Medienmitteilung

Klimafinanzierung an der COP29: Es führt nichts an öffentlichen Mitteln vorbei

07.11.2024, Klimagerechtigkeit

An der diesjährigen UNO-Klimakonferenz «COP29» vom 11. bis 22. November in Baku geht es um Billionen, die im Globalen Süden benötigt werden, um mit den gravierenden Auswirkungen der Klimakrise umzugehen und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden. Die Schweiz darf nicht länger auf private Investitionen warten, sondern muss Hand bieten für ein massiv höheres Finanzierungsziel aus öffentlichen Mitteln.

Marco Fähndrich
Marco Fähndrich

Kommunikations- und Medienverantwortlicher

+41 31 390 93 34 marco.faehndrich@alliancesud.ch
Klimafinanzierung an der COP29: Es führt nichts an öffentlichen Mitteln vorbei

© Shutterstock

2400 Milliarden Dollar. Auch der Bundesrat nennt diese Schätzung von UNO-Expert:innen, um den jährlichen Finanzierungsbedarf zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens bis 2030 im Globalen Süden zu beziffern. Sie illustriert die riesige Finanzierungslücke im Globalen Süden, welche das aktuelle 100-Milliarden-Ziel der Klimafinanzierung immer noch hinterlässt.

«Es ist offensichtlich, dass es für das neue kollektive Finanzierungsziel, das an der COP29 verabschiedet werden soll, ganz andere Dimensionen braucht als bisher», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Die internationale Zivilgesellschaft fordert mindestens 1000 Milliarden Dollar öffentliche Klimafinanzierung pro Jahr. Bei der Verminderung der Treibhausgase braucht es etwa Unterstützung für hoch verschuldete, ärmere Staaten, die ihre Zinsen bisher nur mit Einnahmen aus der Förderung von Öl oder Gas begleichen können.

Öffentliche Mittel werden aber insbesondere auch für die Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen benötigt. «Am meisten von der Klimakrise betroffen sind in jedem Land die ärmsten Bevölkerungsschichten. Deren Schutz und Unterstützung ist eine globale Verpflichtung und kein business case», sagt Christina Aebischer, Klimaexpertin bei Helvetas. Hohe Priorität für die Delegationen aus dem Globalen Süden hat zudem der Einbezug von klimabedingten Schäden und Verlusten ins neue Klimafinanzierungsziel. Auch hier braucht es zwingend öffentliche Gelder. «Gemessen am Prinzip, dass Verursacher für Schäden aufkommen müssen, ist es längst überfällig, dass die reichen Länder auch Finanzierung für die Deckung von Klimaschäden leisten», fügt Klimaexpertin Bettina Dürr von Fastenaktion hinzu.

Die Schweiz hingegen setzt darauf, dass private Investitionen das benötigte Geld in den Globalen Süden bringen werden – und missachtet dabei, dass bei den privaten Finanzflüssen das Geld bisher wegen Steuerflucht und hoher Zinsen vom Süden in den Norden fliesst. «Wenn die einzige Antwort auf die Finanzierungslücke vage Versprechen auf private Investitionen sind, hilft das den betroffenen Gemeinschaften im Globalen Süden gar nichts. Es ist moralisch nicht vertretbar, da diese Menschen, die nichts zur Klimakrise beigetragen haben, als erste darunter leiden», sagt Andreas Missbach.

Gleichzeitig dürfen die Länder die Emissionsreduktionen nicht aus den Augen verlieren. An der COP28 in Dubai im vergangenen Jahr hat die Staatengemeinschaft den Ausstieg aus den fossilen Energien beschlossen. Anfang 2025 müssen alle Länder ihre neuen Klimaziele, «nationally determined contributions (NDCs)», einreichen. In den NDCs müssen die Länder aufzeigen, wie sie die Beschlüsse von Dubai umsetzen wollen. An der COP29 werden dafür die Weichen gestellt. Es ist wichtig, dass insbesondere die reichen Länder als Vorbilder vorangehen und ihre Pläne für den Ausstieg aus den fossilen Energien konkret darlegen. «Eine rasche und sozial gerechte Energiewende ist ein Muss und soll als Entwicklungsmotor für vernachlässigte Gemeinschaften genutzt werden. Die Schweiz muss dazu ihren Beitrag leisten», sagt David Knecht, Klimaexperte bei Fastenaktion.

Hinweis: Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, ist als Vertreterin der Zivilgesellschaft Mitglied der offiziellen Verhandlungsdelegation der Schweiz und ab dem 11. November in Baku.

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher, Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Fachexpertin für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 079 745 43 53 (via Signal oder WhatsApp), duerr@fastenaktion.ch. Bettina Dürr beobachtet die Verhandlungen zur Klimafinanzierung und zum Global Stocktake vor Ort in Baku.

Fastenaktion, David Knecht, Fachexperte für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 076 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch. David Knecht beobachtet die Verhandlungen zu Mitigation / NDCs und den CO2-Kompensationsmechanismen vor Ort in Baku.

Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org. Für Helvetas ist Christina Aebischer als Beobachterin vor Ort in Baku.

 

Lesetipp:

Klimarealität und politisches Handeln klaffen weit auseinander. Analyse von Patrik Berlinger, Helvetas

Klima und Steuern

Ein Duo auf Welttournee

04.10.2024, Klimagerechtigkeit, Finanzen und Steuern

Ohne Verursacherprinzip ist die internationale Klimapolitik nicht finanzierbar – ohne Steuergerechtigkeit ist sie nicht zu machen. Eine kleine Welttournee mit einem ungleichen, aber vielleicht bald symbiotischen Duo.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ein Duo auf Welttournee

Weltweit verknüpfen immer mehr Aktivist:innen und multilaterale Foren Forderungen nach Steuer- und Klimagerechtigkeit. Protestierende am Fridays for Future Umzug in Berlin, 20. September 2024.
© Keystone / EPA / Clemens Bilan

Es leuchtet eigentlich sofort ein: Damit wir uns den Ausstieg aus den fossilen Energien ohne grosse soziale Verwerfungen leisten können, müssen wir das Geld dafür bei jener Branche eintreiben, die sich an ihnen als Erste bereichert: bei der fossilen Brennstoffindustrie. Laut Studien sind seit 1988 mehr als die Hälfte aller Emissionen weltweit auf die Förderung von fossilen Energieträgern durch nur 25 Konzerne zurückzuführen. Die Kosten, die diese Emissionen auf lange Zeit verursachen, weil sie das Klima verändern, wurden nie berappt. Gleichzeitig stiegen und stiegen die Gewinne und Dividenden jener, die mit diesen Brennstoffen geschäfteten. Dank den Preissteigerungen, die die russische Invasion in der Ukraine auslöste, kletterten die Gewinne der Öl- und Gasunternehmen im Jahr 2022 auf den Extremwert von vier Billionen Dollar.

