Meinung

Schielen aufs Entwicklungsbudget

05.10.2015, Entwicklungsfinanzierung

Das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit schrumpft nicht nur. Es wird auch zusehends zum Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen.

Schielen aufs Entwicklungsbudget

© Daniel Rihs / Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Ende September verabschiedet die Uno die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung. Ein ambitiöser Zielkatalog soll bis in 15 Jahren nicht nur die Entwicklungsländer, sondern die gesamte Welt auf den Weg in eine sozial und ökologisch nachhaltige Zukunft führen. Die offizielle Schweiz brüstet sich damit, erfolgreich zur Ausarbeitung dieses Zielkatalogs beigetragen zu haben, und verspricht, sich aktiv an der Umsetzung zu beteiligen.
Dazu passt ausgesprochen schlecht, dass der Bundesrat ausgerechnet jetzt die Mittel für die internationale Zusammenarbeit massiv kürzen will. Sein Entwurf für das Bundesbudget 2016 sieht bei der Entwicklungszusammenarbeit im Süden und Osten Einsparungen von rund 85 Millionen Franken vor. Dem Vernehmen nach werden auch die Rahmenkredite für die internationale Zusammenarbeit 2017-20 kaum Besserung bringen: Voraussichtlich werden die Entwicklungsausgaben des Bundes unter den vom Parlament geforderten 0.5 % des Bruttonationaleinkommens bleiben – und dies trotz steigender Asylkosten (welche sich die Schweiz bekanntlich international als Entwicklungshilfe anrechnen lässt).
Ursprünglich sollte auch der humanitären Hilfe das Geld gekürzt werden. Diesen unseligen Entscheid hat der Bundesrat inzwischen aber rückgängig gemacht. Er hat kürzlich angekündigt, er wolle dieses und nächstes Jahr rund 70 Millionen mehr als geplant für humanitäre und friedensfördernde Massnahmen gegen die aktuelle Flüchtlingskatastrophe einsetzen. Die schlechte Nachricht: Ein Teil der Ausgaben soll ebenfalls zu Lasten der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen. Deren Budget schrumpft also gleich nochmals. Offensichtlich kommt dem Bundesrat nichts Besseres in den Sinn, als dringend benötigte Krisenhilfe zu Lasten der Ursachenbekämpfung von Armut und Not zu finanzieren.
Das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz schrumpft aber nicht nur, sondern wird zusehends zum Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen. Es wird schonungslos für die Klimafinanzierung benutzt und immer mehr auch für die Exportförderung. Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll auch der wirtschaftspolitisch wünschenswerte, entwicklungspolitisch aber höchst fragwürdige Beitritt der Schweiz zur asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB daraus berappt werden.
Deza-Direktor Manuel Sager, der uns in diesem Heft ein Interview gibt, bedauert zwar, dass solche Übergriffe die erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz gefährden. Er handelt wie ein ausgesprochen netter und hochanständiger Zeitgenosse. So anständig, dass er sich in politische Verteilungskämpfe lieber nicht einmischen will. Es sei Sache der Politik und nicht der Bundesverwaltung, die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit vor dem finanziellen Ausbluten zu bewahren. Andere Bundesämter treten da deutlich offensiver auf.
Auf Alliance Sud kommt viel (Überzeugungs-)Arbeit zu. Als neuer Direktor des Think-and-do-Tanks der Schweizer Hilfswerke freue mich auf diese Herausforderung. Denn es fehlt uns nicht an guten Argumenten.

Artikel

Deza-Direktor Manuel Sager im Interview

07.10.2015, Entwicklungsfinanzierung

«Zusätzliche Klimahilfe ohne neue Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit schränkt bisherige Aufgaben ein», sagt Deza-Direktor im GLOBAL+-Gespräch.

Deza-Direktor Manuel Sager im Interview

Deza-Direktor Manuel Sager
© Daniel Rihs / Alliance Sud

Mit seiner Aussage «Die Klimazahlungen werden aus Entwicklungsbudget bezahlt werden» provozierte Bruno Oberle, Direktor des Bundesamts für Umwelt in der letzten GLOBAL+-Ausgabe. Deza-Direktor Manuel Sager repliziert diplomatisch: Diesen Entscheid treffen Bundesrat und Parlament, nicht Amtsdirektoren.

GLOBAL+: Haben Sie noch Hoffnung, dass an der Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris ein griffiges Abkommen herauskommt?
Manuel Sager: So wie es jetzt – aufgrund der zugesagten CO₂-Reduktionsverpflichtungen – aussieht, ist man noch ziemlich weit von einem verbindlichen Abkommen entfernt. Das ist aber oft so bei internationalen Verhandlungen: Erfolge müssen erdauert, erstritten werden. Und oft kommt eine Einigung erst an der Verhandlung selbst zustande. Sicher habe ich noch Hoffnung!  


Bundesrätin Leuthard will bis zu 20% der Reduktion der Schweizer Treibhausgasemissionen über Entwicklungsprojekte im Ausland erreichen. Man schielt also im federführenden Bundesamt für Umwelt (Bafu) ganz offen zur Deza hinüber…
Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit hat per Gesetz den Auftrag der Armutsbekämpfung. Wenn Mitigations- und Klimaanpassungsmassnahmen zur Armutsreduktion beitragen, sind sie durchaus auf der Linie dessen, was wir bereits machen.

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Aber Klimamassnahmen sind ja nie auch zu 100% Armutsbekämpfungsmassnahmen. Wenn man mit den Deza-Geldern plötzlich viel mehr Klimaprojekte machen muss, dann müssen zwingend andernorts Abstriche gemacht werden. Ist die Deza in diesem Punkt tatsächlich auf derselben Linie wie das Bafu?
Man wird projektbezogen schauen müssen, was der Anteil an konkreter Armutsbekämpfung ist. Und welche Massnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in armen Ländern tatsächlich mit den Folgen des Klimawandels zusammenhängen.

Werden Sie dafür kämpfen, dass die Armutsbekämpfung im Zentrum des Deza-Auftrags bleibt?
Die Armutsbekämpfung ist unser Auftrag, den wir vom Parlament haben. Wir setzen um, was uns das Parlament und der Bundesrat vorgeben. Und im Moment sehe ich keine Anzeichen, dass sich am Auftrag der Armutsbekämpfung irgendetwas ändern sollte – in gesetzlicher Hinsicht schon gar nicht.

