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Anhaltender Druck auf das Entwicklungsbudget

30.01.2017, Entwicklungsfinanzierung

Im Juni 2016 entschied der Nationalrat, dass die Schweiz 0.48% ihres Nationaleinkommens für die internationale Zusammenarbeit einsetzt. Doch schon im Februar will der Bundesrat ein Sparpaket vorstellen, das diesen Entscheid rückgängig macht.

Anhaltender Druck auf das Entwicklungsbudget

© Peter Klaunzer/Keystone

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Der Kampf um ein angemessenes Budget für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit geht in die nächste Runde. Der Bundesrat hat für den Februar weitere Sparmassnahmen bei den Bundesfinanzen angekündigt. Die genauen Sparpläne wird er voraussichtlich nach der Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III veröffentlichen. Diese könnte ein Milliardenloch in den Bundeshaushalt reissen. Klar ist, dass der Bundesrat einmal mehr massive Kürzungen bei den Entwicklungsausgaben plant. Mit Sparmassnahmen bei der Armee, der Landwirtschaft und teilweise auch in der Bildung ist er letztes Jahr im Parlament weitgehend gescheitert.

Auch die Höhe der Schweizer Entwicklungsausgaben sorgte letztes Jahr für ein zähes Ringen. Ursprünglich hatte der Bundesrat ein wachsendes Budget für diesen wichtigen Aufgabenbereich vorgesehen. Schon Ende 2015 kündigte er unter dem Titel «Stabilisierungsprogramm 2017-2019» jedoch ein Sparpaket an, das der Entwicklungszusammenarbeit rund 25% der gesamten anvisierten Kürzungen aufbürdete. Als er im Februar 2016 seine Botschaft über die internationale Zusammenarbeit (IZA) für die Jahre 2017-2020 vorstellte, waren diese Kürzungen darin bereits verwirklicht.

Im Parlament führte diese Botschaft zu intensiven Diskussionen. Es ging einerseits um den Finanzrahmen für die IZA, andererseits um deren Verknüpfung mit der Schweizer Migrationspolitik. SVP und FDP forderten massiv höhere Budgetkürzungen als der Bundesrat und ausserdem eine Verschiebung von der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur humanitären Hilfe. Eine solche Verschiebung würde jedoch der bilateralen Zusammenarbeit die Mittel entziehen, um sich vor Ort für bessere Bedingungen einzusetzen und sich präventiv gegen Krisen und Armut zu engagieren. Die CVP forderte die Rückweisung der Botschaft an den Bundesrat mit dem Auftrag, die Entwicklungszusammenarbeit für die Verhinderung von Migration in die Schweiz zu nutzen. Entwicklungszusammenarbeit darf und kann jedoch nicht als Pfand in migrationspolitischen Verhandlungen genutzt werden.

Dank intensivem Lobbying von Alliance Sud und dem breit abgestützten «Weckruf gegen Hunger und Armut» wurden sowohl die Rückweisung als auch zusätzliche Budgetkürzungen äusserst knapp abgelehnt. Auch ein Antrag, Entwicklungszusammenarbeit nur noch in den Ländern zu leisten, die der Schweiz in Migrationsfragen stark entgegen kommen, konnte abgewendet werden.

In der Debatte zum Stabilisierungsprogramm 2017-2019 in der Herbstsession verlangten SVP und eine Mehrheit der FDP trotzdem erneut Einsparungen bei der Entwicklungszusammenarbeit. Ihre Forderungen hätten den Lastenanteil der IZA auf über einen Drittel am gesamten Sparpaket erhöht. Auch diese Anträge wurden aber in beiden Kammern knapp abgelehnt. In der Debatte zum Bundesbudget 2017 im vergangenen Dezember scheiterte die SVP schliesslich ein drittes Mal mit Kürzungsforderungen. Das Parlament bestätigte einmal mehr den Finanzrahmen für die IZA und stellte sich gegen einen unüberlegten und kurzsichtigen Kahlschlag.

Wenn nun der Bundesrat bei der Entwicklungszusammenarbeit trotzdem nochmals den Rotstift ansetzen will, ist es am Parlament, diesen unsinnigen Plan zu durchkreuzen. Dafür wird sich Alliance Sud nach Kräften einsetzen. Es ist auch im Sinne der Schweiz, einen angemessenen Beitrag zu einer friedlichen und sicheren Welt ohne Armut zu leisten.

