Medienmitteilung

Der Nationalrat will endlich Antworten

26.09.2022, Finanzen und Steuern

Egal, ob es in den letzten Jahren um Zweifel an der Durchsetzung der Sanktionen gegen russische OligarchInnen, um fragwürdige Zahlen zur Abschaffung der Verrechnungssteuer oder um Offshore-Skandale ging: Oft blieb der Bundesrat Antworten schuldig. Der Nationalrat hat am Montagabend ein deutliches Zeichen gegen die Geheimniskrämerei auf dem Schweizer Finanz- und Handelsplatz gesetzt: Er verlangt vom Bundesrat einen Bericht, der aufzeigen soll, wie die Transparenz von internationalen Geldströmen erhöht werden kann.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Der Nationalrat will endlich Antworten

Das Abstimmungsergebnis im Nationalrat.
© Alliance Sud

Die Debatten um die Sanktionen gegen russische Oligarchen, die über Schweizer Banken, Anwaltskanzleien, Briefkastenfirmen oder Rohstoffhändler ihr Geld verwalten, oder um die steuerpolitischen Auswirkungen der Vorlage zur Verrechnungssteuerreform, über die die StimmbürgerInnen am letzten Sonntag abgestimmt haben, zeigen es einmal mehr: Wenn es darum geht nachzuvollziehen, wie und durch welche Kanäle ausländisches Geld durch die Schweiz fliesst, tappen in der Schweiz Politik, Medien und zum Teil sogar die Behörden selbst immer noch im Dunkeln.

Das will der Nationalrat nun ändern: Er hat ein Postulat seiner aussenpolitischen Kommission angenommen, das vom Bundesrat einen Bericht darüber verlangt, wie dieser die Transparenz von internationalen Finanzflüssen, in die die Schweiz involviert ist, verbessern will. Aus Sicht von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, ist das eine grosse Chance: «Nach dem ganzen Lavieren in den letzten Monaten und Jahren hat der Bundesrat nun die Gelegenheit, in Ruhe darüber nachzudenken, wie er angesichts von Krieg, Krisen und Skandalen das Vertrauen in das Schweizer Finanz- und Handelszentrum stärken will und zu dessen besserer Reputation beitragen kann», sagt Dominik Gross, Experte für Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud: «Ohne Transparenz geht es nicht: Denn erst wenn wir wissen, was Sache ist, können wir lernen, was wir verändern müssen.»

Für weitere Informationen:

Dominik Gross, Verantwortlicher Steuer- und Finanzpolitik, Alliance Sud, +4178 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch

Medienmitteilung

OECD-Mindeststeuer: Geld gehört dem Globalen Süden

28.09.2022, Finanzen und Steuern

Der Ständerat hat über die Einführung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz entschieden. Er will damit ausgerechnet die Tiefsteuerkantone belohnen. Alliance Sud verlangt vom Nationalrat eine Korrektur und die Rückverteilung in den Globalen Süden.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
OECD-Mindeststeuer: Geld gehört dem Globalen Süden

© Services du Parlement 3003 Bern

Der Ständerat hat heute über die Einführung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz entschieden. Er will damit ausgerechnet die Tiefsteuerkantone belohnen. Alliance Sud verlangt vom Nationalrat eine Korrektur und die Rückverteilung eines Teils der Zusatzeinnahmen in die Länder, in denen Schweizer Konzerne mit Hilfe der hiesigen Tiefsteuerpolitik Steuern vermeiden. Andernfalls kann Alliance Sud diese Vorlage in der Volksabstimmung vom kommenden Jahr nicht unterstützen.

Eigentlich wollte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit der Einführung der Mindeststeuer das internationale Konzernsteuersystem fairer gestalten und die Besteuerung von multinationalen Konzernen in Staaten verbessern, die von massiver Steuervermeidung dieser globalen Unternehmen betroffen sind. Der Ständerat will von diesem Ziel aber nichts mehr wissen. Im Gegenteil: Die Mehreinnahmen sollen nun vor allem jenen Schweizer Tiefsteuerkantonen zu Gute kommen, die ihren Firmen das Steuerdumping in anderen Ländern erst ermöglichen: Er will nämlich 75% der zusätzlichen Einnahmen den Kantonen überlassen. Auf Grund der Ausgestaltung der nationalen Ergänzungssteuer (lesen Sie hier unser Analysepapier dazu), mit der die OECD-Mindeststeuer in der Schweiz umgesetzt werden soll, profitierten davon just Steuerdumping-Kantone wie Zug, Waadt oder Basel-Stadt.

Die Interessenverbände der Konzerne, die bürgerliche Mehrheit des Ständerates und Regierungs-VertreterInnen aus den Tiefsteuerkantonen wollen die Mindeststeuer-Mehreinnahmen den Konzernen im Rahmen von Standortförderungsmassnahmen zudem wieder zurückgeben. Aus Sicht von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, torpediert dieser Ansatz die Idee der OECD-Mindeststeuer vollumfänglich. Dominik Gross, Experte für Steuerpolitik bei Alliance Sud, sagt: «Der Ständerat will mit den Konzernen ausgerechnet jene belohnen, die das Steuerdumping vorantreiben. Damit das nicht passiert, muss der Nationalrat nun korrigieren und einen möglichst hohen Anteil der Zusatzeinnahmen dem Bund zuweisen.»

Mehr Geld für die Klimafinanzierung oder die internationale Zusammenarbeit

Alliance Sud verlangt sodann, dass diese Mehreinnahmen beim Bund zu einem fairen Anteil an jene Länder zurückfliessen müssen, aus denen die Gewinne verschoben werden, weil multinationale Konzerne in der Schweiz von Dumping-Steuersätzen profitieren. Dies kann über zusätzliche Zahlungen an die internationale Klimafinanzierung der UNO oder durch eine entsprechende Erhöhung des Bundesbudgets für die internationale Zusammenarbeit geschehen.