Make polluters pay

So ist es nicht erstaunlich, dass im Kontext der dringend benötigten Klimafinanzierung für den Globalen Süden und im Sinne der Verursachergerechtigkeit die Forderung nach einer zusätzlichen Besteuerung dieser Unternehmen stärker wird. In der internationalen Zivilgesellschaft ist dieses Ziel mit dem Slogan «Make polluters pay» schon lange präsent. Eine aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt auf, dass mit einer CO2-Abgabe auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas, genannt Klimaschadenssteuer, in den OECD-Ländern noch in diesem Jahrzehnt 900 Milliarden Dollar für die Bewältigung der Klimakrise zur Verfügung stehen würden.

Die Forderung nach internationalen CO2-Abgaben ist fast so alt wie die Klimarahmenkonvention. Bereits 2006 forderte der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger an der Klimakonferenz eine globale CO2-Steuer. Eine konkrete Einigung war aber auf UNO-Ebene stets chancenlos. Im Hinblick auf die UNO-Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel an der COP29 diesen November in Baku steigt aber der Druck, die verfügbaren finanziellen Mittel zu erhöhen. Diverse Akteurinnen und Länder haben deshalb in letzter Zeit internationale CO2-Abgaben oder andere Wege zur verursachergerechten Finanzierung gefordert (siehe Grafik). Die Ansätze sind sehr unterschiedlich und reichen von einer nationalen Besteuerung von Gewinnen aus der Ölförderung über freiwillige Beiträge aus der Förderindustrie bis zur juristischen Einforderung der Klimaverantwortung von Unternehmen. Alle Ansätze für internationale Abgaben erfordern jedoch politischen Willen auf nationaler Ebene. Auch die Schweiz sollte verursachergerechte Steuern bei Unternehmen erheben, die vom Geschäft mit fossilen Energieträgern profitieren, und damit ihre Beiträge an die internationale Klimafinanzierung erhöhen.

Die Gilets Jaunes – so nicht

Nicht nur mit der zusätzlichen Besteuerung der Produzent:innen fossiler Brennstoffe könnten für den ökologischen Umbau unserer Gesellschaften zusätzliche Mittel mobilisiert werden, sondern auch, indem Staaten deren Konsument:innen stärker zur Kasse bitten. Soll dieser Umbau allerdings nicht nur ökologisch, sondern auch noch sozial ausgestaltet sein, ist bei der Entscheidung, welche Art von CO2-Konsumsteuer die richtige ist, einige Vorsicht geboten. In Frankreich etwa erinnert man sich ungern an die brutalen Strassenschlachten zwischen den «Gilets Jaunes» und der Polizei vor bald sechs Jahren mitten in Paris. Der Auslöser dieser Proteste war damals eine Erhöhung der Treibstoffsteuer (Ökosteuer), die Frankreichs Präsident auf jeden Liter Diesel erheben wollte, der dort aus den Zapfsäulen sprudelt. Sie hätte dem Staat gemäss dessen Berechnungen zwar 15 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen gebracht. Allerdings hätte diese Steuer alle gleichermassen zur Kasse gebeten: Reich und Arm; sowohl Menschen, die nur zum Spass mit ihrem Porsche TDI über leere französische Landstrassen rasen, wie auch solche, die jenseits der Metropolen im weitläufigen und mit dem öffentlichen Verkehr schlecht erschlossenen Frankreich im Alltag auf ihr klappriges Dieselauto angewiesen sind. So wurde die Bewegung der «Gilets Jaunes» nicht nur von Klimaleugner:innen und Autofans angetrieben, sondern auch von Leuten, denen die Dieselsteuer ihr ohnehin schon knapp bemessenes Monatsbudget gesprengt hätte. Dieser toxische Mix verlieh ihr grosse politische Kraft. Die liberale französische Regierung krebste zurück und nahm bei ihrer klimapolitischen Agenda das Tempo raus. Gleichzeitig verzichtete Präsident Macron auf die Wiedereinführung einer «Solidaritätssteuer» auf hohe Vermögen, die unter dem langjährigen sozialistischen Präsidenten François Mitterand bereits in den 1980er Jahren eingeführt worden war, von Macron allerdings als eine seiner ersten Amtshandlungen entscheidend entschärft wurde. Sie hätte den «Gilets Jaunes» womöglich ihren sozialpolitischen Wind aus den Segeln genommen.

 

Klima- und Steuergerechtigkeit auf Welttournee: Einige globale Ansätze und Initiativen im Überblick
(Auf Karte klicken zum Vergrössern) © Bodara / Alliance Sud

 

Keine Klimagerechtigkeit ohne Steuergerechtigkeit

Heute steht eine stark progressive Vermögenssteuer mit sozialökologischer Dimension unter anderem bei den G20-Staaten auf der Agenda (siehe Grafik). Die NGO Oxfam International kommt in einem Bericht vom November 2023 zum Schluss, dass mit einer globalen Vermögenssteuer für alle Millionär:innen und Billionär:innen weltweit jährlich 1’700 Milliarden Dollar eingenommen werden könnten. Eine zusätzliche Strafsteuer für Investitionen in klimaschädliche Geschäfte könnte weitere 100 Milliarden einbringen. Kombiniert man diese Massnahmen mit einer Einkommenssteuer von 60% für die 1% höchsten Einkommen, kämen 6’400 Milliarden dazu. Je nach Geschäftsgang und Preisentwicklung kann auch eine Übergewinnsteuer zusätzlich massive Mehreinnahmen generieren. In den Jahren 2022 und 2023 mit ihrer hohen Inflation hätte eine solche gemäss Oxfam nochmals 941 Milliarden Dollar pro Jahr eingebracht. Mit diesen Massnahmen könnten also jährlich mindestens 9’000 Milliarden Dollar pro Jahr an zusätzlichem Steuergeld generiert werden.

Die UNO-Abteilung für ökonomische und soziale Angelegenheiten DESA («Department for Economic and Social Affairs») geht in ihrem Bericht 2024 über die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung davon aus, dass die Finanzierungs- und Investitionslücken, die in Zusammenhang mit den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 stehen, jährlich 2’500 bis 4’000 Milliarden US-Dollar betragen. Allein mit den oben genannten Instrumenten könnte die Agenda 2030 also locker bis 2030 ausfinanziert werden – von Reformen in anderen Bereichen der Entwicklungsfinanzierung gar nicht zu reden. Verursachergerecht im Sinne der internationalen Klimapolitik wäre eine globale Vermögenssteuer im Gegensatz zu Macrons Dieselsteuer allemal: Laut Oxfam waren 2019 die 1% Reichsten der Welt für 16% aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Sie stiessen damit gleich viel CO2 aus wie die ärmeren 66% der Weltbevölkerung, also fünf Milliarden Menschen.

 

 

COP29 – Klimakonferenz

Im November verhandelt die UNO-Staatengemeinschaft in Baku ein neues kollektives Finanzierungsziel zur Unterstützung der Länder im Globalen Süden bei der Bewältigung der Klimakrise. Auch hier ist die verursachergerechte Finanzierung ein Thema. Die Finanzierungslücke wächst drastisch und die finanzielle Unterstützung ist schlicht notwendig, damit die Länder im Globalen Süden sich mit klimafreundlichen Technologien weiterentwickeln und durch Anpassungsmassnahmen noch mehr Schäden und Verlusten vorbeugen können. Der Druck für ein ambitioniertes Finanzierungsziel ist entsprechend hoch und die reichen Länder sind gefordert, in den nächsten Jahren ihre Beiträge massiv zu erhöhen.

