Artikel teilen
Meinung
Der Globale Süden darf nicht von der Bildfläche verschwinden
01.02.2024, Weitere Themen
Bundesrat Albert Rösti will die Radio- und Fernsehabgabe deutlich senken. Ein solcher Schritt würde die Berichterstattung über vergessene Länder und Krisen weiter schwächen – und dadurch auch das Verständnis für globale Zusammenhänge und die Rolle der Schweiz.
Die vorgesehene Änderung der Radio- und Fernsehverordnung umfasst eine schrittweise Senkung der Abgabe von 335 auf 300 Franken pro Haushalt bis zum Jahr 2029 und die Befreiung weiterer Unternehmen von der Abgabepflicht. Seit 2019 zahlen Betriebe mit einem jährlichen mehrwertsteuerpflichtigen Gesamtumsatz bis 500'000 Franken keine Abgabe mehr. Neu soll diese Limite auf 1.2 Millionen Franken Jahresumsatz erhöht werden.
Durch diesen Kompromissvorschlag soll der Volksinitiative «200 Franken sind genug!» («SRG-Initiative») Wind aus den Segeln genommen werden. Dadurch legitimiert der Bundesrat aber auch einen Abbau, der verheerende Folgen für die umfassende Informiertheit der Bevölkerung haben würde.
Für die aussenpolitische Information der Bevölkerung ist nämlich der Leistungsauftrag der SRG zentral, wie auch Bundesrat Ignazio Cassis kürzlich in der Fragestunde des Parlaments betont hat. Laut Art. 6 der Konzession für die SRG SSR soll diese in ihren Informationsangeboten für eine umfassende, vielfältige und sachgerechte Berichterstattung sorgen. Sie soll insbesondere über politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und soziale Zusammenhänge informieren und den Schwerpunkt auf die Darstellung und Erklärung des Geschehens auf internationaler, nationaler und sprachregionaler Ebene legen.
Bei entwicklungspolitischen Themen haben immer weniger Medien die nötigen Ressourcen, um dies zu tun. Gemäss Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög) nehmen die Auslandberichterstattung und deren geographische Vielfalt in der Schweiz seit Jahren zunehmend ab. Auch die SRG beschränkt sich laut einer Studie immer mehr auf einzelne Regionen und Krisen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Dies, obwohl laut einer Umfrage der ETH 46% der Befragten im Jahr 2022 angegeben haben, dass sie gerne mehr über die Lebensumstände an anderen Orten der Welt erfahren würden.
Das Aussendepartement hat leider schon mehrmals gezeigt, dass es dieses Anliegen sträflich ignoriert: Es hat den NGOs verboten, Programmbeiträge des Bundes für die Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit im Inland zu verwenden. Zudem hat es seine eigene Zeitschrift «Eine Welt» und die Finanzierung für die Medienförderung der Vereine «real21» und «En Quête d’Ailleurs» eingestellt.
Eine Senkung der Abgabe würde die Informationsangebote und insbesondere die Ausland-berichterstattung über den Globalen Süden zusätzlich schwächen. Dies ganz besonders in der lateinischen Schweiz, da die Auslandberichterstattung kosten- und ressourcenintensiv ist. In seinem letzten Buch hat auch der kürzlich verstorbene Tessiner Politiker Dick Marty auf blinde Flecken in der Medienberichterstattung hingewiesen und dafür plädiert, dass uns die Lage im Jemen oder in Äthiopien nicht egal sein darf.
Das Verständnis der Bevölkerung für globale Zusammenhänge und die Aufmerksamkeit für vergessene Krisen und komplexere entwicklungspolitische Themen ist eine Voraussetzung für die informierte Meinungsbildung in einer international stark vernetzten Schweiz. Im Zeitalter der Desinformation und der Finanzierungskrise des Journalismus ist ein gewichtiger, unnötiger Abbau des medialen Service public deshalb auch ein Angriff auf die Demokratie.