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Studie
Steueroptimierung auf Kosten der Ärmsten
20.10.2021, Finanzen und Steuern
Der Luxemburger Agrarkonzern Socfin verschiebt Gewinne aus der Rohstoffproduktion in den Schweizer Tiefsteuerkanton Freiburg. Diese Steuervermeidung geht Hand in Hand mit Profitmaximierung auf Kosten der Bevölkerung in den betroffenen Regionen in Afrika und Asien. Ein Bericht von Brot für alle, Alliance Sud und des Netzwerks Steuergerechtigkeit zeigt erstmals auf, wie diese Praxis genau funktioniert. Mitverantwortlich dafür ist auch die Schweiz: Ihre Dumping-Politik in der Konzernbesteuerung ist eine der Stützen dieses ungerechten Systems.
Die Kautschuk-Plantage der Salala Rubber Corporation (SRC) in Liberia erstreckt sich über rund 4500 Hektar Land.
© Brot für alle
Der Luxemburger Agrarkonzern Socfin verschiebt Gewinne aus der Rohstoffproduktion in den Schweizer Tiefsteuerkanton Freiburg. Diese Steuervermeidung geht Hand in Hand mit Profitmaximierung auf Kosten der Bevölkerung in den betroffenen Regionen in Afrika und Asien. Ein Bericht von Brot für alle, Alliance Sud und des Netzwerks Steuergerechtigkeit zeigt erstmals auf, wie diese Praxis genau funktioniert. Mitverantwortlich dafür ist auch die Schweiz: Ihre Dumping-Politik in der Konzernbesteuerung ist eine der Stützen dieses ungerechten Systems.
Der in Luxemburg registrierte Konzern Socfin besitzt in zehn Ländern Afrikas und Asiens Konzessionen für mehr als 380 000 Hektar Land, was fast der Fläche des Schweizer Ackerlandes entspricht. Auf 15 Plantagen produziert er Palmöl und Kautschuk und verkauft dieses auf den globalen Märkten. Die Struktur des Konzerns ist komplex. Klar ist jedoch, dass ein grosser Teil des Kautschuks über die in Freiburg ansässige Tochterfirma Sogescol FR gehandelt wird. Die ebenfalls in Freiburg domizilierte Socfinco FR kümmert sich derweil um das Management der Plantagen und stellt konzernintern Dienstleistungen zur Verfügung.
Socfin erzielte 2020 einen konsolidierten Gewinn von 29.3 Millionen Euro. Der Bericht analysierte die Gewinne pro Mitarbeiter:in in den verschiedenen Ländern und stellte eine sehr ungleiche Verteilung fest: In den afrikanischen Ländern, in denen Socfin tätig ist, machte der Konzern einen Profit von gut 1600 Euro pro Mitarbeiter:in. Ganz anders präsentiert sich das Bild bei den Schweizer Socfin-Töchtern. Sie verzeichneten im letzten Jahr einen Gewinn von 116 000 Euro pro Mitarbeiter:in, also rund 70 Mal mehr als in Afrika. Zwischen 2014 und 2020 resultierte in der Schweiz sogar ein durchschnittlicher Gewinn pro Mitarbeiter:in von mehr als 200’000 Euro.
Niedrige Steuern – hohe Gewinne
Wie kommen diese konzerninternen Differenzen bei der Verteilung der Gewinne zustande? Die Erklärung liefert laut dem Bericht von Brot für alle, Alliance Sud und des Netzwerks Steuergerechtigkeit ein Blick auf die Steuerraten der Länder, in denen Socfin tätig ist: Die Gewinne im Verhältnis zur Anzahl Beschäftigter sind am höchsten, wo die Steuern am niedrigsten sind. In den afrikanischen Ländern bewegt sich der Steuersatz zwischen 25 und 33 Prozent. In der Schweiz hingegen wird Socfin mit weniger als 14 Prozent besteuert. Dies ist ein typisches Muster für konzerninterne Gewinnverschiebungen mit dem Ziel, Steuern zu vermeiden.
Diese Praxis ist bei multinationalen Unternehmen weit verbreitet, und sie ist auch nicht zwangsläufig illegal. Sie ist aber in jedem Fall ungerecht, denn sie entzieht den Produktions-ländern im Süden für deren Entwicklung dringend benötigte Steuereinnahmen und verstärkt so die globale Ungleichheit. Jährlich werden so rund 80 Milliarden Euro Gewinne aus Entwicklungsländern in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz verschoben. Das sind weit mehr als die Hälfte der jährlichen globalen Ausgaben in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit.
Wie die Gewinne in den Konzernen verschoben werden, ist für die Öffentlichkeit (wegen mangelnder Transparenz) und für die Steuerbehörden (wegen mangelndem Willen oder fehlender Ressourcen) meist schwer nachzuvollziehen. Im Falle von Socfin liegen indessen geographisch gegliederte Finanzberichte vor, die Aufschluss über Struktur und Inhalt der internen Transaktionen geben. Über konzerninterne Rechnungen für Handel, Beratung, Lizenzen oder andere Dienstleistungen landet ein grosser Teil der Einnahmen aus den in Afrika und Asien produzierten Gütern in der Schweiz. Ob die Höhe dieser intern verrechneten Kosten die OECD-Regeln für interne Transaktionen respektiert, wie Socfin dies geltend macht, können nur die Steuerbehörden aufgrund einer detaillierten Prüfung feststellen.
