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Medienmitteilung
Ringen um Entwicklungsfinanzierung
13.07.2015, Entwicklungsfinanzierung
Heute beginnen in Addis Abeba die Verhandlungen um einen Finanzierungsrahmen für nachhaltige Entwicklung. Über 600 NGOs rufen dazu auf, die nötigen Finanzen sicherzustellen.

Im September sollen die Uno-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) verabschiedet werden. Bereits heute wird in Addis Abeba, Äthiopien, über einen Rahmen zur Finanzierung dieser Ziele verhandelt. Aus Sicht von Alliance Sud sind die bisherigen Verhandlungsergebnisse allerdings enttäuschend. Einigkeit herrscht bloss bezüglich der Tatsache, dass enorme Summen notwendig sein werden, um die Ziele zu erreichen. Aber woher soll das Geld kommen? Mit Ausnahme von einigen wenigen Ländern sind die reichen Industrieländer nicht bereit, ihr Versprechen einzulösen und 0.7% ihres Nationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Einspringen soll einerseits der Privatsektor, andererseits die Entwicklungsländer selber, die durch effizientere Verwaltungen ihre Steuereinnahmen erhöhen sollen.
Für Alliance Sud braucht es eine klare Frist zur Erreichung des 0.7%-Ziels. Ohne Frist ist eine Bekräftigung des vor Jahrzehnten gegebenen Versprechens nichts wert. Zweitens braucht es ein universelles, intergouvernementales Gremium für Steuerfragen. Um das Potential selber generierter Steuereinkommen auszunutzen, müssen Entwicklungsländer nicht nur nationale Steuergesetze besser umsetzen, sondern auch die internationalen Regeln in Steuerfragen mitbestimmen können. Durch Steuerhinterziehung entgehen den Entwicklungsländern jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. Und drittens braucht es für private Investitionen nicht nur Anreize, sondern klare Rahmenbedingungen, um diese in nachhaltige Projekte zu lenken.
Am Vorabend der Konferenz verabschiedete Alliance Sud gemeinsam mit über 600 zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Erklärung. Darin wird die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, mit einem ambitionierten Schlussdokument ein starkes Zeichen zu setzen. Ein solches ist notwendig für die Glaubwürdigkeit, dass es der Staatengemeinschaft ernst ist mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Bekämpfung des Klimawandels, über die später im Jahr verhandelt wird.
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Blended Finance, die grosse Blendung?
10.12.2020, Entwicklungsfinanzierung
Die Agenda 2030 beruht auf der bis anhin ambitioniertesten Finanzierungsstrategie: Ist es realistisch zu glauben, dass Billionen für die nachhaltigen Entwicklungsziele mobilisiert werden können?

Ein Arbeiter kontrolliert die Bierproduktion in Beni, Demokratische Republik Congo. Die zentrale Frage ist, inwieweit private Investitionen zur Armutsbekämpfung beitragen.
© Kris Pannecoucke / Panos
Zusätzlich zu öffentlichen Geldern gelten private – nationale und internationale – Finanzierungsquellen als unabdingbar. Gewisse Kreise sehen darin sogar den Königsweg zur Deckung der Finanzierungslücke. Zu diesen privaten Mitteln gehören namentlich private Investitionen, aber auch Philanthropie und Rücküberweisungen. In seiner Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 setzt sich der Bundesrat dafür ein, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu diversifizieren und zu intensivieren; er beabsichtigt, Gelder der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (APD) so einzusetzen, dass damit «zusätzliche private Mittel» für eine nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden.
Zu den neuen Finanzierungsinstrumenten, mit welchen private Mittel in die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung gelenkt werden sollen, gehört insbesondere der Ansatz der Mischfinanzierung (Blended Finance). Dabei sind die Erwartungen enorm, die bis heute erzielten Resultate allerdings eher bescheiden.
Versuchen wir, anhand von fünf Fragen Klarheit zu schaffen:
1. Blended Finance: Worum geht es?
Für Blended Finance gibt es keine allgemein gültige Definition. Die Idee dahinter ist aber, dass Finanzmittel und andere Ressourcen (Personal, Fachwissen, politische Kontakte etc.) aus der bilateralen und multilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe zur Mobilisierung von Investitionen des Privatsektors zugunsten der nachhaltigen Entwicklung als «Hebel» eingesetzt werden können.
