USR III: Der Finanzminister irrt

27.01.2017, Finanzen und Steuern

Nach seiner Vorgängerin im Amt greift auch Bundesrat Ueli Maurer in die Debatte um die Unternehmenssteuerreform III ein. Streitpunkt: die zinsbereinigte Gewinnsteuer.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

USR III: Der Finanzminister irrt

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Im BLICK-Interview vom 25. Januar antwortet Finanzminister Ueli Maurer auf die Frage «Was kostet uns die zinsbereinigte Gewinnsteuer?»: «Praktisch nichts, weil sie sich nach der Rendite von 10-jährigen Bundesobligationen richtet, und die liegen aktuell ungefähr bei null.»

Das stimmt leider nicht. Billig ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer in der Schweiz nur, solange das überschüssige Eigenkapital, das die Unternehmen damit von der Steuer abziehen können, in der Schweiz bleibt. Anders ist das, wenn ein Konzern mit einer Finanzierungsgesellschaft in der Schweiz einen Teil seines überschüssigen Eigenkapitals an eine Tochterfirma im Ausland verleiht.

Dann richtet sich der Zinssatz auf diesem Darlehen nach den marktüblichen Verrechnungspreisen, die für bestimmte Güter, Dienstleistungen und Kapital zwischen voneinander unabhängigen Firmen erhoben wird (Fremdvergleichsgrundsatz). Verrechnungspreise entstehen immer dann, wenn Güter, Dienstleistungen oder Kapital eine Staatsgrenze überschreitet. Im Falle von Kapital sind diese Preise dann der Zinssatz, der die Finanzierungsgesellschaft (Gläubigerin) in der Schweiz der Tochter im Ausland (Schuldnerin) für das Darlehen verrechnet.

Dies geht aus der entsprechenden Passage im Gesetz hervor: Die Höhe des kalkulatorischen Zinses richtet sich nach der Rendite 10-jähriger Bundesobligationen. Soweit Sicherheitseigenkapital anteilsmässig auf Forderungen gegenüber Nahestehenden beruht, kann ein dem Drittvergleich entsprechender Zinssatz geltend gemacht werden.

Das Problem dabei: 60-80% des Welthandels von Gütern, Dienstleistungen und Kapital findet heute nicht zwischen voneinander unabhängigen Firmen statt, sondern zwischen Firmen, die innerhalb eines Konzerns miteinander verbunden sind. Die offenen Märkte für alle diese «Güter» sind also oft zu klein, dass sich aus ihnen überhaupt faire Preise für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb von Konzernen ergeben. Deshalb können die Manager eines Konzerns die entsprechenden Verrechnungspreise relativ willkürlich festlegen. Indem Finanzierungsgesellschaften in der Schweiz zu hohe Preise (Zinsen) für ihre Güter, Dienstleistungen und Darlehen verrechnen, die sie an ihre Tochterfirmen im Ausland verleihen, können sie die Gewinne der Tochterfirmen im Ausland, wo die Gewinnsteuern höher sind als in der Schweiz, in die Schweiz verschieben. Auf diese Weise sparen die Konzerne Steuern.

Damit aber nicht genug: Mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer können Konzerne in der Schweiz auch noch einen Teil des Zinsertrags, den sie mit einem Darlehen an ihre Tochterfirmen erzielen, in der Schweiz von den Steuern abziehen. Umso höher der Zins und entsprechend der Zinsertrag, desto mehr Gewinnsteuern kann der Konzern in der Schweiz sparen. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer schafft also für Konzernmanager einen steuerlichen Anreiz, die Verrechnungspreise (Zinsen) für konzerninterne Darlehen so hoch anzusetzen, wie es auf der Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes nur geht.

So sähe die Praxis aus

Finanzierungsgesellschaft X in der Schweiz gewährt Tochterfirma Y in Sambia ein Darlehen. Dann kann X den Zinsertrag, den Y in Sambia dafür entrichtet, von seinen Gewinnsteuern abziehen, die X in der Schweiz bezahlt. Umso höher der Zinssatz, von dem X profitiert, und umso höher also der Zinsertrag von X, desto weniger Gewinnsteuern muss X in der Schweiz bezahlen. Der zu versteuernde Gewinn sinkt so sowohl bei der Tochterfirma Y in Sambia wie auch bei der Finanzierungsgesellschaft X in der Schweiz. So verliert sowohl der Fiskus in der Schweiz, wie auch in Sambia.

Für Entwicklungsländer wie Sambia ist das aber besonders verheerend: Vielmehr als die Schweiz sind sie bei den Steuereinnahmen von den Steuern von Konzernen abhängig. Durch Gewinnverschiebungen in Steueroasen wie die Schweiz, wie hier mit Hilfe der zinsbereinigten Gewinnsteuer beschrieben, verloren Entwicklungsländer zum Beispiel im Jahr 2014 213 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Das haben Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds IWF errechnet. Das ist vielmehr, als sie durch die Entwicklungszusammenarbeit mit den reichen Ländern erhalten. Viel von diesem Geld landet mutmasslich in der Schweiz, denn es gibt nur ein Gebiet auf der Welt, das für Konzerne steuerlich noch attraktiver ist als einzelne Schweizer Kantone: Hongkong.

Weiter Informationen: Dominik Gross, Spezialist für Steuer- und Finanzpolitik Alliance Sud: Tel.: +4178 838 40 79

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USR III: Die Zementierung globaler Ungerechtigkeit

07.02.2017, Finanzen und Steuern

Alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen verlieren Entwicklungsländer jährlich über 200 Milliarden Dollar. Geld verlieren arme Länder vor allem durch die Gewinnverschiebung dorthin, wo die Unternehmenssteuern tief sind, z.Bsp. in die Schweiz.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

USR III: Die Zementierung globaler Ungerechtigkeit

© Rainer Sturm / pixelio.de

Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben errechnet, dass alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen Entwicklungsländer jährlich über 200 Milliarden Dollar verlieren. Zum Vergleich: Im Rahmen der gesamten Entwicklungszusammenarbeit der reichen Länder flossen 2015 nur 131 Milliarden Dollar von Nord nach Süd. Alleine durch die Steuerflucht von Konzernen verlieren die Entwicklungsländer also viel mehr Geld an die Industrieländer, als sie durch die Entwicklungszusammenarbeit von diesen erhalten. Geld verlieren arme Länder vor allem dadurch, dass globale Konzerne ihre Gewinne, die sie in diesen Ländern erwirtschaften, nicht auch dort versteuern, sondern sie dorthin transferieren, wo die Unternehmenssteuern viel tiefer sind. Zum Beispiel in die Steueroase Schweiz.