Schweiz muss transparenter werden
Die satten Gewinne in der Schweiz sind eine Seite der Medaille, die Situation auf den Plantagen im Süden die andere. Socfin profitiert dort von sehr vorteilhaften Landkonzessionen, während der Konzern die betroffene Bevölkerung nur ungenügend kompensiert, minimale Löhne für harte Arbeit zahlt und die versprochenen sozialen Investitionen nur unvollständig umsetzt. Trotz dieser für Socfin vorteilhaften Bedingungen schreiben einzelne Plantagen wie etwa die Kautschuk-Plantage LAC in Liberia gar anhaltende Verluste – laut dem Bericht ein weiterer Hinweis auf mögliche Gewinnverschiebungen aus Afrika in die Steueroase Schweiz.
Die Schweiz profitiert derweil massiv von solchen Gewinnverschiebungen: Fast 40 Prozent der Gewinnsteuereinnahmen der Kantone und des Bundes sind auf derartige Transaktionen zurückzuführen. Um den damit verbundenen Missständen zu begegnen, muss sie ihre Steuerpolitik dringend transparenter gestalten und so genannte «Rulings» (Steuerabkommen mit einzelnen Firmen) öffentlich machen. Das Gleiche gilt für die Länderberichte, die Konzerne in der Schweiz im Rahmen des internationalen Country-by-Country-Reportings der OECD erstellen müssen. Diese sind derzeit nur für Steuerbehörden einsehbar. Grundsätzlich muss die Schweiz ein internationales Unternehmenssteuersystem fördern, das Gewinne dort besteuert, wo sie erarbeitet wurden, und nicht dort, wo die Steuersätze am tiefsten sind.
Protestaktion in Freiburg
Heute Morgen fordert Brot für alle mit einer Protestaktion vor dem Sitz von Sogescol und Socfinco in Freiburg den Socfin-Konzern auf, Steuervermeidung und Gewinnverschiebungen innerhalb der Konzernstrukturen zu stoppen. Socfin soll zudem auf die Forderungen der lokalen Gemeinschaften eingehen, umstrittenes Land zurückgeben und dafür sorgen, dass allen Arbeiter:innen auf seinen Plantagen existenzsichernde Löhne gezahlt werden.
Bilder dieser Aktion sind ab ca. 10 Uhr hier zum Download verfügbar.
Material zum Download:
Zusammenfassung des Berichts (Deutsch), Vollversion des Berichts (Englisch)
Fotos und Grafik
Auskünfte und weitere Informationen:
Lorenz Kummer; Mediensprecher Brot für alle: lkummer@bfa-ppp.ch; +4179 489 38 24
Erklärvideo: Wie Steuervermeidung funktioniert - und den Ärmsten schadet
Brot für alle, Alliance Sud und Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland
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Unternehmenssteuerreform III aus Südsicht
26.01.2015, Finanzen und Steuern
Das schweizerische Steuerregime für internationale Firmen hat beträchtliche Auswirkungen auf die Staatseinnahmen von Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Vernehmlassung von Alliance Sud zur USR III.
© Daniel Hitzig/Alliance Sud
Alliance Sud steht für eine gerechte und nachhaltige Steuerpolitik ein, die ohne Anreize für internationale Grosskonzerne auskommt, Gewinne aus Entwicklungsländern in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz zu verlagern. Die entwicklungspolitische Organisation der Schweizer Hilfswerke begrüsst deshalb die geplante Abschaffung der kantonalen Steuerstatus, die bisher für eine Ungleichbehandlung in- und ausländischer Gewinne sorgten.
Die sonstige Stossrichtung der Reform lehnt Alliance Sud indes ab. Die vorgeschlagene Einführung von Lizenzboxen und kantonale Gewinnsteuersatzsenkungen würden den internationalen Steuerwettbewerb verschärfen und weiterhin die missbräuchliche Ausgestaltung konzerninterner Verrechnungspreise begünstigen. In ihrer Vernehmlassungsantwort ersucht Alliance Sud den Bundesrat deshalb, diese entwicklungspolitisch schädlichen und wirtschaftspolitisch unnötigen Massnahmen nochmals zu überdenken.
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«The Price We Pay» – mit Alliance Sud ins Kino
02.11.2015, Finanzen und Steuern
Multis verschieben ihre Gewinne in Steueroasen, den Preis bezahlen die Bevölkerungen des Südens. Alliance Sud brachte Regisseur Harold Crooks im Herbst 2015 für zwei Vorstellungen seines Films nach Basel und Zürich.
Crooks dokumentiert in «The Price We Pay» wie legale «Steueroptimierung» funktioniert. Globale Konzerne wie Amazon, Apple oder Starbucks verschieben ihre Gewinne in Steueroasen, wo möglichst wenig Steuern anfallen. Mit dramatischen Folgen, denn wo Steuereinnahmen fehlen, wird bei öffentlichen Aufgaben gespart, bei Infrastruktur, Bildung oder der Gesundheit. Kurz – bei allem, was ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen möglich macht.