Im GLOBAL+-Interview mit Bafu-Direktor Bruno Oberle (Nr. 58, Sommer 2015) entstand der Eindruck, dass gewisse politische Entscheide bereits getroffen wurden: Das Umweltproblem «Klimawandel» soll über die Deza-Finanzierung angegangen werden. Oder zugespitzt gesagt: das Bafu verhandelt auf internationaler Ebene und macht Zusagen; ausführen muss es dann aber die Deza.
Zwar ist es auch mein Verständnis, dass Klimamassnahmen in Verbindung mit Armutsbekämpfung bei der Deza bleiben. Wie hoch diese Beträge aber schliesslich sein werden, was als Armutsbekämpfung betrachtet werden kann und was eben ausserhalb unseres Mandates liegen würde, das muss man im Einzelfall prüfen. Hier können die Auffassungen natürlich auseinandergehen, ja! Aber letztlich bestimmt der Bundesrat das Verhandlungsmandat.

Fakt ist, dass es für den internationalen Klimaschutz mehr und zusätzliche Finanzmittel braucht. Ohne Erhöhung des Budgets wird das zwingend zu Abstrichen bei Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit führen. Da müsste sich die Deza doch stark machen für eine Aufstockung der Entwicklungsgelder auf zumindest den versprochenen 0.7%-Anteil am Bruttonationaleinkommen.
Gut, der Bundesrat hat das Uno-Ziel der 0.7% akzeptiert, allerdings ohne zeitlichen Horizont. Das Parlament wird letztlich entscheiden, wann dieses Ziel umgesetzt werden wird.

Die Industrieländer sind die Hauptverursacher des Klimawandels. Also müssten die Mittel zur Behebung des Problems doch bei den Verursachern mobilisiert werden, zum Beispiel via eine erhöhte CO2-Abgabe oder die Besteuerung des Flugverkehrs?
Die Frage, wie wir in der Schweiz zusätzliche Mittel generieren, erfordert eine breite gesellschaftspolitische Debatte. Wichtig wird jedoch vor allem die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sein. Wie in anderen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit müssen öffentliche Mittel vor allem als Katalysator wirken, um in Partnerschaft mit dem Privatsektor innovative Technologien, den Wissenstransfer und Direktinvestitionen zu fördern. Es geht nicht einfach darum, [mit öffentlichen Mitteln] zum Beispiel höhere Dämme gegen Überschwemmungen zu bauen. Vielfach geht es auch um eine Verbesserung der Regierungsführung, Fragen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche Privatinvestitionen oder Technologietransfers ermöglichen.
Ich bin überzeugt, dass der grösste Teil der Klimafinanzierung über marktwirtschaftliche Instrumente kommen muss, weil – wie gesagt – die öffentlichen Gelder nie ausreichen werden, die 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren oder wie viele es dann sein werden bis 2020.

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Kann man den privaten Sektor tatsächlich dazu bringen, in den ärmsten Ländern in Klimaschutzmassnahmen zu investieren?
Es gilt, positiv auf die Rahmenbedingungen einzuwirken. Dazu gehören der Kampf gegen die Korruption oder die Einrichtung besserer Steuersysteme, die es den Entwicklungsländern erlauben, sich selber besser zu finanzieren, um öffentliche Dienstleistungen und Güter bereitzustellen. Ich bin überzeugt, dass ohne starken Privatsektor keine wirtschaftliche Entwicklung möglich ist – das ist bei uns so, und auch in Entwicklungsländern. Darum ist es wichtig, in den Entwicklungsländern Arbeitsplätze zu schaffen. Das kann auf verschiedene Arten geschehen: Entweder indem man den lokalen Privatsektor stärkt – das machen wir ja auch – oder man fokussiert wie gesagt auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, die ausländische Investitionen zulassen.
Wichtig ist, dass es zu einem inklusiven Wachstum kommt und nicht einfach eine Elite profitiert, oder dass Gewinne wieder ins Ausland abfliessen. Ich sehe es als Aufgabe der Deza, im Dialog in diesen Partnerschaften daraufhin zu wirken, dass die privaten Unternehmen ihre sozialen und Umweltverantwortungen wahrnehmen.

Ziel und Zweck von Privatunternehmen ist es, Gewinne zu erwirtschaften, und nicht die inklusive Entwicklung zu fördern. Kein Unternehmen wird freiwillig in die öffentliche Infrastruktur, zum Beispiel einen Damm gegen den ansteigenden Meeresspiegel, investieren.
Das ist sicher so. Ob ein Schutzdamm gebaut wird oder nicht, hängt davon ab, ob ein Staat die notwendigen Ressourcen dafür aufbringen kann. Ob es da nicht auch privat-öffentliche Partnerschaftsmodelle gibt, die erlauben, solche Projekte mit privaten Mitteln – mit einer gewinnorientierten Komponente – aufzubauen, das gilt es eben zu prüfen.

Der Bau von Lawinenverbauungen in der Schweiz ist ja auch kein «Business Case» mit «Return-on-Investment». Solche Investitionen muss der Staat machen. Wieso soll das in Entwicklungsländern anders sein?
Einverstanden, es wird weiterhin Aufgaben geben, z.B. im Gesundheits- oder Bildungsbereich, die staatliche Aufgaben sind; dort wird es schwierig sein, ein Businessmodell zu entwickeln. Andererseits,  je eher ein Staat fähig ist, Einkommen zu generieren – z.B. über die Besteuerung ausländischer Investitionen sowie eines starken inländischen Privatsektors – und sich so selber zu finanzieren, desto eher ist er in der Lage, Schutzdämme, Schulen, Krankenhäuser zu bauen.  Man kann zwar den Privatsektor nicht als Akteur der Entwicklungszusammenarbeit sehen. Das wäre falsch. Da würden wir ihm eine Rolle geben, die ihm nicht zukommt. Doch ich bin überzeugt, dass heute viele Unternehmer einsehen, dass sich die soziale und ökologische Verantwortung von Firmen und die Gewinnerzeugung nicht gegenseitig ausschliessen.

Aber es ist doch bedenklich, dass es kaum positive Beispiele gibt, wo solche öffentlich-privaten Partnerschaften tatsächlich auf längere Sicht Erfolg haben. Kommt dazu, dass sich beim Klimawandel der Finanzbedarf in ganz anderen  Grössenordnungen bewegt.
In der Tat ist es nicht die primäre Verantwortung des Privatsektors, den Klimawandel zu verhindern. Aber es liegt in seiner Verantwortung, seine Tätigkeit sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Das ist ein Unterschied!

Es bleiben also Fragezeichen, wie der Klimawandel und dessen Auswirkungen durch den Privatsektor behoben werden sollen. Vorbereitet werden solche Entscheide schon jetzt auf Ämterebene. Laut Bafu setzt die Schweiz zu 70% auf die Finanzierung durch private Unternehmen. Und bei den 30% öffentlicher Mittel schaut man aufs Deza-Budget. Und die Haltung des Bafu ist klar: Die Deza muss umdenken. Gehörten früher etwa auch Genderfragen zu den Prioritäten der Entwicklungszusammenarbeit, so muss es in Zukunft das Klima sein.
Letztlich werden die Entscheide nicht von Bundesämtern, sondern auf der Ebene Bundesrat und im Parlament getroffen.  Wobei die internationalen Rahmenvorgaben, wie die Uno-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (SDG), eine wichtige Rolle spielen. Dort ist das Klima eines unter 17 Zielen. Nochmals: Die Gewichtung bei der Umsetzung wird Gegenstand der politischen Debatte sein müssen.