2. Welche Modelle existieren zurzeit?
In der Praxis funktioniert Blended Finance wie folgt: Private Investoren streben in der Regel einen finanziellen Ertrag an, der in einem angemessenen Verhältnis zum Investitionsrisiko steht, also eine dem Risiko angepasste Rendite. Je höher das – reale oder wahrgenommene – Risiko ist, desto höher muss die angestrebte Rendite zum Ausgleich dieses Risikos sein.
In der öffentlichen Finanzierung (bilateral oder multilateral) gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, mit denen Privatinvestoren für Projekte gewonnen werden, die (a priori) nicht den risikobedingten Renditeerwartungen entsprechen: Zum einen kann das Investitionsrisiko für den privaten Investor gesenkt werden («de-risking»); zum anderen kann der potenzielle Ertrag für den privaten Investor erhöht werden.
Die Risikosenkung mittels Instrumenten wie Garantien oder Erstverlustkapital («first-loss» capital) wird in der Regel bei Projekten angewandt, die eine ausreichende Rentabilität, aber ein als erhöht eingeschätztes Ausfall- oder Wertminderungsrisiko aufweisen. Die Ertragssteigerung kann über Darlehen zu Vorzugskonditionen, welche dem Investor zur Kompensation gewisser Projektkosten gewährt werden, oder über eine Kapitalbeteiligung erreicht werden. So erhalten private Anleger einen Anreiz zu investieren. Eine weitere Möglichkeit ist die technische Hilfe zur Senkung gewisser Transaktionskosten (beispielsweise in Form von Machbarkeitsstudien).
Beide Ansätze – sowohl die Risikosenkung wie auch die Ertragssteigerung – kommen einer Subventionierung von privaten Investoren durch Gelder der öffentlichen Entwicklungshilfe gleich.
3. Welche Vorteile bringt das für die Ärmsten?
Dies ist die zentrale Frage. Laut dem Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit werden durch letztere «in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen» unterstützt (Artikel 5/2). Bis zum heutigen Tag ist in den ärmsten Ländern jedoch kaum ein Nutzen dieser Mischfinanzierung erkennbar.
Zwar verzeichnen Mischfinanzierungen ein rasantes Wachstum, doch wurden die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) bisher umgangen. Empfänger der meisten Blended Finance-Transaktionen sind die Länder mit mittlerem Einkommen (MICs), und dort sind es hauptsächlich die Sektoren mit der höchsten Kapitalrendite, die davon profitieren – wie die Bereiche Energie, Finanzdienstleistungen, Industrie, Bergbau und Bauwesen. Kaum betroffen sind Sektoren wie Bildung oder Gesundheit.
4. Welches sind die Risiken?
Blended Finance birgt die folgenden Risiken:
- Erstens ist zu bedenken, dass bei gleichbleibendem Finanzierungsvolumen der internationalen Zusammenarbeit die verstärkte Unterstützung dieser Finanzierungsform zu einer Reduktion der «klassischen» Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) führt.
- Zweitens könnten die für die LDCs bestimmten Entwicklungsgelder unter Druck geraten, wenn Blended Finance-Projekte hauptsächlich in den MICs realisiert werden.
- Drittens besteht die Gefahr, dass die international anerkannten Grundsätze der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit nicht eingehalten werden; diese Grundsätze verlangen insbesondere, dass die Entwicklungsprioritäten in einer inklusiven Weise definiert werden, also in Absprache mit der begünstigten Bevölkerung.
- Viertens könnte der Einsatz solcher Finanzierungsinstrumente Marktverzerrungen in den Entwicklungsländern verursachen und lokale Unternehmen und Investoren verdrängen (crowd-out).
- Und schliesslich birgt Blended Finance für die Entwicklungsländer ein Verschuldungsrisiko.
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.
5. Was sind die Alternativen?
Es stellt sich generell die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Blended Finance und Partnerschaften zwischen Akteuren der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und privaten Unternehmen die (hohen) Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen können. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Addis Ababa Action Agenda (AAAA) die Mobilisierung inländischer öffentlicher Mittel als vorrangigen Interventionsbereich für die Entwicklungsfinanzierung festlegt hat und dass diesbezüglich die Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse unabdingbar ist.
Darüber hinaus ist in Bezug auf die Entwicklung des Privatsektors lokalen Unternehmen, insbesondere Kleinst-, Klein- und mittelgrossen Unternehmen (KMU) – mit besonderem Augenmerk auf Betrieben, die von Frauen geführt werden –, sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität einzuräumen. Blended Finance kann also nur eines von mehreren Finanzierungsinstrumenten zur Umsetzung der Agenda 2030 dienen.