Meinung

Mikrokredite: Das Banking mit den Armen

16.03.2017, Entwicklungsfinanzierung

Mikrokredite und ihre Institutionen stehen im Ruf eine Erfolgsgeschichte der Entwicklungszusammenarbeit zu sein. Doch es gibt zahlreiche Schattenseiten.

Mikrokredite: Das Banking mit den Armen

© PANOS/Petterik Wiggers

von Bruno Stöckli, ehemaliger Mitarbeiter Alliance Sud

In den südlichen Hemisphären war es lange den nationalen Agrar- und Gewerbebanken vorbehalten, die Kleinunternehmen mit Krediten zu versorgen. Ende der 1980er-Jahre kam das Ende dieser als «Durchlaufsysteme für subventionierte Entwicklungskredite» geschaffenen Banken. Miserable Rückzahlungsquoten waren dafür verantwortlich, aber auch die Tatsache, dass die günstigen Krediteon den Eliten abgeschöpft wurden.

Der Zusammenbruch der Kredit-Durchlaufsysteme war die Geburtsstunde der Mikrofinanzinstitutionen (MFI). Gegen 70’000 mit Millionen von Kunden und Kundinnen sollen es heute sein. Drei Erfolgsfaktoren erklären ihre weltweite Verbreitung:

  1. Dank konsequenter Verbindung des Passiv- und Aktivgeschäfts konnte die Palette von Finanzdienstleistungen den Bedürfnissen der Klientel angepasst und um das Spar- und Versicherungsgeschäft erweitert werden.
  2. Ihre Kundennähe senkt Transaktionskosten – je näher beim Kunden, umso kleiner die Kosten und Ausfallrisiken eines MFI; und
  3. Viele MFI investieren in die Selbsthilfebemühungen ihrer Klientel, zum Beispiel im Aufbau von Verkaufsgenossenschaften, ganz nach dem Motto: «Gute Produzenten sind gute Risiken.»

Die Erfolgsstory hat aber auch Schattenseiten. Nicht alle MFI schaffen innerhalb nützlicher Frist den Turnaround zur finanziellen Unabhängigkeit. Viele MFI bleiben abhängig von Entwicklungsagenturen, verbunden mit dem Risiko der Fremdbestimmung.

Aus entwicklungspolitischer Sicht ist die entscheidende Frage heute nicht mehr, ob Kredite armutswirksam sind, sondern welche finanzielle Infrastruktur die Ökonomien der Mittellosen stärkt. Klar, der Kleinkredit ist Bestandteil davon. Nur müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass Geldpumpen die Armutsprobleme vor Ort lösen. Das Wirtschaften in Armut ist vielschichtiger und verlangt ein breites Set an Finanzdienstleistungen. Zudem gilt es, Grenzen und Gefahren zu erkennen.

Für viele MFI sind «soziale Kredite» kein Tabu mehr; auch die ­Grameen Bank hat damit experimentiert. Entwicklungspolitisch ist diese Entwicklung fragwürdig, nicht nur, weil solche Investitionen keinen Ertrag für die Rückzahlung garantieren. Gesundheitsversorgung und Bildung sind die Kernaufgaben jedes Staates und dürfen nicht an das Mikrofinanzwesen delegiert werden.

Die Mobilisierung interner Ersparnisse ist entwicklungspolitisches Kredo ersten Ranges. Das «social investment» soll helfen, das lokale Investitionskapital zu erhöhen, darf aber nicht dazu führen, die interne Grundlage dazu zu substituieren. Die Mikrokreditfonds müssen sich ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung und Verantwortung bewusst sein.

Die Liste von MFI, die lange erfolgreich gewirtschaftet haben und trotzdem in finanzielle Schieflage geraten sind, ist lang. Verantwortlich sind mitunter externe Investoren und Entwicklungsagenturen, die in grossem Massstab Kreditlinien durch MFI kanalisierten und sie damit operativ überforderten und die Kreditausfallraten hochschnellen liessen.

Im Namen der Entwicklung werden auch Investitionen getätigt, die entwicklungspolitisch mehr als fragwürdig sind. So stecken hinter dem weit verbreiteten Phänomen des «land grabbing» (Landentnahme) auch lokale Eliten. Nur effektive Massnahmen, die eine konsequente Zielgruppenorientierung (targeting) ermöglichen, können dies unterbinden.