Dominik Gross: «Sollte die Schweiz sämtliche ihrer Zusatzeinnahmen für sich beanspruchen, kann Alliance Sud diese Vorlage in der Volksabstimmung, die für Juni 2023 vorgesehen ist, nicht unterstützen, da sie mit einer solchen Umsetzung den Produktionsländern von Schweizer Konzernen gar nichts oder sogar Nachteile bringt.»

Mehr Informationen:

Dominik Gross, Experte Steuerpolitik Alliance Sud, dominik.gross@alliancesud.ch, Tel. +4178 838 40 79

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Konzernlobby spielt Steuerfranken-Versenkis

03.10.2022, Finanzen und Steuern

Was der Bundesrat und die Konzernlobbies als harmlose Förderung der Schweizer Schifffahrtsindustrie verkaufen, könnte zum grossen Steuerschlupfloch für die Schweizer Rohstoffkonzerne werden und die neue OECD-Mindeststeuer unterlaufen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Konzernlobby spielt Steuerfranken-Versenkis

Die Rohstoffbranche profitiert von der Krise – und bald von tieferen Steuern in der Schweiz?
© Stefanie Probst

Aus der Perspektive der FreundInnnen der Schweizer Tiefsteuerpolitik kamen die RohstoffhändlerInnen in der Schweiz in den letzten Jahren etwas zu kurz. Im Rahmen der letzten Unternehmenssteuerreform von 2019 (Steuerreform und AHV-Finanzierung STAF) schuf der Bund die alten Steuerprivilegien für Holdings und gemischte Gesellschaften ab (Schweizer Firmen konnten damit im Ausland erwirtschaftete Gewinne zum Nulltarif versteuern), von denen die Rohstoffkonzerne in der Vergangenheit stark profitiert hatten. Während die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern für Pharma- oder Konsumgüterkonzerne neue auf diese Branchen zugeschnittene Spezialrabatte als Ausgleich für die alten Privilegien schufen, ging die Rohstoffbranche leer aus.

Das soll nun nachgeholt werden: mit der sogenannten «Tonnage Tax». Zwar geht es dabei vordergründig nur um eine Steuererleichterung für Schweizer Reeder, doch zwischen diesen und den Rohstoffhändlern bestehen enge Verbindungen, wie auch der Bundesrat in der Botschaft zur Tonnage Tax festhält. Ausserdem gilt schon heute: Wenn ein Rohstoffhändler seiner konzerninternen Schifffahrtsgesellschaft überteuerte Frachttarife zugesteht − was in der Praxis nicht aufgedeckt werden kann −, können Gewinne in anderen Gesellschaften derselben Gruppe reduziert und damit Steuerzahlungen vermieden werden.

Wiedergeburt eines bereits abgeschriebenen Konzepts

Bei der letzten Unternehmenssteuerreform  strich der Bundesrat die Steuer noch vom Menü, vor allem wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Mit der Tonnage Tax sollen Schiffe nicht mehr nach dem Gewinn besteuert werden, die ihre Betreiber mit ihnen erwirtschaften, sondern nach dem Frachtvolumen. Anschliessend soll der so ermittelte «Reingewinn» aus der Schifffahrt den übrigen Gewinnen aus anderen Tätigkeitsbereichen einer Firma angerechnet werden. Weil hier bestimmte Unternehmen grundsätzlich anders als gemäss der ordentlichen Gewinnsteuer besteuert werden sollen, zweifelte der Bundesrat damals an der Vereinbarkeit mit dem Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und gab dazu zwei Rechtsgutachten in Auftrag.

Diese kamen 2015 zu gegenteiligen Schlüssen: Während Robert Danon aus Lausanne zu einer negativen Einschätzung kam, bestätigte Xavier Oberson aus Genf die Verfassungsmässigkeit. Beide Rechtsprofessoren verfügen übrigens auch über lukrative Mandate bei Wirtschaftskanzleien, die die Steuern für Unternehmen optimieren. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Gutachten ist, dass Oberson die Seeschifffahrt im Gegensatz zu Danon als in der Schweiz in ihrer Existenz gefährdet beurteilt und somit gemäss Art. 103 BV die Einführung dieser Pauschalbesteuerung als strukturpolitische Massnahme gerechtfertigt sieht.

Das ist angesichts der enormen Bedeutung der Schifffahrt für die Weltwirtschaft und ihrer engen Verzahnung mit den Rohstoffhändlern – sie gehören zu den grössten und profitabelsten Unternehmen in der Schweiz – eine recht bizarre Aussage. Dem Bundesrat war die Sache damals zu heiss, heute hat er die Zweifel offenbar überwunden, ohne dass sich an der verfassungsrechtlichen Ausgangslage etwas geändert hätte.

Neben den Zweifeln an ihrer Verfassungsmässigkeit birgt die Gesetzesvorlage noch zwei weitere wesentliche Probleme:

  • Das Besteuerungsniveau: Es würde sich im Vergleich mit den ordentlichen Gewinnsteuersätzen in allen Schweizer Kantonen stark reduzieren. Wie die Rechtsgelehrten Mark Pieth und Kathrin Betz in ihrem neuen Buch zur Reederei-Branche in der Schweiz zeigen, resultiert mit der Einführung der Tonnage Tax ein durchschnittlicher effektiver Gewinnsteuersatz von ca. 7%. Das liegt deutlich unter den 11%, die der Rohstoff-Hub Zug als steuergünstigster Kanton Glencore und anderen Konzernen gewährt. Der Bundesrat will ausserdem zusätzliche Steuerermässigungen erlauben, je umweltfreundlicher die Antriebssysteme der Schiffe sind. Wird die maximale Veranlagung von 20 Prozent gewährt, kann die durchschnittliche Besteuerung bis auf 5,6 Prozentpunkte sinken. Besonders stossend dabei ist, dass der Bundesrat die mit der Tonnage Tax besteuerten Gewinne aus der neuen OECD-Mindeststeuer ausnehmen will, die garantieren soll, dass multinationale Konzerne in der Schweiz mit mindestens 15% besteuert werden. Die Einführung einer Tonnage Tax unterläuft also die internationalen Bestrebungen, das «Race to the bottom» bei den Unternehmenssteuern auf einem ohnehin schon tiefen Punkt zu bremsen.
  • Fehlende Umwelt- und Sozialstandards auf den Schiffen: Der Bundesrat und bis jetzt auch die Wirtschaftskommission des Nationalrates (letztere wird das Geschäft voraussichtlich erst Mitte November fertig beraten) wollen das neue Steuerprivileg nicht an ein sogenanntes Flaggenerfordernis knüpfen. Ein Flaggenerfordernis würde bedeuten, dass Schifffahrtsgesellschaften nur bei jenen Schiffen von der Tonnage Tax profitieren könnten, die unter Schweizer Flagge oder einer Flagge aus dem EWR-Raum (EU-Länder plus Island, Norwegen und Liechtenstein) fahren. Damit würde für die Reeder ein Anreiz geschaffen, ihre Schiffe nicht in sogenannte Billigflaggenländer auszulagern, die der Schifffahrtsindustrie als fast rechtsfreie Räume dienen, in denen sie kaum staatliche Vorgaben für ihr Geschäft erfüllen müssen. Bei Schiffen unter Schweizer Flagge könnte die Schweiz die Reeder entsprechend zu besseren Umwelt- und Arbeitsstandards verpflichten. Nach Einschätzung von Pieth/Betz hätte «die Tonnagesteuer, so problematisch sie sein mag, [..] immerhin indirekte Vorteile: Wer mindestens 60 Prozent der Flotte im EWR­Raum oder in der Schweiz einflaggen müsste, würde unter Umständen den Regeln der EU gegen die wilde Verschrottung in Südasien unterworfen werden». Allerdings zeigt die Diskussion um Konzernverantwortung in der Schweiz auch, dass der Wille zu höheren Standards im Bereich von Wirtschaft und Menschenrechten bei der bürgerlichen Mehrheit in Bundesbern äusserst bescheiden ist.

Verfassungsrechtlich bedenklich, die OECD-Mindeststeuer unterlaufend und frei von Sozial- und Umweltstandards: In jener Version, wie die Tonnage Tax zurzeit in der Wirtschaftskommission des Nationalrates behandelt wird, würde ihre Einführung dem zweifelhaften Ruf der Schweiz als Steuerparadies für Konzerne alle Ehre machen. Profitieren würden davon zudem ausgerechnet jene Konzerne, denen Krieg und Energiekrise Rekordgewinne in die Kassen spülen: So machte Glencore aus dem zugerischen Baar – nach Vitol (sitzt auch in der Schweiz) die zweitgrösste Ölhändlerin der Welt – im ersten Halbjahr 22 einen Rekordgewinn von 12 Milliarden US-Dollar. Statt ausgerechnet diesen KriegsgewinnlerInnen zusätzliche Steuerdumpingmöglichkeiten zu verschaffen, sollten National- und Ständerat diese Kriegsgewinne mit einer Übergewinnsteuer abschöpfen und in die Bekämpfung der globalen Vielfachkrise stecken.

Medienmitteilung

Neues Steuerschlupfloch für Kriegsgewinnler

15.11.2022, Finanzen und Steuern

Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat mit der Einführung der Tonnage Tax ein neues Steuerschlupfloch für Kriegsgewinnler beschlossen und zementiert mit ihrem Entscheid zur Mindeststeuer die nationalegoistische Schweizer Tiefsteuerpolitik.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Neues Steuerschlupfloch für Kriegsgewinnler

Die Rohstoffbranche profitiert von der Krise – und bald von tieferen Steuern in der Schweiz?
© Stefanie Probst

Die WAK-N hat heute die Einführung einer «Tonnage Tax» für Frachtschiffe beschlossen, die von der Schweiz aus gesteuert werden. Mit diesem neuen Sondersteuerregime werden Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften von multinationalen Konzernen in der Schweiz nicht mehr gemäss der normalen Gewinnsteuer für Unternehmen besteuert, sondern erhalten eine Pauschalbesteuerung: Ausschlaggebend für die Besteuerung soll künftig nicht mehr der erzielte Gewinn aus dem Transportgeschäft sein, sondern die Ladekapazität der Schiffe, die eine Schifffahrtsgesellschaft betreibt. «Das widerspricht allen Grundsätzen einer fairen Unternehmensbesteuerung», sagt Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud. «Auf uns NormalbürgerInnen übertragen würde das bedeuten, dass wir keine Einkommenssteuer mehr bezahlen würden, sondern das Volumen unseres Portemonnaies ausschlaggebend dafür wäre, wie viel Steuern wir bezahlen.»

Kein Wunder, war auch der Bundesrat lange skeptisch, ob die Einführung der Tonnage-Steuer dem Grundsatz in der Bundesverfassung entspricht, wonach Steuerpflichtige gemäss ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden müssen. Zwei verschiedene Rechtsgutachten kamen in dieser Frage zu unterschiedlichen Schlüssen. «Für eine Mehrheit der WAK-N war dieser Zweifel an der Verfassungskonformität der Tonnage-Steuer offenbar kein Problem», so Dominik Gross. Dazu kommt, dass nicht nur Schifffahrtsgesellschaften von diesem Steuerprivileg profitieren werden, sondern auch Schweizer Rohstoffhändler, die die Frachtschiffe, die ihre Handelsgüter transportieren, oft selbst betreiben. Ausgerechnet jenen Konzernen, die derzeit «dank» dem Krieg in der Ukraine und der entsprechenden Rohstoff-Knappheit Rekordgewinne schreiben, will eine Mehrheit der WAK-N also nun noch zusätzliche Steuergeschenke machen. Dominik Gross: «Die Steuerbelastung dieser Firmen wird damit auf unter 10% ihrer Gewinne sinken – während andere Länder über höhere Steuern für diese Firmen diskutieren.» Alliance Sud wird sich aus diesen Gründen in der Wintersession dafür einsetzen, dass der Nationalrat gar nicht erst auf diese Vorlage seiner Wirtschaftskommission eintritt.