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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
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Engagement des Privatsektors: ein riskanter Weg
22.03.2021, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung
Zur Umsetzung der Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024 will die DEZA ihre Kooperationen mit dem Privatsektor intensivieren und neue Partnerschaften eingehen. Wie wirkt sich das auf die Entwicklungsländer aus?

Aussenminister Ignazio Cassis besucht ein Bildungsinstitut für Tourismus während seiner Afrika-Reise im Februar 2021.
© Foto: YEP Gambia
Die Kooperation mit der Privatwirtschaft ist im Rahmen der IZA der Schweiz nichts Neues, sei es bei den Aktivitäten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) oder der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Getreu dem in der Agenda 2030 verankerten Nachhaltigkeitsziel Nr. 17, Partnerschaften für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) einzugehen, hatte die Schweizer IZA ihre Massnahmen mit dem Privatsektor im Zeitraum 2017-2020 bereits ausgebaut. Bislang wurde diese Zusammenarbeit jedoch nicht von einer DEZA-Strategie umrahmt. Dies wird sich nun, zumindest teilweise, ändern.
Das im Januar 2021 veröffentlichte «Leitbild Privatsektor im Rahmen der Strategie für internationale Zusammenarbeit 2021–2024» definiert die Grundprinzipien für die Aktivitäten der DEZA in Bezug auf den Privatsektor und erläutert die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.
In Anbetracht der Tatsache, dass der Privatsektor den «grössten Beitrag zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung in der Welt» leistet – insbesondere in Bezug auf Arbeitsplätze, Steuern und «innovative Produkte, die die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern verbessern» – wird im Dokument festgehalten, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im Rahmen der IZA-Strategie 2021-2024 und der neuen Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundesrates intensivieren wollen.
Die DEZA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) und dem nationalen Steueraufkommen «nur durch die Mobilisierung privater Investitionen» erreicht werden können. Der Privatsektor sei damit «Teil der Lösung» zur Erfüllung der globalen Entwicklungs- und Klimaschutzziele.
Vier Handlungsfelder
Beim Einbezug des Privatsektors in die nachhaltige Entwicklung liegt der Fokus der DEZA auf den folgenden vier Handlungsfeldern: (1) Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen: Dazu gehören die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung und nachhaltige Investitionen. (2) Förderung lokaler Unternehmen in den Schwerpunktländern der Schweizer IZA, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). (3) Zusammenarbeit mit dem Privatsektor (englisch: Private Sector Engagement, PSE). Darunter werden Partnerschaften mit Akteuren des Privatsektors (aus der Schweiz und anderen Ländern) verstanden. Zu guter Letzt, (4) das Beschaffungswesen: Dieses Handlungsfeld umfasst Aufträge der DEZA an Akteure des Privatsektors (im In- und Ausland), die zukünftig strengere Kriterien der nachhaltigen Entwicklung erfüllen müssen.
PSE: Hat jemand PSE gesagt?
Das dritte Handlungsfeld, das Engagement des Privatsektors (PSE), umfasst laut DEZA die Zusammenarbeit zwischen der IZA und «etablierten» privatwirtschaftlichen Akteuren, welche eine «konsequente Ausrichtung» auf die nachhaltige Entwicklung wahrnehmen. Solche privatwirtschaftliche Akteure – aus der Realwirtschaft und dem Finanzsektor – können, so die DEZA, zur Armutsbekämpfung beitragen und sind daher interessante Partner für die IZA. Dazu gehören Grossunternehmen und multinationale Konzerne, KMU, Sozialunternehmen, wirkungsorientierte Unternehmen und Förderstiftungen. Jede dieser Kategorien verfüge über «spezifische Stärken». Auch NGOs und akademische Einrichtungen werden von der DEZA in diesem Zusammenhang, beispielsweise als Implementierungspartner, erwähnt.
Wie im «Handbuch der DEZA zur Kooperation mit dem Privatsektor» ausgeführt, plant die DEZA, mittelfristig, das heisst während der Umsetzung der IZA-Strategie 2021-2024, eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und eine Aufstockung der Finanzierung ihres PSE-Portfolios. Zusätzlich zu den «traditionellen» PSE-Ansätzen sollen auch «neue Finanzinstrumente» entwickelt werden, wodurch das Volumen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit auch in den ärmsten Ländern (LDCs) und in fragilen Kontexten erhöht werden soll.