Autor Bruno Stöckli ist Agrarökonom und hat in den 80ern zum Thema ländliches Finanzwesen in Afrika promoviert und später verschiedene MFI in Afrika begleitet. Zudem war er 15 Jahre bei Alliance Sud für Themen wie Verschuldung und Zivilgesellschaft verantwortlich.

Dieser Artikel wurde in der KMU Rundschau (Ausgabe 1/2017) publiziert.

Medienmitteilung

Entwicklungsgeld: 20% davon gehen ins Asylwesen

12.04.2017, Entwicklungsfinanzierung

Die heute veröffentlichten OECD-Zahlen zeigen: Die Schweiz gehört zu jenen Ländern, die sich am meisten Asylkosten als Entwicklungsausgaben anrechnen lassen. Das führt zum geschönten Eindruck eines erhöhten internationalen Engagements.

Entwicklungsgeld: 20% davon gehen ins Asylwesen

© pixabay.com

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Wie das Aussendepartement (EDA) letzte Woche mitteilte, stieg der Schweizer Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développment APD) gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) auf 0.54%. Dies trotz sinkender Anteile der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0.39% gegenüber 0.41% im Jahr 2015. Die höhere APD-Quote wurde durch den steigenden Anteil der Asylkosten auf 19.4% der APD erreicht, und dies obwohl die Zahl der AsylbewerberInnen seit 2015 zurückgegangen ist.

Im internationalen Vergleich, den der Entwicklungsausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heute veröffentlichte, verbleibt die Schweiz unter den Ländern, deren APD-Quote über dem DAC-Durchschnitt liegt und belegt den 8. Platz.

Die Schweiz nimmt erneut eine Spitzenposition bei der Anrechnung von Asylkosten an die APD-Quote ein. Bei den Geberländern über dem DAC-Durchschnitt erobert sich die Schweiz hinter Österreich und Deutschland einen Podestplatz bei der grosszügigen Anrechnung von Flüchtlingskosten zurück. Die Schweiz überholt damit Schweden, die Niederlande und Dänemark.

Trotz zurückgehender Asylgesuche verrechnet die Schweiz steigende Kosten. Dasselbe gilt für die meisten Geberländer an der Spitze dieser OECD-DAC Liste. Die Kürzungen bei der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit wurden auch in anderen DAC-Ländern durch steigende Asylkosten wettgemacht.

Als gutes Beispiel voran geht Deutschland, das trotz steigender Asylkosten weiterhin mehr an die eigentliche Entwicklungshilfe zahlt. In der Spitzengruppe liegen die APD-Quoten sowohl in Schweden wie in Norwegen immer noch doppelt so hoch wie jene der Schweiz.

Der Asylkosten-Anteil an der APD erhöht sich auf 19.4% gegenüber 2015 (13.4%). So bleibt jeder fünfte APD-Franken in der Schweiz und die Schweiz bleibt die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder. Tatsächlich wären APD-Gelder laut EDA und OECD dazu bestimmt, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Empfängerländern zu fördern und Entwicklungsländern oder multilateralen Organisationen zuzukommen.

Das OECD-DAC beobachtet die Anrechnung von Asylkosten an die APD kritisch und arbeitet an einer neuen Definition, um Asylkosten von der APD auszuschliessen. Auch Alliance Sud, die entwicklungspolitische Organisation der Schweizer Hilfswerke, setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene dafür ein, dass solche Kosten ohne direkten Entwicklungsnutzen von der APD-Quote ausgeschlossen werden. Eine steigende APD-Quote soll bedeuten, dass die Schweiz ihre Verantwortung gegenüber den Ärmsten dieser Welt wahrnimmt und die Entwicklungsgelder nicht zu einem beschönigenden Rechenspiel verkommen.

Medienmitteilung

Switzerland first! Zusammenarbeit reduzieren?

21.05.2017, Entwicklungsfinanzierung

Eine knappe Mehrheit der Finanzkommission des Nationalrats verlangt schon wieder Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit. Diese soll zukünftig noch weniger als 0,5% des Nationaleinkommens betragen. Das Vorhaben schadet der Schweiz.

Switzerland first! Zusammenarbeit reduzieren?

© Paul Smith / Panos

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

2010 hiess der Ständerat einen Zusatzkredit für die Entwicklungszusammenarbeit gut. Der Nationalrat folgte ihm kurze Zeit später. Das Ziel war, die öffentlichen Entwicklungsausgaben (aide publique au développement, APD) der Schweiz schrittweise auf eine Quote von mindestens 0,5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen. 2010 betrug dieser Anteil erst 0,4%. Der internationale Konsens verlangt sogar 0.7%.