Umsetzungsvorschlag der OECD-Mindeststeuer torpediert Steuergerechtigkeit

Weiter hat die WAK-N ihren Umsetzungsvorschlag der OECD-Mindeststeuer beschlossen. Sie will diese mit einer nationalen Ergänzungssteuer (NES) umsetzen. Obwohl ein wesentlicher Teil der Gewinne, die mit der NES höher besteuert werden können (15%), aus dem Ausland und v.a. auch aus dem globalen Süden stammen, sollen sämtliche neuen Steuereinnahmen gemäss dem Willen der WAK-N in der Schweiz bleiben. «Die Mitglieder der Wirtschaftskommission foutieren sich völlig um die Tatsache, dass ärmere Länder dringend zusätzliche Steuereinnahmen bräuchten, um die Folgen der Pandemie, der Ernährungs-, Klima- und Schuldenkrise zu bekämpfen», sagt Dominik Gross. «Und dies, obwohl das Tiefsteuergebiet Schweiz als einer der wichtigsten Standorte für multinationale Konzerne weltweit stark mitverantwortlich ist, dass Konzerne ihre Gewinne nicht dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden, sondern dort, wo sie dafür am wenigsten Steuern bezahlen.» Für Alliance Sud ist dies inakzeptabel. Das Plenum des Nationalrats muss Massnahmen definieren, mit denen auch die Herkunftsländer jener Gewinne, die in der Schweiz ab 2024 höher besteuert werden sollen, von der Mindeststeuer profitieren.

Für weitere Auskünfte:

Dominik Gross, Experte Steuerpolitik Alliance Sud, dominik.gross@alliancesud.ch, Tel. +4178 838 40 79

Zum global-Artikel «Konzernlobby spielt Steuerfranken-Versenkis»

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OECD-Mindeststeuer: so sicher nicht

14.12.2022, Finanzen und Steuern

Ursprünglich verfolgte die OECD mit der neuen Mindeststeuer die Idee, das internationale Konzernsteuersystem etwas fairer zu gestalten. Das Parlament in Bern kehrt sie nun in ihr Gegenteil um. Alliance Sud lehnt die Reform deshalb ab.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

OECD-Mindeststeuer: so sicher nicht

Steuerschlupflöcher untergraben die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz: Alliance Sud wird sie deshalb ablehnen.
© Parlamentsdienste 3003 Bern

Technisch ist die Mindeststeuer sehr kompliziert, eine Rechnung aber ist einfach. Der abtretende Schweizer Finanzminister Ueli Maurer rezitiert sie seit Monaten: «Wenn die Schweiz das zusätzliche Geld nicht nimmt, nehmen es andere.» Mit dieser Botschaft holt Maurer sogar die allermeis-ten ApologetInnen der Schweizer Tiefsteuerpolitik ab. Gegen alle ihre Widerstände: Zwar ist für diese – wie grundsätzlich auch für Maurer selbst – jede Steuererhöhung des Teufels. Ihr National-egoismus ist aber etwas stärker als ihre neoliberalen Prinzipien.

Setzt man sich hingegen für mehr globale Steuergerechtigkeit in der Schweizer Steuerpolitik ein, müsste man Maurers Rechnung genau umgekehrt machen. Der Nationalrat hat heute beschlossen, die OECD-Regeln der Mindeststeuer in eine sogenannten «nationale Ergänzungssteuer» zu übersetzen. Letztere führt dazu, dass multinationale Konzerne, die in der Schweiz bisher von einem effektiven Steuersatz (Steuersatz auf dem steuerbaren Gewinn nach allen Abzügen) von weniger als 15% profitierten, mit einer Zusatzsteuer belegt werden, die die Steuersätze in Zukunft auf das OECD-Minimum von 15% anhebt. Wenn ein Rohstoffkonzern im Kanton Zug bisher einen auch im internationalen Vergleich äusserst tiefen Steuersatz von 11% genoss, muss er also in Zukunft eine Zusatzsteuer auf seine in Zug ausgewiesenen Gewinne von 4% bezahlen. So weit so gut, die nationale Ergänzungssteuer hat aber aus entwicklungspolitischer Sicht einen grossen Haken: Wenn die Schweiz die hiesigen Hauptsitze und Tochtergesellschaften eines multinationalen Konzerns mit dieser belegt, können es gemäss den neuen Regeln der OECD die anderen Länder, in denen derselbe Konzern ebenfalls Tochtergesellschaften hat, nicht mehr tun.

Die Schweizer Umsetzung ist kein Beitrag zu mehr globaler Steuergerechtigkeit

Für wirtschaftlich benachteiligte Länder im globalen Süden, in denen Schweizer Konzerne zum Beispiel Agrarrohstoffe oder Medikamente produzieren, ist das aus den folgenden Gründen ein grosses Problem:

a)    Die Gewinnsteuersätze in den Produktionsländern des globalen Südens liegen in aller Regel zwischen 25% und 35%. Die viel tiefere Mindeststeuer von 15% sichert ihnen keine zusätzlichen Steuereinnahmen.

b)    Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne, die sie mit der Produktion in Ländern mit hohen Steuersätzen erzielen, in Tiefsteuerländer mit sehr tiefen Steuersätzen. Damit sparen sie sehr viele Steuern in den Produktionsländern, ermöglichen es aber gleichzeitig Schweizer Kantonen, zu niedrigen Steuersätzen Gewinne zu versteuern, die gar nicht in der Schweiz erarbeitet wurden. Das zeigt etwa der Fall des schweizerisch-luxemburgischen Agrarrohstoffhändlers Socfin.

c)    Gemäss ForscherInnen um den Ökonomen Gabriel Zucman verschoben multinationale Konzerne im letzten Jahr 111 Milliarden Dollar Gewinne in die Schweiz. 39 Prozent der gesamten Schweizer Gewinnsteuereinnahmen von insgesamt 22,7 Milliarden Dollar stam-men aus Gewinnverschiebungen. Und in dieser Rechnung sind die Gewinnverschiebungen aus vielen Ländern des Südens noch gar nicht enthalten, weil dort die nötigen Daten für solche Berechnungen fehlen. Fälle wie jener von Socfin zeigen aber, dass damit gerechnet werden muss, dass die entsprechenden Beträge solcher Gewinnverschiebungen noch viel höher sind. Die Einführung der OECD-Mindeststeuer verhindert diese Gewinnverschiebungen weder auf internationaler Ebene noch in die Schweiz. Dafür ist der Steuersatz von 15% viel zu tief. Die Schweiz verhandelte diesen Steuersatz in der OECD 2021 aktiv herunter – gemeinsam mit anderen Tiefsteuerländern wie Irland und Luxemburg. Die USA hatte zuvor unter neuer demokratischer Führung noch 21% gefordert. Das zeigt ein Brief von Ueli Maurer an den OECD-Generalsekretär Mathias Corman vom Herbst 2021.