Bis jetzt haben die Konzerne in der Schweiz für diese Gewinnverschiebungen die klassischen Briefkastenfirmen benutzt. Die EU-, die OECD- und die G20-Länder haben die Steuerprivilegien für diese juristischen Konstrukte aber in den letzten Jahren für illegal erklärt. Unter Druck geraten muss die Schweiz diese jetzt abschaffen. Nun soll die Unternehmenssteuerreform III (USR III) nach dem Willen der rechten Parlamentsmehrheit in Bern die alten Privilegien für Holding- und lHoliBriefkastenfirmen durch neue Sondersteuerregeln ersetzen und für eine generelle Absenkung der Gewinnsteuern in den Kantonen sorgen. Darüber stimmen die Schweizer Stimmberechtigten am 12. Februar ab. Sagen diese Ja, würde die Schweiz weiter zu den weltweit beliebtesten Steueroasen für globale Konzerne gehören.

Eine Annahme der USR III hätte aber sowohl für den Service Public in der Schweiz wie auch für jenen in den ärmeren Länder ausserhalb der OECD einschneidende Konsequenzen. Hierzulande drohen jährliche Steuerverluste in mehrstelliger Milliardenhöhe, die auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme, der Bildung, der Gesundheit und der Kultur gehen könnten. Gleichzeitig wird sich bei den Gewinnverschiebungen der Konzerne aus den Entwicklungsländern in die Steueroase Schweiz nichts ändern. Zum Schaden des Service Public in diesen Ländern. Auch dort werden dies in erster Linie jene Teile der Bevölkerung bezahlen müssen, die auf funktionierende öffentliche Dienste im Gesundheits-, Bildungs- oder Infrastrukturbereich angewiesen sind.

Die neuen Steuerprivilegien für Konzerne in der USR III schaden also der Schweizer Krankenpflegerin genauso wie einem Kind im Rollstuhl in Ghana. Die Teilung der Welt in arme und reiche Länder droht erneut zementiert zu werden. Die OECD- und G20-Länder schaffen untereinander Steuertransparenz und für alle gültige Spielregeln. Dies ermöglicht dem Klub der Reichen einen Wettbewerb auf Augenhöhe. Der ökonomische Abstand zu allen anderen Ländern könnte sich aber wieder vergrössern. Dabei gäbe es durchaus Alternativen zu diesem schädlichen Steuerwettbewerb, der zwischen den Ländern der Welt genauso tobt wie zwischen den Schweizer Kantonen: Zum Beispiel die vorgeschriebene Veröffentlichung von Konzernbuchhaltungen (das sogenannte «Public Country-by-Country-Reporting»), um Gewinnverschiebungen innerhalb von Konzernen aufzudecken, unter denen vor allem auch Entwicklungsländer leiden. Das wäre auch eine sinnvolle Massnahme gegen die globale Reichtumsschere und ein Schritt hin zu einer faireren Weltwirtschaft. Von globaler Steuergerechtigkeit wollen in der Schweiz aber bisher weder der Bundesrat noch eine Mehrheit des Parlamentes etwas wissen. Wie dass die Stimmberechtigten sehen, werden wir am 12. Februar erfahren.

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Zeit für einen Paradigmenwechsel

13.02.2017, Finanzen und Steuern

Das klare Nein zur Unternehmensteuerreform III (USR III) ist ein Sieg der Demokratie über die Partikulärinteressen der Schweizer Steuervermeidungsindustrie, der auch international ausstrahlen wird.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Zeit für einen Paradigmenwechsel

Das unzweideutige Resultat des Referendums stellt eine einmalige Chance für Bundesrat und Parlament dar, die Schweizer Steuerpolitik in eine neue Richtung zu lenken: Hin zu einer Politik, die einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Entwicklung der Welt nicht mehr im Weg steht.

Die Schweizer Stimmberechtigten haben gestern Sonntag mit einer deutlichen Mehrheit von fast 60 Prozent der Stimmen die Unternehmenssteuerreform III an der Urne abgelehnt. Sie haben damit nicht nur einer dramatischen Verschärfung des innerschweizerischen Steuerwettbewerbes und damit neuen Sparrunden in den Kantonen und beim Bund eine entschiedene Absage erteilt, sondern auch die krude Ersetzung der alten Steuerprivilegien für Briefkastenfirmen und andere Statusgesellschaften durch zahlreiche neue wuchtig verworfen. Damit wird es Zeit für einen Paradigmenwechsel in der internationalen Steuerpolitik der Schweiz.

Die bestehenden Steuerprivilegien für multinational tätige Konzerne muss die Schweiz auf Grund der neuen internationalen Standards von OECD, EU und G20 auch mit dem gestrigen Nein bis spätestens 2019 abschaffen. Bundesrat und Parlament sind nun gefordert, eine neue Vorlage auszuarbeiten, die tatsächlich mehrheitsfähig ist. Für neue Steuervermeidungsinstrumente wie die zinsbereinigte Gewinnsteuer, eine viel zu lasche Patentbox oder überrissene und ungenau definierte steuerliche Abzüge für Forschung und Entwicklung wird in dieser neuen Vorlage kein Platz mehr sein, will man nicht einen neuerlichen Absturz in einem Referendum riskieren.

Aus entwicklungspolitischer Sicht muss die überarbeitete Vorlage die Risiken für Profitverschiebungen multinationaler Konzerne in die Steueroase Schweiz sehr stark reduzieren. Für Alliance Sud ist es inakzeptabel, dass Profite von in der Schweiz niedergelassenen Konzernen dem Fiskus in Entwicklungsländern entzogen und hier annähernd zum Nulltarif versteuert werden können. Länder im globalen Süden verlieren durch solche Steuervermeidungen der Konzerne jährlich hunderte Milliarden Dollar an Steuergeldern, die sie dringend für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur brauchen. Die Schweizer Tiefsteuerpolitik widerspricht deshalb den Prinzipien der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO und den Prinzipien für Politikkohärenz in der Schweizer Aussenpolitik. Demnach sollte die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik das entwicklungspolitische Engagement der Schweiz nicht unterlaufen.