Nun will eine knappe Mehrheit der nationalrätlichen Finanzkommission den damaligen Parlamentsentscheid wieder rückgängig machen. Sie verlangt, dass sich die Entwicklungsausgaben der Schweiz fortan nicht mehr an einer Minimalquote von 0,5% des BNE orientieren sollen, sondern am Zustand der Bundesfinanzen. Was finanzpolitisch vernünftig tönen mag, schadet dem Ruf der Schweiz als verlässlicher Partnerin.   

Mit ihrem Vorstoss bereitet die Finanzkommission offenbar den Weg für nochmalige Sparmassnahmen auf dem Rücken der Armutsbekämpfung. Denn die 0,5%-Vorgabe ist faktisch bereits ausser Kraft gesetzt. So trägt die Entwicklungszusammenarbeit im Stabilisierungsprogramm 2017-2019 über ein Viertel der Lasten. Im Rahmen dieses Sparprogramms hat der Bundesrat die zukünftigen Entwicklungsausgaben der Schweiz schon auf 0,48% reduziert.

Allerdings will der Bundesrat im Budget 2018 und im Finanzplan 2019-21 weitere Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit durchsetzen, die deutlich über die bereits beschlossenen Einsparungen hinausgehen. Es ist davon auszugehen, dass rechtskonservative Kräfte im Parlament noch drastischere Kürzungen verlangen werden.

Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Entwicklungsorganisationen, hält diese Pläne für mehrfach unsinnig. Die Entwicklungszusammenarbeit entspricht nicht nur dem Gebot der Solidarität und der humanitären Tradition der Schweiz, sie leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von gewaltbereitem Extremismus, Bürgerkriegen und möglichen zukünftigen Flüchtlingskrisen. Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit gefährden damit wichtige Interessen der Schweiz und schaden ihrem internationalen Ruf. Nicht zuletzt nützen stabile Verhältnisse in den Entwicklungsländern auch der Schweizer Aussenwirtschaft.

Bereits heute ist die Schweiz selber die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder. Dafür verantwortlich sind die zuletzt gestiegenen Ausgaben für die Betreuung von Asylsuchenden in der Schweiz. Diese Kosten werden vom Bundesrat absurderweise ebenfalls zur öffentlichen Entwicklungshilfe gezählt und machten 2016 bereits rund 20% der Gesamtausgaben aus.

Hinzu kommt, dass Geld aus dem Entwicklungsbudget des Bundes in internationale Klimaschutzprojekte statt in die Bildung, die Gesundheit und die Unterstützung der Zivilgesellschaft in schwachen Staaten fliesst. Ohne zweckfremde Auslagen betrug der Anteil der tatsächlichen Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe am BNE im Jahr 2016 nur gerade 0,39%.

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Entwicklungshilfe für Schweizer Milchproduzenten?

08.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

Das Entwicklungsbudget wird gekürzt. Personal wird entlassen, die Deza schliesst ihre Programme in Vietnam und Pakistan. Doch die Bauernlobby im Parlament verteidigt ihre Millionen an Subventionen aus dem Topf der Entwicklungszusammenarbeit.

Entwicklungshilfe für Schweizer Milchproduzenten?

© berggeist007/pixelio.de

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

In den letzten Sparrunden musste die Entwicklungszusammenarbeit das grösste Sparopfer bringen. Über 25% des Sparprogramms werden hier abgezwackt. Auch in der angekündigten nächsten Sparrunde wird es voraussichtlich das Entwicklungsbudget überproportional treffen. Erste Konsequenzen wurden gezogen. Die Deza hat ihre Programme in Vietnam und Pakistan geschlossen.

Ausgerechnet bei einem alten Zopf der Entwicklungszusammenarbeit will die Bauernlobby am kommenden Mittwoch im Parlament nun Kürzungen verhindern. Die Schweiz leistet Nahrungsmittelhilfe mit Schweizer Milchprodukten im Umfang von 20 Millionen CHF. Der Bundesrat hat aufgrund einer externen Evaluation dieses Programm angepasst. Ganz verabschieden will er sich noch nicht von dieser Exportsubvention an die inländische Milchbranche.