 

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Medienmitteilung

Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

13.06.2024, Klimagerechtigkeit

Die internationale Klimakonferenz in Bonn ist ohne bedeutende Fortschritte zu Ende gegangen. Die Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel kommen nicht voran. Die Schweiz muss bis zur COP29 in Baku ihren Spielraum nutzen, damit das neue Ziel die hohe Finanzierungslücke für Klimaschutz im Globalen Süden im Interesse aller Staaten schliessen wird.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

© Christoph Driessen / dpa

Das Ergebnis nach zwei Wochen Klimakonferenz in Bonn ist ernüchternd – es gab weder sichtbare Fortschritte bei den Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel noch eine klare Strategie, wie der in Dubai beschlossene Ausstieg aus den fossilen Energien angepackt werden soll. Damit die Vertragsstaatenkonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ambitionierte Beschlüsse fällen kann, müssen alle Länder in den nächsten Monaten ihre Anstrengungen erhöhen. «Um die starken Meinungsverschiedenheiten zwischen grossen Verhandlungsgruppen zu überwinden, muss die Schweiz mithelfen, mehr Vertrauen zwischen Ländern des Globalen Südens und des Globalen Nordens aufzubauen», erklärt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, die für das Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik die Verhandlungen in Bonn verfolgt hat.

Ausstieg aus den fossilen Energien – aber wie?

Vergangenes Jahr an der COP28 in Dubai wurden wichtige Grundsatzentscheide gefällt, nämlich der Ausstieg aus den fossilen Energien und die Verdreifachung der erneuerbaren Energiekapazitäten. Diese Errungenschaften gälte es nun weiter zu konkretisieren. Beispielsweise braucht es zwischen den Ländern einen Austausch darüber, wie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu gestalten ist. Die Schweiz hat mit dem klaren Ja zum Stromgesetz am letzten Sonntag einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. In Bonn konnten sich die Länder aber nicht auf weitere Präzisierungen der Beschlüsse aus Dubai einigen.

David Knecht, Klima- und Energieexperte bei der Entwicklungsorganisation Fastenaktion, sagt: «Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist von zentraler Bedeutung für die ärmsten Menschen, denn sie leiden besonders unter dem Klimawandel.» Bettina Dürr, Klimaexpertin bei Fastenaktion, fügt an: «In der Arbeit mit unseren Partnerorganisationen sehen wir, dass sich lokale Gemeinschaften durch den Aufbau erneuerbarer Energiesysteme entwickeln können. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Entwicklungsmotor eine Chance für alle ist.» Umso wichtiger ist es, dass in Baku das Thema ernsthaft aufgegriffen wird, zum Beispiel über das so genannte Mitigations-Programm. Die Schweiz soll dabei weiterhin mit einer ambitionierten Position die Verhandlungen in Richtung 1.5 °C lenken.

Das Geld fliesst noch nicht

In Bezug auf das zu verhandelnde Klimafinanzierungsziel hat die Schweiz im Rahmen ihrer Verhandlungsposition viele Möglichkeiten, sich konstruktiv einzubringen. Welche Anpassungen der Schweizer Position dafür geprüft werden sollten, hat Alliance Sud als Empfehlungen beim Bundesamt für Umwelt eingereicht. Beispielsweise könnte die Schweiz sich stark machen für eine Definition von Qualitätsmerkmalen der Klimafinanzierung, die sie selbst bereits erfüllt, und so Forderungen aus dem Globalen Süden in den Verhandlungen unterstützen. Das würde vertrauensfördernd wirken. «Die Schweiz vergibt keine Kredite als Klimafinanzierung, sondern unterstützt Projekte im Globalen Süden mit À-fonds-perdu-Beiträgen. Das sollte sie als Standard für das neue Finanzierungsziel einfordern», schlägt Delia Berner vor und ergänzt: «Wenn die Schweiz will, dass ein neues Finanzierungsziel auch neue Geberländer in die Pflicht nimmt, dann muss sie das Vertrauen und die Zustimmung der ärmsten Länder gewinnen.»

Das neue kollektive Finanzierungsziel wird um ein Vielfaches höher ausfallen als das jetzige 100-Milliarden-Ziel. Die Schweiz braucht dafür zusätzliche Finanzierungsquellen nach dem Verursacherprinzip. Vertrauen zu Ländern des Globalen Südens aufbauen heisst auch, mit einem konkreten Angebot nach Baku zu reisen und bereits jetzt auf nationaler Ebene Möglichkeiten zur Aufstockung der Finanzierung zu erarbeiten. Der Bundesrat hat eine Auslegeordnung ausarbeiten lassen und wollte bis Ende 2023 das weitere Vorgehen entscheiden – seither geschah nichts. Hier gilt es, Klarheit zu schaffen.


Für weitere Informationen:
Fastenaktion, David Knecht, Klima- und Energieexperte,
076 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch

Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

 

 

Medienmitteilung

Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

03.06.2024, Klimagerechtigkeit

In Bonn werden vom 3.-13. Juni 2024 wichtige Beschlüsse für die UNO-Klimakonferenz (COP29) vom November in Baku vorbereitet. Alliance Sud beobachtet die Verhandlungen vor Ort und erwartet von der Schweiz, dass sie sich sowohl für gesteigerte Ambitionen beim Klimaschutz wie auch für eine angemessene internationale Klimafinanzierung einsetzt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

© Delia Berner

Damit an der jährlichen Vertragsstaatenkonferenz (COP) der Klimarahmenkonvention und des Pariser Abkommens jeweils im November ausgereifte Beschlüsse gefasst werden können, verhandeln die Staaten das ganze Jahr über auf technischer Ebene. Im Juni treffen sich alle Länderdelegationen und beobachtenden Organisationen der Zivilgesellschaft zu intensiven Verhandlungen in Bonn, um die COP vorzubereiten. Dieses Jahr werden an der COP29 in Baku wichtige Entscheide getroffen, welche die Weichen für die weltweiten Klimaschutzanstrengungen der nächsten zehn Jahre stellen sollen.

