Süd-Perspektive

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

26.09.2025, Klimagerechtigkeit

In Afrika ist die Zeit reif für einen verantwortungsvollen Rohstoffabbau. Nur so kann der Kontinent von seinen Reserven an Transitionsmineralien profitieren, die Lebensbedingungen seiner Bürger:innen verbessern und die negativen Auswirkungen des Bergbaus abmindern. Von Emmanuel Mbolela.

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

Wer profitiert vom Coltan, das unsere Akkus und Zukunft antreibt? Die Rubaya-Minen stehen im Zentrum des Kriegs zwischen der M23-Miliz, Kongo und Rwanda. © Eduardo Soteras Jalil / Panos Pictures

Die globale Energiewende ist eine Conditio sine qua non im Kampf gegen die weltweite Klimaerwärmung und zur Sicherung einer nachhaltigen Energiezukunft für die kommenden Generationen. Seit Jahren prägt das Thema die politische und öffentliche Debatte – im Globalen Norden wie im Süden. Dabei spielt der afrikanische Kontinent – dank seiner aussergewöhnlichen Artenvielfalt zweifelsohne die wichtigste globale Kohlenstoffsenke – eine Schlüsselrolle. Auch ist Afrika reich an verschiedenen Transitionsmineralien (Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel, Coltan, Tantal), die für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge, die Speicherung erneuerbarer Energien sowie für innovative Technologien weltweit unerlässlich sind. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach diesen Mineralien bis 2040 um das Vier- bis Sechsfache steigen.

Was bedeutet das für den Kontinent selbst, der diese strategischen Bodenschätze bereitstellt? Wird Afrika weiterhin als Rohstoffquelle ausgebeutet oder kann der Prozess der Energiewende seine Entwicklung massgeblich beschleunigen?

 

Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis.

 

Die Geschichte wiederholt sich

Blicken wir in die Geschichte zurück, stellen wir fest: Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis. In der Zeit des Sklavenhandels wurden Afrikaner:innen gewaltsam verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen auf Schiffen nach Amerika transportiert, um dort auf Zuckerrohr- und Baumwollplantagen zu arbeiten. Ein weiteres dunkles Kapitel ist jenes des Kautschuks, der zur Herstellung von Autoreifen verwendet wurde. Zwar revolutionierte er die Automobilindustrie, doch liess seine Gewinnung in den afrikanischen Erzeugerländern tiefe Narben zurück. Unvergessen bleiben die grausamen Methoden, von abgehackten Händen bis hin zur Geiselnahme von Frauen und Kindern, mit denen König Leopold II. von Belgien die kongolesische Bevölkerung zwang, mehr von diesem weissen Gold zu fördern. Dessen Verkauf diente ausschliesslich seiner persönlichen Bereicherung und dem Prosperieren des belgischen Königreichs. Ohne die Rohstoffe aus Afrika hätte es die industrielle Revolution des 20. Jahrhunderts nie gegeben. Ganz zu schweigen vom Uran, das im Süden der Demokratischen Republik Kongo abgebaut und für die Herstellung der Atombombe verwendet wurde, die den Zweiten Weltkrieg beendete. Und auch heute sind die Bodenschätze des afrikanischen Kontinents hochbegehrt: Die Entwicklung der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien ist von afrikanischen Rohstoffen – allen voran Coltan – abhängig. Es wird in erster Linie für die Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops verwendet.

Doch paradoxerweise befindet sich Afrika am unteren Ende der globalen Entwicklungsskala. Seine Söhne und Töchter gehen auf der Suche nach einem Eldorado unverhältnismässige Risiken ein. Zu Tausenden sterben sie in der Wüste oder auf hoher See, unter den mitwissenden und schuldbewussten Blicken derer, die zwar die Mittel hätten, sie zu retten, dies aber unter dem Vorwand ablehnen, dass dies eine Sogwirkung zur Folge hätte.

 

Emanuel Mbolela lächelt vor gelb-grünlich leuchtenden Laubbäumen in die Kamera. Er trägt ein hellviolettes Hemd und ein Pulli mit Kragen.