Dabei widerspricht Entwicklungshilfe, die an den Kauf einheimischer Produkte geknüpft ist, den internationalen Richtlinien zu wirksamer Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungsgelder sollen eigene Initiativen in Entwicklungsländern fördern. Mit dem Kauf von Nahrungsmitteln vor Ort oder zumindest aus anderen Entwicklungsländern wird nicht nur Nothilfe an hungernde Bevölkerungsschichten geleistet sondern es werden auch lokale und regionale Marktchancen geschaffen. Die Lieferung von teuren Produkten aus der Schweiz würgt im schlechtesten Fall diese lokalen Initiativen ab.

In einem Kontext von massiven Kürzungen kann sich die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit eine Subventionierung der Schweizer Milchbauern nicht leisten. Die Zwängerei der Bauernlobby im Parlament zeigt entsprechend klar, dass die Diskussionen um Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit vorgeschoben ist. Für sie ist das Entwicklungsbudget ein Honigtopf, aus dem sie unter dem Label «internationale Solidarität» für ihre eigene Klientel möglichst viel herausholen wollen.

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Motor für den Konsum in den ärmsten Ländern

22.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

2016 überwiesen MigrantInnen mehr als 450 Mrd. US-Dollar in ihre Herkunftsländer. Damit übertreffen die Rücküberweisungen den Betrag der öffentlichen Entwicklungsgelder um das Dreifache. Sind MigrantInnen also die besseren Entwicklungsfinanzierer?

Motor für den Konsum in den ärmsten Ländern
In der Hausarbeit oder in Care-Berufen – oft ohne reguläre Anstellung – finden Millionen von Migrantinnen eine meist schlecht bezahlte Beschäftigung in unseren Breitengraden.
© erysipel / pixelio.de

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Rücküberweisungen von Migrantinnen und Migranten in ihre Heimatländer spielen eine enorm wichtige Rolle für Angehörige in Entwicklungsländern. Sie sind oft eine unerlässliche Geldquelle, um den persönlichen Bedarf decken zu können. Die Rücküberweisungen, auch Remissen genannt, können nicht vorhandene oder schlecht ausgebaute Kranken- und Sozialversicherungen nicht ersetzen, aber sie können in persönlichen Krisenzeiten ein Abgleiten oder ein Zurückfallen in die extreme Armut verhindern. Ausserdem ermöglichen sie Investitionen beispielsweise in Hausbau oder in die (Schul-)Bildung.

Die neusten Zahlen für 2016 sehen erneut einen Anstieg bei den Rücküberweisungen in Entwicklungsländern. Gemäss einer neuen Studie des International Fund for Agricultural Development (IFAD) wurden mehr als 450 Mrd. US-Dollar in die Heimatländer geschickt. Damit übertreffen diese die offiziellen Entwicklungsgelder,[1] um das Dreifache. (Die Studie zählt nur die Rücküberweisungen in Entwicklungsländer, nicht aber in EU-Länder wie etwa Portugal.)

Rücküberweisungen spielen damit eine zunehmend wichtige Einkommensquelle, gerade für arme Familien in Entwicklungsländer. Diese wird mit zunehmender Migration und zunehmender Integration der Migrantinnen und Migranten in die Arbeitsmärkte ihrer neuen Wahlheimat weiter zunehmen. In ihrer Funktion können sie jedoch die offizielle Entwicklungszusammenarbeit nur ergänzen, nicht jedoch ersetzen.

Wirksame Entwicklungszusammenarbeit setzt bei strukturellen Problemen an. Sie stärkt Rechtssicherheit, so dass private Investitionen sich auch langfristig lohnen. Entwicklungszusammenarbeit schafft Strukturen und Rahmenbedingungen, die Entwicklung ermöglichen. Indem Entwicklungszusammenarbeit zum Beispiel Kleinbäuerinnen in ihrem Kampf um die Anerkennung traditioneller Landnutzungsrechte unterstützt, sorgt sie dafür, dass der Staat sie nicht von ihrem Land vertreiben darf. Nur so können sie sich auf einen Ertrag aus ihrer Ernte verlassen. Zu den Rahmenbedingungen gehört auch Infrastruktur, wie der Ausbau von Zugangswegen zu lokalen und regionalen Märkten, wo landwirtschaftliche Erträge verkauft werden können.