Es ist ja genau an der Deza, die Schwerpunkte bei den Entwicklungsaufgaben zu setzen!
Genau, und unser gesetzliche Auftrag ist die Armutsbekämpfung. Für das gibt uns das Parlament alle vier Jahre unseren Rahmenkredit.

Ausser Deutschland, welches seine Klimagelder verdoppelt und die anrechenbaren öffentlichen Entwicklungsausgaben massiv aufstockt, folgt die Schweiz dem Trend der anderen Industrieländer: Klimafinanzforderungen werden ohne Aufstockung zunehmend und unter dem Deckmantel der Armutsbekämpfung mit Entwicklungsgeldern finanziert. Ist es nicht eine Zweckentfremdung, wenn Entwicklungsbudgets für die Klima-Schadensbehebung der Industrieländer eingesetzt werden?
Wenn für zusätzliche Aufgaben keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stehen, können Tätigkeiten der Entwicklungszusammenarbeit, die bisher für wichtig und wirksam betrachtet wurden, nicht mehr weitergeführt werden.

Angesichts der Flüchtlingskrise wäre jetzt doch der ideale Zeitpunkt, die Aufstockung unseres finanziellen Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit auf den Tisch zu bringen!
Ich finde, es gibt nur gute Zeitpunkte, um über eine Erhöhung der Entwicklungsbudgets zu reden. Aber es stimmt: Der Ruf nach internationaler Zusammenarbeit wird durch die Flüchtlingsströme lauter.  Ich denke, die Schweiz und ihre Bevölkerung sind grosszügig. Vor allem was die Solidarität mit armen Menschen angeht.

Kommen wir abschliessend nochmals auf die Klimakonferenz in Paris zu sprechen: Wie aktiv wird die Deza in die Vorbereitung des Mandats für die Delegation einbezogen? Täuscht unser Eindruck oder wird die Deza in diesen Konsultation überfahren?
Ich bin jetzt seit zehn Monaten in meinem Amt, habe mich aber bis jetzt eigentlich noch nie überfahren gefühlt. Nein, ich glaube, das sind jeweils gute Diskussionen, in denen man versucht, einen Interessenausgleich zu finden. Das ist unser System in der Schweiz, auf allen Ebenen, und ich glaube das funktioniert gut.

Alliance Sud wird jedenfalls den Druck aufrechterhalten, dass die Gelder der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für deren Kernaufgaben eingesetzt werden.
Die Zivilgesellschaft spielt mit ihrer Anwaltschaft für die Armutsbekämpfung in diesen ganzen Diskussionen eine wichtige Rolle. Das ist ganz klar!

Manuel Sager, danke für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klima und Umwelt» und Daniel Hitzig, ehemaliger Medienverantwortlicher Alliance Sud.

Das Interview ist in der Herbstausgabe 2015 von GLOBAL+ erschienen.

Medienmitteilung

Kurzsichtige Politik – leere Versprechungen

12.11.2015, Entwicklungsfinanzierung

Die Finanzkommission des Ständerates heisst Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit gut. Alliance Sud kritisiert den Entscheid angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen als kurzsichtig.

Kurzsichtige Politik – leere Versprechungen

© Kurt Michel/pixelio.de

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Die Finanzkommission des Ständerates hat heute Kürzungen im Budget der Entwicklungszusammenarbeit gutgeheissen. Damit widerspricht sie dem früheren Parlamentsbeschluss, 0.5% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszwecke einzusetzen. Alliance Sud kritisiert die geplanten Kürzungen angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen als kurzsichtig.
In ihrer Medienmitteilung informierte die Finanzkommission des Ständerats heute über ihre Bera-tungen zum Voranschlag des Bundesbudgets 2016. Der Bundesrat sieht darin Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit von über 115 Millionen Franken vor. Die ständerätliche Finanzkommission akzeptiert diese Kürzungen widerspruchslos. Damit verpasst sie es, den Parlamentsbeschluss von 2008 zu bekräftigen, jährlich 0.5% des Bruttonationaleinkommens für die Entwick-lungszusammenarbeit auszugeben.
Die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit sind angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen unzumutbar. Ende September feierte die Schweiz in New York die Verabschiedung der Agenda 2030, die ambitionierte globale Ziele für die nachhaltige Entwicklung vorgibt. Diese Ziele werden ohne zusätzliche Gelder nicht erreicht werden können. Mit einer Kür-zung noch vor dem Inkrafttreten der neuen Agenda signalisiert die Schweiz bereits ihren fehlenden politischen Willen, die notwendigen Mittel zur Umsetzung der Agenda bereitzustellen.
Gleichzeitig zeigen globale Flüchtlingsströme, dass es dringend mehr Engagement braucht, um langfristig mitzuhelfen, die Ursachen von Armut und Not zu bekämpfen. Bundesrat Burkhalter sieht jedoch im Gegenteil vor, dringend notwendige Aufstockungen bei der humanitären Hilfe bei der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit zu kompensieren, anstatt sie über zusätzliche Gelder zu finanzieren. Eine solche Kompensation ist kurzsichtig. Denn: Wenn der Bundesrat heute bei der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit spart, muss er morgen wieder mehr Geld für kurzfristige Kriseneinsätze ausgeben.
Bereits am 5. November folgte die Aussenpolitische Kommission des Ständerats dem Vorschlag des Bundesrats, die Kosten des Beitritts der Schweiz zur Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) soweit als möglich im Budget der internationalen Zusammenarbeit zu kompensieren. Damit folgt sie dem Trend, Gelder, die für entwicklungspolitische Zwecke reserviert sind, für andere Interessen einzusetzen, in diesem Fall für die Exportförderung.

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Entwicklungshilfe: Erfolgreiche Petition für 0.7%

20.12.2015, Entwicklungsfinanzierung

Eine breite Mobilisierung stand am Anfang der schrittweisen Erhöhung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit bis 2015. Aufgrund einer Petition stimmte das Parlament einer Erhöhung auf 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu.

Entwicklungshilfe: Erfolgreiche Petition für 0.7%

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Die Kampagne «0.7% - Gemeinsam gegen Armut» stand am Anfang der schrittweisen Erhöhung der Schweizer Beiträge an die Entwicklungszusammenarbeit. Lanciert wurde sie 2004 von mehr als siebzig Organisationen, Gewerkschaften und Kirchen, koordiniert wurde die Petition durch Alliance Sud zu einer Zeit als drastische Kürzungen absehbar waren. Mit mehr als 200‘000 Unterschriften, die im Mai 2008 eingereicht wurden, war die Kampagne ein grosser Erfolg.