Ambitioniertere Klimaziele sind ein Muss – auch von der Schweiz

Mit den bisherigen weltweiten Klimaschutzbemühungen steuert die Welt auf ein katastrophales Szenario von 2.5 bis 2.9 Grad globaler Erwärmung zu. Um auf den 1.5-Grad-Kurs zu kommen, braucht es gemäss der Wissenschaft – verglichen mit 2019 – bis 2035 Emissionsreduktionen von minus 60%. Die Emissionen sind aber seit 2019 um 2.3% gestiegen. David Knecht von der Entwicklungsorganisa¬tion Fastenaktion sagt: «Es braucht eine Kehrtwende und deutlich ambitioniertere Klimaziele aller Länder, insbesondere reicher Länder wie der Schweiz. Das sind wir den ärmsten Menschen weltweit schuldig, denn diese leiden besonders unter der Klimakrise.» Bis Anfang 2025 müssen die Länder ihre neuen, ambitionierteren Klimaziele (NDCs) für die Jahre 2030 bis 2035 kommunizieren. An den Verhandlungen in Bonn gilt es, dafür die nötigen Rahmenbedingen zu schaffen. «Es muss allen Ländern klar sein, was von ihnen erwartet wird. Wir müssen verhindern, dass die neuen Klimaziele wieder zu kurz greifen», betont David Knecht.

Es braucht deutlich mehr Klimafinanzierung

Viele Länder im Globalen Süden können ihre Klimaschutz-Ambitionen nur steigern, wenn sie dafür bedeutend stärker finanziell unterstützt werden. Zusätzlich steigen die Kosten zur Anpassung an den Klimawandel stetig an. Und die Schäden und Verluste aufgrund der Klimakrise sind für den Globalen Süden finanziell verheerend und ungerecht, gerade in den ärmsten Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen. Der Bundesrat spricht von einem Finanzierungsbedarf von 2.4 Billionen Dollar jährlich in Ländern des Globalen Südens (ohne China).

«Das bisherige 100-Milliarden-Ziel zur Unterstützung der ärmeren Länder beim Klimaschutz reicht bei weitem nicht aus», betont Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «In diesem Jahr wird ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es braucht endlich genug Mittel, damit die Länder im Globalen Süden sich klimafreundlich entwickeln und die stetig wachsende Klimakrise bewältigen können.» Dies bedingt eine massive Aufstockung mit neuen und zusätzlichen Geldern aus den reichen Staaten wie der Schweiz.

 

Für weitere Informationen:

Vor Ort in Bonn: Fastenaktion, David Knecht, Programm Energie & Klimagerechtigkeit, 076 436 59 86 (per Whatsapp), knecht@fastenaktion.ch

Vor Ort in Bonn: Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46 (per Whatsapp), delia.berner@alliancesud.ch

 

Abstimmung vom 9. Juni

Stromgesetz ist notwendig für mehr Klimaschutz

16.05.2024, Klimagerechtigkeit

Für den Klimaschutz muss die Schweiz ihre Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen sichern. Darum unterstützt Alliance Sud das Stromgesetz, das am 9. Juni 2024 zur Abstimmung kommt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Stromgesetz ist notwendig für mehr Klimaschutz

Das Stromgesetz fördert den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in der Schweiz. Eine Stromversorgung aus erneuerbaren Energien wie Sonne, Wasser und Wind ist eine Voraussetzung, dass die Schweiz bei der Dekarbonisierung vorankommt und ihre Klimaziele vermehrt im Inland erreichen kann – anstatt ihre Emissionen im Ausland zu kompensieren. Bemerkenswert ist bei diesem Gesetz, dass es im Bundesparlament von Mitgliedern aus allen Parteien unterstützt wurde. Auch Bundesrat Albert Rösti stand bereits als Nationalrat hinter der Vorlage. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch bei den UNO-Klimaverhandlungen mittlerweile ein weitgehend gemeinsamer Nenner. An der letzten Klimakonferenz COP28 in Dubai hat sich die Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, bis 2030 die weltweite Kapazität zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu verdreifachen.

Nur hapert es in den globalen Verhandlungen wie auch in der Schweizer Klimapolitik bisher bei einem zweiten, entscheidenden Punkt: Beim Ausstieg aus den fossilen Energien. Denn wenn erneuerbare Energien nur hinzugebaut werden, ohne aus den dreckigen Energieträgern auszusteigen, werden noch keine Treibhausgase reduziert.

Diese Erkenntnis gilt es in der Schweizer Klimapolitik vermehrt zu berücksichtigen. Für den 9. Juni bietet sich nun aber zuerst die Chance, nach den 59% Zustimmung zum Klimaschutzgesetz vor einem Jahr erneut ein deutliches Zeichen der Bevölkerung für eine klimafreundliche Zukunft abzuholen. Denn spätestens seit letztem Juni wissen wir: Klimaschutz ist mehrheitsfähig!

Was bringt das neue Stromgesetz?


•    Mehr Tempo bei der Energiewende
Das Stromgesetz ermöglicht den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarenergie. Über 80 Prozent der Anlagen entstehen auf Gebäuden und bestehender Infrastruktur.

•    Unabhängigkeit vom Ausland
Unsere erneuerbaren Energien ermöglichen den Ausstieg aus Öl und Gas. Auch der wachsende Strombedarf für Elektroautos, Wärmepumpen und Industrie kann künftig mit sauberer, einheimischer Energie abgedeckt werden.

•    Strom im Einklang mit der Natur
Das Stromgesetz klärt, wo der Ausbau der erneuerbaren Energien Priorität haben soll. Im Gegenzug werden ökologisch und landschaftlich wertvolle Gebiete für den Ausbau uninteressant.

•    Günstige, stabile Energiepreise
Die Energiekosten werden insgesamt sinken, weil Öl und Gas durch günstigen erneuerbaren Strom ersetzt werden. Einheimischer Strom senkt überdies das Risiko für Preisschocks. Es werden keine neuen Abgaben eingeführt.

Weitere Informationen:
https://www.stromgesetz.ch/

Meinung

Strassburg ruft die Schweiz aus dem Winterschlaf

11.04.2024, Klimagerechtigkeit

Nach der Verabschiedung eines unfassbar schwachen CO2-Gesetzes für die Jahre 2025-30 in der letzten Frühlingssession ist das Urteil im Fall der Klimaseniorinnen gegen die Schweiz ein Weckruf für Bundesrat und Parlament. Die Schweizer Klimapolitik braucht dringend einen Schub.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Strassburg ruft die Schweiz aus dem Winterschlaf

Grosses Medieninteresse anlässlich der Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
in Strassburg über die Klage der Klimaseniorinnen Schweiz. © Miriam Künzli / Greenpeace

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 9. April gegen die Schweiz ist historisch, indem es Klimaschutz als menschenrechtlichen Anspruch anerkennt. Und es kommt für die Schweiz zum richtigen Zeitpunkt. Denn das Parlament hat gerade im März ein Gesetz zur Reduktion der CO2-Emissionen verabschiedet, das seinen Namen eigentlich nicht verdient. Nun hat der EGMR die Schweiz gerügt, dass ihre Klimapolitik ungenügend ist, um die Menschen vor den negativen Auswirkungen der Klimakrise zu schützen, und dabei wichtige Grundsatzentscheide in Bezug auf die Anforderungen an die Klimapolitik der Europarats-Mitgliedstaaten gefällt. Die Staaten – inklusive die Schweiz – müssen die benötigten Massnahmen ergreifen, um ihre Treibhausgas-Emissionen substanziell und fortlaufend zu reduzieren, sodass sie bis in drei Jahrzehnten Netto Null erreichen. Der Zeitplan muss dabei das verbleibende «Klimabudget» berücksichtigen. Das heisst, sie müssen quantifizieren, wie viele Emissionen sie insgesamt noch ausstossen dürfen, um ihren Anteil zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1.5 Grad zu leisten, und müssen sich ihr jährliches Budget der noch erlaubten Emissionen entsprechend berechnen.