Emmanuel Mbolela wurde 1973 in Mbuji-Mayi im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren. Er hat in seiner Heimatstadt Ökonomie studiert, musste jedoch aus politischen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden.

Er ist Aktivist und Verfechter der Grundrechte von Migrierenden und Autor des Buches «Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil», Wien: Mandelbaum. Er ist Gründer einer Vereinigung für Flüchtlinge und Migrant:innen-Gemeinschaften sowie Initiant einer Notunterkunft, in der Migrant:innen und ihre Kinder vorübergehend aufgenommen werden.

Heute nimmt Afrika eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

 

Heute sind wieder alle Augen auf Afrika gerichtet. Wie zu Zeiten der historischen Umwälzungen der Industrialisierung nimmt der Kontinent bereitwillig eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

Die vergangenen industriellen Revolutionen, die zwar der Entwicklung des Nordens dienten und der dortigen Bevölkerung eine bessere Lebensqualität bescherten, hinterliessen in Afrika vor allem Tod und Zerstörung. So befindet sich die Demokratische Republik Kongo seit 30 Jahren in einem Krieg um die Entvölkerung und Wiederbesiedelung des östlichen Landesteils, wo riesige Minen mit Transitionsmineralien betrieben werden. Obwohl das Land selbst über keine Rüstungsindustrie verfügt, hat dieser bewaffnete Konflikt Millionen von Toten, Hunderttausende Binnenvertriebene und Flüchtlinge gefordert. Die Vergewaltigung von Frauen und Kindern wird im grossen Stil als Kriegswaffe eingesetzt: Die Bevölkerung sieht sich so gezwungen, ihre Städte und Dörfer zu verlassen und ihr Land zurückzulassen, wo unverzüglich mit dem Abbau weiterer Mineralien begonnen wird.

Während die Nachfrage nach Mineralien regelrecht explodiert, werden wir Zeuge räuberischer und illegaler Praktiken bei deren Gewinnung: Kinder arbeiten in Minen, bewaffnete Konflikte werden geschickt provoziert und Vereinbarungen in völliger Undurchsichtigkeit nicht nur von multinationalen Unternehmen, sondern auch von Staaten unterzeichnet. Im Februar 2024 beispielsweise handelte die Europäische Union mit Ruanda ein Abkommen über die Vermarktung kritischer Rohstoffe aus; dies im Wissen darum, dass die von Ruanda auf dem internationalen Markt angebotenen Metalle aus Plünderungen in der Demokratischen Republik Kongo stammen, mit der Ruanda in einem kriegerischen Konflikt stand.

 

Kobalterz aus den kongolesischen Shabara-Minen, wo Tausende unter widrigsten Bedingungen in einer von Glencore kontrollierten Gegend graben. © Pascal Maitre / Panos Pictures

 

Am 27. Juni wurde in Washington unter Vermittlung der Trump-Regierung ein Friedensabkommen zwischen der DR Kongo und Ruanda unterzeichnet. Dieses Abkommen, dem Verhandlungen zwischen den amerikanischen und kongolesischen Behörden über den Abbau seltener Rohstoffe vorausgingen, entspricht der Logik von Präsident Trump, Frieden gegen strategische Mineralien einzutauschen. Die Regierung des Geschäftsmanns Trump erklärt sich bereit, die Aggression des Nachbarlandes Ruanda gegen die Demokratische Republik Kongo zu beenden, unter der Bedingung, dass diese beim Abbau ihrer Bodenschätze mit den Vereinigten Staaten kooperiert. Es ist allzu offenkundig, dass dieses von Donald Trump so hochgelobte Abkommen in Wirklichkeit lediglich dazu dient, den USA Zugang zu den unverzichtbaren Mineralien zu verschaffen.