Und immer noch gehört auch die Schweiz zu den attraktivsten Steueroasen weltweit: Im aktuellen Financial Secrecy Index des Tax Justice Network steht sie einmal mehr ganz zuoberst. Die Zeche für die unlauteren Finanzflüssen der globalen Konzerne zahlen somit nicht nur die Länder des Südens sondern auch die normalen Steuerzahlenden bei uns: Steueroasen entziehen heute mehr als die Hälfte der Weltgeldmenge der öffentlichen Hand.
«The Price We Pay» blickt zurück in die dunkle Geschichte der Steueroasen und analysiert die heutige Realität des grossen Geschäftes Steuervermeidung.
Ko-Organisatoren waren Multiwatch und Denknetz.
Trailer - THE PRICE WE PAY - a feature documentary by Harold Crooks
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«Ja, aber» zu länderbezogenen Berichten über Multis
14.07.2016, Finanzen und Steuern
Alliance Sud begrüsst die Mitarbeit der Schweiz im BEPS-Projekt der OECD. Der vorliegende Gesetzesentwurf für Austausch länderbezogener Berichte von mulitnationalen Konzernen genügt jedoch nicht.
© Daniel Hitzig/Alliance Sud
Alliance Sud begrüsst die aktive Mitarbeit der Schweiz im BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD. Gleichzeitig beurteilt Alliance Sud den vorliegenden Gesetzesentwurf für den internationalen automatischen Austausch länderbezogener Berichte (Country by Country Reporting) von multinationalen Konzernen als ungenügend. Das geplante Gesetz leistet nicht den erforderlichen Beitrag der Schweiz zu einer nachhaltigen globalen Steuerpolitik im Sinne der BEPS-Ziele. Der Bundesrat will mit dem vorliegenden Entwurf zum ALBA-Gesetz lediglich die absoluten OECD-Mindestanforderungen umsetzen. Alliance Sud kritisiert, dass der Bundesrat auf eine multilaterale Einführung des automatischen Austauschs länderbezogener Berichte mit allen ALBA-Mitgliedsstaaten verzichten und auf die bilaterale Aktivierung setzen will. Damit dürfte der Kreis der Länder, mit denen die Schweiz Berichte austauscht, bis auf weiteres sehr beschränkt bleiben. Alliance Sud kritisiert zudem den Verzicht des Bundesrates auf die Einführung der von der OECD vorgeschlagenen dreigliedrigen Transferpreisdokumentation (länderbezogener Bericht plus Stamm- und länderspezifische Dokumentation), weil dieser die Risikoabschätzung der Transferpreispraxis der berichtenden Konzerne massiv erschwert. Ausserdem beurteilt Alliance Sud die Ausgestaltung des Zweitmechanismus als nicht zielführend: In der vorliegenden Form wird der Mechanismus für die Schweiz nicht den vom Bundesrat erhofften Anreiz darstellen, einen möglichst breiten Länderkreis für den Austausch länderbezogener Berichte zu schaffen. Zudem weisst das ALBA-Gesetz aus der Sicht von Alliance Sud bezüglich der Bussen bei Nichteinreichung der Berichte, der Sprachanforderungen für die Berichte und der Qualitätskontrolle durch die eidgenössische Steuerverwaltung starke Mängel auf. Im Interesse zivilgesellschaftlicher Kräfte, die sich in den Ländern des globalen Südens für Steuergerechtigkeit einsetzen, aber nicht in den Genuss von Transferpreisdokumentationen im Rahmen des ALBA kommen werden, erwartet Alliance Sud vom Bundesrat, die Einführung eines öffentlichen Country-by-Country-Reportings zu prüfen. Hier sollte der Bundesrat vermehrt den politischen Entwicklungen in der Europäischen Union und ausserhalb der OECD-Mitgliedsstaaten Rechnung tragen.
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Eine gerechtere Finanzwelt nach Stiglitz/Pieth
21.11.2016, Finanzen und Steuern
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Basler Strafrechtler Mark Pieth ziehen ihre Schlüsse aus den Panama Papers. Und bestätigen die Analyse von Alliance Sud bis ins Detail.
«Solange es in einer globalisierten Welt noch irgendwo einen geheimen Geldbeutel gibt, werden die Gelder durch diesen Geldbeutel fliessen.» Das schreiben der US-amerikanische Ökonom Joseph Stiglitz und der Schweizer Strafrechtler Mark Pieth in ihrem Bericht zur Offshore-Industrie mit dem Titel Overcoming the Shadow Economy (dt. „Die Schattenwirtschaft überwinden“), der Mitte November publiziert wurde. In ihrer Reaktion auf die Skandale der Panama Papers schlagen Stiglitz und Pieth ein umfassendes globales Informationssystem für eine transparente Finanzwirtschaft vor, das ausnahmslos alle Steueroasen weltweit austrocknen soll – und zwar für vermögende Einzelpersonen genauso wie für steuervermeidende Unternehmen.