Das Gericht ist in seiner Argumentation explizit den wissenschaftlichen Fakten aus den bereits zahlreichen Berichten des Weltklimarats gefolgt – die eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse könne das Gericht nicht ignorieren, steht in der Urteilsbegründung mehrfach.

Die Schweiz muss das CO2-Budget einhalten

Die Schweiz ist rechtlich verpflichtet, das Urteil umzusetzen und dem Ministerkomitee des Europarats darüber Rechenschaft abzulegen. Konkret fordert das Gericht unter anderem, dass die Schweiz ihre Klimaziele anhand eines CO2-Budgets errechnet. Das verbleibende globale CO2-Budget, das es mit «genügender» Wahrscheinlichkeit erlaubt, das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen, wird mit wissenschaftlichen Modellen vom Weltklimarat regelmässig berechnet. Die Schweiz hat also höchstens etwas Interpretationsspielraum, welchen Anteil davon sie für sich beansprucht. So oder so wird aber die geforderte Berechnung voraussichtlich dazu führen, dass sie ihre eigenen Klimaziele verschärfen muss. Das Urteil verpflichtet sie auch dazu, die gesetzten Ziele zu erreichen. Welche Massnahmen sie dafür ergreift, liegt im Handlungsspielraum der Schweiz.
Damit verschärft sich der dringende Handlungsdruck für die Schweiz zusätzlich. Es ist Zeit, dass Bundesrat und Parlament aufwachen und sich ihrer Verantwortung stellen. Die Schweiz muss endlich ihren fairen Anteil zur Umsetzung des Pariser Abkommens leisten, im Inland wie auch über die internationale Klimafinanzierung im Globalen Süden.

 

 

Artikel, Global

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

21.03.2024, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz ist nicht vorbereitet auf die massiv steigenden Erwartungen an ihren künftigen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung. Neue Finanzierungsquellen sind gefragt, um zusätzliche Mittel für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden zu sprechen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

Extraktion fossiler Energieträger in Bakersfield, USA.   © Simon Townsley / Panos Pictures

Verwundert fragten Medienschaffende Bundesrat Albert Rösti letzten Dezember an der Klimakonferenz in Dubai, ob er sich wohl fühle, den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zu fordern. Er beschwichtigte. Bis 2040 solle die Welt aus der Kohle aussteigen, fügte er gemäss Schweizer Position im Plenum hinzu. Was er nicht sagte: Um aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, braucht es mehrere hundert Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Globalen Süden – pro Jahr. Und für die Anpassung in den ärmeren Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen, aber immer schlimmer von der Klimakrise betroffen sind, und für die Entschädigung der Betroffenen, ist nochmals ein solch hoher Betrag notwendig. Das wäre ein Vielfaches des heutigen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die Finanzierungslücke für Klimaschutzmassnahmen in ärmeren Ländern wächst stetig. Trotzdem bleiben die finanziellen Mittel, die von den Verursacherstaaten der Klimakrise wie der Schweiz bereitgestellt werden, sogar hinter den versprochenen 100 Milliarden zurück. Hinzu kommen die Schuldenkrise und weitere Faktoren, welche die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten in den ärmsten Ländern stark einschränken. Viele Länder im Globalen Süden fühlen sich vom Norden im Stich gelassen.

Mit dieser schwierigen Ausgangslage wird an der diesjährigen Klimakonferenz ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es wird daran gemessen werden, ob es die Länder im Globalen Süden tatsächlich dazu befähigt, ambitionierte Klimaschutzpläne umzusetzen und sich an die Klimaerwärmung soweit möglich anzupassen. Ein ambitioniertes und glaubwürdiges neues Klimafinanzierungsziel ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass alle Staaten im Jahr 2025 neue 5-Jahres-Klimapläne einreichen können, die den Zielen des Pariser Abkommens gerecht werden. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn die Delegierten sich im November in Aserbaidschan zu den Verhandlungen treffen, und die Erwartungen an die reichen Länder werden massiv ansteigen. Auch die Schweiz sollte sich konsequenterweise dafür einsetzen, dass die Verursacherstaaten weit mehr öffentliche Mittel für die Klimafinanzierung bereitstellen. Der Chefverhandler der Gruppe der ärmsten Länder, Evans Njewa aus Malawi, fordert in einem Gastbeitrag für Climate Home News die Verhandlungsdelegationen aus dem Globalen Norden auf, sich nicht länger hinter ihren Parlamenten zu verstecken: «Sie sagen, sie hätten kein Mandat beziehungsweise keine Möglichkeit, die Mittel zu erhöhen, da ihre Parlamente nicht zustimmen würden. Umso mehr müssen sie jetzt handeln, bevor die Parlamente über ihre Budgets beraten», fordert Njewa.

Der Bundesrat verdrängt den Handlungsbedarf

Dieses Muster lässt sich auch hierzulande beobachten. Während die Schweiz sich in den Klimaverhandlungen für den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 einsetzt, damit die Ziele des Pariser Abkommens noch erreicht werden können, steht sie in Finanzierungsfragen auf der Bremse, weil sie keine innenpolitischen Zusagen für höhere Beiträge vorweisen kann. Allerdings versucht der Bundesrat gar nicht erst, zusätzliche Mittel beim Parlament zu beantragen. Wie kommt das?

Die Schweizer Beiträge an die Klimafinanzierung stammen bisher hauptsächlich aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA), das schon an sich zu wenig Mittel für die globale Armutsbekämpfung erhält und dem nun noch eine massive Mittelverschiebung zugunsten des Wiederaufbaus in der Ukraine droht. Das heisst, dass bereits die jetzige Klimafinanzierung mit Projekten zur Armutsbekämpfung doppelt gezählt wird. Hingegen braucht es neue, zusätzliche Mittel, um mit der Schweizer Klimafinanzierung effektiv zur Unterstützung der Klimapläne im Globalen Süden beizutragen. Der Bundesrat müsste auf Gesetzesebene alternative Finanzierungsoptionen erarbeiten, damit die IZA-Mittel weiterhin für die globale Armutsbekämpfung, die Stärkung der Grundversorgung bei Bildung und Gesundheit sowie ihre weiteren zentralen Aufgaben eingesetzt werden können. Tatsächlich hat er der Verwaltung vor einem Jahr den Auftrag gegeben, Optionen zu erarbeiten, wie die Schweiz künftig mehr Klimafinanzierung leisten könnte. Ende letztes Jahr wurde dann ohne Kommentar eine extern in Auftrag gegebene Studie auf der Website des Bundesamts für Umwelt veröffentlicht. Darin empfehlen die Expertinnen und Experten, dass die Schweiz zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen solle, beispielsweise Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem. Doch im Bundesrat geschah seither nichts. Gemäss der neuen Legislaturplanung hat er nicht vor, in den nächsten drei Jahren dem Parlament ein Geschäft zur Klimafinanzierung vorzulegen. Er setzt einzig auf den neuen Vierjahreskredit für die Internationale Zusammenarbeit 2025 - 2028, der aber keinen Raum für zusätzliche Klimafinanzierung bietet.