Um eine bessere Unternehmenssteuerreform aufzugleisen, die auch die Zustimmung der Stimmberechtigten findet, fordert Alliance Sud eine ausgewogenere Beteiligung aller Interessengruppen bei der Erarbeitung der neuen Vorlage. Auch Gewerkschaften, Kirchen und NGOs müssen in die Gremien, die die neue Vorlage vorbereiten, verbindlich miteinbezogen werden. Dies war bei der aktuellen Vorlage nicht der Fall und verleitete die rechte Parlamentsmehrheit dazu, die Vorlage zu einem Selbstbedienungsladen für die Steuervermeidungsindustrie umzubauen – mit den jetzt bekannten Konsequenzen an der Urne. Der Bundesrat darf das gestrige Nein zudem nicht als Rechtfertigung für neue Sparpakete im Bundesbudget missbrauchen, hat er diese doch vor der Abstimmung unter anderem mit sinkenden Steuererträgen bei der baldigen Umsetzung der USR III gerechtfertigt.

Weitere Informationen:
Dominik Gross, Steuerexperte Alliance Sud, +4178 838 40 79

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Ausweitung automatischer Informationsaustausch

14.03.2017, Finanzen und Steuern

Alliance Sud begrüsst die geplante Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) der Bankdaten möglicher Steuerhinterzieher mit weiteren Partnerländern.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Ausweitung automatischer Informationsaustausch

© Daniel Hitzig/Alliance Sud

Die Alliance Sud-Vernehmlassung zuhanden des Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen SIF

Wir danken Ihnen für die Einladung vom 1. Dezember 2016, uns an der Vernehmlassung zur Ausweitung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) auf eine erste Serie weiterer Partnerstaaten und -territorien zu beteiligen. Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks, engagiert sich in der Schweiz für eine transparente und entwicklungspolitisch kohärente Steueraussenpolitik. Auf der internationalen Ebene setzen wir uns im Verbund mit zahlreichen Netzwerkpartnern für dasselbe Ziel ein.

Alliance Sud begrüsst die geplante Einführung des AIA mit weiteren Partnerländern sehr. Wir teilen auch ausdrücklich die Einschätzung des Bundesrates, dass bei den vorgeschlagenen Staaten und Territorien geeignete Voraussetzungen in Sachen Vertraulichkeit und Datenschutz bestehen. Im Grundsatz wird Alliance Sud auch die nochmals weitere Ausdehnung des AIA auf zusätzliche Partnerländer, zu der eine parallele Vernehmlassung (eröffnet am 2.2.2017) läuft, positiv beurteilen.

Wir halten jedoch kritisch fest, dass es sich bei den vorgeschlagenen Partnerländern ausschliesslich um Industrie-, Schwellen- und fortgeschrittene Entwicklungsländer mit einem vergleichsweise hohen Einkommen handelt. Ärmere Entwicklungsländer fehlen noch immer unter den AIA-Partnern der Schweiz. Wir legen dem Bundesrat deshalb nahe, den AIA möglichst rasch und proaktiv allen Ländern anzubieten, die sich dafür interessieren, insbesondere allen Unterzeichnerstaaten des relevanten MCAA (Multilateral Competent Authority Agreement).

Wie Alliance Sud bereits in den Vernehmlassungsantworten zum Bundesgesetz und den Ausführungsbestimmungen zum AIA (AIAG bzw. AIAV) hervorgehoben hat, entgehen den Entwicklungsländern durch die Steuerflucht ins Ausland jedes Jahr Milliardenbeträge, die sie sonst zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit für die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen und die Klimafinanzierung nutzen könnten. Der AIA wird hier Abhilfe schaffen. Im Gegensatz zur erweiterten Amtshilfe setzt er keinen begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung voraus, sondern ermöglicht einen solchen Verdacht erst. Im Sinne der entwicklungspolitischen Kohärenz ist darum unabdingbar, dass der AIA nicht auf einflussreiche OECD-Staaten, G20-Mitglieder oder europäische Territorien beschränkt bleibt.

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Informationsaustausch: Automatisch selektiv

28.03.2017, Finanzen und Steuern

Der Bundesrat will den automatischen Austausch der Bankdaten möglicher Steuerhinterzieher auf wenige Entwicklungsländer ausweiten. Aber auch auf die G20-Mitglieder China und Russland. Dem Parlament stehen heftige Debatten bevor.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Informationsaustausch: Automatisch selektiv

Schweizer Bankkonten der nigerianischen Geldelite bleiben vom AIA ausgeschlossen. In Lagos, der grössten und am schnellsten wachsenden Stadt Afrikas, leben die reichsten AfrikanerInnen, die Stadt zählt aber auch zur Weltspitze in Sachen Ungleichheit. Bild: Ikeja City Mall, Lagos.
© Keystone/Noor/Robin Hammond

Im Januar hat die Schweiz offiziell den AIA, den automatischen Informationsaustausch zu Steuerzwecken, eingeführt. Nächstes Jahr wird sie ihn erstmals in die Praxis umsetzen und den Steuerbehörden verschiedener Staaten Daten zu den Bankkonten ihrer Bürgerinnen und Bürger übermitteln. Das ist ein grosser Schritt für ein Land, das in der Weltöffentlichkeit noch vor kurzer Zeit als der Inbegriff einer Steueroase galt.

Selbstverständlich steht die Schweiz mit der Einführung des AIA aber nicht alleine da. Das neue System der steuerlichen Transparenz ist inzwischen zum internationalen Standard geworden. Über 100 Länder haben bereits das entsprechende multilaterale Rahmenabkommen (das Multilateral Competent Authority Agreement, MCAA) unterschrieben. Sie alle sind nun daran, den AIA über bilaterale Vereinbarungen wechselseitig in die Tat umzusetzen. Mehr als die Hälfte von ihnen wird erste Informationen schon dieses Jahr austauschen, und zwar in vielen Fällen mit vierzig und mehr Partnerstaaten. Die Schweiz hinkt diesen Vorreitern gleich doppelt nach: Sie setzt den AIA nicht nur ein Jahr später um, sondern beschränkt ihn vorderhand auf 38 Partner. Konkret sind das die 28 Mitgliedstaaten der EU und einige ausgewählte Industrieländer ausserhalb der EU.

Per 2019: Ausweitung auf ausgewählte Schwellenländer...