Ihr Bericht ist ein konsequenter Sampler mit allen Hits der globalen Steuergerechtigkeits-Bewegung der letzten fünfzehn Jahre, der Steuerflucht, Geldwäscherei und Korruption weltweit unterbinden will. Soll die in den meisten Ländern der Welt grassierende und zwischen den Weltregionen anhaltende soziale Ungleichheit bekämpft werden, ist gemäss den renommierten Finanzexperten ein weltweit umfassender Informationsaustausch für Bankkundendaten unverzichtbar. Aber auch ein öffentliches Register der Besitzer von Briefkastenfirmen (engl. „Beneficial Ownership Registers“) oder ein öffentlich zugängliches Country-by-Country-Reporting für Konzerne, in denen Tarnfirmen ihre spezifischen Geschäftsaktivitäten in jenen Ländern ausweisen müssen, in denen sie aktiv sind, gehören zur Kur, die Stiglitz/Pieth dem globalen Finanzsystem verschreiben. Umfassende Transparenz soll der verheerenden weltweiten Steuervermeidung ein Ende bereiten.
Alleine die Steuervermeidung von Konzernen kostet die Entwicklungsländer gemäss dem Internationalen Währungsfonds (IWF) jährlich über 200 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Darunter leiden vor allem die armen Bevölkerungsschichten: Sie sind auf öffentliche Dienstleistungen in der Bildung und der Gesundheit angewiesen, die der Staat auf Grund ausbleibender Steuereinnahmen oft nicht finanzieren kann. Zudem zwingen die Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne ihre Tochterfirmen in Entwicklungsländern zu Lohndumping, was auch auf Kosten der dortigen Lohnabhängigen geht. Die globale Schattenwirtschaft ist längst in transnationalen Netzwerken von Kunden, Finanzintermediären und Offshorefirmen wie Mossack Fonseca (berüchtigt aus den Panama Papers) organisiert. Sie schert sich längst nicht mehr um Landes- und Kontinentalgrenzen. Eine wirklich weltweit verbindliche Steuertransparenz ohne Ausnahmen ist deshalb umso wichtiger. Diese hätte nur im Rahmen einer UNO-Behörde für Steuerpolitik Chancen, global realisiert zu werden und so zu faireren Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Weltregionen beizutragen.
Alliance Sud begrüsst die Vorschläge der Professoren Stiglitz und Pieth und weist auf die spezielle Verantwortung der Schweiz im Hinblick auf deren Umsetzung hin: Gemäss Schätzungen des Washingtoner Think-Tanks Global Financial Integrity landen von den 1000 Milliarden US-Dollar, die jedes Jahr in die dunklen Taschen der Offshore-Industrie fliessen, trotz «Weissgeldstrategie» immer noch 30% in der Schweiz. Der hiesige Finanzplatz ist mit über 3000 Milliarden verwalteten ausländischen Vermögen zudem immer noch der grösste Offshore-Hafen der Welt und eines der bevorzugtestenn Tiefsteuergebiete für globale Konzerne weltweit. Will man also Licht ins Dunkel der Schattenwirtschaft bringen, muss man hierzulande anfangen.
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USR III: Das neue Steuerschlupfloch
05.12.2016, Finanzen und Steuern
Ursprünglich sollte die Unternehmenssteuerreform III die Konzernsteueroase Schweiz austrocknen. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer stellt diese Absicht nun gänzlich auf den Kopf. Sie dürfte auch den Entwicklungsländern schaden.
Wie gross das Loch sein wird, dass die Unternehmenssteuerreform III verursacht, ist kaum zu berechnen. Die USR II ging von Einbussen für die Bundeskasse von 80 Millionen Franken aus. Schliesslich betrugen die Steuerausfälle ein Vielfaches mehr. Bild: Illustration zweier sich annähernder schwarzer Löcher, die in einem aufgehen werden. Ein Ereignis, das Gravitationswellen auslösen wird.
© Russell Kightley/SCIENCE PHOTO LIBRARY/Keystone
Im Juni 2016 haben die eidgenössischen Räte die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) verabschiedet. Eigentlich sollte die Vorlage die Schweizer Steuerpolitik den neuen internationalen Standards von OECD, EU und G20 anpassen und die Steueroase Schweiz für Konzerne austrocknen. Sie zielt nun aber weit an dieser ursprünglichen Intention vorbei. Eine starke bürgerliche Mehrheit des Parlaments hat die Reformvorlage genutzt, um alte Sondersteuerregime durch neue zu ersetzen und den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen weiter anzuheizen. Mit dramatischen Konsequenzen: Befürchtet werden Steuerausfälle von mindestens 1,5 Milliarden Franken pro Jahr beim Bund, für gewisse Firmen könnte ein effektiver kantonaler Gewinnsteuersatz von nur noch 3% gelten. Gegen dieses Paket hat ein breites Bündnis aus links-grünen Parteien und Gewerkschaften mit über 57‘000 gültigen Unterschriften am 6. Oktober das Referendum eingereicht. Am 12. Februar 2017 wird über die Vorlage abgestimmt.
