massnahmen machen.
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Mit der Steuervorlage 17 auf die schwarze Liste?
28.11.2017, Finanzen und Steuern
Die Schweiz steht nicht auf der neuen schwarzen Liste der EU der weltweiten Steueroasen. Recherchen von Oxfam International und des Tax Justice Network zeigen jedoch: Das spricht nicht für die Schweiz, sondern gegen die EU.
© Richard Gerster
Swiss Leaks, Luxleaks, Panama Papers, Offshoreleaks, Paradise Papers – die Liste der Enthüllungswellen im Offshore-Geschäft der Steueroasen wird immer länger. Und jedes Mal fällt auch ein Teil der Entrüstung auf die Schweiz zurück: einmal wegen einer Bankfiliale in Genf (Swiss Leaks), einmal wegen dunklen Geschäften von Anwaltskanzleien in Zürich und anderswo (Panama Papers), und jüngst mit den Paradise Papers wegen dem notorisch unter Korruptionsverdacht stehenden Rohstoffriesen Glencore mit Sitz in Baar (ZG). Von den Enthüllungen bleiben in der Schweiz erstaunlicherweise jeweils jene verschont, die die schwachen Regeln und Gesetze verantworten, von denen die durchleuchteten Schweizer Firmen bei ihren unlauteren Geschäften in aller Welt profitieren: jene Regierungs- und Parlamentsmitglieder im Bundeshaus und in den Kantonen, die gerne im Interesse der Konzerne und ihrer AktionärInnen Politik machen. So verpasste es die rechtsbürgerliche Mehrheit in Bundes-, National- und Ständerat in den letzten Jahren trotz aller Reformen, einen Paradigmenwechsel hin zu einem sozial und ökologisch nachhaltigen Schweizer Konzern- und Bankenplatz einzuleiten:
Eine griffige Revision des Steuerstrafrechts wurde verhindert, das Geldwäschereigesetz ist in zentralen Punkten immer noch zahnlos, Transparenzvorschriften bei Inhaberaktien, die Aufschluss über die wahren Profiteure in der Offshorewelt gegeben hätten, sind chancenlos.
Letzteres gilt auch für ein solides Country-by-Country-Reporting, mit dem nachvollziehbar geworden wäre, wo die Profite herkommen, die multinationale Konzerne in der Schweiz teilweise fast zum Nulltarif versteuern. Zuletzt verweigerte sich der Bundesrat einem aussagekräftigen Bericht über unlautere Finanzflüsse aus den armen Ländern in die Schweiz. Er hätte bei dieser Gelegenheit endlich Klarheit schaffen können über die spezifische Rolle der Schweiz bei den verheerenden Geldabflüssen aus dem globalen Süden. Alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen gehen den Gesellschaften im globalen Süden gemäss IWF jährlich 200 Milliarden Dollar verloren.
Beisshemmung bei Tamedia
All das war in der Schweizer Presse auch im jüngsten Medienspektakel um die Paradise Papers kaum ein Thema. Stellvertretend für alle Weitsichtigen mit politischer Beisshemmung in der Heimat verschob etwa der Chefredaktor des Tages-Anzeigers die politische Verantwortung für die Steuervermeidungspraktiken, die seine eigene (!) Zeitung zuvor aufdeckte, ins Ausland. Getreu dem gutschweizerischen Motto: Das Böse kommt immer von aussen.
Die Ende November publizierten Recherchen von renommierten SteuerexpertInnen von Oxfam International und des Tax Justice Network (TJN) zu den globalen Steueroasen zeigen aber: Es zeugt von einer schweren Ignoranz gegenüber dem real existierenden Geschäftsmodell der gegenwärtigen Schweizer Steuer- und Finanzpolitik, wenn man meint, die Schweiz sei nach dem halben Tod des Bankgeheimnisses zu einem armen Offshoreopfer unter vielen geworden. Die Berichte der beiden NGOs kommen zum Schluss, dass der EU-Rat seine eigenen Kriterien für Steueroasen aus politischen Gründen nicht ernst nimmt. Würde er das tun, müssten auch die USA, Hongkong, Singapur und eben die Schweiz auf der offiziellen schwarzen Liste der EU stehen, die Anfang Dezember publiziert wurde. So erfüllt die Schweiz gemäss Oxfam und TJN zwar die (selbst eher lockeren) EU-Anforderungen zur Steuertransparenz und zur Umsetzung der BEPS-Agenda der OECD gegen Steuervermeidung, betreibt aber nach wie vor ein unfaires Steuersystem zu Gunsten multinationaler Unternehmen. Als unfair bezeichnet der EU-Rat Länder, die mit ihrem Steuersystem Kapital anziehen oder an sich binden, das nicht aus der Wertschöpfung im Land selber stammt, sondern durch Gewinnverschiebungen aus jenen Ländern abgezogen wurde, wo die tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden. Generiert ein Land seine Unternehmenssteuereinnahmen vor allem durch Gewinnverschiebungen aus anderen Ländern, weist es überdurchschnittlich hohe Zinseinnahmen aus ausländischen Direktinvestitionen aus. Auf der Grundlage von entsprechenden Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) weist die Schweiz gemäss den SteuerexpertInnen von Oxfam einen Zinssaldo aus konzerninternen Krediten von über 12 Milliarden Dollar jährlich aus. Dieser stammt aus Auslandsinvestitionen von in der Schweiz niedergelassenen Konzernen, die diese innerhalb ihres Netzes von Tochterfirmen im Ausland getätigt haben. Die Schweiz liegt in dieser Statistik damit hinter dem weltweit führenden Konzerntiefsteuergebiet Luxemburg und praktisch gleichauf mit Holland auf dem dritten Rang.