Breite Koalition und fruchtbares Lobbying

Gestützt auf diese breite Unterstützung aus der Bevölkerung konnte Alliance Sud im Parlament eine breite Koalition über verschiedene Parteien hinweg schmieden. Diese sprach sich für das Ziel aus, 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, ein höherer Wert wurde als politisch nicht durchsetzbar erachtet. Anfang 2008 betrug dieser Wert 0.37%, das Ziel des Bundesrats lag bei 0.4%. Dank des Lobbyings der Hilfswerke und dem Engagement von ParlamentarierInnen aus allen Lagern, gelang es, zuerst eine Mehrheit des Ständerats und schliesslich auch den Nationalrat von 0.5% zu überzeugen.


Widerstrebender Bundesrat, schliesslich Etappensieg

Zunächst ging es darum den Widerstand des Bundesrats zu brechen. Dieser führte  Budgetüberlegungen ins Feld und weigerte sich zunächst, dem Auftrag des Parlaments vom Dezember 2008 zu folgen und eine Botschaft für einen Zusatzkredit vorzulegen. Schliesslich zwang ihn der Ständerat dazu. Im Dezember 2010 wurde eine erste Tranche für den Zeitraum 2011-12 bewilligt, was der Nationalrat im Februar 2011 mit 106 gegen 79 Stimmen bestätigte.
Mit einem klaren Ja zur Botschaft des Bundesrats über die internationale Zusammenarbeit 2013-2016 bestätigte der Nationalrat schliesslich am 5. Juni 2012, dass das Budget der Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 auf 0.5% erhöht werden soll. 2015 erreichte dieser Wert schliesslich 0.52%. Ein Betrag, den es allerdings zu relativieren gilt, besteht ein beträchtlicher Teil doch aus «Phantomhilfe»: 13% der öffentlichen Entwicklungsgelder werden für das Asylwesen in der Schweiz aufgewendet, wovon Entwicklungsländer in keiner Weise profitieren.  

Ecopop verlangt Zweckbindung

Die Frage nach der Höhe der öffentlichen Entwicklungsausgaben kehrte im Herbst 2014 in die öffentliche Debatte zurück. Die hauptsächlich von Rechtsaussen-Kreisen lancierte Ecopop-Volksinitiative verlangte, dass die die jährliche Zuwanderung in die Schweiz auf 0.2% der Wohnbevölkerung beschränkt und 10% der Entwicklungsgelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werde.
Alliance Sud engagierte sich gemeinsam mit der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz gegen die zweite Forderung. Sie machte in der Öffentlichkeit klar, dass es den armen Ländern des Südens nicht an Empfängnisverhütungsmitteln fehle, sondern dass deren Bevölkerungen ungenügenden Zugang zu Gesundheit und Bildung hätten, sowie über zu geringe Einkommen verfügten.
Am 30. November 2014 schickten die Stimmberechtigten die Initiative mit 73%-Nein-Stimmen deutlich bachab. Die Medien sprachen danach von der Ecoflop-Initiative.

Kalte Dusche nach den nationalen Wahlen

Nach den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2015 verdüsterten sich die Aussichten für die Entwicklungszusammenarbeit erneut. Seit dem 18. Oktober verfügen SVP, FDP und verbündete Kleinstparteien zusammen mit 101 Sitzen über die absolute Mehrheit der 200 Sitze im Nationalrat.

Im Dezember 2015 bewahrheiteten sich die Befürchtungen von Alliance Sud: Im Budget für das Jahr 2016 stimmte der Nationalrat massiven Kürzungen von 115 Millionen CHF bei der Süd- und der Ostzusammenarbeit zu. Im Stabilisierungsprogramm 2017-2019 soll die Entwicklungszusammenarbeit die Hauptlast tragen.


Ermutigende Zeichen auf internationaler Ebene

Auf internationaler Ebene gibt es einen Hoffnungsschimmer gegen diese Kürzungen. Ende September 2015 wurden in New York in der Gegenwart von mehr als 150 Staats- und Regierungschefs die Agenda 2030 und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) verabschiedet. In Ziel 17 («Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft») wird bekräftigt, dass die entwickelten Länder 0.7% ihres BNE für Entwicklung einsetzen sollen.
Auf Uno-Ebene ersetzen die Ziele nachhaltiger Entwicklung die Millenniumsentwicklungsziele, die einseitig auf Armutsbekämpfung ausgerichtet waren. Die Agenda 2030 verpflichtet alle Länder, ihre Volkswirtschaften auf eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen auszurichten und auch in ihrem Inneren Ungleichheit zu bekämpfen.  

Hingegen fehlt in der Agenda 2030 weitgehend der Wille, verbindliche Mechanismen gegen Steueroptimierung und Steuerflucht durch multinationale Unternehmen einzuführen. Diese Praxis führt zu einer eigentlichen Ausblutung von Ländern des Südens. Die Annahme der Agenda 2030 ist jedoch ein starkes Zeichen für eine positive Dynamik unter den Uno-Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz.

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Stabilisierungsprogramm: Aussenpolitisch unklug

16.03.2016, Entwicklungsfinanzierung

Alliance Sud kritisiert, dass ein übergrosser Teil der Sparvorschläge zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit und der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen soll.

Stabilisierungsprogramm: Aussenpolitisch unklug

© Daniel Hitzig/Alliance Sud

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Die Zusammenfassung der Vernehmlassung von Alliance Sud zum Stabilisierungsprogramm 2017-19

Alliance Sud ist sich der Notwendigkeit bewusst, die Bundesfinanzen in Einklang mit der Schuldenbremse zu bringen, kritisiert aber den Umfang und die höchst ungleiche Verteilung der vorgeschlagenen Sparmassnahmen auf die verschiedenen Aufgabengebiete. Gleichzeitig begrüssen wir ausdrücklich, dass der vorliegende Stabilisierungsvorschlag den möglichen Bedarf an nochmals weiteren Einsparungen ab 2018 nicht bereits vorwegnimmt. Es macht Sinn, diesen in einem späteren Moment zeitnaher und angemessener zu evaluieren.
Nichtsdestotrotz lehnen wir das Stabilisierungsprogramm in der aktuell vorgeschlagenen Form dezidiert ab. Zu kritisieren ist nicht zuletzt der weitgehende Verzicht auf Massnahmen zur Erhöhung der Einnahmen und insbesondere auf eine Gegenfinanzierung der ab 2019 zu erwartenden Mindereinnahmen des Bundes durch die Unternehmenssteuerreform III. Unhaltbar ist aber vor allem die ungleiche Lastenverteilung des Stabilisierungspakets. Sie bedeutet eine kurzsichtige finanzpolitische Prioritätensetzung in der Bundespolitik auf Kosten des langfristigen Schweizer Interesses an einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Zukunft.
Dass ein übergrosser Teil der Sparvorschläge zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit und insbesondere der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen soll, ist aussen- und wirtschaftspolitisch unvernünftig. Mit den vorgeschlagenen Kürzungen der Entwicklungsausgaben verhindert der Bundesrat, dass die wirtschaftlich stark globalisierte Schweiz einen angemessenen Beitrag an eine zukunftsfähige Welt leistet. Er setzt mit seinem Vorschlag nicht nur das aussenpolitische Ansehen der Schweiz aufs Spiel, sondern vernachlässigt darüber hinaus auch die binnenwirtschaftliche Bedeutung der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit.
Zurückzuweisen sind schliesslich auch die geplanten Einsparungen im Bereich Bildung und Forschung. Sie gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zu dem die Bildung beiträgt, und die Leistungsfähigkeit des Forschungsplatzes Schweiz.