Steuervermeidung durch Konzerne kostet den Süden 200 Milliarden pro Jahr
Aus entwicklungspolitischer Sicht sind vor allem die verschiedenen neuen Sondersteuerregime problematisch, die Bundesrat und Parlament mit der USR III einführen wollen, um die alten, nicht mehr OECD-konformen Privilegien für Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften zu ersetzen. Ob sie neue Möglichkeiten für Gewinnverschiebungen innerhalb von Konzernen eröffnen werden, die ihren Hauptsitz in der Schweiz und Tochterfirmen in Entwicklungsländern haben, wird bei einem Ja zur USR III erst mit den noch auszuarbeitenden Verordnungen entschieden werden. Demokratiepolitisch ist das insofern problematisch, als dass die eigentlichen Steuererleichterungsdimensionen, welche die USR III multinationalen Konzernen eröffnet, erst durch diese Verordnungen klar werden. Deren Erlass liegt in der Kompetenz des Bundesrats. Steuerschlupflöcher stecken oft in den Details der Verordnungen und dazu haben substantiell weder die Stimmberechtigten noch das Parlament etwas zu sagen.
Klar ist aber jetzt schon: Die Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer, Steuerabzüge für Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie bei der Kapitalsteuer können grundsätzlich als Instrumente zur Gewinnverschiebung benutzt werden. Diese richten im globalen Süden verheerenden Schaden an: Gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) verlieren die Entwicklungsländer jährlich über 200 Milliarden Dollar durch die Steuervermeidung von Konzernen.
Umgekehrt steht für den Tiefsteuerstandort Schweiz einiges auf dem Spiel, wenn es nicht gelingen sollte, die alten Sondersteuerregime durch neue zu ersetzen. Nach Angaben des Bundesrats gibt es zurzeit 24‘000 Unternehmen in der Schweiz, die privilegiert besteuert werden. Sie bringen dem Bund jährlich etwa vier Milliarden Steuern ein und sollen rund 135‘000 bis 175‘000 Menschen beschäftigen. Auch wenn dies nur gerade 3,2% aller Beschäftigten in der Schweiz entspricht, betrifft es einzelne Regionen mehr als andere. Der Arc lémanique, der Kanton Zug oder die Region Basel beherbergen sehr viele privilegiert besteuerte Unternehmen. Im Kanton Basel-Stadt etwa kommen fünfzig Prozent aller Gewinnsteuereinnahmen aus privilegierten Quellen. Sogar die Basler SP-Finanzdirektorin Eva Herzog, die zu Beginn des politischen Prozesses aus nachvollziehbaren Gründen eine der wenigen prominenten BefürworterInnen der Reform in ihrer Partei war, liess mittlerweile durchblicken, dass sie den Gesetzesentwurf aus der Feder des Bundesrats jenem des Parlaments vorgezogen hätte.
Eine Idee für die schwarze Liste der OECD?
Wer sich jene Version der zinsbereinigten Gewinnsteuer genauer anschaut, die der Ständerat ganz am Schluss des Differenzbereinigungsverfahrens noch in die Vorlage hineingeschrieben hat, kommt nicht um die Frage herum: Wofür soll diese zurzeit gut sein, wenn nicht, um Gewinnverschiebungen zu ermöglichen (siehe Kasten)? Das Instrument ermöglicht es den Unternehmen, auf sogenannt überschüssigem Eigenkapital erzielten Kapitalertrag (Zins) vom steuerbaren Gewinn abziehen zu können. Durch die Negativzinspolitik der Nationalbank liegt der Leitzins aber zurzeit im Minus. Deshalb können die Unternehmen bis auf weiteres nicht von diesem Konstrukt profitieren. Es ist ausserdem fraglich, wie lange die OECD die zinsbereinigte Gewinnsteuer noch dulden wird, da man in Belgien bereits klar negative Erfahrungen damit gemacht hat. Auch die EU-Kommission setzt diese in ihren neusten Vorschlägen gegen die Steuervermeidung auf die Abschussliste. Es kann also gut sein, dass das Instrument auf eine schwarze Liste kommt, bevor die Nationalbank die Negativzinsen aufgibt.
Steuergesetzgebung ist eine hochkomplexe Materie. Beherrscht wird sie vor allem von spezialisierten Steuerkanzleien und internationalen Beratungsunternehmen, die im Interesse ihrer Kundschaft Steuerschlupflöcher suchen und finden. Noch effizienter ist es, diese via Lobbying schon in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Mit dem Argument, die Standortattraktivität der Schweiz stehe auf dem Spiel, setzt die Offshore-Industrie hierzulande immer wieder ihre Interessen durch. Am 12. Februar werden wir sehen, ob dieses Argument auch an der Urne eine Mehrheit der Stimmberechtigten findet.
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Publikation
Blackbox Unternehmenssteuerreform
08.12.2016, Finanzen und Steuern
Die Unternehmenssteuerreform III, über die die Stimmberechtigten am 12. Februar befinden, könnte neue Steuerschlupflöcher schaffen. Bezahlen müssten dafür unter anderem auch die Entwicklungsländer.