Das sollte vor allem für die parlamentarische Beratung der Steuervorlage 17 (SV17) Konsequenzen haben. Die Vernehmlassung zur Nachfolgevorlage für die im vergangenen Februar von den Stimmberechtigen haushoch abgelehnte Unternehmenssteuerreform III (USR III) ging soeben zu Ende. Doch schon jetzt wird deutlich, dass dieselben Sondersteuerregime, die mit ein Grund für die Ablehnung der USR III waren, auch in der SV17 wieder zum Thema werden. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer etwa findet sogar die Unterstützung des grünen Stadtzürcher Finanzdirektors Daniel Leupi. Das ist nicht nur demokratiepolitisch höchst fragwürdig, sondern auch weltinnenpolitisch verheerend. Denn die zinsbereinigte Gewinnsteuer dient genau jenen Gewinnverschiebungspraktiken der Konzerne, für deren Begünstigung Oxfam und das Tax Justice Network die Schweiz auf die schwarze Liste gesetzt haben. Wäre der Europäische Rat konsequent, müsste er das auch tun. Doch die Staatsoberhäupter der EU-Länder schützen genauso wie ihre KollegInnen in der Schweiz lieber die Interessen der eigenen Eliten, schliesslich haben ja auch Holland, Luxemburg oder Irland Tiefsteuergebiete zu verteidigen, und den USA will man trotz Trump nach wie vor nicht zu stark auf die Füsse treten. Dass wiederum die Schweiz in Brüssel kein machtloser Zwerg ist, wenn es um Wirtschaftspolitik geht, ruft der Oxfam-Report mit einer anderen Statistik in Erinnerung: Die Schweiz ist nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner der EU. Wenn die Schweizer Politik also nur wollte, könnte sie auch in Brüssel längst ein politisches Zeichen gegen das wohlstandsvernichtende Offshoresystem und den gesellschaftlich verheerenden internationalen Steuerwettbewerb setzen.
Siehe auch die Stellungnahme von Alliance Sud in der Vernehmlassung zur Steuervorlage 2017.
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Steuervorlage 17: Aus Fehlern nichts gelernt
07.12.2017, Finanzen und Steuern
Alliance Sud begrüsst den erneuten Versuch des Bundesrats, schädliche Steuerprivilegien abzuschaffen. Entwicklungspolitisch ist die neue Steuervorlage 17 jedoch hoch problematisch. Die Vernehmlassung.
© Dieter Schütz / pixelio.de
Die Abschaffung der alten Steuerstatus sollte mit möglichst keinen neuen Sondersteuerregimen kompensiert werden: Auch eine enge Patentbox nach OECD-Guidelines besipielsweise öffnet Gewinnverschiebungen und Steuervermeidung multinationaler Konzerne Tür und Tor. Eine Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundesssteuer käme einer Subvention des "Race to the bottom" im interkantonalen Steuerwettbewerb gleich, was wiederum neue Anreize für Gewinnverlagerungen aus dem Ausland in Schweizer Tiefsteuergebiete schaffen würde.
Der Bundesrat versäumt es mit der Steuervorlage 17 vollends, eine einnahmenseitige Gegenfinanzierung für die Abschaffung der alten Privilegien vorzuschlagen. Ausserdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass er in absehbarer Zukunft bereit wäre, steuerpolitisch einen Paradigmenwechsel vorzubereiten, geschweige denn zu vollziehen und den Schweizer Fiskus aus seiner Abhängigkeit von Konzerngewinnen zu lösen, die hier versteuert, aber im Ausland erwirtschaftet werden. Das ist für Alliance Sud nach dem sehr deutlichen Nein zur USR III vom Februar nicht nachvollziehbar. Sie erachtet die Vorlage aus entwicklungs- wie demokratiepolitischer Sicht als sehr problematisch.