Entwicklungs- und Schwellenländer findet man bisher keine auf der Liste der Staaten, mit denen die Schweiz den AIA ganz sicher eingehen wird. Das soll sich nun aber ändern: In zwei fast gleichzeitigen Vernehmlassungsverfahren hat der Bundesrat auf das Jahr 2019 hin die Ausweitung des AIA auf eine Reihe zusätzlicher Länder vorgeschlagen. Zu den neuen Kandidaten gehören Schwellen- und fortgeschrittene Entwicklungsländer in Lateinamerika (Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko und Uruguay) und Asien (Indien, Indonesien und Malaysia), Mauritius, die Seychellen und Südafrika.

Aus entwicklungspolitischer Sicht ist der Einschluss dieser neuen Partner ins AIA-System sehr zu begrüssen, wenngleich es sich dabei ausschliesslich um Länder mit vergleichsweise hohem Einkommen handelt. Den betreffenden Staaten würden sonst durch die Steuerflucht ins Ausland weiterhin Einahmen verloren gehen, die ihnen nicht nur zustehen, sondern auch weitere Entwicklungsfortschritte ermöglichen. Alliance Sud wird sich dafür einsetzen, dass der Erweiterungsvorschlag des Bundesrates eine parlamentarische Mehrheit findet.

…und ein paar Unrechtsstaaten

Für heisse Köpfe in der Parlamentsdebatte ist allerdings bereits gesorgt. Der Bundesrat will den AIA nämlich im selben Paket auch auf die einflussreichen G20-Staaten China, Russland und Saudi Arabien ausweiten. Das sind Länder mit grossen Mängeln in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Alle drei werden von der Menschenrechtsorganisation Freedom House mit Blick auf politische und zivile Rechte als absolut ungenügend («not free») eingestuft. Auch mit dem Datenschutz nehmen sie es nicht sehr genau. Nationalkonservative Ratsmitglieder in Bundesbern haben deshalb bereits angekündigt, in der parlamentarischen Beratung zum Informationsaustausch mit solchen Unrechtsstaaten Zeter und Mordio zu schreien.

Notabene ist der Widerstand vieler Parlamentarierinnen und Parlamentarier aber oft sehr leise, wenn es bei rechtsstaatlich mangelhaften Partnerländern um Freihandelsakommen oder den Waffenhandel geht: Dort spielen moralische Überlegungen nur eine marginale Rolle. Die Argumente nationalkonservativer Kreise gegen die Ausweitung des AIA erinnern denn auch unangenehm an eine längst überholte Rechtfertigungsideologie: Das Schweizer Bankgeheimnis diene bloss dem Schutz rechtschaffener Menschen im Ausland vor Übergriffen durch erpresserische Staatsapparate.

Tatsache ist, dass sich über den fehlenden Informationsaustausch vor allem Steuerhinterzieher freuen, die ihrem Heimatland wichtige Finanzmittel für die Bildung, die Gesundheitsversorgung oder Verkehrsinfrastruktur entziehen – und dann trotzdem von diesen Gemeingütern profitieren. In der Regel handelt es sich dabei um Angehörige der wirtschaftlichen Elite, deren Reichtum auch ohne das Wissen um ein Konto in der Schweiz offensichtlich ist. Für staatliche Übergriffe ist der AIA hier kaum relevant.

Wer ist vom AIA betroffen?

Linke Parlamentarierinnen und Parlamentarier sorgen sich beim AIA mit Ländern wie China oder Russland denn auch weniger um die Rechte möglicher Steuerhinterzieher. Ihre Sorge gilt vielmehr Auslandbürgerinnen und -bürgern, die nicht einfach unversteuertes Vermögen in die Schweiz verfrachten, sondern hierzulande leben. Sie befürchten, bei diesen Personen könnte der Austausch sensibler Bankdaten nicht zuletzt die im Heimatland verbliebenen Familienmitglieder in Bedrängnis bringen.

Diese Befürchtung ist aber unbegründet. Der AIA betrifft nur Informationen zu Kontoinhabern, die gemäss den Gesetzen des Partnerstaates dort ihren steuerlichen Wohnsitz haben. In der Regel (und insbesondere in den Fällen Russland und China) setzt das voraus, dass man mindestens die Hälfte des Jahres wirklich im betreffenden Land verbringt. Personen mit dauerhaftem Wohnsitz in der Schweiz bleiben also fast immer vom AIA unberührt.

Hinzu kommt, dass das Global Forum on Tax Transparency der OECD die Datenschutzbestimmungen aller Länder, die das multilaterale Rahmenabkommen zum AIA unterschrieben haben, regelmässig überprüft. Es soll sicher gestellt sein, dass die übermittelten Informationen bei den Steuerbehörden verleiben und ausschliesslich für die Steuererhebung genutzt werden. Der Bundesrat behält sich vor, bei der praktischen Umsetzung des AIA erst dann Daten zu übermitteln, wenn das betreffende Partnerland in dieser Prüfung eine genügende Note erhält. Kommt es trotzdem zu nachweisbaren Missbräuchen, kann der AIA aufgehoben werden. Das sieht auch das multilaterale Rahmenabkommen so vor.

Rosinenpickerei

Das eigentliche Problem bei der Ausweitung des AIA, die der Bundesrat im Sinn hat, ist darum ein anderes: die selektive Auswahl der Partnerländer. Auf der bundesrätlichen Kandidatenliste kommen nämlich keineswegs alle Länder vor, die das multilaterale Rahmenabkommen zum AIA unterzeichnet haben. Ghana zum Beispiel, das vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Geldern aus dem Entwicklungsbudget bei der Erhöhung seiner Steuereinnahmen unterstützt wird, fehlt auf dieser Liste. Warum das so ist, geht aus den Vernehmlassungsunterlagen nicht hervor.

Last but not least fehlen auf der Schweizer AIA-Liste weiterhin alle ärmeren Entwicklungsländer. Ihre Eliten können also weiterhin unbehelligt unversteuerte Gelder auf Schweizer Bankkonten horten. Allerdings hat bisher auch keines dieser Länder das multilaterale Rahmenabkommen unterschrieben. In vielen Fällen dürfte der Grund dafür sein, dass die nötige Infrastruktur fehlt, um Daten über mögliche ausländische Kontoinhaber zu sammeln und automatisch an deren Steuerbehörden zu versenden. Die kostspielige technische Bereitschaft zum reziproken Informationsaustausch ist aber Voraussetzung, um dem multilateralen System beizutreten. Einige fortschrittliche Industrieländer sind deshalb freiwillig bilaterale AIA-Pilotprojekte mit ärmeren Entwicklungsländern eingegangen, bei denen sie vorderhand auf die Forderung nach Reziprozität verzichten. Aus entwicklungspolitischer Sicht stünde es der Schweiz gut an, es diesen Ländern gleichzutun.