© Tim Reckmann/pixelio.de
Im Juni 2016 haben die eidgenössischen Räte die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) verabschiedet. Eigentlich sollte die Vorlage die Schweizer Steuerpolitik den neuen internationalen Standards von OECD, EU und G20 anpassen und die Steueroase Schweiz für Konzerne austrocknen. Sie zielt nun aber weit an dieser ursprünglichen Intention vorbei. Eine starke bürgerliche Mehrheit des Parlaments hat die Reformvorlage genutzt, um alte Sondersteuerregime durch neue zu ersetzen und den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen weiter anzuheizen. Mit dramatischen Konsequenzen: Damit die neuen Privilegien OECD-konform sind, müssen sie auch für einheimische Unternehmen gelten. Befürchtet werden deshalb Steuerausfälle von mindestens 1,5 Milliarden Franken pro Jahr beim Bund und weiteren Milliarden bei den Kantonen. Für gewisse Firmen könnte ein effektiver kantonaler Gewinnsteuersatz von nur noch 3% und darunter gelten. Bestehende Steuerprivilegien für multinationale Konzerne werden mit der USR III zudem nicht abgeschafft, sondern durch neue ersetzt. Die Konzerne haben damit weiterhin einen starken Anreiz, Gewinne aus Entwicklungsländern unversteuert in die Schweiz zu verlagern – mit verheerenden Konsequenzen für die Gemeinwesen im globalen Süden. Die massiven Steuerausfälle, die die USRIII verursacht, sind im Stabilisierungsprogramm 2017-2019 des Bundes bereits berücksichtigt und können in kommenden Sparpaketen zu weiteren Budgetkürzungen in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit führen.
Gegen dieses Paket hat ein breites Bündnis aus links-grünen Parteien und Gewerkschaften mit über 57‘000 gültigen Unterschriften am 6. Oktober das Referendum eingereicht. Am 12. Februar 2017 wird über die Vorlage abgestimmt. Bei einer Ablehnung der jetzigen Vorlage durch die Stimmberechtigten müsste der Bundesrat zügig einen neuen, mehrheitsfähigeren Reformentwurf präsentieren, da die OECD von der Schweiz die definitive Abschaffung der bestehenden Steuerprivilegien für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften bis spätestens 2020 verlangt.
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USR III: Der Finanzminister irrt
27.01.2017, Finanzen und Steuern
Nach seiner Vorgängerin im Amt greift auch Bundesrat Ueli Maurer in die Debatte um die Unternehmenssteuerreform III ein. Streitpunkt: die zinsbereinigte Gewinnsteuer.
© admin.ch
Im BLICK-Interview vom 25. Januar antwortet Finanzminister Ueli Maurer auf die Frage «Was kostet uns die zinsbereinigte Gewinnsteuer?»: «Praktisch nichts, weil sie sich nach der Rendite von 10-jährigen Bundesobligationen richtet, und die liegen aktuell ungefähr bei null.»
Das stimmt leider nicht. Billig ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer in der Schweiz nur, solange das überschüssige Eigenkapital, das die Unternehmen damit von der Steuer abziehen können, in der Schweiz bleibt. Anders ist das, wenn ein Konzern mit einer Finanzierungsgesellschaft in der Schweiz einen Teil seines überschüssigen Eigenkapitals an eine Tochterfirma im Ausland verleiht.
Dann richtet sich der Zinssatz auf diesem Darlehen nach den marktüblichen Verrechnungspreisen, die für bestimmte Güter, Dienstleistungen und Kapital zwischen voneinander unabhängigen Firmen erhoben wird (Fremdvergleichsgrundsatz). Verrechnungspreise entstehen immer dann, wenn Güter, Dienstleistungen oder Kapital eine Staatsgrenze überschreitet. Im Falle von Kapital sind diese Preise dann der Zinssatz, der die Finanzierungsgesellschaft (Gläubigerin) in der Schweiz der Tochter im Ausland (Schuldnerin) für das Darlehen verrechnet.
Dies geht aus der entsprechenden Passage im Gesetz hervor: Die Höhe des kalkulatorischen Zinses richtet sich nach der Rendite 10-jähriger Bundesobligationen. Soweit Sicherheitseigenkapital anteilsmässig auf Forderungen gegenüber Nahestehenden beruht, kann ein dem Drittvergleich entsprechender Zinssatz geltend gemacht werden.
Das Problem dabei: 60-80% des Welthandels von Gütern, Dienstleistungen und Kapital findet heute nicht zwischen voneinander unabhängigen Firmen statt, sondern zwischen Firmen, die innerhalb eines Konzerns miteinander verbunden sind. Die offenen Märkte für alle diese «Güter» sind also oft zu klein, dass sich aus ihnen überhaupt faire Preise für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb von Konzernen ergeben. Deshalb können die Manager eines Konzerns die entsprechenden Verrechnungspreise relativ willkürlich festlegen. Indem Finanzierungsgesellschaften in der Schweiz zu hohe Preise (Zinsen) für ihre Güter, Dienstleistungen und Darlehen verrechnen, die sie an ihre Tochterfirmen im Ausland verleihen, können sie die Gewinne der Tochterfirmen im Ausland, wo die Gewinnsteuern höher sind als in der Schweiz, in die Schweiz verschieben. Auf diese Weise sparen die Konzerne Steuern.
Damit aber nicht genug: Mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer können Konzerne in der Schweiz auch noch einen Teil des Zinsertrags, den sie mit einem Darlehen an ihre Tochterfirmen erzielen, in der Schweiz von den Steuern abziehen. Umso höher der Zins und entsprechend der Zinsertrag, desto mehr Gewinnsteuern kann der Konzern in der Schweiz sparen. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer schafft also für Konzernmanager einen steuerlichen Anreiz, die Verrechnungspreise (Zinsen) für konzerninterne Darlehen so hoch anzusetzen, wie es auf der Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes nur geht.