Die Abschaffung der alten Steuerprivilegien ist nun ausserdem sehr dringlich: Die Schweiz steht seit dem 5. Dezember auf der "Grauen Liste" der EU. Wenn sie bis Ende 2018 die Abschaffung der alten Sonderstatus nicht beschlossen hat, riskiert sie EU-Sanktionen. Bundesrat und Parlament sind deshalb sehr gut beraten, die Vorlage nicht wieder zu überfrachten und damit ein neuerliches Referendumsdebakel an der Urne zu riskieren.
Vollständige Stellungnahme von Alliance Sud in der Vernehmlassung.
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Stiglitz und Piketty fordern neues Steuerregime
17.02.2018, Finanzen und Steuern
Prominente Ökonomen wie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Thomas Piketty fordern die Einführung der «Unitary Taxation» bei der Besteuerung von globalen Konzernen.
Die unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Konzernbesteuerung (ICRICT), der unter anderen die prominenten Ökonomen Joseph Stiglitz, Gabriel Zucmann und Thomas Piketty - der Autor des Standardwerks «Das Kapital im 21. Jahrhundert» – angehören, fordert einen Paradigmenwechsel im globalen Unternehmensbesteuerungssystem. Die Kommission wird von zahlreichen NGOs, darunter auch Alliance Sud, getragen.
Die heutige Unternehmensbesteuerung weist heute extreme Lücken auf, die von den multinationalen Konzernen für unhaltbare Steueroptimierungen ausgenützt werden. Die gegenwärtigen Systemgrundsätze des sogenannten «Separate Entity Principles» und des sogenannten Fremdvergleichsgrundsatzes («Arms length principle») sorgen dafür, dass die Konzerne jedes Jahr geschätzte Billionen Dollar an Gewinneinnahmen weltweit am Fiskus vorbeiorganisieren können. Weil die über den Globus verteilten Tochterfirmen der Konzerne als separate Steuereinheiten zählen, versteuern die Konzerne die Gewinne ihrer Tochterfirmen nicht dort, wo sie effektiv anfallen, sondern dort, wo sie dafür am wenigsten Steuern bezahlen. Sie tun das auf Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes, der es zulässt, dass die Konzerne die Preise für konzerninternen Güterhandel und Dienstleistungen – also für Transaktionen zwischen Tochterfirmen ein und desselben Konzerns – oft willkürlich bestimmen können und nicht auf der Grundlage des effektiven Marktpreises von entsprechenden Gütern und Dienstleistungen. So setzen sie diese Preise viel zu hoch an und verschieben so Gewinne von einem Land ins andere.
Um diese Praxis zu unterbinden, die nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) alleine die Entwicklungsländer jedes Jahr 200 Milliarden Dollar kostet, schlägt ICRICT nun die Einführung einer Gesamtkonzernbesteuerung («Unitary Taxation») auf globaler Ebene vor. Nach diesem Prinzip würden Konzerne steuerrechtlich als Einheit verstanden und die Konzern-Gewinne je nach effektiver wirtschaftlicher Aktivität in einem Land auf die Tochterfirmen des Konzern verteilt und auf der Grundlage einer Formel entsprechend national versteuert («formulary apportionment»). ICRICT schlägt auch Möglichkeiten einer unilateralen Umsetzung der Unitary Taxation vor. Alliance Sud wird sich in Zukunft für entsprechende Massnahmen in der Schweiz einsetzen.
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Medienmitteilung
UN-Bericht kritisiert Schweizer Steuerpolitik
28.02.2018, Finanzen und Steuern
Der UNO-Menschenrechtsexperte Juan Pablo Bohoslavsky kritisiert in einem Bericht die Schweizer Steuerpolitik gegenüber multinationalen Konzernen. Dieser wurde heute an der 37. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf vorgestellt. In der vom Bundesrat vorgeschlagenen Form könne die Steuervorlage 17 den Menschenrechten schaden.
Im Abschlussbericht zu seinem Besuch in der Schweiz vom letzten Herbst zeigt sich der unabhängige Experte Bohoslavsky besorgt, dass die Neuauflage der vor einem Jahr an der Urne abgelehnten Unternehmenssteuerreform III (neu «Steuervorlage 17») die Wahrnehmung menschenrechtlicher Verpflichtungen von Staaten gegenüber ihren Bevölkerungen gefährden könnte.