Ausserdem kann die Entwicklungszusammenarbeit dort unterstützen, wo keine oder nur wenig Rücküberweisungen die notwendigen Ausgaben finanzieren. Die meisten Gelder werden heute nach Indien überwiesen, gefolgt von China und Mexiko. Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in den ärmsten Ländern und bei den ärmsten Menschen ist entsprechend weiterhin notwendig.

Einige wenige machen satte Gewinne

Die grossen Gewinne bei den Rücküberweisungen machen einige wenige, spezialisierte Firmen. Dazu gehören zum Beispiel MoneyGram und Western Union. Die Gebühren für Rücküberweisungen insbesondere in die ärmsten Länder sind immer noch enorm hoch und können mehr als 20% des überwiesenen Betrags ausmachen.  Zwar sind die durchschnittlichen Gebühren seit 2008 von knapp 10% auf 7.4% gesunken. Das sind immer noch mehr als 30 Milliarden US-Dollar jährlich. Da oft keine Alternative zu diesen Instituten besteht, die Familie im Heimatland kein Bankkonto hat oder die Finanzinfrastruktur fehlt, kommen diese hohen Gebühren einer Ausnützung einer Notlage gleich. Zwar hat sich die internationale Staatengemeinschaft in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung darauf geeinigt, die Gebühr bis 2030 auf max. 3% zu senken. Bewegung nach unten wird allerdings wohl erst mit weiterer technologischer Innovation aufkommen. Bereits heute wird versucht, internationale Geldtransfers via Handy durchzuführen. Erste Pilotprojekte in diese Richtung sind am Laufen.

 

[1] frz. Aide public au développement (APD), engl. Official Developpment Assistance (ODA)

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Retten Konzerne die Welt?

26.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

Multinationale Konzerne investierten seit 2010 mehr als 600 Milliarden Dollar pro Jahr in Entwicklungsländern – Tendenz steigend. Deutlich mehr als an öffentlichen Geldern floss. Sind multinationale Konzerne also die Speerspitze der Entwicklung?

Retten Konzerne die Welt?

© Daniel Rihs/Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Multinationale Konzerne investierten seit 2010 durchschnittlich mehr als 600 Milliarden Dollar pro Jahr in Geschäftsaktivitäten in Entwicklungsländern – Tendenz steigend. Zugenommen haben nicht nur ihre Direktinvestitionen in China, Indien oder Südafrika, sondern auch jene in den ärmeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Sie übersteigen klar die Ausgaben der Industrieländer für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in diesen Ländern.

Heute versichern diese Konzerne, dass sie sich bei ihren Investitionen in Entwicklungsländern freiwillig an Kriterien der sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung orientieren. Und nicht wenige inszenieren sich als Vorreiter bei der Umsetzung der Uno-Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung. Hinter diesen Versprechen stecken oft nur Marketingüberlegungen, manchmal aber auch die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung letztlich alternativlos ist. Sind multinationale Konzerne also die neue Speerspitze der Entwicklungszusammenarbeit?

Die Antwort: leider nein. Zwar können multinationale Konzerne tatsächlich dazu beitragen, dass in Entwicklungsländern neue Arbeitsplätze und Lebensperspektiven entstehen. Oder dass sich umweltfreundliche Technologien verbreiten. Oft genug drängen sie aber schwächere lokale Betriebe aus dem Markt und ersetzen einheimische Arbeitskräfte durch importierte Maschinen. Gleichzeitig nutzen sie ihren politischen Einfluss, um sich privilegierten Zugang zu öffentlich finanzierter Infrastruktur zu verschaffen. Vor allem aber schaffen zu viele ihre Gewinne immer noch ins steuergünstige Ausland.

Trotzdem setzen die Entwicklungsagenturen der Industrieländer mehr denn je auf Partnerschaften mit solchen Unternehmen. Sie wollen private Investitionen in Richtung Entwicklungsländer mobilisieren, indem sie deren Risiken absichern. Bevorzugte Partner sind oft die Konzerne des eigenen Landes. Will heissen: Öffentliche Entwicklungsgelder und die Expertise staatlicher Entwicklungsfachleute werden eingesetzt, um die Investitionen von privaten Grossunternehmen des Geberlandes risikoärmer und lukrativer zu machen.