So sähe die Praxis aus
Finanzierungsgesellschaft X in der Schweiz gewährt Tochterfirma Y in Sambia ein Darlehen. Dann kann X den Zinsertrag, den Y in Sambia dafür entrichtet, von seinen Gewinnsteuern abziehen, die X in der Schweiz bezahlt. Umso höher der Zinssatz, von dem X profitiert, und umso höher also der Zinsertrag von X, desto weniger Gewinnsteuern muss X in der Schweiz bezahlen. Der zu versteuernde Gewinn sinkt so sowohl bei der Tochterfirma Y in Sambia wie auch bei der Finanzierungsgesellschaft X in der Schweiz. So verliert sowohl der Fiskus in der Schweiz, wie auch in Sambia.
Für Entwicklungsländer wie Sambia ist das aber besonders verheerend: Vielmehr als die Schweiz sind sie bei den Steuereinnahmen von den Steuern von Konzernen abhängig. Durch Gewinnverschiebungen in Steueroasen wie die Schweiz, wie hier mit Hilfe der zinsbereinigten Gewinnsteuer beschrieben, verloren Entwicklungsländer zum Beispiel im Jahr 2014 213 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Das haben Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds IWF errechnet. Das ist vielmehr, als sie durch die Entwicklungszusammenarbeit mit den reichen Ländern erhalten. Viel von diesem Geld landet mutmasslich in der Schweiz, denn es gibt nur ein Gebiet auf der Welt, das für Konzerne steuerlich noch attraktiver ist als einzelne Schweizer Kantone: Hongkong.
Weiter Informationen: Dominik Gross, Spezialist für Steuer- und Finanzpolitik Alliance Sud: Tel.: +4178 838 40 79
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USR III: Die Zementierung globaler Ungerechtigkeit
07.02.2017, Finanzen und Steuern
Alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen verlieren Entwicklungsländer jährlich über 200 Milliarden Dollar. Geld verlieren arme Länder vor allem durch die Gewinnverschiebung dorthin, wo die Unternehmenssteuern tief sind, z.Bsp. in die Schweiz.
© Rainer Sturm / pixelio.de
Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben errechnet, dass alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen Entwicklungsländer jährlich über 200 Milliarden Dollar verlieren. Zum Vergleich: Im Rahmen der gesamten Entwicklungszusammenarbeit der reichen Länder flossen 2015 nur 131 Milliarden Dollar von Nord nach Süd. Alleine durch die Steuerflucht von Konzernen verlieren die Entwicklungsländer also viel mehr Geld an die Industrieländer, als sie durch die Entwicklungszusammenarbeit von diesen erhalten. Geld verlieren arme Länder vor allem dadurch, dass globale Konzerne ihre Gewinne, die sie in diesen Ländern erwirtschaften, nicht auch dort versteuern, sondern sie dorthin transferieren, wo die Unternehmenssteuern viel tiefer sind. Zum Beispiel in die Steueroase Schweiz.
Bis jetzt haben die Konzerne in der Schweiz für diese Gewinnverschiebungen die klassischen Briefkastenfirmen benutzt. Die EU-, die OECD- und die G20-Länder haben die Steuerprivilegien für diese juristischen Konstrukte aber in den letzten Jahren für illegal erklärt. Unter Druck geraten muss die Schweiz diese jetzt abschaffen. Nun soll die Unternehmenssteuerreform III (USR III) nach dem Willen der rechten Parlamentsmehrheit in Bern die alten Privilegien für Holding- und lHoliBriefkastenfirmen durch neue Sondersteuerregeln ersetzen und für eine generelle Absenkung der Gewinnsteuern in den Kantonen sorgen. Darüber stimmen die Schweizer Stimmberechtigten am 12. Februar ab. Sagen diese Ja, würde die Schweiz weiter zu den weltweit beliebtesten Steueroasen für globale Konzerne gehören.
Eine Annahme der USR III hätte aber sowohl für den Service Public in der Schweiz wie auch für jenen in den ärmeren Länder ausserhalb der OECD einschneidende Konsequenzen. Hierzulande drohen jährliche Steuerverluste in mehrstelliger Milliardenhöhe, die auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme, der Bildung, der Gesundheit und der Kultur gehen könnten. Gleichzeitig wird sich bei den Gewinnverschiebungen der Konzerne aus den Entwicklungsländern in die Steueroase Schweiz nichts ändern. Zum Schaden des Service Public in diesen Ländern. Auch dort werden dies in erster Linie jene Teile der Bevölkerung bezahlen müssen, die auf funktionierende öffentliche Dienste im Gesundheits-, Bildungs- oder Infrastrukturbereich angewiesen sind.
