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Alles in einem Fall

20.01.2020, Finanzen und Steuern

Die «Luanda Leaks» zeigen umfassend wie selten zuvor, wie Gesetzeslücken im Schweizer Abwehrdispositiv gegen Steuervermeidung, Geldwäscherei und Korruption ausgenützt werden können – einmal mehr auf Kosten der Ärmsten weltweit.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Alles in einem Fall

© ICIJ

Die am 19. Januar 2020 vom International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) unter dem Hashtag #LuandaLeaks präsentierte Recherche stellt nicht zuletzt all jene bloss, die glauben, der Schweizer Finanz- und Konzernplatz sei nach den Reformen der letzten zehn Jahre «sauber» geworden. Trotz Lockerung des Bankgeheimnisses, mehrerer Reformen des Geldwäschereigesetzes, der Schaffung eines Potentatengeldergesetzes und der Verabschiedung einer Unternehmenssteuerreform (STAF) sind Schweizer Gesetze im Steuer- und Finanzbereich weiterhin ganz offensichtlich unzureichend, um solche Fälle zu verhindern. Die Luanda Leaks erzählen von Korruption, Geldwäscherei und Steuervermeidung, von Praktiken, die den Schweizer Finanz- und Konzernplatz und sein Geschäftsmodell zu einem der schädlichsten der Welt machen. Wer sich im Kampf gegen Ungleichheit und für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung engagieren will, wird mit diesem Fall daran erinnert: Ohne einen grundlegenden Wandel im globalen Finanzsystem wird es nicht gehen.

Wie der britische Guardian berichtet, zahlte der staatlich kontrollierte angolanische Diamantenhändler Sodiam an den Schweizer Juwelier De Grisogono in Genf hohe Darlehen, ohne dafür Gegenleistungen zu erhalten. Der Diamantenhändler im Hochsteuerland Angola zahlte indirekt über andere Steueroasen hohe Darlehen an den unprofitablen Juwelier De Grisogono im intransparenten Tiefsteuerkanton Genf. Was dort mit dem Geld aus Angola genau passierte, ist allerdings unklar. Um dies nachvollziehen zu können, sind die Jahresberichte Schweizer Firmen zu intransparent. Gesichert ist, dass De Grisogono in Genf trotz der Zuschüsse aus Angola über Jahre hinweg Verluste schrieb.Der Fall ist insofern speziell dreist, als der Hauptinvestor der unprofitablen Firma in Angola der angolanische Staat selbst war. Die Allgemeinheit in Angola wurde gleich doppelt betrogen: Durch den Geldabfluss infolge gefakter Investitionen und durch die dem Fiskus entzogenen Millionenbeträge. Organisiert und orchestriert wurde das Ganze laut dem Tages-Anzeiger neben den grossen global tätigen Beratungsfirmen wie PWC oder KPMG von einem Anwalt mit CVP-Parteibuch in Zug.

Dieser Fall zeigt in dramatischer Weise, dass Reformen in der Schweizer Steuer- und Finanzpolitik, die auch den armen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika zug Gute kommen, äusserst dringend bleiben: Die Lücken im Geldwäschereigesetz, die es Schweizer Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen nach wie vor erlauben, unbehelligt in hochdubiosen Geschäften wie jenem von Sodiam und De Grisogono tätig zu sein, müssen dringend geschlossen werden. Weiter muss die Schweiz die Bemühungen in der EU und der OECD um öffentliche Register für wirtschaftlich Berechtigte unterstützen. Solche Register machen die Profiteure von Offshorestrukturen sichtbar – in diesem Fall Isabel dos Santos, die Tochter des früheren angolanischen Präsidenten und ihr Ehemann Sindika Dokolo.

Die Luanda Leaks zeigen zudem, wie auch ganz normale Holdingfirmen in der Schweiz in Strukturen integriert werden können, die von einer atemberaubenden kriminellen Energie ihrer ErbauerInnen zeugen. Daran ändert auch die jüngste Unternehmenssteuerreform im Rahmen der STAF nichts, die auf Bundesebene seit dem 1. Januar in Kraft ist und in den Kantonen zurzeit umgesetzt wird. Zwar bezahlen Schweizer Holdingsunter dem neuen Regime der Konzernbesteuerung in der Regel etwas mehr Steuern, die Integration in komplexe Offshorestrukturen, die der Steuervermeidung und Kleptokratie dienen, unterbindet die STAF aber mitnichten. Mit der STAF werden zudem neu Steuerprivilegien eingeführt, die Konzernen bei Zuzug in die Schweiz durch die Verschiebung von Firmensitzen oder Zusammenschlüssen massive Steuereinsparungen erlauben („Abzug stiller Reserven bei Zuzug“). Auch diese erweisen sich im Kontext der Luanda Leaks als äusserst fragwürdig.  

Schliesslich zeigt dieser Fall auch, wie wichtig es ist, dass die reiche Schweiz arme Länder dabei unterstützt, die internationalen Standards im Bereich der Steuertransparenz zu erfüllen und damit von den entsprechenden internationalen Datenaustauschprogrammen profitieren zu können. So ist zum Beispiel Angola weder Teil des Schweizer Netzwerkes zum internationalen automatischen Austausch von Bankkundendaten (AIA) noch jenem für die länderbezogene Berichterstattung multinationaler Konzerne (ALBA/Country-by-Country-Reporting (CbCR)). Mit dem Zugang zu diesen Informationssystemen könnten die angolanischen Steuerbehörden eruieren, ob potente SteuerzahlerInnen ihre Einkommen und Gewinne in Angola gesetzeskonform versteuern, oder sie, wie in diesem Fall, fern ihrer Heimat in transnationalen Offshorekonstrukten verstecken, die auch von der Schweiz aus betrieben werden.

Für weitere Informationen:
Dominik Gross, Experte für Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud: +4178 838 40 79