Für diese neue Strategie gibt es zwei Gründe. Da ist einerseits die Hoffnung, dass tatsächlich mehr entwicklungsfördernde Investitionen in ärmere Länder fliessen. Andererseits geht es darum, Budgetkürzungen zu kaschieren. Wenn die Industrieländer mit ihren schrumpfenden staatlichen Entwicklungsausgaben mehr private Investitionsflüsse erzeugen, hat das einen strategischen Effekt: Es fällt weniger auf, wie weit sie sich vom Ziel entfernen, 0,7 Prozent ihres Nationaleinkommens in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Ob und wie der tatsächliche Entwicklungsnutzen von Partnerschaften mit dem Privatsektor gemessen werden soll, ist offen.

Auch bei der Finanzierung von Schutzmassnahmen gegen den Klimawandel soll der Privatsektor vorangehen. Doch mit Schutzdämmen – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – wird sich nie eine Rendite erwirtschaften lassen. Dennoch setzt der Bundesrat in seinem jüngsten Bericht zur internationalen Klimafinanzierung der Schweiz weitestgehend auf private Beiträge. Nur hat er keinen Plan, wie das funktionieren soll. Sein Motto scheint : Entwicklung ist umso besser, je weniger sie die öffentliche Hand kostet. Diese zynische Haltung verkennt die Fakten.

Privatsektor

Zusammen­arbeit mit dem Privatsektor

Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass Partnerschaften mit dem Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit die Armutsbekämpfung zum Ziel haben und hohen Anforderungen an Transparenz und Wirkungsmessung unterliegen.

Worum es geht >

Publikationstyp

Worum es geht

Seit der Verabschiedung der UNO-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) wurden sowohl auf multilateraler Ebene (Weltbankgruppe, OECD, regionale Entwicklungsbanken) als auch in vielen Ländern Strategien zur «Mobilisierung» privater Finanzmittel für nachhaltige Entwicklung verabschiedet, dies mit dem Ziel, die auf rund 2,5 Billionen USD pro Jahr geschätzte Finanzierungslücke zur Erreichung der SDGs zu schliessen.

Zu diesem Zweck wurde eine breite Palette von Institutionen und Instrumenten gefördert oder neu geschaffen. Dabei sind die Ambitionen oft übertrieben, sowohl was die Höhe der Finanzierung betrifft, die auf diese Weise aufgebracht werden kann, als auch was das Potenzial und die Relevanz der Privatsektorfinanzierung für die Armutsbekämpfung anbelangt.

Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass Partnerschaften mit dem Privatsektor von DEZA und SECO die Armutsbekämpfung zum Ziel haben sowie hohen Anforderungen an Transparenz und Wirkungsmessung unterliegen. 

Öffentliche Entwicklungsfinanzierung

Öffentliche Entwicklungs­ausgaben

Alliance Sud setzt sich für eine Erhöhung und möglichst enge Definition der Entwicklungsausgaben der Schweiz ein. Sie soll endlich das vor über 50 Jahren verabschiedete Finanzierungsziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens erreichen, ohne die Asylkosten im Inland anzurechnen.

Worum es geht >

Publikationstyp

Worum es geht

Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD DAC) hat 1969 die international anerkannte Referenzgrösse der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung eingeführt: Aide publique au développement (APD; bzw. Official development assistance, ODA). Seither ist die «APD-Quote» der Massstab für die Erfassung des Umfangs und der Qualität der bereitgestellten Mittel. Sie bildet damit die Grundlage für die Beurteilung dafür, ob die Geberländer ihren Versprechungen nachkommen.

Doch zahlreiche Akteure, darunter auch Alliance Sud, kritisieren, dass die OECD-Mitgliedsstaaten ihre ausgewiesene Entwicklungsfinanzierung über zweifelhafte und kreative Buchführungspraktiken künstlich in die Höhe treiben. Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass die Schweiz dem vor über 50 Jahren verabschiedeten UNO-Ziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens endlich nachkommt, ohne im Inland verbleibende Ausgaben wie Asylkosten anzurechnen. Zudem setzt sie sich in der OECD für eine möglichst enge Definition von Entwicklungsausgaben ein.

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Asylkosten: Der grosse Etikettenschwindel

26.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

Auch 2016 blieb jeder fünfte Franken an öffentlichen Entwicklungsgeldern im Inland. Die Schweiz ist damit die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder.