Die neuen Steuerprivilegien für Konzerne in der USR III schaden also der Schweizer Krankenpflegerin genauso wie einem Kind im Rollstuhl in Ghana. Die Teilung der Welt in arme und reiche Länder droht erneut zementiert zu werden. Die OECD- und G20-Länder schaffen untereinander Steuertransparenz und für alle gültige Spielregeln. Dies ermöglicht dem Klub der Reichen einen Wettbewerb auf Augenhöhe. Der ökonomische Abstand zu allen anderen Ländern könnte sich aber wieder vergrössern. Dabei gäbe es durchaus Alternativen zu diesem schädlichen Steuerwettbewerb, der zwischen den Ländern der Welt genauso tobt wie zwischen den Schweizer Kantonen: Zum Beispiel die vorgeschriebene Veröffentlichung von Konzernbuchhaltungen (das sogenannte «Public Country-by-Country-Reporting»), um Gewinnverschiebungen innerhalb von Konzernen aufzudecken, unter denen vor allem auch Entwicklungsländer leiden. Das wäre auch eine sinnvolle Massnahme gegen die globale Reichtumsschere und ein Schritt hin zu einer faireren Weltwirtschaft. Von globaler Steuergerechtigkeit wollen in der Schweiz aber bisher weder der Bundesrat noch eine Mehrheit des Parlamentes etwas wissen. Wie dass die Stimmberechtigten sehen, werden wir am 12. Februar erfahren.
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Zeit für einen Paradigmenwechsel
13.02.2017, Finanzen und Steuern
Das klare Nein zur Unternehmensteuerreform III (USR III) ist ein Sieg der Demokratie über die Partikulärinteressen der Schweizer Steuervermeidungsindustrie, der auch international ausstrahlen wird.
Das unzweideutige Resultat des Referendums stellt eine einmalige Chance für Bundesrat und Parlament dar, die Schweizer Steuerpolitik in eine neue Richtung zu lenken: Hin zu einer Politik, die einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Entwicklung der Welt nicht mehr im Weg steht.
Die Schweizer Stimmberechtigten haben gestern Sonntag mit einer deutlichen Mehrheit von fast 60 Prozent der Stimmen die Unternehmenssteuerreform III an der Urne abgelehnt. Sie haben damit nicht nur einer dramatischen Verschärfung des innerschweizerischen Steuerwettbewerbes und damit neuen Sparrunden in den Kantonen und beim Bund eine entschiedene Absage erteilt, sondern auch die krude Ersetzung der alten Steuerprivilegien für Briefkastenfirmen und andere Statusgesellschaften durch zahlreiche neue wuchtig verworfen. Damit wird es Zeit für einen Paradigmenwechsel in der internationalen Steuerpolitik der Schweiz.
Die bestehenden Steuerprivilegien für multinational tätige Konzerne muss die Schweiz auf Grund der neuen internationalen Standards von OECD, EU und G20 auch mit dem gestrigen Nein bis spätestens 2019 abschaffen. Bundesrat und Parlament sind nun gefordert, eine neue Vorlage auszuarbeiten, die tatsächlich mehrheitsfähig ist. Für neue Steuervermeidungsinstrumente wie die zinsbereinigte Gewinnsteuer, eine viel zu lasche Patentbox oder überrissene und ungenau definierte steuerliche Abzüge für Forschung und Entwicklung wird in dieser neuen Vorlage kein Platz mehr sein, will man nicht einen neuerlichen Absturz in einem Referendum riskieren.
Aus entwicklungspolitischer Sicht muss die überarbeitete Vorlage die Risiken für Profitverschiebungen multinationaler Konzerne in die Steueroase Schweiz sehr stark reduzieren. Für Alliance Sud ist es inakzeptabel, dass Profite von in der Schweiz niedergelassenen Konzernen dem Fiskus in Entwicklungsländern entzogen und hier annähernd zum Nulltarif versteuert werden können. Länder im globalen Süden verlieren durch solche Steuervermeidungen der Konzerne jährlich hunderte Milliarden Dollar an Steuergeldern, die sie dringend für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur brauchen. Die Schweizer Tiefsteuerpolitik widerspricht deshalb den Prinzipien der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO und den Prinzipien für Politikkohärenz in der Schweizer Aussenpolitik. Demnach sollte die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik das entwicklungspolitische Engagement der Schweiz nicht unterlaufen.
Um eine bessere Unternehmenssteuerreform aufzugleisen, die auch die Zustimmung der Stimmberechtigten findet, fordert Alliance Sud eine ausgewogenere Beteiligung aller Interessengruppen bei der Erarbeitung der neuen Vorlage. Auch Gewerkschaften, Kirchen und NGOs müssen in die Gremien, die die neue Vorlage vorbereiten, verbindlich miteinbezogen werden. Dies war bei der aktuellen Vorlage nicht der Fall und verleitete die rechte Parlamentsmehrheit dazu, die Vorlage zu einem Selbstbedienungsladen für die Steuervermeidungsindustrie umzubauen – mit den jetzt bekannten Konsequenzen an der Urne. Der Bundesrat darf das gestrige Nein zudem nicht als Rechtfertigung für neue Sparpakete im Bundesbudget missbrauchen, hat er diese doch vor der Abstimmung unter anderem mit sinkenden Steuererträgen bei der baldigen Umsetzung der USR III gerechtfertigt.
Weitere Informationen:
Dominik Gross, Steuerexperte Alliance Sud, +4178 838 40 79
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