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Ja zur Ausweitung des Informationsaustauschs

13.04.2017, Finanzen und Steuern

Alliance Sud begrüsst die Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) über Finanzkonten mit zusätzlichen Staaten und Territorien. Vernehmlassung.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Ja zur Ausweitung des Informationsaustauschs

© Daniel Hitzig/Alliance Sud

Alliance Sud setzt sich in der Schweiz für eine transparente und entwicklungspolitisch kohärente Steueraussenpolitik ein. Auf der internationalen Ebene verfolgt sie im Verbund mit zahlreichen Netzwerkpartnern dasselbe Ziel.

Alliance Sud begrüsst den geplanten Einschluss zusätzlicher Partnerländer ins AIA-Netzwerk der Schweiz und befürwortet insbesondere den Einschluss verschiedener Schwellenländer. Den betreffenden Staaten würden sonst durch die Steuerflucht ins Ausland weiterhin Einnahmen verloren gehen, die ihnen nicht nur zustehen, sondern auch weitere Entwicklungsfortschritte ermöglichen sollen.

Gleichzeitig nimmt Alliance Sud zur Kenntnis, dass die geplante Ausdehnung des AIA auch die einflussreichen G20-Staaten China, Russland und Saudi Arabien betreffen soll. Es handelt sich dabei Länder mit grossen Mängeln in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Alle drei werden von der Menschenrechtsorganisation Freedom House mit Blick auf politische und zivile Rechte als absolut ungenügend («not free») eingestuft.

In diesem Zusammenhang erinnert Alliance Sud daran, dass ein fehlender Informationsaustausch weniger dem Schutz rechtschaffener Menschen vor Übergriffen durch erpresserische Staatsapparate dient, sondern eher Steuerhinterzieher schützt, die ihrem Heimatland wichtige Finanzmittel für die Bildung, die Gesundheitsversorgung oder Verkehrsinfrastruktur entziehen, um dann trotzdem von diesen Gemeingütern zu profitieren. In der Regel handelt es sich dabei um Angehörige der wirtschaftlichen Elite, deren Reichtum auch ohne das Wissen um ein Konto in der Schweiz offensichtlich ist. Für staatliche Übergriffe ist der AIA hier kaum relevant.

In diesem Sinne begrüsst Alliance Sud im Grundsatz auch die geplante Ausdehnung des AIA auf Länder wie China, Russland und Saudi Arabien. Sie unterstützt in diesen Fällen jedoch auch das Vorhaben des Bundesrates, den gegenseitigen AIA in diesen Fällen erst dann zu aktivieren, wenn die vom Global Forum verlangten Standards in Sachen Vertraulichkeit und Datensicherheit erfüllt sind bzw. das Global Forum die geforderten Verbesserungen validiert hat.

Zu kritisieren ist, dass die geplante Ausdehnung des AIA keineswegs alle Länder umfasst, welche die multilaterale AIA-Vereinbarung (Multilateral Competent Authority Agreement, MCAA) unterzeichnet haben. Ghana zum Beispiel, das vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Geldern aus dem Entwicklungsbudget bei der Erhöhung seiner Steuereinnahmen unterstützt wird, fehlt auf der Kandidatenliste für den AIA. Warum das so ist, geht aus den Vernehmlassungsunterlagen nicht hervor. Alliance Sud legt dem Bundesrat nahe, den AIA möglichst rasch und proaktiv allen Ländern anzubieten, die sich dafür interessieren, insbesondere allen Unterzeichnerstaaten des MCAA.

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Uno: Steuervorlage 17 schadet den Menschenrechten

04.10.2017, Finanzen und Steuern

Der UN-Sachverständige Juan Pablo Bohoslavsky hat die Auswirkungen der Schweizer Steuer- und Finanzplatzpolitik auf die Menschenrechte untersucht. Seine Befunde sind bemerkenswert. Die Steuervorlage 17 hält der Menschenrechtsexperte für bedenklich.

Uno: Steuervorlage 17 schadet den Menschenrechten

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Ende September besuchte der UN-Menschenrechtsexperte Juan Pablo Bohoslavsky die Schweiz. Sein Auftrag: die menschenrechtlichen Folgen der schweizerischen Steuer- und Finanzplatzpolitik und die Bemühungen der Schweiz bei der Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse zu prüfen. Im März 2018 wird Bohoslavsky dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einen umfassenden Schlussbericht vorlegen. Ein erster Zwischenbericht ist aber bereits Anfang Oktober den Medien vorgestellt worden. Die Befunde werden in der Schweiz vermutlich für heisse Köpfe sorgen.

Der Bericht macht zunächst einmal deutlich, wie schädlich unlautere Finanzflüsse für die Menschenrechte sind: Steuerflucht ins Ausland, Gewinnverschiebungen von multinationalen Konzernen und der Abfluss von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten entziehen den Entwicklungsländern Ressourcen, die sie sonst für ein gut funktionierendes Bildungssystem und Gesundheitswesen – also das Recht auf Bildung und das Recht auf Gesundheit – und überhaupt für einen funktionierenden Rechtsstaat einsetzen können. Steueroasen, die solche Gelder verstecken helfen, sind dafür mitverantwortlich, dass die Menschenrechte vielerorts nicht vollumfänglich gewährleistet sind.

Zu Rolle der Schweiz äussert sich der Bericht zwar diplomatisch, aber die Nachricht ist kristallklar: Es gibt noch viel zu tun, wenn der Finanzplatz und Unternehmensstandort Schweiz die Menschenrechte anderswo nicht gefährden soll! Äusserst bemerkenswert sind die Aussagen zur Steuervorlage 17, der Neuauflage der an der Urne versenkten Unternehmenssteuerreform III (USR III). Hier zeigt sich der UN-Experte besorgt über die potentiell schädlichen Menschenrechtsfolgen der überarbeiteten Reform. Die Vorlage könnte neue Anreize für die steuerlich motivierte Verschiebung von Unternehmensgewinnen in die Schweiz schaffen – also dazu beitragen, dass dem Ausland weiterhin die nötigen Einnahmen für die Gewährleistung der Menschenrechte fehlen. Der Bericht fordert die Schweiz deshalb auf, die geplante Reform zunächst auf ihre möglichen menschenrechtlichen und sozialen Folgen zu prüfen.