500 Millionen pro Jahr?
Obschon im Dokument erwähnt wird, dass die Festlegung eines quantifizierten Wachstumsziels nicht zielführend sei, wird festgestellt, dass derzeit etwa 8% der gesamten von der DEZA finanzierten Projekte (bilaterale Aktivitäten und Globalprogramme) auf Partnerschaften mit dem Privatsektor entfallen. Ausgehend von einer Kombination verschiedener Faktoren wird geschätzt, dass langfristig etwa 20-25% aller DEZA-Aktivitäten in Kooperation mit dem Privatsektor durchgeführt werden könnten, sowohl im bilateralen als auch im multilateralen Bereich. Nimmt man das Ausgabenvolumen von 2020 für die ca. 125 bestehenden Partnerschaften, CHF 165 Millionen, als Referenzwert, könnte das Volumen also langfristig fast eine halbe Milliarde an jährlichen Ausgaben erreichen.
Es sei daran erinnert, dass die IZA-Strategie 2021-2024 keine Aufstockung der jeweiligen Rahmenkredite zur Finanzierung dieser Partnerschaften vorsieht, sondern dass diese aus den für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehenen Mitteln finanziert werden sollen. Das bedeutet, dass der Zuwachs von Partnerschaften mit dem Privatsektor zu Lasten anderer Formen der Zusammenarbeit geht, die nachweislich Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung haben, insbesondere Programme zur Unterstützung der öffentlichen Grundversorgung, einschliesslich Bildung und Gesundheit, aber möglicherweise auch zu Lasten anderer Formen der Unterstützung des Privatsektors in Entwicklungsländern, einschliesslich der Förderung lokaler KMU.
Welches sind die Auswirkungen?
Es ist daher notwendig, die entwicklungspolitische Wirkung dieser Partnerschaften bzw. die Relevanz der Ziele, die diese Art der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verfolgt, zu ermitteln. In diesem Punkt bleibt das «Leitbild Privatsektor» jedoch vage bzw. vermittelt in seiner jetzigen Form keine klare Vorstellung davon, wie die DEZA sicherstellen will, dass ihr primäres Mandat, nämlich die Armutsbekämpfung in den Schwerpunktländern, im Rahmen dieser Partnerschaften effektiv erfüllt wird.
Im internen Handbuch der DEZA sind verschiedene Kriterien und Modalitäten für die Zusammenarbeit sowie ein komplexes Risikoanalyseverfahren aufgeführt. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. Die DEZA wird sicherstellen müssen, dass diese Kriterien und Prozesse bei der Schaffung dieser Partnerschaften von allen Akteuren auch tatsächlich eingehalten werden und nicht einfach nur ein Häkchen dahinter gesetzt wird.
Angesichts des klaren Trends innerhalb der multilateralen Institutionen und der bilateralen Geber könnte die DEZA unter Druck geraten, ihr PSE-Portfolio «zu forcieren», ohne garantieren zu können, dass diese Partnerschaften mit den Kernzielen der Agenda 2030, «niemanden zurückzulassen», im Einklang stehen.
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Medienmitteilung
SDG Impact Finance Initiative: Wirkung für wen?
16.03.2022, Entwicklungsfinanzierung
Eine neue SECO-Initiative möchte Privatkapital für Entwicklungsländer mobilisieren. Sie wirft etliche Fragen bezüglich Governance und Entwicklungsauswirkungen auf.

Die zwei Gesichter der Privatwirtschaft: Einerseits transportiert sie im Sommer 2020 Hilfsgüter von Zürich nach Venezuela; andererseits wirtschaften Schweizer Banken mit der Elite des krisengeschüttelten Landes, wie die «Suisse Secrets» gezeigt haben.
© KEYSTONE / POOL / Ennio Leanza
Am 1. Dezember 2021 kündigte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die SDG Impact Finance Initiative an, eine neue «öffentlich-private Partnerschaft für innovative Entwicklungsfinanzierung». Mit dabei sind die UBS Optimus Foundation, die Credit Suisse Foundation und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Laut diesen Trägern soll die Initiative bis zu einer Milliarde Franken Privatkapital mobilisieren, mit dem Ziel «messbarer Ergebnisse in den Entwicklungsländern». Das SECO unterstützt die Initiative mit 19,5 Millionen Franken, die UBS Optimus Foundation mit 5 Millionen Franken; die Beiträge der anderen Beteiligten sind noch nicht bekannt.