Die eidgenössische Vorlage kommt im Frühling in die Parlamentskommissionen und soll alte, international nicht mehr akzeptierte Sondersteuerregime für Unternehmen durch neue steuerliche Anreize für Gewinnverschiebungen in die Schweiz ersetzen. Der UNO-Menschenrechtsexperte zeigt sich in seinem Bericht zur internationalen Steuer- und Finanzpolitik der Schweiz besorgt, dass die Vorlage den schädlichen Steuerwettbewerb auf internationaler Ebene wie auch zwischen den Schweizer Kantonen weiter befeuern könnte. Sowohl in der Schweiz wie vor allem auch in den Ländern des globalen Südens könnte dies gemäss Bohoslavsky die Fähigkeit der Behörden unterlaufen, ihre grundsätzlichen öffentlichen Aufgaben in der Gesundheit, der sozialen Absicherung, der Bildung und der Bereitstellung von Infrastruktur wahrzunehmen. Bohoslavsky fordert deshalb in seinem Bericht die ersatzlose Streichung der alten Schweizer Sondersteuerregime für Unternehmen. Eine Forderung, die auch Alliance Sud, der entwicklungspolitische Think-Tank zahlreicher Schweizer Entwicklungsorganisationen, in der kommenden Parlamentsdebatte unterstützen wird.
«Die Besorgnis des UNO-Menschenrechtsexperten über die Schweizer Steuerpolitik für Konzerne kommt nicht von ungefähr», sagt Dominik Gross, Finanzexperte bei Alliance Sud. «Jährlich verlieren Entwicklungsländer gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) 200 Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen, weil multinationale Unternehmen ihre Gewinne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz verschieben.» Der unabhängige UNO-Experte Bohoslavsky ruft deshalb den Bundesrat dazu auf, umgehend eine Analyse vorzunehmen, die die Risiken der Steuervorlage 17 (SV17) für Gesellschaft und Umwelt untersucht. Eine solche Analyse verlangt bei Geschäften wie der Steuervorlage 17 auch das Schweizer Parlamentsgesetz in den Artikeln 141a) und g).
Link zur 37. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates, 26. Februar bis 23. März, Palais des Nations, Genf.
Für weitere Auskünfte:
Dominik Gross, Finanzexperte Alliance Sud, Tel. +41 78 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch
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Standortnationalismus oder globale Solidarität?
21.03.2018, Finanzen und Steuern
Im April kommt die Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III in die erstberatende Parlamentskommission. In der bevorstehenden Debatte steht das globale Gewissen von SP, Grünen und den Mitteparteien auf dem Prüfstand.
Stimmungsbild am Rand der Glencore-Generalversammlung im Theater Casino Zug.
© Gaëtan Bally / Keystone
Wer sich eine global solidarische Schweiz wünscht, hatte nicht lange Grund zur Freude. Zwar verwarfen am 12. Februar 2017 deutliche 59,1 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten die Unternehmenssteuerreform III (USR3).
Doch auf die entschiedene Zurückweisung des bisherigen unternehmenssteuerpolitischen Paradigmas reagierte ein Grossteil der Schweizer Politik so als hätte es das Nein zur USR3 gar nie gegeben. Die euphemistisch Steuervorlage 17 (SV17) getaufte Neuauflage des Gesetzes, die der Bundesrat am 21. März präsentierte, entspricht in den entwicklungspolitisch entscheidenden Punkten jenem Entwurf, den er schon vor drei Jahren unter dem mittlerweile diskreditierten Titel Unternehmenssteuerreform III vorgestellt hatte. Nur die Teilbesteuerung für Dividenden und der Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer wurden etwas erhöht. Die Erhöhung des Kantonsanteils kommt dabei einer zusätzlichen Bundessubvention des interkantonalen Steuerwettbewerbes gleich und reisst so unter dem Strich nicht nur ein zusätzliches Loch in die Bundeskasse, sondern auch in jene der allermeisten Kantone. Denn sie schafft für die Kantone einen Anreiz, deren reguläre Gewinnsteuersätze weiter zu senken und befördert so das interkantonale «Race to the bottom».
Das Nein vom Februar 2017 war auch ein Nein zu einer parasitären Schweizer Standortpolitik, die auch in Zukunft Unternehmensgewinne in die Schweiz locken sollte, die im Ausland erwirtschaftet werden. Entwicklungsländern gehen durch solche Gewinnverschiebungen jährlich 200 Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen verloren, wie der internationale Währungsfonds (IWF) schätzt. Wieviel davon genau in die Schweiz fliessen, weiss niemand. Weder der Bundesrat noch eine Mehrheit im Parlament waren bisher gewillt, hier wenigstens so viel Transparenz zu schaffen, wie das unter den gesetzlichen Voraussetzungen, die in Sachen Konzernbesteuerung in der Schweiz herrschen, überhaupt möglich wäre. Die Anziehungskraft der Schweizer Tiefsteuergebiete für Konzerne und die Geschäftsfelder der in der Schweiz ansässigen Konzerne sprechen aber stark dafür, dass ein signifikanter Teil dieser 200 Milliarden in und durch die Schweiz fliessen.