Die vollständige Vernehmlassung im Wortlaut zum Download.

Meinung

Entwicklungshilfe aus Eigennutz

22.03.2016, Entwicklungsfinanzierung

Das neu zusammengesetzte Parlament will die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt mit Schweizer Eigeninteressen verknüpfen.

Entwicklungshilfe aus Eigennutz

© Daniel Rihs/Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Die Finanzkommission des Nationalrates hat vor wenigen Wochen bei der Behandlung der neuen Legislaturziele beantragt, die öffentliche Entwicklungshilfe über die nächsten Jahre auf 0.3% des Nationaleinkommens zu kürzen. Das würde eine Halbierung der Ausgaben für die eigentliche Entwicklungszusammenarbeit im Ausland bedeuten. Die Hilfe an Asylsuchende im Inland, die von der Schweiz unsinnigerweise auch zu den Entwicklungsausgaben gezählt wird, würde dann fast ein Drittel dieser Ausgaben ausmachen.
Im Nationalrat selbst wird der radikale Kürzungsvorschlag der Finanzkommision kaum eine Mehrheit finden. Aus bürgerlichen Kreisen ist jedoch zu vernehmen, man werde bei den langfristigen Entwicklungsprogrammen durchaus Einsparungen fordern, um mehr Geld in die kurzfristige humanitären Krisenhilfe fliessen zu lassen. Ausserdem sei die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt mit Schweizer Eigeninteressen zu verknüpfen, namentlich mit Migrationspartnerschaften und Rückführungsabkommen für Asylsuchende.
Erklärter Zweck dieser Forderungen ist die «Hilfe vor Ort». Gemeint ist jedoch Hilfe für eine Schweiz, die Menschen in Not von der Migration abhalten oder sie rasch wieder ins Heimatland verfrachten will. Das widerspricht klar dem gesetzlich verankerten Zweck der Entwicklungszusammenarbeit, Menschen in benachteiligten Länder aus Solidarität zu besseren Lebensbedingungen zu verhelfen. Gleichzeitig verfehlen die verlangten Massnahmen aber auch die Absicht, den Migrationsdruck zu lindern.
Die Forderung, Mittel aus langfristigen Entwicklungsprogrammen in die humanitäre Krisenhilfe zu verlagern, rennt offene Türen ein. Der Bundesrat beantragt mit der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-20 nämlich bereits eine Aufstockung der humanitären Hilfe. Gleichzeitig behält er sich die Möglichkeit vor, bei Bedarf weitere 120 Millionen Franken für kurzfristige Nothilfeeinsätze zu verwenden. Die Mittel dafür sollen aus dem bereits massiv gekürzten Budget für langfristige bilaterale Entwicklungsprogramme stammen.
Die geplante Verlagerung von Mitteln wäre allerdings ausgesprochen kurzsichtig. Der Schweiz fehlte dann Geld für Wiederaufbauarbeit nach dem Kriseneinsatz und sie wäre weniger denn je in der Lage, präventiv in die Verhinderung neuer Krisen zu investieren. Sie müsste tatenlos zusehen, wie sich ausserhalb aktueller Krisengebiete neue Konflikte anbahnen.
Ebenso kurzsichtig wäre es, die Entwicklungszusammenarbeit an migrationspolitische Anliegen zu binden. Politisch motivierte Unterstützung, also der Tausch «Entwicklungshilfe gegen Migrationsabkommen», droht genau das Gegenteil des Gewünschten zu bewirken. Regime wie jenes in Eritrea würden sich eigene Entwicklungskosten sparen und die frei werdenden Mittel wohl für den eigenen Machterhalt einsetzen. Damit würden die aktuellen Fluchtursachen nicht bekämpft, sondern verschärft.
Gute Entwicklungszusammenarbeit funktioniert anders: Sie verbessert die Lebensbedingungen im Partnerland, indem sie dort die Zivilgesellschaft stärkt und sie in die Lage versetzt, den Staat auf eine sinnvolle Politik zu verpflichten. Das schliesst einen politischen Deal zwischen dem Geberland und der Regierung des Empfängerlandes in der Regel aus.

Dieser Text wurde als Editorial in GLOBAL+ (Frühling 2016) publiziert.

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Mehr erreichen mit weniger Geld?

30.03.2016, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat preist den langfristigen strategischen Nutzen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) als wichtiges Mittel gegen Armut, Fluchtursachen und Terrorismus. Es bleibt sein Geheimnis, wieso er just dort massive Einsparungen vorsieht.

Mehr erreichen mit weniger Geld?
Wie kann die Entwicklungszusammenarbeit diesen Jungen in Moçambique helfen, den Anschluss ans digitale Zeitalter zu finden?
© Alfredo D'Amato/Panos

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Im November gab der Bundesrat sein Stabilisierungsprogramm 2017-2020 in die Vernehmlassung. Die geplanten Sparmassnahmen sind massiv, sie treffen jedoch überproportional die internationale Zusammenarbeit. So soll dieser wichtige Aufgabenbereich rund ein Viertel der Einsparungen tragen. Absolute Kürzungen im Vergleich zum Budget 2015 sind nur hier und in der Landwirtschaft vorgesehen.

Mit den vorgesehen Kürzungen soll der Anteil der internationalen Zusammenarbeit an den gesamten Bundesausgaben bis 2019 von 5.5% auf 4.9% sinken. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) am Bruttonationaleinkommen (BNE) soll bis 2020 jeweils 0.48% betragen. Damit hält sich der Bundesrat nicht mehr an den Beschluss des Parlaments, diese Quote bei 0.5% zu halten. Und entfernt sich immer weiter vom Ziel, diese auf 0.7% zu erhöhen. 2015 bekräftigte er im Rahmen der Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dieses Ziel gleich zweimal. Das ist umso stossender, als sich bereits 2014 der Anteil entwicklungswirksamer APD nur noch auf 0.41% des BNE belief. Denn als APD angerechnet werden auch die Kosten der Hilfe an Asylsuchende im Inland, Rückkehrhilfen durch das Staatssekretariat für Migration (SEM), Ausgaben für die internationale Klimafinanzierung (siehe dazu auch S. 10) und friedensfördernde Massnahmen des Verteidigungsministeriums.