Blending is trendy
Das SECO begründet die Partnerschaft damit, dass für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) eine Finanzierungslücke bestehe, die bis 2030 auf über 2,5 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt wird, und folgert: «Zur Schliessung dieser Finanzierungslücke müssen die privaten Investitionen in den Entwicklungsländern erhöht werden.» Die Mischfinanzierung (Blending) aus öffentlichen und philanthropischen Mitteln sei ein wirksames Mittel zur Mobilisierung privater Gelder, die andernfalls nicht in die betreffenden Länder fliessen würden. Die SDG Impact Finance Initiative bezweckt, bis 2030 100 Millionen Franken von öffentlichen und philanthropischen Akteuren aufzubringen, wodurch in der Folge «bis zu einer Milliarde Franken an privatem Kapital zur Umsetzung der SDGs in Entwicklungsländern» mobilisiert werden soll.
Dabei werden drei Ziele genannt: (1) die Unterstützung «innovativer Finanzierungslösungen» für neue «Impact-Investing-Produkte» durch Zuschüsse und Anschubfinanzierung, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Investitionen neben der finanziellen Rendite auch eine messbare gesellschaftliche und ökologische Wirkung erzielen sollen (innovation window); (2) Förderung von Impact Investing, indem mehr privates Kapital mobilisiert wird und Unternehmen, die Teil von Impact-Investing-Anlagen sind, gestärkt werden (product window); und (3) Beitrag zu einer «Verbesserung der Rahmenbedingungen für Impact Investing in der Schweiz» und Förderung der «Qualität der Wirkungsmessung». Hierfür werde die Initiative eng mit Swiss Sustainable Finance (Dachverband von Finanzdienstleistern zur Förderung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft) und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) zusammenarbeiten.
Die Debatte ist eröffnet
Die Lancierung der Initiative (SIFI) wirft zahlreiche Fragen auf, zunächst in Bezug auf die Governance und die Steuerung; es wurde ein Verein gegründet, dessen Vorsitz ein Wirtschaftsanwalt innehat und in dem jeweils ein Vertreter der beiden Bankenstiftungen Einsitz hat, die sich an der SIFI beteiligen. Weder das SECO noch die DEZA sind im Vorstand vertreten. Es ist daher schwer nachvollziehbar, wie sich die Bundesvertreter für die Entwicklungsprioritäten einsetzen wollen, die durch den Beitrag des SECO (und in Zukunft wahrscheinlich auch der DEZA) umgesetzt werden sollen.
Eine weitere − zentrale − Frage lautet: Wie werden Wirkung und Messbarkeit definiert? Bis dato gibt es in der Tat keine universell gültige Definition von Impact Investing und laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Grenzen dessen, was als Impact Investing betrachtet werden kann, fliessend. Laut der Vorsitzenden des OECD-DAC (Development Cooperation Committee) «besteht die Schwierigkeit darin, diesen Impact zu definieren und zu messen. Die verschiedenen Länder und öffentlichen und privaten Organisationen verwenden unterschiedliche Instrumente zur Messung unterschiedlicher Kriterien. Damit dem Risiko des Impact Washing begegnet werden kann, sind die öffentlichen Behörden dafür verantwortlich, Standards festzulegen und deren Einhaltung zu überwachen.» Darüber hinaus fehlt es an international vergleichbaren Daten und Bewertungsinstrumenten.
Der Rückgriff auf Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (derzeit 19,5 Millionen des SECO) wirft die grundlegende Frage nach der Rolle und den Zielen des Bundes im Rahmen dieser Initiative auf; denn das angekündigte Ziel, private Finanzmittel in Höhe von CHF 1 Milliarde zur Finanzierung der SDGs in Entwicklungsländern «zu beschaffen», setzt Massnahmen zur Verringerung der (tatsächlichen oder wahrgenommenen) Risiken für private Investoren voraus (De-Risking). Solche Massnahmen können in Form von Garantien, Deckung von Erstverlusten (first loss), technischer Hilfe für Portfolio-Unternehmen oder der Übernahme von Projektvorbereitungskosten erfolgen. Alle diese Massnahmen kommen Subventionen gleich, deren implizites Ziel es ist, die Bereitstellung eines Portfolios bankfähiger Projekte (bancable projects) zu ermöglichen, die den von privaten institutionellen Investoren erwarteten Risiko-Rendite-Profilen (risk adjusted return) entsprechen müssen. Besteht der Zweck der IZA-Gelder also darin, den wachsenden Appetit der InvestorInnen zu stillen oder im Gegenteil dafür zu sorgen, dass die beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen von Investitionen in Bezug auf Entwicklung gemessen, überwacht und offengelegt werden?