 

Die multinationalen Unternehmen sind vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben und weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

 

Ein solches Abkommen wird unweigerlich sowohl zu einem «Frieden ohne Brot» als auch zu Konflikten zwischen den Grossmächten auf afrikanischem Boden führen. Dies umso mehr, als die multinationalen Unternehmen, die sich im Kongo ansiedeln dürften, vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben sind und deshalb die abgebauten Rohstoffe ausführen werden, um sie in ihren jeweiligen Ländern zu verarbeiten. Sie sind weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

Mit dem Konflikt der Grossmächte, insbesondere zwischen der EU und den USA, der sich auf kongolesischem Boden anbahnt, könnte sich wiederholen, was sich 1997 in Kongo-Brazzaville zutrug. Dort wurde damals eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt, weil Präsident Lisouba Ölförderabkommen mit amerikanischen Unternehmen unterzeichnet hatte, zum Nachteil der französischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten im Land ansässig waren. Letztere zögerten nicht, den ehemaligen Präsidenten Sassou-Nguessou wieder zu bewaffnen, mit dem Ziel, Pascal Lisouba zu stürzen. Der Krieg, der ausbrach und hunderttausende Menschenleben forderte, führte zu ebenso vielen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen und wurde später als ethnischer Krieg bezeichnet.

Ein weiteres Beispiel ist das von den Vereinigten Staaten initiierte und von der EU unterstützte Megaprojekt zum Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia bis zum Hafen von Lobito in Angola. Das vom ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden in den letzten Tagen seiner Amtszeit in Angola eingeweihte Projekt hat zum Ziel, die Transportwege für Rohstoffe zu verkürzen. Es erinnert an die Projekte der Kolonialzeit, als Strassen und Eisenbahnen nicht mit dem Zweck gebaut wurden, die Kolonien zu erschliessen und zu entwickeln, sondern um die Bergbaugebiete oder -regionen mit den Ozeanen und Meeren zu verbinden und so den Transport von Rohstoffen in die Metropolen zu erleichtern.

 

Tiefgreifende Reformen müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren.

 

Die jungen Afrikaner:innen, die täglich zusehen müssen, wie Tausende von Containern mit diesen Reichtümern den Kontinent in Richtung ferner Ziele (Europa, USA, Kanada, China…) verlassen, fordern tiefgreifende Reformen. Diese müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren. Insbesondere müssen die Gewinne aus den strategischen Reserven an Transitionsmineralien zugunsten der Abbauländer maximiert werden, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bergbaus zu verringern.

Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen

Es ist deswegen höchste Zeit, die verschiedenen internationalen Massnahmen umzusetzen, die in den Schubladen der Vereinten Nationen schlummern, wie die Leitprinzipien der UNO für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitlinien der Expert:innengruppe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu Mineralien, die für die Energiewende unerlässlich sind.

 

Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

 

Engagements wie die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz sind dringend zu unterstützen. Der Erfolg solcher Initiativen hängt auch von ausreichender Sensibilisierung der Bevölkerung über die menschlichen Dramen und Umweltschäden, die im Bergbausektor in Afrika verursacht werden, ab. Solche Initiativen unterstützen die Zivilgesellschaft in den afrikanischen Ländern, die sich Tag und Nacht für die Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Bergbauunternehmen einsetzt.

Beim Abschluss von Bergbauverträgen, die oft undurchsichtig sind und den lokalen Gemeinschaften unbekannt bleiben, befinden sich die Rohstoffmultis in einer Machtposition. Sie nutzen diese, um die Rechte der Bevölkerung und gute Geschäftspraktiken zu umgehen. Weder die Grundregeln der öffentlichen Gesundheit noch die Rechte der lokalen Bevölkerung werden berücksichtigt. So sind sie die Ursache für Luftverschmutzung und Wasservergiftung, welche Krankheiten verursachen, die der Bevölkerung oft unbekannt sind, Menschenleben kosten und die Krise der öffentlichen Gesundheit noch verschärfen.

Die afrikanische Bevölkerung wartet noch immer darauf, dass die Länder des Nordens die Rolle Afrikas anerkennen. Diese Rolle verdient Klimafinanzierung und Ausgleichszahlungen für die Anstrengungen, die von der Bevölkerung im Bereich des Umweltschutzes verlangt werden. Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

Global Logo

global

Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.