Lesenswert sind aber auch die kritischen Äusserungen zum Ausschluss der Entwicklungsländer vom automatischen Informationssaustausch (AIA) in Steuerfragen und zu Lücken im schweizerischen Dispositiv gegen die Geldwäscherei. Die Konzernverantwortungsinitiative erscheint im Bericht als notwendige Ergänzung zum nationalen Aktionsplan (NAP) des Bundesrates, der bei der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen voll und ganz auf freiwillige Massnahmen setzt. Hier empfiehlt der UN-Experte, der Bundesrat sollte sich ernsthaft Gedanken über die nötigen gesetzlichen Massnahmen machen.

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#ParadisePapers: So schaden Steueroasen dem Süden

07.11.2017, Finanzen und Steuern

«Die Schweiz ist für Unternehmen, die sich am Rand der Legalität bewegen, sehr attraktiv», sagt unser Steuerexperte Dominik Gross im Interview mit der Online-Plattform watson.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

#ParadisePapers: So schaden Steueroasen dem Süden

© Rainer Sturm / pixelio.de

Herr Gross, was zeigen uns die Enthüllungen aus den «Paradise Papers»?

Dominik Gross: Die Veröffentlichungen zeigen teilweise kriminelle und teilweise legale Geschäftspraktiken aus der globalen Schattenfinanzwelt, der Offshore-Industrie. Bei den bisher aufgedeckten Fällen versuchten Firmen und Privatpersonen, die Öffentlichkeit um Kapital zu bringen, indem diese dem Zugriff der öffentlichen Hand entzogen wurden.

Und welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Praktiken?

Die Paradise Papers bestätigen insofern erneut die Erkenntnisse aus früheren Datenleaks wie den Panama Papers oder den Offshore Leaks: Menschen, die auf Arbeit angewiesen sind, um ihre Existenz zu bestreiten, zahlen Steuern und finanzieren damit Schulen, Spitäler und öffentliche Infrastruktur. Menschen, die von sehr grossen Einkommen oder den Einkünften aus ihrem Vermögen leben und multinational tätige Unternehmen zahlen wenig oder gar keine Steuern und bringen damit staatliche Gemeinwesen in Gefahr und verhindern eine nachhaltige Entwicklung der Welt.

Welche Rolle spielt die Schweiz im neusten Datenleak?

Einmal mehr wird klar, dass die Schweiz mit ihren tiefen Steuern für Grosskonzerne und den im internationalen Vergleich laxen Vorschriften gegen Steuervermeidung, Geldwäscherei und Korruption sehr attraktiv ist für eine bestimmte Art von Firmen: Unternehmen, welche sich am Rand der Legalität bewegen und nicht bereit sind, sich mit Steuern auf ihre Gewinne an unseren Gemeinwesen zu beteiligen.

Und das ist legal?

In der Schweiz wird dieses parasitäre Geschäftsmodell, in dem unser Land darauf setzt, Geld einzunehmen, das eigentlich anderen zustehen würde, oft verharmlosend als Reputationsrisiko des Finanzplatzes abgehandelt.

Warum finden Sie diesen Begriff falsch?

Er erweckt den Eindruck, als würden die politischen Kräfte, die dieses Geschäftsmodell unserer Volkswirtschaft am Laufen halten eigentlich ungewollt da hineinrutschen – ebenso die Firmen, die davon profitieren. Das ist falsch. Die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen und die Geschäftspraktiken der Unternehmen, die daraus folgen, gehen auf bewusste Entscheidungen von Individuen zurück. Die Allermeisten wissen genau, was sie tun: Für sie gehören Korruption, Geldwäscherei und Steuervermeidung ganz einfach zum Geschäft. Und solange die Politik sie nicht daran hindert, wird das auch so bleiben.

Laut den bisherigen Recherchen spielte die Schweiz bei mindestens zwei Fällen eine entscheidende Rolle: Bei Machenschaften des Rohstoffgiganten Glencore im Kongo sowie dem Firmengeflecht des schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann Jean-Claude Bastos. Was verbindet die Fälle?

Aus Sicht der internationalen Steuergerechtigkeits-Bewegung geht es in beiden Fällen um eine Umverteilung von Geldern: Von der Öffentlichkeit an Private.

Können Sie das konkret erläutern?

Im Fall Glencore entgingen der kongolesischen Öffentlichkeit Gelder, weil die Abbaulizenzen für Minen viel billiger abgegeben wurden als vorgesehen – die Differenz soll als Bestechungsgelder an Politiker geflossen sein. Bei der Angola Connection beanspruchte der politische Führungsclan des Landes einen Teil des Volksvermögens, das im Staatsfonds angelegt ist, für private Zwecke und schaffte es an einen Ort, wo möglichst tiefe Steuern anfallen – in den Kanton Zug. Auch hier wurden Gelder von der Öffentlichkeit an Private umverteilt – wie etwa an den Schweizer Fondsverwalter Jean-Claude Bastos oder José Filomeno dos Santos, Sohn des langjährigen angolanischen Präsidenten.

Das Muster gleicht sich: Geld wandert vom globalen Süden in den Norden, in die Schweiz.

Die Sache ist komplexer. Es ist nicht einfach so, dass die «bösen Weissen» die «armen Schwarzen» ausbeuten. Tatsache ist: Es gibt weltweit Leute, die Kraft ihres Kapitals oder ihrer politischen Macht die Möglichkeiten haben, Geld am Fiskus vorbei zu schmuggeln. Steuerflucht muss man sich erstmal leisten können.

Das klingt zynisch.

In fast allen Gesellschaften gibt es ein paar Wenige, die davon profitieren und ganz viele andere, die darunter leiden. Der Unterschied zwischen der Schweiz und Angola ist aber, dass die Schweiz volkswirtschaftlich betrachtet insgesamt von diesen Praktiken profitiert, während Angola darunter leidet.

Wie sollte die Staatengemeinschaft gegen Steuerflucht vorgehen?

Grundsätzlich gilt, wie es Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Schweizer Strafrechtler Mark Pieth formuliert haben: «Solange es in einer globalisierten Welt noch irgendwo einen geheimen Geldbeutel gibt, werden die Gelder durch diesen Geldbeutel fliessen.» Das Ziel muss also sein, alle Steueroasen weltweit auszutrocknen.

Wie soll das gelingen?