Wenn der Bundesrat nicht handelt – was in diesem Fall verantwortungslos ist, da die Klimaverhandlungen in seiner Kompetenz liegen –, kann auch das Parlament die Initiative ergreifen. Nationalrat Marc Jost hat in der vergangenen Wintersession einen Vorstoss eingereicht, damit im Parlament ein neues Gesetz für die internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzierung erarbeitet werden kann.

Ohne Finanzierung kein Handeln

Die Klimakonferenz in Baku rückt schnell näher – was bleibt also zu tun? Die Schweiz muss ihre bisherige Verhandlungsposition in Finanzierungsfragen überdenken und sich für ein ambitioniertes Ziel einsetzen, das den Bedürfnissen der Menschen im Globalen Süden entspricht und die finanziellen Verantwortlichkeiten fair auf die reicheren Länder verteilt, welche die Klimakrise zu verantworten haben. Nur so kann bis 2040 der Ausstieg aus der Kohle und bis 2050 aus allen fossilen Energien gelingen. Entsprechend hoch wird auch der internationale Druck sein, sich auf ein ehrgeiziges Ziel zu einigen.

Und damit wird auch der Druck auf die Schweiz unweigerlich steigen, ihren Beitrag um ein Vielfaches zu erhöhen. Damit ein Anstieg der Mittel rasch genug erfolgen kann, muss sie jetzt die gesetzgeberischen Arbeiten an die Hand nehmen und zusätzliche Wege für die Klimafinanzierung erschliessen. Evans Njewa drückt es so aus: «Wir müssen uns stets daran erinnern, dass es ohne Finanzierung kein Handeln gibt, und ohne Handeln werden wir die Klimakrise nie in den Griff kriegen.»

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Artikel, Global

Klimakompensation im Ausland: die Illusion der Freiwilligkeit

07.12.2023, Klimagerechtigkeit

Auf Druck der Zivilgesellschaft und der Medien ist der Kohlenstoffmarkt in Verruf geraten. Zu Recht: Das derzeitige System hält nicht, was es verspricht, und benachteiligt den Globalen Süden.

Von Maxime Zufferey

Klimakompensation im Ausland: die Illusion der Freiwilligkeit

Der übermässige Rückgriff auf Kompensationen anstelle einer substanziellen Reduktion der Emissionen ist in keinster Weise nachhaltig.

© Ishan Tankha / Climate Visuals Countdown

Der freiwillige Kohlenstoffmarkt ermöglicht den Handel mit Kohlenstoffgutschriften. So kann ein Unternehmen, das weiterhin CO2 ausstösst, seine eigenen Emissionen durch die Finanzierung von Projekten ausgleichen, welche Emissionen an anderer Stelle senken. In der Theorie gilt der CO2-Ausgleich als der effektivste, ergebnisorientierteste Marktansatz für die weltweite Senkung von Emissionen. Dem liegt die Idee zugrunde, die Wirkung der verfügbaren Ressourcen zur Emissionsreduktion zu maximieren, indem sie dort eingesetzt werden, wo sie am günstigsten sind. So könnte ein Unternehmen, nachdem es seine kostengünstigsten eigenen Emissionen gesenkt hat, Ressourcen für Projekte für kohlenstoffarme Technologien oder zur Wiederaufforstung von Wäldern bereitstellen, um die Emissionen, die es noch nicht senken konnte, rechnerisch auszugleichen. In der Praxis wird die Annahme, dass billige Kompensationsgutschriften die Lösung sind, jedoch stark kritisiert. Diese untergraben das Ziel der Emissionsminderung und tragen zu einer kontraproduktiven Aufrechterhaltung des Status quo bei. Die verstärkte Kontrolle durch die Zivilgesellschaft liess in jüngster Zeit Zweifel an den – oft irreführenden – Versprechen der «CO2-Neutralität» aufkommen, die von bestimmten Unternehmen unter dem Deckmantel der Kompensation abgegeben werden, während ihre Emissionen in der Realität weiter ansteigen.

Die Kohlenstoffmärkte: eine Bestandesaufnahme

Seit seinen Anfängen in den späten 1980er Jahren und insbesondere seit dem 1997 unterzeichneten Kyoto-Protokoll war der Kohlenstoffmarkt stets Gegenstand von Kontroversen. Seine Entwicklung hat zur Entstehung von Parallelmärkten geführt, die aufgrund ihrer potenziellen Überschneidungen mitunter schwer zu unterscheiden sind: dem «Compliance»-Markt und dem «freiwilligen» Kohlenstoffmarkt. Der Compliance-Markt sieht verpflichtende Emissionsreduktionen vor und wird auf nationaler oder regionaler Ebene reguliert. Der bekannteste dieser Märkte ist das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS), dem die Schweiz 2020 beigetreten ist. Im Rahmen dieses Mechanismus unterliegen bestimmte grosse Emittenten – Kraftwerke und grosse Industriebetriebe – einer Emissionsobergrenze, die sie durch den Kauf von Zertifikaten von anderen Mitgliedern, die ihre Emissionen über das festgelegte Ziel hinaus gesenkt haben, kompensieren können. Diese Obergrenze wird jährlich abgesenkt.

Trotz einer äusserst komplexen Umsetzung hat dieses System zu einer gewissen Verringerung der Emissionen in den betroffenen Sektoren beigetragen. Es wird jedoch kritisiert, dass in seiner Anfangszeit die Zuteilung kostenloser Zertifikate an grosse Emittenten zu grosszügig war und keine ausreichend ehrgeizigen Reduktionsziele vorgeschrieben werden. Ausserdem ist der Kohlenstoffpreis noch zu niedrig; er müsste die sozialen Kosten einer Tonne Emissionen widerspiegeln und schrittweise auf 200 USD angehoben werden. Der freiwillige Markt hingegen schreibt derzeit keine Mindestreduktionsziele vor und bleibt weitgehend unreguliert. Hier werden auch Emissionsgutschriften von sehr unterschiedlicher Qualität und zu sehr unterschiedlichen Preisen (manchmal werden sie unter 1 USD angeboten) eingesetzt.