In der Darstellung der Rahmenkredite für die internationale Zusammenarbeit geht der Bundesrat jeweils vom Vergleichsjahr 2016 aus. Hier wurde das Budget für die internationale Zusammenarbeit jedoch bereits massiv gekürzt, um über 115 Millionen Schweizer Franken. Ein Teil des in der Botschaft dargestellten Wachstums ist also blosses Wiederaufstocken auf den status quo ante. Als aussagekräftiges Vergleichsjahr sollte also das Jahr 2015 herangezogen werden. Die neuen Kredite sind jedoch nicht direkt mit jenen von 2013-16 vergleichbar, da Personal- und Sachkosten neuerdings separat ausgewiesen werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass in der IZA-Botschaft 2017-20 neu auch der Rahmenkredit Friedensförderung und menschliche Sicherheit figuriert.

Und: Im Stabilisierungsprogramm hat der Bundesrat bereits angekündigt, dass es 2018 allenfalls eine weitere Sparrunde brauchen wird. Davon könnten die Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit erneut betroffen sein.

Die neue Botschaft über die internationale Zusammenarbeit ist aber nicht nur von Kürzungen geprägt, sondern auch von Verschiebungen innerhalb der Rahmenkredite. Der Bundesrat geht zu Recht von einem wachsenden Bedarf an humanitärer Krisenhilfe aus und teilt diesem Rahmenkredit bereits ab 2017 wieder wachsende Finanzmittel zu. Damit gehen die Kürzungen bei der APD jedoch zwangsläufig auf Kosten der langfristigen bilateralen EZA. Deren Mittel werden voraussichtlich selbst 2020 nicht wieder das Niveau von 2015 erreichen.

Allerdings kann nur die über den Südkredit finanzierte langfristige Entwicklungszusammenarbeit die strukturellen Ursachen von Armut und Not bearbeiten und der Prävention von Krisen und Konflikten dienen. Humanitäre Nothilfe hingegen ist in erster Linie reaktiv. So verlegt sich der Bundesrat in der internationalen Zusammenarbeit also zunehmend auf reaktive Aktivitäten, statt vorausschauend in die Prävention möglicher zukünftiger Krisen zu investieren.

Angesichts der Budgetkürzungen tut sich das Aussenministerium schwer, strategische Schwerpunkte zu setzen. Im Gegenteil, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) versucht, die Kürzungen möglichst linear umzusetzen – also pro bisheriges Programmland einfach ein bisschen weniger Mittel einzusetzen. Aus Sicht von Alliance Sud ist der Hauptgrund für diese Verzettelung, dass die Schweiz mit Entwicklungsgeldern in möglichst vielen Ländern präsent sein will, um auch aussenpolitische und wirtschaftliche Interessen zu bedienen. Nur riskiert die Schweiz damit, jeweils mit einem minimalen Budget zwar die Präsenz aufrechtzuerhalten, aber als kleiner Akteur keine grosse Rolle spielen zu können.

Inhaltlich setzt die neue Botschaft für die internationale Zusammenarbeit auf Kontinuität. Oberstes Ziel bleibt die Armutsbekämpfung. Die regionale Schwerpunktsetzung auf das südliche Afrika, wo 34 der 48 ärmsten Länder liegen, ist demnach sinnvoll und zeigt auf, dass die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auch willens ist, die strukturellen Ursachen von Armut anzugehen. Ebenfalls zu begrüssen ist die Ausrichtung der Botschaft an der letzten September verabschiedeten UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie soll als Referenzrahmen für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz dienen. In der Tat: Armutsbekämpfung kann nur gelingen, wenn alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezogen werden.  

Gleichzeitig verstärken die vorgesehenen Sparmassnahmen aber einen bereits bestehenden Trend, den Alliance Sud als problematisch einschätzt. Die Botschaft will die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Förderung von sogenannten Public Private Partnerships (PPP) intensivieren. Der öffentliche Beitrag soll jeweils die Risiken und Kosten privater Investitionen schmälern und sie so wirtschaftlich lebensfähig und profitabel machen – auf die Gefahr hin, dass letztlich private Investitionen, die sowieso stattgefunden hätten, staatlich subventioniert werden.

Dabei ist der armutsreduzierende Effekt solcher Partnerschaften umstritten. Verschiedene Studien zeigen auf, dass PPP aufgrund ihrer Komplexität und hohen Transaktionskosten den Staat oft teurer zu stehen kommen als selber durchgeführte Projekte. Auch gibt es kaum Hinweise, dass PPP tatsächlich die Effizienz erhöhen. Mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht untergraben zudem die demokratische Kontrolle.1 Die internationale Zusammenarbeit und insbesondere die langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit mit ärmeren Ländern sind keineswegs nur Ausdruck von Solidarität. Sie dienen auch dem Interesse unseres kleinen und international stark vernetzten Landes an einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Welt in Sicherheit und Frieden.

1 Maria José Romero: What lies beneath? A critical assessment of public private partnerships and their impact on sustainable development, 2015. Abrufbar unter http://www.eurodad.org/whatliesbeneath

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Weckruf im Parlament angekommen, wird er gehört?

30.05.2016, Entwicklungsfinanzierung

Übermorgen, 2. Juni, entscheidet der Nationalrat über die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. VertreterInnen von sieben Parteien haben den Weckruf persönlich entgegengenommen.

Weckruf im Parlament angekommen, wird er gehört?
Fulvio Caccia, Mujinga Kambundji, Jean-Philippe Rapp
© Martin Bichsel / Alliance Sud

von Daniel Hitzig, ehemaliger Medienverantwortlicher Alliance Sud

Mujinga Kambundji, Jean-Philippe Rapp und Fulvio Caccia haben zum gestrigen Auftakt der Sommersession den Weckruf von über 75 Organisationen der Zivilgesellschaft an Nationalrätinnen und Nationalräte aus sieben Parteien weiter gegeben. Aktuell haben über 34'500 Leute den Weckruf unterzeichnet.

Die VolksvertreterInnen erhielten je einen Wecker mit den Worten: «Danke, dass Sie dem Weckruf gegen Hunger und Armut Gehör schenken und sich für eine Stärkung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit einsetzen!»

Der Weckruf gegen Hunger und Armut setzt sich für eine Erhöhung der Entwicklungsausgaben auf 0.7% des Schweizer Nationaleinkommens ein und kann weiterhin online unterzeichnet werden. Die Debatte im Nationalrat über die Botschaft des Bundesrats über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 findet am Donnerstag, 2. Juni statt.