Leider sind die entsprechenden UNO-Gremien hier bisher sehr schwach und in der OECD und der G20, welche in der internationalen Steuerpolitik führend sind, haben die Länder des globalen Südens kaum Einfluss.

Ein Alleingang der Schweiz bringt angesichts dieser Ausgangslage also nichts.

Ein Alleingang nicht. Aber die Schweiz steht als grösster Offshore-Finanzplatz der Welt und prominentes Tiefsteuergebiet für Konzerne ganz besonders in der Pflicht. Nirgendwo werden so viele Gelder von ausländischen Kunden verwaltet wie hier.

Was fordern Sie?

In internationalen Organisationen wie der OECD lobbyiert die Schweiz jeweils sehr engagiert für möglichst lasche Regulierungen. Sie könnte sich auch umgekehrt für strenge Regeln und möglichst viel Transparenz in Steuerfragen einsetzen. Als grösster Offshore-Finanzplatz würde sie damit ein starkes Signal für einen weltweiten Paradigmenwechsel setzen. Stets anderen hinterher zu hinken ist ja kein Naturgesetz: Bei anderen internationalen Projekten wie der Bologna-Reform an den Universitäten oder beim Freihandelsabkommen mit China eilte die Schweiz anderen Ländern jeweils um Jahre voraus.

Welche Reformen helfen, Steueroasen auszutrocknen?

Grundsätzlich braucht es erst einmal Transparenz im Offshore-System, damit geeignete politische Schritte diskutiert werden können. Schaut man nur auf die der Allgemeinheit entgehenden Summen, ist die Steuervermeidung durch Unternehmen das grösste Problem. Hier wären Reformen am wirkungsvollsten. In diesem Bereich funktioniert die Steuervermeidung vor allem über den Handel zwischen Firmen, die zum selben Konzern gehören. Diese Geschäfte machen schätzungsweise 70 bis 80 Prozent des gesamten Welthandels aus. Es geht hier um Transferpreismanipulationen.

Das ist zu komplex. Können Sie vereinfachen?

Es geht so: Zwei Gesellschaften in verschiedenen Ländern gehören zum selben Konzern. Die eine verkauft der anderen eine Dienstleistung. Bei voneinander unabhängigen Firmen würde der Markt den Preis dieser Dienstleistung bestimmen. Gehören die Firmen zur gleichen Gruppe, haben die verantwortlichen Manager weitgehend freie Hand, den Preis dieser Dienstleistung festzulegen, auch wenn sie grundsätzlich verpflichtet wären, sich am Marktpreis zu orientieren. In vielen Bereichen funktioniert der Markt aber gar nicht, weil der konzerninterne Handel dominiert.

Und wie hilft das bei der Steuervermeidung?

Indem eine Tochterfirma, beispielsweise in einem afrikanischen Land, wo die Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden, zu einem überteuerten Preis eine Dienstleistung bei der Mutterfirma in einem Tiefsteuerland wie der Schweiz einkauft. Schon hat der Konzern die Gewinne verschoben und spart Millionen von Steuergeldern, welche andernfalls der Bevölkerung des afrikanischen Landes zugute kommen würden.

Laut dem Tages-Anzeiger zahlt Nike dank einem komplexen internationalen Firmenkonstrukt in der Schweiz bei einem Reingewinn von 1.3 Millionen bloss 360'000 Franken Steuern. Dabei verkauft der Sporthändler gemäss Experten hier Produkte im Wert von über 100 Millionen Franken. Ist die Schweiz auch Opfer von Steuervermeidung?

Ja. Auch wenn die Schweiz volkswirtschaftlich gesehen dank ihrem Geschäftsmodell als Tiefsteuergebiet vor allem Profiteurin von Steuervermeidung und Offshorehandel ist, kann der Schweizer Fiskus angesichts des kaputten internationalen Steuersystems natürlich auch zum Opfer von Steuervermeidung werden.

Wessen Schuld ist das?

Jene der Schweizer Politik: Sie setzt die von der OECD vorgeschlagenen Massnahmen gegen das Schlupfloch, das Nike ausnützt, nicht um. Denn die Mehrheit in der Schweizer Politik geht stets davon aus, dass es den hiesigen Konzernen – und damit unserem Land an sich – nützt, wenn wir jeweils nur das Minimum der internationalen Minimalstandards umsetzt. Damit schwächt die Schweiz wiederum diese internationalen Regeln selbst, manchmal auch zu ihrem eigenen Nachteil. Grundsätzlich gilt aber: Ob Schweizerin, Holländer oder Angolanerin – ist man weder ein Konzern noch eine Millionärin, schaden einem Steuerschlupflöcher nur.

Wie kann man dagegen vorgehen?

NGOs fordern schon seit etwa 15 Jahren, das sogenannte öffentliche Country-by-Country-Reporting (CBCR) einzuführen. So würden Firmen dazu verpflichtet, die wichtigsten Buchhaltungskennzahlen in allen Ländern, in denen sie tätig sind, offenzulegen. Damit würde sichtbar, ob ein Konzern seine Steuern auch tatsächlich dort abliefert, wo er seine Gewinne erwirtschaftet oder einfach dort, wo die Steuersätze am tiefsten sind.

Und diese Idee stosst auf Anklang?

Die OECD hat die Idee zwar aufgenommen. Im Rahmen ihres Projekts zur Bekämpfung der Steuerflucht von multinationalen Konzernen wurde CBCR zum internationalen Standard erklärt. Auch die Schweiz wird CBCR nächstes Jahr einführen. Allerdings sind bereits die OECD-Regeln stark verwässert im Vergleich zu den Vorstellungen der Steuergerechtigkeits-Bewegung. Die Schweiz setzt nur das Minimum des OECD-Minimums um.

Weshalb gehen ihnen der OECD-Regeln nicht weit genug?

Wir NGOs forderten, dass die CBCR-Berichte öffentlich gemacht werden müssen. Die OECD will aber nur, dass sie zwischen den Steuerbehörden der verschiedenen Länder ausgetauscht werden. So gibt es sehr ungleiche Spiesse, denn die allermeisten Hauptsitze der Weltkonzerne befinden sich in den OECD-Mitgliedsstaaten des Nordens – nicht in Afrika oder Lateinamerika.

Und das bedeutet?