Asylkosten: Der grosse Etikettenschwindel
Kinder von syrischen Asylbewerbern spielen im Durchgangszentrum Ober Halden, Hinteregg, Kanton Zürich.

von Nathalie Bardill, ehemalige Mitarbeiterin bei Alliance Sud

Anfang April veröffentlichten das EDA und die OECD kurz nacheinander ihre neusten Zahlen zur Entwicklung der öffentlichen Entwicklungsgelder (aide publique au développement, APD). Die Schweizer APD-Quote stieg – gemessen am Bruttonationaleinkommen BNE – im Jahr 2016 auf 0.54%. Dieser Anstieg verblüfft angesichts sinkender Anteile der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0.39% gegenüber 0.41% im Vorjahr, wie das EDA kommunizierte. Der Rückgang in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe wurde demnach durch den steigenden Anteil an Asylkosten wettgemacht. Konkret sind 19.4% der Schweizer APD-Gelder ins Asylwesen geflossen. Alliance Sud verurteilt diese von der OECD zugelassene Anrechnungspraxis klar.

Im internationalen Vergleich des Entwicklungsausschusses (DAC) der OECD bewegt sich die Schweizer APD-Quote weiterhin in den Top Ten. Doch darunter gibt es Länder wie beispielsweise Deutschland, die trotz hoher Asylkosten weiterhin zusätzliche Mittel für die eigentliche Entwicklungshilfe bereitstellen. In der Spitzengruppe liegen die Quoten der ‚genuinen Entwicklungsmittel‘ (also ohne Asylkosten) von Norwegen, Luxemburg und beinahe auch Schweden immer noch doppelt so hoch wie in der Schweiz.

Seit 1998 rechnet die Schweiz ihre Asylkosten an die APD an. Zwischen 2004 und 2013 sogar am Grosszügigsten – sie übertraf damit das zweitplatzierte Geberland fast um das Doppelte. Seither wurde die Schweiz zwar von einigen Ländern überflügelt, sie bewegt sich aber immer noch in der Spitzengruppe. Es sind hauptsächlich EU-Länder, die seit 2014 vermehrt Asylkosten anrechnen. Löbliche Ausnahme ist da Luxemburg. Auch Frankreich, das Vereinigte Königreich und Irland rechnen nur einen kleinen Prozentsatz der Asylkosten an.

Der Etikettenschwindel mit der Anrechenbarkeit von Asylausgaben als APD verhindert eine echte Vergleichbarkeit der APD-Quoten der Mitgliedsländer des DAC, denn die Berechnungsmethoden der Asylkosten unterscheiden sich von Land zu Land. Der DAC hat darum 2016 einen Klärungsprozess der Methodologien eingeleitet, der im besten – aber unwahrscheinlichen – Fall dazu führen wird, dass die Anrechenbarkeit der Asylkosten eingeschränkt oder gar ganz ausgeschlossen wird. Für den DAC-Vorstand ist das Asylwesen zwar eine wichtige Aufgabe der Mitgliedsländer, trotzdem beobachtet er die Anrechnung der Asylkosten kritisch und mahnt, dass die Mitgliedsländer deswegen ihr Engagement für langfristige Entwicklungszusammenarbeit nicht vernachlässigen sollen. Ob die DAC-Mitglieder die Ansicht ihres Vorstands teilen, wird sich in diesem Klärungsprozess zeigen. Inwiefern in Zukunft Asylkosten geltend gemacht werden können, hängt auch von der Einigung auf die neue OECD-Messgrössse TOSSD (Total Offical Support for Sustainable Development) ab, welche die gesamten Finanzflüsse in Entwicklungsländer abbilden soll und in welche Asylkosten ausgelagert werden könnten. Kann man sich nicht auf TOSSD einigen, so droht, dass die APD noch zusätzlich mit entwicklungsfernen Kosten aufgebläht wird.


Gezerre um Zahlen

Die Ausgaben der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développment APD) sind dazu bestimmt, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Empfängerländern zu fördern oder multilateralen Organisationen zuzukommen. 1970 versprachen die reichen Länder im Rahmen der Uno, 0.7% ihrer Wirtschaftsleistung (BNE) für die Entwicklung ärmerer Länder bereitzustellen. Die APD-Quote misst, inwiefern die OECD-Länder ihre Verantwortung gegenüber den Armen und Ärmsten dieser Welt nachkommen.

Seit 1992 dürfen die Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden im Inland angerechnet werden. So notwendig und sinnvoll diese Ausgaben sind, sie tragen nichts zur Entwicklung bei und werden daher von Alliance Sud wie auch dem DAC-Vorstand kritisiert.