Die wirtschaftlich benachteiligten Länder des globalen Südens gehen also auch mit dieser Reform leer aus. Das machten im Sommer 2022 auch hochrangige VertreterInnen der Vereinigung der afrikanischen Steuerbehörden gegenüber Alliance Sud klar.

National- und Ständerat foutieren sich einmal mehr um globale Steuergerechtigkeit
Alliance Sud schlug deshalb bereits im März 2022 erstmals vor, einen Teil der in der Schweiz zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer an arme Länder im globalen Süden zurückzugeben. Dies wäre über Finanzierungsinstrumente der internationalen Zusammenarbeit oder der internationalen Klimafinanzierung leicht möglich gewesen. In der parlamentarischen Beratung der Vorlage kümmerte sich dann aber niemand um die steuerpolitischen Interessen des globalen Südens.

Letztlich sah sich im Plenum des Nationalrats auch Fabian Molina, SP-Nationalrat und Co-Präsident des Alliance-Sud-Mitglieds Swissaid, gezwungen, seinen entsprechenden Antrag zurückzuziehen. Dieser sah vor, dass die Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer hälftig in die internationale Klimafinanzierung zu Gunsten von Entwicklungsländern und in den Schweizer Finanz- und Lastenausgleich investiert werden sollten. In der Differenzbereinigung schwenkte der Nationalrat schliesslich auf die Position von Bundes- und Ständerat ein: Nun sollen gemäss dem Willen des Parlamentes nur 25% der Mehreinnahmen dem Bund zufliessen und 75% den Kantonen – namentlich handelt es sich dabei vor allem um die beiden prominenten Konzerntiefsteuergebiete Zug und Basel-Stadt. Die Art der Verwendung der zusätzlichen Einnahmen ist auch bereits absehbar: Beim Bund sollen die Einnahmen gemäss Bundesbeschluss explizit für Standortförderungsmassnahmen verwendet werden. In den Kantonen sind solche ebenfalls absehbar – wahrscheinlich vor allem in Form von Senkungen der Kapitalsteuern oder jener von natürlichen Personen mit hohen Einkommen, sprich von Konzern-Managern. Auch Forschungsförderungsmassnahmen für (pharmanahe) Start-ups (in Basel) oder direkte Subventionierungen von Löhnen in den Konzernen werden diskutiert.

Nein-Parole von Alliance Sud in der Abstimmung vom Juni 2023
Wie schon beim sogenannten AHV-Steuerdeal 2019 (Steuervorlage und AHV-Finanzierung STAF) werden mögliche substantielle Fortschritte in der globalen Steuergerechtigkeit zugunsten von ein paar sozialpolitischen Zückerchen torpediert. Was damals die AHV war, sind heute die Krippen. So wenig die AHV-Zusatzfinanzierung damals die strukturellen Probleme in der Schweizer Altersvorsorge löste, tut das heute der schon im Nationalrat gescheiterte Vorschlag der zusätzlichen Krippenfinanzierung. Seit der STAF-Abstimmung von 2019 haben es auch die fortschrittlichen Parteien in der Schweiz verpasst, eine Politik zu entwickeln, die soziale Gerechtigkeit im Inland mit einer solidarischen Aussenwirtschaftspolitik zu verbinden, mit der man in der Realpolitik diese beiden politischen Grundsätze der Linken nicht dauernd gegeneinander ausspielen muss. Allerdings ist es nicht einmal sicher, dass mit der Einführung der Mindeststeuer einst sehr viel mehr Geld für sozialpolitische Massnahmen zur Verfügung stehen wird: Das Umsetzungskonzept der Mindeststeuer, wie es der Bundesrat dem Parlament vorgelegt hat, ist nämlich wiederum voller Steuerschlupflöcher. Auch um diese haben sich National- und Ständerat in den letzten Monaten nicht gekümmert. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass die bürgerliche Mehrheit in Bern die Mindeststeuer nur deshalb einführen will, weil sie damit Schweizer Konzerne davor verschonen kann, bei ihren Niederlassungen im Ausland mehr Steuern abliefern zu müssen. Ob das tatsächlich zu Mehreinnahmen in der Schweiz führt, scheint nicht so wichtig zu sein.

Das geht letztlich auf Kosten der breiten Bevölkerungen in der Schweiz wie in der ganzen Welt: Während in armen Ländern des globalen Südens wegen des Steuerdumpings von Schweizer Konzernen Geld für Spitäler und Schulen weiterhin fehlt, werden die Bürgerlichen in der Schweiz dafür sorgen, dass einmal mehr jene von der Mindeststeuer profitieren, die das Steuerdumping selbst vorantreiben.

Alliance Sud kann eine weitere Konzernsteuerreform, von der letztlich vor allem die Konzerne selbst profitieren, nicht akzeptieren. Sie schadet den Entwicklungsländern direkt: Wenn die Schweiz sie nämlich nicht einführen würde, hätten Produktionsländer von Schweizer Konzernen, die in der Schweiz weniger als 15% zahlen, die Möglichkeit, die OECD-Mindeststeuer bei sich einzuziehen. Alliance Sud wird deshalb die Nein-Parole für die Volksabstimmung vom nächsten Juni beschliessen.