Es stellt sich ausserdem die Frage, welche Kriterien für die geplanten Investitionen gelten sollen. Da es bislang keinen von öffentlichen Gebern definierten «Nachhaltigkeitsrahmen » für private Finanzierungen gibt, besteht die Gefahr, dass ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), deren Anforderungsniveau je nach Investor stark variiert, nach Gutdünken angewandt werden (SDG Washing). Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, für welche Sektoren und Länder die Mischfinanzierung bestimmt ist bzw. zu welchen SDGs sie beitragen soll. Last but not least wirft diese Art der öffentlich-privaten Partnerschaft eine Reihe systemischer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Finanzialisierung der Entwicklung auf; denn die entscheidende Frage, wenn ein Teil der IZA-Mittel ihrer ursprünglichen Bestimmung der nachhaltigen Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen entzogen und als «Köder» und Hebel für private Investitionen eingesetzt wird, lautet: Ist diese neue Verwendung öffentlicher Mittel tatsächlich im Sinne einer inklusiven Entwicklung, wie sie in der Agenda 2030 angestrebt wird (leave no one behind)? Oder anders ausgedrückt: Wie geeignet sind diese öffentlichen Gelder, private Investitionen tatsächlich auf die Ziele einer nachhaltigen und inklusiven Entwicklung und Armutsbekämpfung auszurichten? Welche Art von Entwicklung wird durch diese Finanzialisierung gefördert? Inwieweit können diese Investitionen in Entwicklungsländern zur Bekämpfung von Ungleichheiten sowohl auf regionaler Ebene als auch zwischen sozialen Gruppen beitragen? Die Diskussion darüber hat eben erst angefangen.
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Offener Brief
NGOs in Israel/Palästina: Offener Brief an den Bundesrat
17.11.2023, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung
In einem Offenen Brief fordern Schweizer NGOs, darunter Alliance Sud, den Bundesrat auf, Transparenz darüber zu schaffen, auf welcher Grundlage die Finanzierung von elf langjährigen EDA-Partnerorganisationen in Israel/Palästina suspendiert wurde.

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Positionspapier
Blended Finance - Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit
20.09.2020, Entwicklungsfinanzierung
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.
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Medienmitteilung
Anhaltender Abwärtstrend bei Entwicklungsausgaben
10.04.2019, Entwicklungsfinanzierung
Ein weiteres Mal kommuniziert der Bundesrat einen Rückgang bei der weltweiten Armutsbekämpfung durch die Schweiz. Und dies, obwohl der Bund Jahr für Jahr Milliardenüberschüsse ausweist. 2017 sowie 2018 lagen diese in der Höhe der Ausgaben seiner Entwicklungshilfe.

© Daniel Hitzig/Alliance Sud
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Gemessen am Bruttonationalprodukt (BNE) der Schweiz sinkt der Anteil der öffentlichen Entwicklungsgelder erneut. Gemäss Mitteilung des Bundesrats betrug die sogenannte APD-Quote (Aide publique au développement) im Jahr 2018 noch 0.44%. 2017 lag die APD-Quote bei 0.46%.
In der aktuellen Botschaft über die internationale Zusammenarbeit für die Jahre 2017-2020 setzte sich der Bundesrat das Ziel, 0.48% des BNE für staatliche Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Das von ihm 2016 beschlossene Stabilisierungsprogramm sah Kürzungen insbesondere bei der internationalen Zusammenarbeit vor, welche das Beibehalten einer APD-Quote von 0.5% – wie vom Parlament beschlossen – aus seiner Sicht verunmöglichten. Die letzten Zahlen zeigen nun, dass der Bundesrat nicht einmal sein selbst gesetztes Ziel einhält, sondern sich im Gegenteil immer weiter davon entfernt.
Gleichzeitig weist der Bundeshaushalt jährlich Überschüsse in Milliardenhöhe aus. 2018 schloss der Bundeshaushalt mit einem ordentlichen Überschuss von 2,9 Milliarden Franken ab. Das entspricht ziemlich genau der Summe, welche die Schweiz im selben Jahr für Entwicklungszusammenarbeit aufwendete.
In der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 argumentierte der Bundesrat, dass die Schweiz die darin festgelegten Ziele auch mit einer Quote von 0.48% erreichen könne. Er wies aber darauf hin, dass «bei einer deutlichen Kürzung dieser Mittel der Bund diese Ziele nicht mehr verwirklichen [könnte].» Deutliche Kürzungen hätten demnach «nicht nur verheerende Folgen für die betreffenden Begünstigten, sondern würden auch die Wirksamkeit und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Partnerländern und anderen Geberländern beeinträchtigen. Zudem würde dadurch der Beitrag der Schweiz zur internationalen Stabilität geschmälert.»