Steuerdumping mit Kinderzulagen abgeschmeckt
Die verheerenden globalen Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform kümmern den Bundesrat aber weiterhin nicht. Vielmehr will er die ausländischen Steuerbehörden entzogenen Gewinne im Inland nun etwas stärker umverteilen: Nach dem Vorbild der kantonalen Vorlage in der Waadt hat er deshalb eine völlig sachfremde Erhöhung der Kinderzulagen in den neuen Entwurf geschrieben. Dieses «sozialpolitische Zückerchen» soll einen Teil der USR3-GegnerInnen auf die Seite der Befürworter ziehen. An den schon in der USR3 vorgesehenen neuen Sondersteuerregimen aber, der Patentbox, den Abzügen für «Forschung & Entwicklung» und an den Rabatten bei der Kapitalbesteuerung will der Bundesrat mit der SV17 nichts ändern. Er hat lediglich die Summe der möglichen Abzüge im Vergleich mit der USR3 etwas eingeschränkt. Entsprechend werden sich auch die zu befürchtenden Steuerausfälle beim Bund und den Kantonen in denselben Dimensionen bewegen wie bei der USR3 und erneut in die Milliarden gehen. Wahrscheinlich ist, dass im Parlament auch die äusserst umstrittene zinsbereinigte Gewinnsteuer wieder zum Thema wird.
Was Alliance Sud an der USR3 kritisierte, bleibt mit der SV17 somit auf dem Tisch: Der Erhalt eines parasitären Geschäftsmodells. Im Ausland erwirtschafteter Mehrwert soll in der Schweiz privatisiert werden, mit entsprechend verheerenden Folgen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung des Service public in den Ländern des Südens.
Angesichts dieser dreisten Wiederauflage eines direktdemokratisch verworfenen Gesetzesprojekts verhielten sich die Abstimmungssieger vom Februar 2017 – allen voran die rotgrünen Parteien – erstaunlich defensiv. Statt auf einen mittelfristigen Paradigmenwechsel in der Steueroase Schweiz hinzuarbeiten, signalisierten sie schon kurz nach dem Abstimmungserfolg Kompromissbereitschaft auf der Basis der alten Vorlage. Auf diese Weise bekannten sie sich in ihrer grossen Mehrheit im Grundsatz zu einer Fortführung der schmarotzerhaften Strategie in der Schweizer Konzernsteuerpolitik. Sowohl die SP-Parteispitze wie auch rotgrüne Exekutivmitglieder in Kantonen und Gemeinden scheinen im Hinblick auf die bevorstehende Auseinandersetzung im Parlament Kurs auf einen Kompromiss mit Mitte-Rechts nehmen zu wollen, der ganz im Zeichen des Standortnationalismus steht. Man will sich globalen Konzernen weiterhin mit Steuerdumping andienen, damit Steuersubstrat im Ausland absaugen und gleichzeitig dafür sorgen, dass dieses unter der inländischen Bevölkerung ein klein wenig ausgeglichener verteilt wird. Dieses Vorgehen ist auch demokratiepolitisch problematisch. Es setzt sich über das deutliche Verdikt der Stimmberechtigten gegen die USR3 hinweg, in dem es die verworfene Vorlage mit ein wenig sozialpolitischer Kosmetik einfach neu auflegt. Und es ist wirtschaftspolitisch äusserst kurzsichtig: In der seit zwanzig Jahren weltweit anhaltenden Abwärtsspirale bei den Unternehmenssteuern müssen Tiefsteuervorreiterinnen wie die Schweiz mittlerweile derart tiefe Besteuerungen von Konzernen in Kauf nehmen, dass sich der Standortwettbewerb selbst für dessen bisherige Profiteure in absehbarer Zukunft nicht mehr rechnen wird. Die daraus folgenden sozial- und gesellschaftspolitischen Verwerfungen werden auch für eine rein national orientierte Umverteilungspolitik zunehmend unhaltbar.