Für weitere Auskünfte: Dominik Gross, Experte Steuerpolitik Alliance Sud, dominik.gross@alliancesud.ch, Tel.+4178 838 40 79

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Konzerne zum Coiffeur

23.03.2023, Finanzen und Steuern

Die UNO fordert angesichts der Polykrise einen «Haircut», einen Schuldenschnitt von 30%. Höchste Zeit, dass auch Schweizer Rohstoffhändler dies akzeptieren.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Konzerne zum Coiffeur

© Silke Kaiser / pixelio.de

Ein Zug rast ungebremst auf den Prellbock zu, viele stehen um die entscheidende Weiche herum, aber niemand bewegt sie, um so den katastrophalen Aufprall zu verhindern. Dieses Bild trifft ziemlich genau den aktuellen Umgang mit der Staatsverschuldung der ärmsten Länder.

Mindestens 54 Länder des Globalen Südens leiden gemäss dem UNO-Entwicklungsprogramm UNDP unter gravierenden Schuldenproblemen. Die meisten davon liegen in Subsahara-Afrika (24 Länder), gefolgt von Lateinamerika und der Karibik (10 Länder). Mehr als 50 Prozent der Menschen, die in extremer Armut leben, sind hier beheimatet. 28 dieser Staaten gehören zu den 50 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder der Welt. UNDP fordert einen «Haircut», einen Schuldenschnitt von 30%.

Dabei fehlt es nicht an warnenden Stimmen. Der Chefkommentator der «Financial Times» schrieb kürzlich, es drohe eine «verlorene Dekade». Damit bezieht er sich auf die lateinamerikanische Schuldenkrise der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihren dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen. Zwar führen wie damals Zinserhöhungen im Norden zu Kapitalabfluss im Süden, es gibt aber einen grossen Unterschied. Statt Banken, die damals Staaten direkt Kredite gaben, sind es jetzt Investitionsfonds wie Blackrock, die Gelder von Pensionskassen und Privatanleger:innen in Staatsanleihen von Ländern im Globalen Süden investieren. Und es gibt einen grossen neuen Player im Spiel: China. Die Weltmacht hält gleich viel Schulden wie alle andern Gläubigerstaaten zusammen (ca. 10%). Das ist allerdings weniger als ein Viertel der Schulden gegenüber privaten Gläubigern (den Rest halten multilaterale Institutionen wie die Weltbank).

Dies führt dazu, dass sich bei Verhandlungen alle gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Der Westen beklagt die mangelnde Kooperation von China, das seinerseits den Finger darauf legt, dass die privaten Gläubiger nicht zu einem Schuldenschnitt bereit sind und die Multilateralen sowieso einen privilegierten Status geniessen, also auch nicht mitmachen.

Und welche Rolle spielt die Schweiz? Wir wissen es nicht. Es gibt keine Transparenz über die Rolle der Schweizer Investor:innen im Globalen Süden. Klar ist nur, dass es – neben China – einen weiteren neuen Akteur gibt, der mitspielt: die Schweizer Rohstoffhändler. Auch hier lüftet sich der Schleier nur selten. So legte der IWF offen, dass Tschad über eine Milliarde Dollar Schulden gegenüber Glencore hat – mehr als ein Drittel aller Schulden des Landes. Der Rohstoffmulti mit Sitz im Kanton Zug, der soeben dank seinen Kriegsprofiten den Jahresgewinn verdreifacht hat, weigerte sich standhaft, einen Schuldenschnitt zu akzeptieren. Die Schweiz steht also in der Verantwortung, Transparenz zu schaffen und dafür zu sorgen, dass ihre multinationalen Konzerne zum Coiffeur gehen und einen «Haircut» akzeptieren.

Medienmitteilung

Nein zum Belohnungsprogramm für Konzerne

24.04.2023, Finanzen und Steuern

Der Bundesrat stellt heute seine Argumente für die Abstimmung vom 18. Juni zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer vor. Für Alliance Sud ist klar: Diese Vorlage belohnt Tiefsteuerkantone und multinationale Konzerne für ihr Steuerdumping.

Nein zum Belohnungsprogramm für Konzerne

© Thorben Wengert / pixelio.de

Schweizer Konzerne verschieben jährlich Gewinne in der Höhe von über 100 Milliarden Dollar ins Tiefsteuerland Schweiz. In Zug, Basel-Stadt, Waadt oder Genf steigen damit die Steuereinnahmen. In Ländern, die sich die Förderung von aggressiver Steuervermeidung nicht leisten können, sinken sie dramatisch. Gewinne werden nicht dort versteuert, wo sie erarbeitet wurden, sondern dort, wo die Konzerne dafür am wenigsten Steuern zahlen.

Vor Jahren wollte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) diesem Spiel ein Ende setzen und schlug die Einführung einer Untergrenze bei den Konzernsteuersätzen vor, die seit Jahrzehnten gesunken waren. Die Mindeststeuer hätte zu einer «Revolution» für mehr Steuergerechtigkeit führen können. Doch Tiefsteuerländer wie Irland, Singapur oder die Schweiz bauten sie mit geschicktem Lobbying bei der OECD zu einem Belohnungsprogramm für sich selbst um. Ein Ja am 18. Juni würde dieses nicht nur in der Schweiz in Kraft setzen – es gäbe für die hiesigen Konzerne sogar noch den Zuckerguss eines «Sweet Swiss finish» obendrauf. Denn mit den zusätzlichen Einnahmen sollen neue Standortförderungsmassnahmen finanziert werden. Dominik Gross, Experte für Steuerpolitik bei Alliance Sud, sagt: «Von den Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer würden ausgerechnet jene Konzerne profitieren, die die Schweizer Tiefsteuergebiete benutzen, um andere Länder um ihre Steuereinnahmen zu bringen. Ganz nach dem Motto ‘Wer nimmt, dem wird gegeben’».

Alliance Sud, das Schweiz Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, lehnt die Vorlage in dieser Form deshalb entschieden ab. «Mit einem Nein geben wir Bundesrat und Parlament die Chance, eine bessere Vorlage zu zimmern, von der nicht nur die Konzerne, sondern die Menschen in der Schweiz und in den Produktionsländern der Schweizer Konzerne profitieren», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud.

Die wichtigsten Fragen & Antworten zur Vorlage finden Sie hier, eine ausführliche Begründung unserer Nein-Parole hier.