Ein beträchtlicher Teil der als APD ausgewiesenen Ausgaben fällt für die Betreuung von Asylsuchenden in der Schweiz an. Zieht man diese Kosten, die zwar absolut notwendig, aber nichts mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun haben, von der APD ab, sinkt der Anteil der echten Entwicklungshilfe am BNE gar auf 0.40%. Die Schweiz bleibt damit weiterhin die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsausgaben; aktuell fliessen 9 % der gesamten APD-Ausgaben in die Unterstützung Asylsuchender in der Schweiz.
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Analysepapier
Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit
21.07.2023, Entwicklungsfinanzierung
In der Debatte um die internationale Zusammenarbeit (IZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Das Analysepapier von Alliance Sud bietet eine differenzierte Sicht.

In kontroversen Diskussionen über die internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz und ganz besonders im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) werden Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oft gegeneinander ausgespielt. Aber wer genau ist gemeint, wenn vom Einbezug des «Privatsektors» in die EZA gesprochen wird? Das Analysepapier von Alliance Sud soll einen Beitrag dazu leisten, die oft sehr verkürzt und ideologisch geführte Debatte zur Rolle des Privatsektors in der EZA zu differenzieren. Gleichzeitig werden Empfehlungen zur zukünftigen Rolle der Privatwirtschaft in der EZA abgegeben.
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Medienmitteilung
Schweiz zeigt wenig internationale Solidarität
13.04.2021, Entwicklungsfinanzierung
Die heute veröffentlichten Zahlen des OECD-Entwicklungsausschusses zeigen: Die Schweiz gab auch während der Coronakrise kaum mehr Geld zur Unterstützung der ärmsten Länder aus. Sie bleibt nach wie vor weit entfernt vom international verankerten Ziel, 0.7% des Brutto-nationaleinkommens (BNE) in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu investieren.

© OECD / DAC
Auch wenn der Anteil der öffentlichen Entwicklungsausgaben (APD: aide publique au développement) der Schweiz am Bruttonationaleinkommen (BNE) unter anderem aufgrund des tieferen BNE 2020 leicht gestiegen ist – von 0.42% auf 0.48% [1] –, liegt diese APD-Quote nach wie vor weit unter dem international vereinbarten Zielwert von 0.7%. Mit ihrer APD-Quote liegt die Schweiz im OECD-Ranking auf Platz 9, hinter Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark, Deutschland, England, Holland und Frankreich (wobei die meisten dieser Länder massiv weniger bis gar keine Asylausgaben an ihre APD anrechnen).
Die Asylkosten sind im letzten Jahr aufgrund der Pandemie zwar gesunken, trotzdem bleibt die Schweiz eines der Länder, die den Spielraum der OECD bei der Anrechnung von Asylausgaben an die APD maximal ausnutzen. Zieht man die Ausgaben für Asylsuchende in ihrem ersten Aufenthaltsjahr, die unsinnigerweise ebenfalls zu den Entwicklungsausgaben gezählt werden, davon ab, beträgt die Schweizer APD-Quote gar nur 0.44%.
«Obwohl die Schweiz ihre Entwicklungsausgaben im letzten Jahr leicht aufgestockt hat, ist diese Finanzierung gemessen an den massiv gestiegenen Bedürfnissen weiterhin ungenügend», sagt Kristina Lanz, Fachverantwortliche Entwicklungspolitik bei Alliance Sud.
Armut und Hunger nehmen dramatisch zu
Die Coronakrise hat viele Fortschritte im Kampf gegen die Armut innerhalb weniger Monate zunichte gemacht – die Weltbank rechnet damit, dass 2020 zwischen 88 und 115 Millionen Menschen aufgrund der Coronakrise in die extreme Armut gefallen sind; bis Ende dieses Jahres wird ein Anstieg um 150 Millionen projiziert. Damit würde bis Ende 2021 fast 10% der Weltbevölkerung in extremer Armut leben (d .h. mit einem Einkommen von weniger als 1.5 US-Dollar pro Tag). Wird eine etwas realistischere Armutsgrenze von 5.5 USD angewandt, wird bis Ende Jahr fast die Hälfte der Weltbevölkerung in Armut leben.