Die Grenzen des freiwilligen Marktes

Die Vertrauenskrise, die den freiwilligen Kohlenstoffmarkt getroffen hat, ist nicht nur auf seine fehlende Regulierung und seinen lückenhaften Rahmen zurückzuführen, sondern auch auf technische Grenzen dieses Mechanismus. Kohlenstoffgutschriften entsprechen nur selten der exakten Einheit der beanspruchten «Kompensation»; ihre Wirkung wird systematisch überschätzt. Gründe dafür sind eine unzuverlässige Quantifizierungsmethode und das Fehlen eines umfassenden Kontrollsystems, das frei von Interessenskonflikten ist. Doch damit nicht genug: Oft ist unklar, ob die Kompensationsprojekte dem Kriterium der Zusätzlichkeit entsprechen, d. h. ob sie nicht auch ohne den finanziellen Beitrag aus den Emissionsgutschriften umgesetzt worden wären. Dies gilt insbesondere für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, die in den meisten Ländern zur wirtschaftlichsten Energiequelle geworden sind. Auch Doppelzählungen – die Anrechnung der Emissionsgutschrift sowohl durch das Gastgeberland als auch durch das ausländische Unternehmen – stellen eine grosse Herausforderung dar. Dieses Vorgehen widerspricht dem Grundsatz, dass eine Gutschrift nur von ein und derselben Stelle abgezogen werden kann. Mit dem Abkommen von Paris ist die Gefahr von Doppelzählungen grösser geworden, da es im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll auch von den Entwicklungsländern Emissionssenkungen verlangt.

Auch die Frage, ob die verbuchten Kompensationen dauerhaft sind, wirft viele Zweifel auf. Die Gewinnung und Verbrennung fossiler Energieträger ist Teil des langfristigen Kohlenstoffkreislaufes, während die Photosynthese und damit die Aufnahme von Kohlenstoff durch Bäume oder die Aufnahme in die Ozeane Teil des kurzfristigen biogenen Kohlenstoffkreislaufs sind. Es erscheint daher illusorisch, die langfristige Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre mit zeitlich auf wenige Jahrzehnte begrenzte Kompensationsprojekte ausgleichen zu wollen. Darüber hinaus gefährdet der menschengemachte Klimawandel selbst das Verbleiben des Kohlenstoffs in den temporären Speichern wie Böden und Wäldern, da Brände, Dürreperioden und die Ausbreitung von Schädlingen zunehmen. Hinzu kommt das Risiko der Verlagerung (leakage), wenn beispielsweise ein Projekt zum Schutz des Waldes in einer bestimmten Region dazu führt, dass woanders gerodet wird. . Die Aussichten auf technologische Lösungen mit Geräten zur Kohlenstoffabscheidung und -sequestrierung sollten nicht überschätzt werden. Derzeit sind sie weder wettbewerbsfähig noch kurzfristig in erforderlichem Umfang verfügbar. Wahrscheinlich werden sie auch in Zukunft nur eine begrenzte, wenn auch notwendige Rolle spielen.

Kohlenstoffkolonialismus verstärkt Ungerechtigkeiten

Ganz grundsätzlich ist der übermässige Rückgriff auf Kompensationen anstelle einer substanziellen Reduktion der Emissionen in keinster Weise nachhaltig. Wie Carbon Market Watch in seinem Bericht (Corporate Climate Responsibility Monitor) zur Integrität der Klimaschutzziele von Unternehmen, die sich selbst als Klimavorreiter bezeichnen, darlegt, hängt die Umsetzung der aktuellen «Netto-Null-Fahrpläne» dieser Unternehmen stark von Kompensationen ab. Bei gleichbleibendem Tempo würde der Landbedarf zur Generierung von Emissionsrechten die Verfügbarkeit von Boden bei weitem übersteigen, was das Überleben der lokalen Gemeinschaften, die Artenvielfalt und die Ernährungssicherheit direkt bedroht. Gleichzeitig basieren im freiwilligen Markt beliebte Emissionsreduktions-Projekte wie Aufforstung oder andere «naturbasierte Lösungen» (Nature-based Solutions) häufig auf «Festungsmodellen» des Naturschutzes, bei denen Schutzgebiete abgegrenzt und militarisiert werden - auf Kosten der ursprünglichen Bewohner:innen. Diese Projekte entstehen keineswegs in «leerem Raum», den die Umweltsünder mit Bäumen bepflanzen können, sondern oft in Landstrichen, die von indigenen Gemeinschaften bewohnt werden. Der neue Goldrausch der naturbasierten Lösungen durch die Privatisierung natürlicher Kohlenstoffsenken verschärft historisch komplexe Landkonflikte und stellt für die Waldbevölkerung eine reelle Gefahr der Enteignung dar. Erst recht, wenn bei solchen Vorhaben die Rechte indigener Gemeinschaften auf Selbstbestimmung und auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu allen Projekten, die ihre Gebiete betreffen, beschnitten wird.

Alles in allem ist das derzeitige System weitgehend ungeeignet, um der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht zu werden, und es ist überdies zutiefst ungerecht. Es räumt den grössten Emittenten von Treibhausgasen – vor allem grossen Unternehmen und Volkswirtschaften des Globalen Nordens – Verschmutzungsrechte ein: Sie können weiter wirtschaften wie bisher, während insbesondere die Wirtschaftssysteme und Lebensweisen des Globalen Südens eingeschränkt werden. Damit verlagert dieser Kohlenstoffkolonialismus die Verantwortung zur Bekämpfung des Klimawandels und der Abholzung von den grossen Unternehmen auf die lokalen Gemeinschaften, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind.

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Medienmitteilung

Nationalrat verweigert Umsetzung des Klimaschutzgesetzes für den Finanzplatz

14.03.2024, Klimagerechtigkeit, Finanzen und Steuern

Der Bundesrat empfahl heute dem Nationalrat eine Motion von Gerhard Andrey zur Annahme, welche die Klimaverträglichkeit der Schweizer Finanzflüsse stärken sollte. Doch der Nationalrat wollte nichts von der Motion wissen, obwohl diese gemäss Bundesrat der Umsetzung von Art. 9 des Klimaschutzgesetzes gedient und damit dem Volkswillen entsprochen hätte.

 

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

+41 22 901 14 81 laurent.matile@alliancesud.ch
Nationalrat verweigert Umsetzung des Klimaschutzgesetzes für den Finanzplatz

Gerhard Andrey (links) im Nationalrat

© Parlamentsdienste, 3003 Bern

Mit 59,1% nahm im Juni 2023 die Stimmbevölkerung das Klimaschutzgesetz an. In Artikel 9 wurde ein Ziel zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse festgelegt. Auch das Pariser Klimaabkommen verpflichtet die Schweiz dazu, dieses Ziel zu verfolgen. Mit dieser klaren rechtlichen Ausgangslage als Begründung hatte sich der Bundesrat dazu entschieden, die Motion von Nationalrat Gerhard Andrey anzunehmen.

Die Motion respektierte die bisherigen Bemühungen, mit freiwilligen Massnahmen der Branche die Finanzmittelflüsse auf den Pfad der Treibhausgasreduktion im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu bringen, forderte jedoch subsidiär vom Bund, verbindlichere Massnamen einzuführen, wenn bis 2028 weniger als 80% der Finanzflüsse auf dem richtigen Pfad zur Treibhausgasreduktion wären. Der Bundesrat wies in seiner Antwort darauf hin, dass er bei der Umsetzung der Motion als subsidiäre Regelungen vor allem die Einführung von Best-Practices zu Transparenz und Kostenwahrheit vorsah – eine sehr wirtschaftsfreundliche Umsetzung mit einem grossen Handlungsspielraum für alle Beteiligten.