Weitere Auskünfte:

Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Dominik Gross, Verantwortlicher Steuer- und Finanzpolitik Alliance Sud, Tel. +4178 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch

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Keine Wellness für Konzerne

11.05.2023, Finanzen und Steuern

Mit einem Nein zur OECD-Mindeststeuervorlage geben wir Bundesrat und Parlament die Chance, eine bessere Vorlage zu zimmern, von der nicht nur die Konzerne, sondern die Menschen in der Schweiz und in den Produktionsländern der Konzerne profitieren.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Keine Wellness für Konzerne

© Alliance Sud

Vor zwanzig Jahren war ich dabei, als ein verschworenes Grüppchen von Aktivistinnen und Aktivisten das Tax Justice Network gründete. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich mich einmal gegen die Umsetzung einer globalen Mindeststeuer in der Schweiz einsetzen würde, hätte ich die Person für verrückt erklärt.

Dass ich jetzt trotzdem hier sitze, hat nicht damit zu tun, dass sich meine Überzeugungen geändert hätten, sondern damit, dass diese Reform versagt – und erst recht deren Umsetzung in der Schweiz. Sie leistet keinen Beitrag dazu, dass die Länder des Globalen Südens dringend nötige Steuereinnah­men erhalten. Im Gegenteil: Tiefsteuergebiete wie Zug oder Basel-Stadt werden in Zukunft noch dafür belohnt, dass sie anderen Ländern Steuersubstrat weggenommen haben, indem sie multinationalen Konzernen besonders tiefe Steuersätze anboten. Konzerne verschieben jährlich über 100 Milliarden Dollar an Gewinnen aus anderen Ländern in die Schweiz. Aktuell resultieren 39% der gesamten Schweizer Gewinnsteuereinnahmen von Unternehmen aus solchen Gewinnverschiebungen.

In den Produktionsländern des Globalen Südens richtet dieses Geschäftsmodell derweil grossen Schaden an. Durch «profit shifting» in Steueroasen und Tiefsteuerländer fehlen ihnen jährlich Ein-­nahmen in der Höhe von 27 Milliarden Dollar; mit anderen Worten, es fehlt Geld für Spitäler, Schulen, Strom, Strassen oder Eisenbahnen. Mit dem ausgehungerten Fiskus steigt auch die Verschuldung. Zurzeit droht über 50 Entwicklungsländern der Staatsbankrott mit verheerenden Folgen für die Bevöl­kerung, die bereits unter der Klimakrise, an Hunger und Krieg leidet.

Glencore beispielsweise machte in Sambia in 20 Jahren nie einen Gewinn und bezahlte deshalb dort auch keine Steuern. Der brasilianische Bergbaugigant Vale verbucht einen beträchtlichen Teil seiner weltweiten Gewinne über eine Handelsgesellschaft in KMU-Grösse in der Waadt. Der Luxemburger Agrarkonzern Socfin handelt Kautschuk und Palmöl über den Tiefsteuerkanton Freiburg und die eben­falls dort domizilierte Socfinco FR, die zu Socfin gehört, stellt konzernintere Dienstleistungen zur Ver­fügung. Dies ist eine klassische Struktur zur Gewinnverschiebung. Dass Gewinne aus den Produkt­ionsländern (u. a. Liberia, Sierra Leone und Kambodscha) nach Fribourg transferiert werden, lässt sich auch daran ablesen, dass auf einen Mitarbeiter in der Schweiz 100mal mehr Gewinne verbucht werden als auf eine Plantagenarbeiterin in den afrikanischen Produktionsländern. Dies, obwohl die Wertschöpfung bei Socfin natürlich auf den Plantagen stattfindet.

Die Mindeststeuer hätte zu einer Revolution für mehr Steuergerechtigkeit führen können. Doch Tief­steuerländer wie Irland, Singapur oder die Schweiz bauten sie mit geschicktem Lobbying bei der OECD zu einem Belohnungsprogramm um, denn sie sind es, die die Mehreinnahmen erhalten, und nicht die zuvor geschädigten Länder.» Deswegen sagen hochrangige Vertreter des African Tax Administrators Forum: «The current rules favour residence jurisdictions to the detri­ment of developing countries which are primarily source jurisdictions». Diese «Entwickungsländer» sind eben auch die «Quellen», also die Herkunftsländer von Gewinnverschiebungen.

Warum nützt die OECD-Reform dagegen nichts? Der vereinbarte effektive Steuersatz von 15% ist viel zu tief. In vielen Ländern des Globalen Südens liegen die Steuersätze noch dort, wo sie vor dem «race to the bottom» auch in den Industrieländern üblich waren, in Afrika etwa zwischen 25 und 35%. Die Schweiz setzte sich nicht nur erfolgreich für den zu tiefen Mindeststeuersatz ein, Bundesrat Maurer verwarf gegenüber der OECD sogar explizit das Ziel, Mehreinnahmen zu generieren: «Global tax harmonization with the main objective of additional government revenue will not deliver sustainable growth and prosperity.» Diese Aussage ist so wirtschaftspolitisch falsch, wie entwicklungspolitisch fatal.

Auch mit der Reform bleibt die Schweiz eines der Länder mit den tiefsten Konzernsteuern weltweit, und Gewinnverschiebung aus dem Globalen Süden lohnt sich für die Konzerne weiterhin. Ausserdem: Es wird in der Schweiz weiterhin viele Schlupflöcher geben, mit denen Konzerne die Mindeststeuer umgehen können. Anfang Mai wurde bekannt, dass gegen die EU-Direktive zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer Klage eingereicht wurde. Und zwar wegen der Tonnage Tax, einem Schlupfloch, das die Schweiz auch noch einführen will. Wie schon während der Parlamentsdebatte im letzten Jahr wird Alliance Sud bei einer Neuauflage der Reform deshalb verlangen, dass ein Teil der zusätzlichen Einnahmen aus der Mindeststeuer an die Herkunftsländer der illegitimerweise in der Schweiz versteuerten Gewinne zu­rückgegeben werden muss. Dies kann über zusätzliche Beiträge an die internationale Klimafinanzie­rung geschehen, oder indem sie einen Teil der zusätzlichen Einnahmen für eine Aufstockung des Budgets für die internationale Zusammenarbeit reserviert. Die dafür zur Verfügung stehenden Sum­men entsprechen nicht dem Ausmass der Steuerverluste der Länder des Globalen Südens. Und sie werden weder ausreichen, damit die Schweiz endlich das international vereinbarte Ziel von 0,7% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit erreicht, noch wird es genug für einen fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung sein. Aber es wäre ein Zeichen, dass die Schweiz endlich einen kleinen Beitrag für mehr globale Steuergerechtigkeit leistet.

Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Studie

Schuldenbremse: kein Grund zum Sparen

05.06.2023, Finanzen und Steuern

Cédric Tille, Professor für internationale Ökonomie am Geneva Graduate Institute, hat im Auftrag von Alliance Sud den finanzpolitischen Spielraum des Bundes für die nächsten fünfundzwanzig Jahre untersucht.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Schuldenbremse: kein Grund zum Sparen

Die Schulden der Schweiz haben in den letzten Jahren markant abgenommen
© Alliance Sud

Cédric Tille kommt in seiner Studie klar zum Schluss: Aus ökonomischer Sicht gibt es für den Bund keinen Grund zu sparen. Im Gegenteil: Die extrem tiefe Staatsverschuldung der Schweiz macht in den nächsten Jahren zusätzliche Investitionen möglich: Bis 2030 stehen gemäss Tille mindestens 15 Milliarden Franken für Mehrausgaben zur Verfügung, bis 2050 sogar 25 Milliarden – ohne dass sich die extrem niedrige Schuldenquote der Schweiz erhöht.

Zwei Faktoren sind für dieses Ergebnis wichtig: Die Zinsen auf Staatsanleihen bleiben für den Bund trotz Zinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank real sehr tief. Zudem sinkt mit der gegenwärtigen Inflation die Verschuldung des Bundes im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP), weil letzteres durch die Inflation steigt. Die Studie legt den grundsätzlichen Irrtum des Bundesrates im Umgang mit der Schweizer Staatsverschuldung offen: Die absolute Zahl in Franken und Rappen ist irrelevant, um die finanzpolitische «Fitness» der Schweiz zu messen. Entscheidend ist der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. Und hier steht die Schweiz auch im internationalen Vergleich äussert bzw. zu gut da.

Medienmitteilung

Schweiz bleibt Fluchthafen für Steuerflüchtlinge

18.02.2020, Finanzen und Steuern

Im diesjährigen Ranking der Schattenfinanzplätze des Tax Justice Network belegt die Schweiz Platz 3. Für Reiche aus dem globalen Süden bleibt es einfach, ihr Geld in der Schweiz zu verstecken.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Schweiz bleibt Fluchthafen für Steuerflüchtlinge

Nur in den USA und auf den Cayman Islands (Bild) finden Steuerflüchtlinge noch bessere Bedingungen vor als in der Schweiz.
© pixelio.de / Katharina Wieland Müller

Gemäss den neusten Berechnungen des Tax Justice Network (TJN) hat der Schweizer Finanzplatz gegenüber 2018 das Risiko, als Offshore-Hafen für Steuerflüchtlinge aus aller Welt zu fungieren, um 12 Prozent reduziert und sich von Rang 1, dem Spitzenrang für Intransparenz, auf Rang 3 ver­bessert. Vor der Schweiz liegen nur noch die USA und die Cayman Islands. Diese Verbesserung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Schweiz ihr internationales Netzwerk des automati­schen Informationsaustausches von Bankkundendaten (AIA) auf mittlerweile über 100 Staaten ausgedehnt hat.

Mit wenigen Ausnahmen umfasst dieses aber nach wie vor keine armen Länder. Vermögende Privatpersonen aus Ländern des globalen Südens können ihr Geld also nach wie vor praktisch risikofrei vor den Steuerbehörden ihrer Herkunftsländer verstecken, indem sie Offshore-Dienst­leistungen bei Banken und anderen Finanzdienstleistern in der Schweiz in Anspruch nehmen. Dies haben jüngst und einmal mehr auch die Enthüllungen um Schweizer Offshore-Konstrukte von Isabel dos Santos, der Tochter des langjährigen angolanischen Ex-Präsidenten, gezeigt (#Luandaleaks).

Gemäss der Schweizerischen Bankiervereinigung (Swiss Banking) verwalten hiesige Institute im­mer noch über einen Viertel der globalen grenzüberschreitenden Vermögen. Damit ist die Schweiz nach wie vor der grösste – wenn auch nicht mehr undurchsichtigste – Offshore-Finanzplatz der Welt. Angesichts der grossen Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes für die globale Offshore-Industrie und trotz Aufweichung des Schweizer Bankgeheimnisses in den letzten zehn Jahren ist der Beitrag der Schweizer Finanz- und Steuerpolitik zur Bekämpfung der weltweiten Steuerflucht nach wie vor ungenügend. Auch im internationalen Vergleich besteht hier weiterhin Nachholbedarf.

Alliance Sud schlägt folgende Reformschritte vor:

  • Die Schweiz soll Ländern im globalen Süden dabei helfen, die OECD-Reporting-Standards zu erfüllen, damit sie dem AIA-Netzwerk beitreten können.
  • Die Schweiz muss im Rahmen einer weiteren Aktienrechtsrevision ein öffentliches Register für wirtschaftlich Berechtigte einführen, das Aufschluss darüber gibt, wem Offshore-Firmen in der Schweiz tatsächlich gehören. Die EU-Länder führen ein solches zurzeit ein.
  • Die bereits mit Dutzenden Staaten ausgetauschten länderbezogenen Berichte multinationaler Konzerne müssen öffentlich gemacht werden, damit Steuerflucht nicht weiterhin staatlichen Schutz geniesst. In der EU gilt diese Regelung, die Auskunft über Gewinnstrukturen gibt, be­reits für grosse Banken.


Für weitere Informationen:

Dominik Gross, Spezialist für Finanz- und Steuerpolitik bei Alliance Sud: +41 78 838 40 79.