Widerstand formiert sich
Von zwei Seiten erwächst dieser Politik in der bevorstehenden Debatte zur Steuervorlage 17 allerdings Widerstand: Von den Delegierten der SP und Grünen und vom rechten Gewerbeverband. Erstere haben an ihren Versammlungen im Januar und Februar jeweils mit sehr grossen Mehrheiten Resolutionen verabschiedet, die der entwicklungspolitischen Verantwortung des Konzernstandorts Schweiz Rechnung tragen. Sie fordern für die kleine offene Schweizer Volkswirtschaft ein zukunftsträchtigeres Geschäftsmodell als das einer Steueroase. Dem Gewerbeverband sind umgekehrt die höheren Kinderzulagen und die Erhöhung der Teilbesteuerung der Dividenden ein Gräuel. Sollten sich die SVP und Teile der FDP im Parlament der Position des Gewerbeverbandes anschliessen, wäre der Weg frei für einen Minimalkompromiss zwischen Teilen der FDP, den Mitteparteien und Rotgrün, der auf eine Zweiteilung der Vorlage hinauslaufen würde: In einem ersten Schritt in diesem Jahr würden dann nur die alten Privilegien für Briefkastenfirmen abgeschafft. Hier ist der internationale Druck mittlerweile gross: Diese Privilegien sind nicht mehr OECD-konform und die EU droht für den Fall, dass die Schweiz diese nicht bis Ende 2018 abgeschafft hat, mit Sanktionen. Alles Weitere würde später verhandelt. Aus der Perspektive einer ökologisch und sozial nachhaltigen Weltinnenpolitik wäre dieses Vorgehen sinnvoll, denn Möglichkeiten für schädliche Gewinnverschiebungen aus den Ländern des Südens in die Schweiz würden durch die ersatzlose Streichung der alten Privilegien massiv eingeschränkt. Allfällige Steuerausfälle durch die Abwanderung ehemals privilegierter Firmen könnten mittels neuen Einnahmen durch eine volle Besteuerung von Dividenden oder die Wiederabschaffung des Kapitaleinlageprinzips (KEP) kompensiert werden. Letzteres wurde erst mit der Unternehmenssteuerreform II 2008 eingeführt. Gemäss neuen Zahlen der Eidgenössischen Steuerverwaltung konnten Schweizer Konzerne mit Hilfe der KEP seit 2011 Reserven in der Höhe von zwei Billionen Franken einlagern. In den nächsten Jahrzehnten können sie diese sukzessive in Form von Gewinnen an ihre Aktionäre ausschütten – komplett unversteuert.
Dieser Artikel erscheint in der Frühlingsausgabe 2018 von GLOBAL+, die am ab 26. März bei den AbonnentInnen sein wird.
Siehe auch das Fact Sheet: Die Patentbox ermöglicht neue Gewinnverschiebungen aus dem Ausland in die Schweiz
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Medienmitteilung
Steuervorlage 17: Paradigmenwechsel jetzt!
21.03.2018, Finanzen und Steuern
Der Bundesrat begibt sich mit der heute publizierten Vorlage zur Unternehmenssteuerreform entwicklungspolitisch vom Regen in die Traufe und bestätigt das parasitäre Geschäftsmodell des Schweizer Konzernstandortes.
© Daniel Hitzig/Alliance Sud
Der Bundesrat hat heute die Botschaft zur Steuervorlage 17 (SV17) publiziert – dem direkten Nachfolgeprojekt zur an der Urne im Februar 2017 abgelehnten Unternehmenssteuerreform III (USR3). Alliance Sud, die entwicklungspolitische Organisation von Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks, begrüsst die vorgesehene Abschaffung der alten Steuerprivilegien für Holdings, Domizil- und gemischte Gesellschaften. Gleichzeitig schaden die vorgesehenen neuen Steueroptimierungsvehikel für global tätige Konzerne wie die Patentbox auch den Ländern des Südens massiv. Der Bundesrat foutiert sich damit einmal mehr um die globale Verantwortung des Konzernstandortes Schweiz.
Entwicklungsländer verlieren durch Steueroptimierungen in Form von Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne gemäss Schätzungen von Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) jährlich 200 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das jährliche Volumen der gesamten Entwicklungsgelder, die vom globalen Norden in den globalen Süden fliessen. Mit seiner parasitären Unternehmenssteuerpolitik trägt das Tiefsteuerland Schweiz dazu bei, dass in Entwicklungsländern dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Soziales und Infrastruktur ausbleiben. Für diese Steuerpolitik wurde die Schweiz jüngst auch vom unabhängigen Experten für Menschenrechte und Finanzfragen der UNO, Juan Pablo Bohoslavsky, in einem Länderbericht scharf gerügt.
Die SV17 wird den budgetpolitischen Druck auf die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich erhöhen. Da der Bundesrat wie schon bei der USR3 auf eine einnahmenseitige Kompensation der zu erwartenden Steuerausfälle verzichtet, muss mit neuen massiven Sparmassnahmen bei Bund und Kantonen gerechnet werden. Die dynamische Analyse des Bundesrates zu den budgetpolitischen Auswirkungen der SV17 stellt dabei eine fahrlässige Wette dar.