Gleichzeitig hat sich der globale Hunger seit Anfang der Krise fast verdoppelt – laut dem Welternährungsprogramm (WFP) befinden sich momentan etwa 270 Millionen Menschen am Rande des Verhungerns. Während sich auch die Klimakrise vielerorts weiter verschärft, steuern verschiedene Länder bereits jetzt auf einen Staatsbankrott zu. «Will die internationale Gemeinschaft massive Wirtschaftskrisen, steigende Konflikte und Fragilität, Migrationskrisen sowie auch zukünftige globale Pandemien vermeiden, müssen die reichen Länder endlich adäquate Ressourcen für die Bekämpfung der Armut und der Ungleichheit bereitstellen», sagt Kristina Lanz: «Die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt trägt hier eine globale Verantwortung und darf sich nicht nur im Inland solidarisch zeigen.»
Für weitere Informationen:
Kristina Lanz, Fachverantwortliche Entwicklungspolitik, Alliance Sud, Tel. +4176 295 47 46
[1] Die APD-Quote wird als Prozentsatz des BNE berechnet, bei tieferem BNE steigt somit die APD-Quote auch bei gleichbleibenden Mitteln.
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Schweiz boostert Entwicklungsausgaben
12.04.2022, Entwicklungsfinanzierung
Die Schweiz ist nach wie vor weit entfernt vom international verankerten Ziel von 0.7% der Wirtschaftsleistung für die öffentlichen Entwicklungsausgaben: Im Jahr 2021 stieg ihr Beitrag gemäss den heute publizierten Zahlen nur geringfügig von 0.48% auf 0.51% des Bruttonationaleinkommens (BNE) an. Dazu beigetragen haben auch die angerechneten, aber nicht transparent offengelegten Spenden von überschüssigen Impfdosen.

Die Welt befindet sich im Krisenmodus – Klimakrise, Coronakrise, Schuldenkrise und nun auch noch der Krieg in der Ukraine, der die Nahrungsmittel- und Energiepreise vielerorts drastisch steigen lässt. All diese Krisen haben massive negative Auswirkungen in den ärmsten Ländern dieser Welt: Sie führen zu steigender Armut, zu Hungersnöten und letztlich auch zu politischen Unruhen, Fragilität und Gewalt.
Anstatt endlich ihrer globalen Verantwortung nachzukommen, fokussieren die reichen Staaten weiterhin vor allem auf kurzfristige nationale Eigeninteressen, wobei sie diese nun gekonnt als Altruismus zu tarnen versuchen. So beschloss der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD DAC), dass Impfdosen, die an ärmere Länder abgetreten wurden, den Entwicklungsausgaben zum Referenzpreis von 6.72 USD pro Impfdosis angerechnet werden dürfen. Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, sagt dazu: «Dies ist ebenso absurd wie skrupellos. Diese Impfdosen wurden nie im Interesse der ärmeren Länder gekauft − im Gegenteil, die überrissenen Käufe von Impfdosen in der Schweiz und in reichen Ländern führten dazu, dass sie in den am schwersten betroffenen Entwicklungsländern fehlten.»
Internationaler Zielwert immer noch nicht erreicht
Auch die Schweiz peppt ihre Entwicklungsausgaben (im OECD-Slang Aide publique au développement, APD) auf dem Papier auf. Im Unterschied zu anderen Ländern legt die Schweiz aber nicht einmal offen, wie stark die überschüssigen Impfdosen die Entwicklungsausgaben geboostert haben. Die Ausgaben für Asylsuchende in ihrem ersten Aufenthaltsjahr, die unsinnigerweise ebenfalls der APD angerechnet werden, machen 9.4% der Schweizer Entwicklungsausgaben aus. So schafft es die Schweiz zwar, ihre Quote im Vergleich zum letzten Jahr etwas aufzumöbeln, sie liegt aber nach wie vor weit unter dem international vereinbarten Zielwert von 0.7%. Die Schweiz ist im OECD-Ranking auf Platz 8, hinter Luxemburg, Norwegen, Schweden, Deutschland, Dänemark, Niederlande und Frankreich.
«Die Schweiz muss endlich einen angemessenen Beitrag an die Armutsbekämpfung und für nachhaltige Entwicklung leisten. Dies nicht nur aus Solidarität mit den Menschen in ärmeren Ländern, sondern auch im Interesse von uns allen, denn ohne die Reduktion der globalen Ungleichheit und ohne Klimaschutz wird es auf diesem kleinen Planeten noch ungemütlicher», sagt Andreas Missbach von Alliance Sud.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +41 31 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Marco Fähndrich, Medien und Kommunikation, Tel. +41 79 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch
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