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Kurzsichtiges Sparen auf Kosten der Ärmsten

03.06.2016, Entwicklungsfinanzierung

Das Bundesbudget der Entwicklungszusammenarbeit für 2016 wurde massiv gekürzt. Auch bei den Rahmenkrediten der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 griff der Bundesrat zum Rotstift.

Kurzsichtiges Sparen auf Kosten der Ärmsten

© Jörg Böthling

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

 

Während Krisen, Katastrophen und Flüchtlingselend die Schlagzeilen beherrschen, wollen Bundesrat und Parlament ausgerechnet die Mittel streichen, die sinnvoll zu deren Ursachenbekämpfung beitragen können. Bis 2015 stiegen die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit jährlich, entsprechend des vom Parlament gesetzten Ziels, 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) einzusetzen. Infolge des gebremsten Wirtschaftswachstums wurde dieses Ziel bereits 2014 und 2015 erreicht.

Allerdings tragen die Kosten für Asylsuchende in der Schweiz mit einem Anteil von über 13% an der APD massiv zur Zielerreichung bei. Es klingt absurd, ist aber eine Tatsache: Die Schweiz ist das grösste Empfängerland ihrer Entwicklungsgelder. Alliance Sud kritisiert dies, denn Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden sowie die Deckung ihrer Grundbedürfnisse weisen keinen Entwicklungsnutzen auf. Allgemein droht die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend zu einem Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen zu verkommen. So wird auch immer mehr Geld für die Finanzierung der Massnahmen gegen den Klimawandel eingesetzt, und mit Entwicklungsgeldern wird sogar Exportförderung betrieben. Der wirtschaftspolitisch wünschenswerte, entwicklungspolitisch aber höchst fragwürdige Beitritt der Schweiz zur Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB wurde ebenfalls über das Entwicklungsbudget finanziert.

Eine Kürzung jagt die nächste

In letzter Zeit ist das Budget der Entwicklungszusammenarbeit unter Dauerbeschuss geraten: In seinem Voranschlag zum Bundesbudget 2016 kürzte der Bundesrat bei der Entwicklungszusammenarbeit mehr als 115 Mio. CHF. Die Kürzungen betreffen insbesondere die langfristige Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Die humanitäre Hilfe wird von Kürzungen grösstenteils verschont. Angesichts der grossen Not sind diese Mittel auch dringend notwendig. Doch sind sie zusätzlich bereit zu stellen. Alliance Sud hält eine Kompensation bei den langfristigen Mitteln für kurzsichtig. Die Schweiz schwächt so ein wichtiges Instrument der Ursachenbekämpfung von Armut und Not. «Hilfe vor Ort» wird nicht nur über Nahrungsmittelhilfe und Zeltlieferungen für Flüchtlingslager geleistet, sondern insbesondere über Bildungsprogramme, Förderung der lokalen Wirtschaft und guter Regierungsführung. Diese langfristig angelegten Projekte helfen mit, den Menschen vor Ort Zukunftsperspektiven zu bieten und tragen zur Minderung des Migrationsdrucks bei.

Trotz Milliardenüberschuss in der Staatsrechnung 2015 will der Bundesrat in den kommenden Jahren weiter massiv sparen. In seinem Stabilisierungsprogramm 2017-2019 soll die internationale Zusammenarbeit rund 25% der Sparmassnahmen tragen. Somit wird bei den Ärmsten gespart, die sich nicht wehren können. In der Vernehmlassungsantwort zum Stabilisierungsprogramm kritisiert Alliance Sud insbesondere, dass der Bund auf einnahmeseitige Massnahmen verzichten will, um den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen.


Rahmenkredite für 2017-2020

In seiner Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017-2020 veröffentlichte der Bundesrat die konkreten Zahlen der Rahmenkredite, die für die kommenden vier Jahre für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden sollen. Der Bundesrat führt hier die bereits im Budget 2016 vorgenommene Umverteilung von der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit hin zur kurzfristigen humanitären Hilfe weiter. Während die humanitäre Hilfe ihr notwendiges Wachstum erfährt, wird bei den langfristigen bilateralen Programmen der Deza auch 2017 nochmals massiv gekürzt. Bis 2020 werden hier nicht wieder die Mittel aufgewendet, die 2015 zur Verfügung standen. Damit verlegt sich der Bundesrat auf eine reaktive Strategie, anstatt in die Prävention von zukünftigen Krisen zu investieren.

Inhaltlich setzt die neue Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit auf Kontinuität. Obwohl dafür viel weniger Mittel eingesetzt werden sollen, bleibt die Armutsbekämpfung oberstes Ziel. Die regionale Schwerpunktsetzung auf das südliche Afrika, wo 34 der 48 ärmsten Länder liegen, ist sinnvoll. Ebenfalls zu begrüssen ist die Ausrichtung der Botschaft an der 2015 verabschiedeten Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie soll für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz als Referenzrahmen dienen. Armutsbekämpfung kann nur gelingen, wenn alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezogen werden.


Weckruf gegen Hunger und Armut

Angesichts drohender Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit lancierte Alliance Sud im Februar 2016 im Verbund mit über 75 Nichtregierungsorganisationen den «Weckruf gegen Hunger und Armut». Über 36‘000 Menschen forderten National- und Ständerat auf, am von der Schweiz auf international Ebene bekräftigten Ziel festzuhalten, 0.7% des BNE für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen.

Während die nationalrätliche Finanzkommission die Mittel noch wesentlich weiter kürzen wollte, stellte sich die aussenpolitische Kommission hinter den Vorschlag des Bundesrats. Am 2. Juni 2016 debattierte der Nationalrat die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit. Rückweisungsanträge waren chancenlos, denn sie hätten bedeutet, dass der Bundesrat innert kürzester Zeit eine grundlegend neue Strategie für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit entwerfen müsste. Schliesslich stellte sich der Nationalrat knapp hinter die Botschaft des Bundesrats, die eine APD-Quote von 0.48% des BNE vorsieht. Der Nationalrat fiel damit hinter seine in der vorhergehenden Legislatur bekräftigte Forderung zurück, 0.5% des BNE für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen.

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Bei den Reichen lernt man Sparen

03.10.2016, Entwicklungsfinanzierung

Das Finanzdepartement meldet regelmässig Haushaltsüberschüsse, doch der Entwicklungszusammenarbeit soll es erneut an den Kragen gehen. Ausgeblendet bleibt, dass die Schweiz im Vergleich bei Verschuldung und Steuerbelastung Tiefstwerte aufweist.