Mit seiner in wesentlichen Punkten unveränderten Wiederauflage der USR3 übergeht der Bundesrat dreist das klare Verdikt der Stimmberechtigten gegen diese Dumping-Politik vor einem Jahr. Dies ist demokratiepolitisch höchst problematisch.
Alliance Sud wird sich in der bevorstehenden parlamentarischen Beratung zur SV17 deshalb für einen massiven Umbau der Vorlage einsetzen: Die alten Sondersteuerregime müssen möglichst rasch ersatzlos gestrichen werden. Allfällige dadurch entstehende Steuerausfälle bei Bund, Kantonen und Gemeinden müssen durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer, einer Finanztransaktionssteuer oder die Abschaffung falscher Standortförderungsmassnahmen aus der Unternehmenssteuerreform II ausgeglichen werden.
Für weitere Auskünfte: Dominik Gross, Finanzexperte Alliance Sud, Tel. +41 78 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch
Siehe auch den GLOBAL+-Artikel Standortnationalismus oder globale Solidarität?, die Analyse der Botschaft des Bundesrats zur Steuervorlage 17
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Steuertransparenz: Zögerliche Schweiz
26.04.2018, Finanzen und Steuern
In ihrer gemeinsamen Stellungnahme begrüssen Alliance Sud und Public Eye, dass der Bundesrat die Empfehlungen des «Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes» in Teilen umsetzen will.
© OECD
Von transparenten Verhältnissen bei den Besitzverhältnissen von Offshorefirmen kann aber nach wie vor keine Rede sein. Es braucht dringend eine unabhängige Aufsicht von Schweizer Finanzintermediären und öffentliche Register für wirtschaftlich Berechtigte, wie sie in der EU demnächst eingeführt werden.
Die Vernehmlassung von Alliance Sud und Public Eye im Wortlaut.
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Medienmitteilung
Steuervorlage 17: Absage an globale Verantwortung
25.05.2018, Finanzen und Steuern
Alliance Sud kritisiert den Vorschlag der vorberatenden Ständeratskommission für die Steuervorlage 17 scharf. Mit ihrem Entscheid foutiere sich die Wirtschaftskommission um die globale Verantwortung des Finanz- und Konzernstandortes Schweiz.
© OECD
Mit grossem Befremden hat Alliance Sud, der entwicklungspolitische Think Tank von Swissaid, Fastenopfer, Brot für Alle, Helveteas, Caritas und Heks, den Vorschlag der vorberatenden Ständeratskommission für die Steuervorlage 17 zur Kenntnis genommen. Zwar begrüsst Alliance Sud die vorgesehene Abschaffung der alten Steuerprivilegien für Holdings-, Domizil- und gemischte Gesellschaften. Dominik Gross, Verantwortlicher für internationale Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud, macht aber klar: «Mit den heutigen Vorschlägen für die Steuervorlage 17 foutiert sich die Wirtschaftskommission des Ständerates um die globale Verantwortung des Finanz- und Konzernstandortes Schweiz.»
Entwicklungsländer verlieren durch Steueroptimierungen in Form von Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne gemäss Schätzungen von Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) jährlich 200 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das jährliche Volumen der gesamten Entwicklungsgelder, die vom globalen Norden in den Süden fliessen. Die vorgeschlagene Einführung neuer Sondersteuerregime wie die für Missbräuche anfällige Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer und weitere Abzugsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung stellen verheerende Anreize für neue solche Gewinnverschiebungen in die Schweiz dar. Die beschlossene Erhöhung des Kantonsanteils an der Bundessteuer auf 21,2 Prozent ist zudem eine entwicklungspolitisch absolut kontraproduktive Subventionierung des interkantonalen und damit auch internationalen Steuerwettlaufs gegen unten. Sie wird einige Kantone dazu verleiten, ihre internationale Rolle als Steuerdumpinggebiete für multinationale Konzerne weiter auszubauen und das Race to the bottom in der internationalen Unternehmensbesteuerung damit anheizen.
Der Einbezug einer zusätzlichen Finanzierung der AHV in die Vorlage ändert aus entwicklungspolitischer Sicht nichts an der Tatsache, dass die Schweiz nach dem Willen der Ständeratskommission ein neues Regime für die Unternehmensbesteuerung bekäme, das einer sozial und ökologisch nachhaltigen globalen Entwicklung enormen Schaden zufügt. Die Wirtschaftskommission des Ständerates hat es verpasst, die Chance für einen steuerpolitischen Paradigmenwechsel einzuleiten. Sie opfert auf dem Altar der politischen Mehrheitsfähigkeit die Gelegenheit, mit einer entwicklungspolitisch verträglichen Unternehmenssteuerreform dem Konzernplatz Schweiz mehr Verantwortung zu übertragen.
