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Mit kleinen Schritten zu mehr Steuertransparenz

05.10.2020, Finanzen und Steuern

Seit Juli ist es amtlich bestätigt: Die Schweiz gehört zu den grossen Gewinnerinnen des globalen Gewinnverschiebungsspiels multinationaler Konzerne. Rechtliche Schritte für mehr Steuertransparenz lassen indes weiter auf sich warten.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Mit kleinen Schritten zu mehr Steuertransparenz

Pflegepersonal im Ronald Ross Spital in Mufulira, Sambia, wo Glencore eine grosse Kupfermine betreibt.
© Jason Larkin / Panos

Erstmals hat die OECD im Juli aggregierte Steuerdaten von Konzernen veröffentlicht. Und damit ein kleines bisschen Licht in die Blackbox geworfen, die das internationale Steuersystem für multinationale Konzerne nach wie vor darstellt. Ohne Transparenzvorschriften in der Rechnungslegung der Konzerne bleibt es für Aussenstehende allerdings weiterhin schwierig, die Steuerstrategien der grossen Unternehmen nachvollziehen zu können und auf Gewinnverschiebungs- und andere Steuervermeidungsaktivitäten hinzuweisen. Hier hilft auch das seit 2016 in vielen Ländern – seit 2017 auch in der Schweiz – eingeführte Country-by-Country-Reporting (CbCR) zwischen nationalen Steuerbehörden nur wenig.

Das CbCR für Steuerämter war nur ein kleiner Schritt in Richtung mehr Transparenz im globalen Steuersystem für multinationale Konzerne. Erstens weil ausgerechnet jene Länder im globalen Süden nicht von diesem Instrument profitieren können, in denen Konzernsteuervermeidung die negativsten Folgen zeitigt. Sie bleiben von diesem Informationsaustausch ausgeschlossen, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen (können). Zweitens ist es auch bei Steuerbehörden umstritten, ob dieser beschränkte Informationsaustausch von einigen Daten aus den Konzernbuchhaltungen wirklich genug Informationen liefert, um die Gewinnverschiebungen zwischen unterschiedlichen Einheiten in verschiedenen Ländern desselben Konzerns wirklich nachvollziehen zu können. Und selbst wenn die Behörden dazu fähig sind: Vielerorts fehlen die rechtlichen Grundlagen, um dagegen auch vorgehen zu können. Drittens ist dieses System eines ohne demokratische Checks & Balances: Öffentliche Institutionen, die mit Wirtschaftspolitik zu tun haben, befinden sich häufig im Sandwich zwischen Standortförderung und Sanktionierung von unlauteren Aktivitäten der Unternehmen. Auch deshalb sollten CbCR-Daten veröffentlicht werden, um es Journalistinnen, Wissenschaftlern, NGOs, Aktivisten und Politikerinnen zu ermöglichen, die entsprechenden Aktivitäten der Konzerne nachvollziehen zu können. Sie könnten so von den Konzernen Rechenschaft verlangen, ohne auf die Behörden angewiesen zu sein.

Trotz allem bringen die im Juli 2020 erstmals veröffentlichten OECD-Daten zu den Steueraufkommen von Konzernen in jenen Ländern, die am Informationsaustausch teilnehmen, ein wenig mehr Transparenz. Obwohl diese Daten aus dem ersten Berichtsjahr überhaupt stammen (2016) und erst Daten aus 26 Ländern und von 4000 Unternehmen beinhalten, wird damit einmal mehr deutlich: Der Schweizer Fiskus gehört zu den Hauptprofiteuren des dysfunktionalen globalen Steuersystems, das es multinationalen Konzernen ermöglicht, ihre Profite nicht dort zu versteuern, wo sie erarbeitet werden, sondern dort, wo sie sich am billigsten versteuern lassen – unter anderen eben in den Schweizer Tiefsteuerkantonen. Gleichzeitig ist die Informationslage zu den Steuerpraktiken der hiesigen Konzerne hierzulande noch schlechter als in EU-Tiefsteuergebieten wie Irland, den Niederlanden oder Luxemburg. Der Grund: Die Rechnungslegungspflichten verlangen in der Schweiz von Unternehmen noch weniger Transparenz über interne Finanzflüsse als das zum Beispiel in der EU der Fall ist. Umso dringlicher ist es, in der Schweiz mehr Steuertransparenz für Konzerne einzuführen.

Bekanntlich ist die Schweiz im Bereich der Steuerpolitik nur zu Fortschritten bereit, wenn sie aus dem Ausland unter entsprechenden Druck gesetzt wird. Ob sich dort in naher Zukunft etwas bewegt, ist zurzeit schwer vorauszusagen: Im November 2019 scheiterte im EU-Ministerrat in Brüssel ein Vorschlag der EU-Kommission und des Parlaments für ein öffentliches CbCR an der Stimmenthaltung des deutschen Finanzministers. Dieser heisst Olaf Scholz, ist Sozialdemokrat und 2021 Kanzlerkandidat der SPD. Ohne Unterstützung Deutschlands wird aber ein öffentliches CbCR auch in Brüssel in den nächsten Jahren nicht zu haben sein.

Mehr Steuergerechtigkeit in der und durch die Schweiz liegt notabene nicht nur im Interesse der Allgemeinheit im geprellten Ausland, sondern ist auch innenpolitisch sinnvoll: Eine Veröffentlichung von CbCR-Daten würde es einfacher machen, die Steueroptimierungspraktiken von Konzernen nachzuvollziehen, die nicht nur Staaten gegeneinander ausspielen, sondern auch Schweizer Kantone.