Absolut unverständliche Verweigerung

Die Ablehnung des Nationalrats ist umso unverständlicher: «Der Nationalrat missachtet den klaren Willen der Bevölkerung für klimaverträgliche Finanzflüsse, er ignoriert die rechtlichen Grundlagen und internationale Verpflichtungen und akzeptiert nicht einmal den moderaten Weg des Bundesrates», betont Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Jede Verzögerung beim Klimaschutz bekommen die Menschen in den ärmsten Ländern am stärksten zu spüren.»

Die klimaverträgliche Ausrichtung der Schweizer Finanzflüsse ist der grösste Klimaschutz-Hebel, den die Schweiz hat und als Vertragspartei des Pariser Abkommens verpflichtet ist zu nutzen. Laut einer Studie von McKinsey sind die Emissionen im Zusammenhang mit dem Schweizer Finanzplatz 14 bis 16 Mal höher als die Schweizer Inlandemissionen.

Fehlender Wille auch beim CO2-Gesetz

Auch bei den Beratungen zum CO2-Gesetz, das morgen in die Schlussabstimmung gelangt, hat sich ein eklatant fehlender politischer Wille in beiden Parlamentskammern gezeigt, was ebenfalls die breite Zustimmung zum Klimaschutzgesetz ignoriert. Die Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Inland wurden nach einem schwachen Entwurf des Bundesrats in den Beratungen laufend weiter geschwächt. Als Folge wird die Schweiz immer mehr Auslandzertifikate einkaufen müssen, die kein gleichwertiger Ersatz für Reduktionen im Inland bedeuten.

Für weitere Informationen:
Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung, 022 901 14 81, laurent.matile@alliancesud.ch
Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

 

Medienmitteilung

Das Gesetz zur Reduktion der CO2-Emissionen… im Ausland

26.02.2024, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz will ihre Klimaziele zu einem grossen Teil nicht im Inland erreichen, sondern im Ausland – eine klima- und entwicklungspolitische Katastrophe. Alliance Sud appelliert an den Ständerat, bei der CO2-Gesetzesrevision wie bisher festzuschreiben, dass die Emissionsreduktionen mindestens zu 75% im Inland erfolgen müssen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Das Gesetz zur Reduktion der CO2-Emissionen… im Ausland

Die «Chambre de réflexion» muss nun beim Klimaschutz handeln – nicht nur im Ausland, sondern auch in der Schweiz.

© Parlamentsdienste 3003 Bern / Rob Lewis

Am 29. Februar geht die Revision des CO2-Gesetzes im Ständerat in die Differenzbereinigung. Bundesrat und Parlament haben es verpasst, endlich griffige Massnahmen zur Reduktion der Emissionen im Inland in den Gesetzesentwurf einzufügen. Stattdessen wird die Schweiz jedes Jahr mehr CO2-Zertifikate aus dem Ausland zukaufen müssen, um mit den Klimazielen auf dem Papier mithalten zu können. Dies muss der Ständerat durch einen Inland-Anteil von 75% am Klimaziel einschränken.

Aus verschiedenen Gründen ist die Auslandkompensation kurzsichtig und ungerecht:

Ein grosser Widerspruch zu Netto-Null bis 2050

Die Schweiz hat gesetzlich festgelegt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Und sie erwartet dasselbe von der Weltgemeinschaft, wie sie jährlich an der internationalen Klimakonferenz (COP) bekräftigt. Das impliziert, dass es bis 2050 keinen internationalen Handel mit CO2-Zertifikaten aus Emissionsreduktionen mehr gibt, weil alle Länder diese selber anrechnen müssen, um Netto-Null zu erreichen. Je mehr heute im Ausland kompensiert wird, desto schneller müssen später die Emissionen in der Schweiz reduziert werden – eine verheerende Verdrängungsstrategie von Bundesrat und Parlament.

CO2-Zertifikate garantieren keinen gleichwertigen Klimanutzen

Wie verschiedene Recherchen von Alliance Sud, Fastenaktion, Caritas und von Medienschaffenden zeigen, ist der Klimanutzen vieler Schweizer Kompensationsprojekte sehr unsicher und ihre Wirkung kann schlicht nicht garantiert werden. Zudem zeigt sich, dass es bereits schwierig ist, im engen Zeitplan bis 2030 überhaupt genügend Projekte dafür zu entwickeln. Es ist daher höchst fahrlässig, CO2-Zertifikate in noch grösseren Mengen als Ersatz für Inlandreduktionen einzuplanen.

Reiche Länder müssen ihre Emissionen rascher reduzieren

Die Schweiz hat die besten technischen und finanziellen Voraussetzungen, um die Emissionen im Inland schnellstmöglich zu reduzieren. Die politische Verweigerung, dies zu tun und stattdessen auf Verhaltensänderungen in ärmeren Ländern zu setzen, ist der Schweiz nicht würdig und widerspricht vehement der Klimagerechtigkeit.

Schweizer Klimafinanzierung ungenügend

Die Schweiz sollte durchaus Klimaschutzprojekte im Ausland fördern. Aber nicht um die eigenen Emissionsreduktionen zu verzögern, sondern um ergänzend zur Reduktion im Inland einen echten Beitrag an den gerechten Wandel im Globalen Süden zu leisten. Der Schweizer Beitrag an die internationale Klimafinanzierung wird nach der nächsten Klimakonferenz massiv ansteigen müssen. Dabei geht es nicht nur um die Reduktion von Emissionen, sondern ebenfalls um die Anpassung an die Klimaerwärmung in Regionen, deren Bevölkerung besonders stark betroffen ist.

Finanzierung von Millionen von CO2-Zertifikaten ungeklärt

Die Sparwut im Bundesbudget tobt bereits jetzt, aber ein erheblicher Teil der geplanten Ausland-kompensation muss noch vom Bund eingekauft werden. Gemäss der Botschaft zum CO2-Gesetz wird dies den Bund je nach Preis und erforderlicher Menge zwischen 90 Millionen und 2,2 Milliar-den Franken bis 2030 kosten – ein Budgetposten, der noch nirgends eingeplant ist.

Die Bilanz von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Ent-wicklungspolitik, fällt eindeutig aus. Klimaexpertin Delia Berner: «Die Schweizer Klimapolitik hat sich in der Auslandkompensation verfahren. Sowohl im eigenen Interesse wie auch im Sinne der Klimagerechtigkeit darf die Schweiz die knappe verbleibende Zeit nicht versäumen: Sie muss die eigenen CO2-Emissionen gemäss dem Klimaschutzgesetz reduzieren. Klimaprojekte im Ausland müssen unabhängig davon von der Schweiz mitfinanziert werden.»

 

Für weitere Informationen:
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

Recherche von Alliance Sud und Fastenaktion über E-Busse in Bangkok
Studie im Auftrag von Caritas Schweiz über Kochofen-Projekt in Peru