Mit seiner parasitären Unternehmenssteuerpolitik trägt das Tiefsteuerland Schweiz dazu bei, dass in Entwicklungsländern dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, Soziales und Infrastruktur ausbleiben müssen. Für diese Steuerpolitik wurde die Schweiz kürzlich auch vom unabhängigen Experten für Menschenrechte und Finanzfragen der UNO, Juan Pablo Bohoslavsky, in einem Länderbericht scharf gerügt.
Sollte das Plenum des Ständerates den Vorschlägen der vorberatenden Wirtschaftskommission zustimmen, wird Alliance Sud die Steuervorlage 17 in dieser Form bei den bevorstehenden Beratungen im Nationalrat nicht unterstützen können und auf einen grundsätzlichen Umbau der Vorlage hinarbeiten.
Für weitere Auskünfte:
Dominik Gross, Finanzexperte Alliance Sud, Tel. +41 78 838 40 79.
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Publikation
SV17: Das sind die Steuerschlupflöcher für Multis
10.09.2018, Finanzen und Steuern
Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne in die Schweiz schädigen die Länder des globalen Südens massiv. Die vorliegende Steuervorlage 17 (SV17) wird dies nicht ändern. Dies zeigt die Recherche von Alliance Sud.
Die effektive Durchschnittssteuerbelastung 2017 in den Kantonshauptorten im internationalen Vergleich (in % des Gewinns). Quelle: SGB, Daten ZEW/BAK Basel
© Alliance Sud
Das Fazit der heute veröffentlichen Alliance Sud-Recherche über Instrumente zur Gewinnoptimierung und Steuervermeidung durch internationale Konzerne lautet:
Die Schweiz darf nicht länger auf ein Steuersystem setzen, das anderen Ländern Steuereinnahmen entzieht. Sie muss vielmehr einen Umbau ihrer Unternehmenssteuerpolitik in Angriff nehmen, der zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 beiträgt.
Die Recherche von Alliance Sud zeigt, dass die Steuervorlage 17 (SV17) die bisherige Schweizer Tiefsteuerstrategie für Konzerne fortsetzt, entgegen den Behauptungen vieler BefürworterInnen im Parlament. Der Übergang von der sog. «Swiss Finance Branch» zur zinsbereinigten Gewinnsteuer zeigt etwa, dass dieselben Steuerdumpingvehikel mit der SV17 einfach unter anderem Namen weiterlaufen. Die Analyse der «Gewinnwäscherei» und der doppelten Nullbesteuerung mit Hilfe des Beteiligungsabzugs zeigt zudem, dass zentrale Schlupflöcher in transnationalen Offshorestrukturen, in denen Schweizer Tochterfirmen eine zentrale Rolle spielen, mit der SV17 nicht gestopft werden.
Mit der sofortigen und ersatzlosen Streichung der alten Sondersteuerregime könnte die Schweiz stattdessen einen äusserst effektiven Beitrag zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung der Welt leisten. Die Schweizer Politik hat es in der Hand, die globale Abwärtsspirale bei den Unternehmenssteuern zu bremsen; als führende globale Finanz- und Handelsdrehscheibe hat sie dafür ein paar wirtschaftspolitische Hebel in der Hand. Umso früher sie diese einsetzt, desto kleiner der Schaden für alle.
Wenn sich die Tiefsteuerländer für Konzerne wie die Schweiz, die Niederlande, Luxemburg, Irland oder auch die USA «die heisse Kartoffel» unendlich gegenseitig zuwerfen, wird die Welt irgendwann gar keine Unternehmenssteuern mehr kennen. Ein Race to the bottom aber, das tatsächlich auf Grund laufen würde, hätte katastrophale Auswirkungen. Es würde die Bekämpfung der grassierenden sozialen Ungleichheit in der Welt verunmöglichen, hätte einen Kahlschlag in der öffentlichen Infrastruktur auf dem ganzen Globus zur Folge und würde damit letztlich auch alle Bemühungen unterlaufen, demokratische Strukturen in den Nationalstaaten zu erhalten und weiterzuentwickeln, die schon heute vielerorts massiv unter Druck stehen.
Was Alliance Sud auf die Argumente der BefürworterInnen der SV17 antwortet, lesen Sie im ausführlichen Fazit am Ende der Recherche.
Die Beiträge an der Medienkonferenz vom 11.9.2018:
von Dominik Gross, Experte für Steuerpolitik, Alliance Sud
vonn Felix Gnehm, Direktor Solidar Suisse
von Ellen Ehmke, Analystin soziale Ungleichheit, Oxfam Deutschland
***ACHTUNG SATIRE***
Mitgefühl mit Multis
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