Bei den Reichen lernt man Sparen

Bundesrat Ueli Maurer, eingerahmt vom Direktor der Finanzverwaltung und vom Bundesratssprecher

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Im Mai 2016 verabschiedete der Bundesrat das Stabilisierungsprogramm 2017-2019. Im Herbst wird es im Ständerat diskutiert. Die Sparmassnahmen betreffen die internationale Zusammenarbeit (IZA) überproportional. Diese soll rund 25% der Einsparungen tragen. Konkret sind das Sparschnitte von 150-250 Millionen Franken pro Jahr. Ausserdem gehört die IZA zu den ganz wenigen Bereichen, bei denen nicht nur relativ zum provisorischen Finanzplan gespart wird, sondern absolute Kürzungen stattfinden.

Gegenüber der bisherigen Planung reduziert das Stabilisierungsprogramm die Bundesausgaben insgesamt um jährlich 800 Millionen bis 1 Milliarde Franken. Wegen der starken Aufwertung des Schweizer Frankens und − das Wirtschaftswachstums hat sich verlangsamt − schrumpfenden Einnahmen seien Anpassungen notwendig, um die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Einnahmeseitig will der Bund allerdings auf Massnahmen verzichten, neue Steuern oder Abgaben sind kein Thema.

Als Hauptargument für die asymmetrische Lastenverteilung der Sparmassnahmen auf Kosten der IZA wird angeführt, diese habe in den letzten Jahren von einem überproportionalen Wachstum profitiert. Dieses Wachstum war allerdings die Folge eines strategischen Entscheids beider Kammern des Parlaments, den Anteil der Entwicklungszusammenarbeit auf 0.5% der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Kurz, die rein buchhalterische Begründung für die massiven Einschnitte verkennt das langfristige Interesse der Schweiz an einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Welt.

In seiner Botschaft zum Stabilisierungsprogramm behauptet der Bundesrat, die IZA gehöre «weiterhin zu den am stärksten wachsenden Bereichen innerhalb des Bundes» (Bundesblatt 2016: 4717). Da im Budget 2016 massiv gekürzt wurde, handelt es sich bei diesem Wachstum jedoch zum grössten Teil um eine Wiederaufstockung auf das Ausgabenniveau von 2015. Während die IZA 2015 noch einen Anteil von 5.5% am Gesamthaushalt betrug, wird dieser Anteil bis 2019 auf 4.9% schrumpfen.

Steuerausfälle durch USR III erhöhen Spardruck

Neue oder höhere Steuern schliesst der Bundesrat explizit aus. Mit der Unternehmenssteuerreform III (USR III) werden die Einnahmen ab 2019 nochmals massiv sinken. In seinem Vorschlag der USR III rechnet der Bundesrat vor, dass dem Bund 1.3 Milliarden Franken an Einnahmen entgehen werden. Trotzdem verzichtet er auf eine Gegenfinanzierung, z.B. über eine Finanztransaktionssteuer. Und das Parlament hat die USR III zugunsten der Unternehmen noch weiter ausgebaut. Die Auswirkungen sind schwer zu beziffern, sie werden aber voraussichtlich zu massiven zusätzlichen Steuerausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden führen.  

Der Fokus auf steuerliche Anreize im Standortwettbewerb irritiert. In seinem Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2015 sagt der Bundesrat selber, dass bei der Wahl des Unternehmensstandorts die Steuerbelastung nur ein Faktor unter vielen sei. Mindestens ebenso wichtig sind Faktoren wie die Infrastruktur, das Bildungsniveau, Forschung, der Zugang zu ausländischen Märkten und die politische Stabilität des Umfelds.  

Umverteilen zulasten der Ärmsten

Im Juni 2016 kündigte Finanzminister Maurer jedoch bereits ein zweites Sparpaket 2018-2020 an. Der Staatshaushalt soll um weitere 3 Milliarden Franken entlastet werden. Neben den Entscheiden zur USR III erhöht auch das Festhalten am Zahlungsrahmen für die Armee den Ruf nach Sparmassnahmen in anderen Bereichen. Um das Budget wieder ins Gleichgewicht zu bringen, folgt reflexartig der Griff in die Kasse der sogenannten ungebundenen Ausgaben. Im Gegensatz zu den gebundenen Ausgaben folgen diese nicht direkt aus gesetzlichen Bestimmungen. Besonders betroffen ist dabei erneut die Entwicklungszusammenarbeit, deren Lobby in Bundesbern vergleichsweise schwach ist. Und die Einschnitte wirken sich vermeintlich weit weg aus, fern von potenziellen Wählerinnen und Wählern.

Längerfristig holen uns die Auswirkungen der Sparübungen auf dem Buckel der Ärmsten jedoch in der Schweiz wieder ein. Es fehlen die Mittel im Kampf gegen die Ursachen von Terror, Konflikten und Armut. Und die Möglichkeiten, via Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag an die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration zu leisten, werden zur Unzeit eingeschränkt.

Kaum gestellt, geschweige denn wirklich beantwortet wird die Frage, wie gut begründet, wie notwendig diese massiven Sparübungen im Bundesbudget tatsächlich sind. Immerhin präsentierte der Bundesrat in den letzten Jahren jeweils Rekordüberschüsse. So resultierte zuletzt bei der Staatsrechnung 2015 ein Überschuss von 2.3 Milliarden Franken, weit über den budgetierten 400 Millionen Franken. Auch die Juni-Hochrechnung für 2016 des EFD geht von einem 1.7 Milliarden Franken Überschuss aus. Zwar ist dieses Ergebnis hauptsächlich speziellen Umständen wie den Negativzinsen geschuldet. Da Unternehmen ihre Steuern verstärkt im Voraus bezahlen, liegen die Einnahmen weit über dem Budget. Das um diese Sonderfaktoren bereinigte Finanzierungsergebnis liegt mit -0.1 Milliarden Franken zwar einiges tiefer, aber immer noch wesentlich über dem budgetierten Defizit von 0.5 Milliarden.

Auch im internationalen Vergleich präsentieren sich die öffentlichen Finanzen in der Schweiz überdurchschnittlich gut. So lag die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte 2015 bei sehr tiefen 34.4%, deutlich unter dem Durchschnitt der Länder des Euroraums (94.1% des BIP). Auch bezüglich Steuerbelastung weist die Schweiz Tiefstwerte auf. Die Fiskalquote liegt mit 27% wesentlich unter dem OECD-Durchschnitt von 34.4%.

Angesichts dieser Fakten drängt sich der Schluss auf, dass der Bundesrat mit schlechten Prognosen ganz bewusst den Anschein von Spardruck erweckt. Zwar verschlechterten sich zuletzt die globalen und nationalen Wirtschaftsaussichten. Gemäss Prognosen der Expertengruppe des Bundes wird die Schweizer Wirtschaft aber auch 2017 real um 1.8% wachsen. Es ist ein Armutszeugnis für die reiche und im Vergleich mit Nachbarstaaten wirtschaftlich sehr gut dastehende Schweiz, den Rotstift bei den Ärmsten in den Entwicklungsländern anzusetzen.