Die dortigen Länder bleiben so von den Konzerndaten abhängig, welche ihnen die OECD-Länder zu liefern bereit sind. Dass die CBCR-Berichte nicht öffentlich gemacht werden, schadet auch der Zivilgesellschaft in armen Ländern: Ihnen fehlt die Möglichkeit, Transparenz darüber herzustellen, was mit den im Land erzielten Gewinnen internationaler Firmen geschieht. Die Steuerbehörden und Regierungen arbeiten häufig nicht im Interesse der breiten Bevölkerung.

Linke Parteien und NGOs brachten nach den Paradise Papers die Konzernverantwortungs-Initiative als Lösung ins Spiel. In jüngster Vergangenheit scheiterten ähnliche Anliegen wie die Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation. Weshalb sollte das jetzt anders sein?

Progressive Anliegen, welche auf das grosse Ganze zielen und auf den ersten Blick nicht zu Gunsten der individuellen Interessen der Bürger ausfallen, haben es an der Urne generell schwer. Aber heute ist vieles im Fluss: Ich sehe Anzeichen, die mich optimistisch stimmen. Die Schweiz verändert sich, auch als Finanzplatz. Mit dem automatischen Informationsaustausch ist das jahrelang als sakrosankt geltende Bankgeheimnis immerhin halbtot. Und im Februar schmetterten die Stimmberechtigten die viel zu konzernfreundliche Unternehmenssteuerreform III ab – obwohl Wirtschaftsverbände, Bundesrat und die Parlamentsmehrheit dafür waren.

Sie sind optimistisch.

Ja, es tut sich was. Auch Alliance Sud hat für die Konzernverantwortungs-Initiative Unterschriften gesammelt. Viele Leute auf der Strasse verstanden das Anliegen auf Anhieb und unterschrieben sofort.

Interview: Christoph Bernet (watson)

Artikel

Mit der Steuervorlage 17 auf die schwarze Liste?

28.11.2017, Finanzen und Steuern

Die Schweiz steht nicht auf der neuen schwarzen Liste der EU der weltweiten Steueroasen. Recherchen von Oxfam International und des Tax Justice Network zeigen jedoch: Das spricht nicht für die Schweiz, sondern gegen die EU.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Mit der Steuervorlage 17 auf die schwarze Liste?

© Richard Gerster

Swiss Leaks, Luxleaks, Panama Papers, Offshoreleaks, Paradise Papers – die Liste der Enthüllungswellen im Offshore-Geschäft der Steueroasen wird immer länger. Und jedes Mal fällt auch ein Teil der Entrüstung auf die Schweiz zurück: einmal wegen einer Bankfiliale in Genf (Swiss Leaks), einmal wegen dunklen Geschäften von Anwaltskanzleien in Zürich und anderswo (Panama Papers), und jüngst mit den Paradise Papers wegen dem notorisch unter Korruptionsverdacht stehenden Rohstoffriesen Glencore mit Sitz in Baar (ZG). Von den Enthüllungen bleiben in der Schweiz erstaunlicherweise jeweils jene verschont, die die schwachen Regeln und Gesetze verantworten, von denen die durchleuchteten Schweizer Firmen bei ihren unlauteren Geschäften in aller Welt profitieren: jene Regierungs- und Parlamentsmitglieder im Bundeshaus und in den Kantonen, die gerne im Interesse der Konzerne und ihrer AktionärInnen Politik machen. So verpasste es die rechtsbürgerliche Mehrheit in Bundes-, National- und Ständerat in den letzten Jahren trotz aller Reformen, einen Paradigmenwechsel hin zu einem sozial und ökologisch nachhaltigen Schweizer Konzern- und Bankenplatz einzuleiten:

Eine griffige Revision des Steuerstrafrechts wurde verhindert, das Geldwäschereigesetz ist in zentralen Punkten immer noch zahnlos, Transparenzvorschriften bei Inhaberaktien, die Aufschluss über die wahren Profiteure in der Offshorewelt gegeben hätten, sind chancenlos.
Letzteres gilt auch für ein solides Country-by-Country-Reporting, mit dem nachvollziehbar geworden wäre, wo die Profite herkommen, die multinationale Konzerne in der Schweiz teilweise fast zum Nulltarif versteuern. Zuletzt verweigerte sich der Bundesrat einem aussagekräftigen Bericht über unlautere Finanzflüsse aus den armen Ländern in die Schweiz. Er hätte bei dieser Gelegenheit endlich Klarheit schaffen können über die spezifische Rolle der Schweiz bei den verheerenden Geldabflüssen aus dem globalen Süden. Alleine durch die Steuervermeidung von Konzernen gehen den Gesellschaften im globalen Süden gemäss IWF jährlich 200 Milliarden Dollar verloren.

Beisshemmung bei Tamedia

All das war in der Schweizer Presse auch im jüngsten Medienspektakel um die Paradise Papers kaum ein Thema. Stellvertretend für alle Weitsichtigen mit politischer Beisshemmung in der Heimat verschob etwa der Chefredaktor des Tages-Anzeigers die politische Verantwortung für die Steuervermeidungspraktiken, die seine eigene (!) Zeitung zuvor aufdeckte, ins Ausland. Getreu dem gutschweizerischen Motto: Das Böse kommt immer von aussen.

Die Ende November publizierten Recherchen von renommierten SteuerexpertInnen von Oxfam International und des Tax Justice Network (TJN) zu den globalen Steueroasen zeigen aber: Es zeugt von einer schweren Ignoranz gegenüber dem real existierenden Geschäftsmodell der gegenwärtigen Schweizer Steuer- und Finanzpolitik, wenn man meint, die Schweiz sei nach dem halben Tod des Bankgeheimnisses zu einem armen Offshoreopfer unter vielen geworden. Die Berichte der beiden NGOs kommen zum Schluss, dass der EU-Rat seine eigenen Kriterien für Steueroasen aus politischen Gründen nicht ernst nimmt. Würde er das tun, müssten auch die USA, Hongkong, Singapur und eben die Schweiz auf der offiziellen schwarzen Liste der EU stehen, die Anfang Dezember publiziert wurde. So erfüllt die Schweiz gemäss Oxfam und TJN zwar die (selbst eher lockeren) EU-Anforderungen zur Steuertransparenz und zur Umsetzung der BEPS-Agenda der OECD gegen Steuervermeidung, betreibt aber nach wie vor ein unfaires Steuersystem zu Gunsten multinationaler Unternehmen. Als unfair bezeichnet der EU-Rat Länder, die mit ihrem Steuersystem Kapital anziehen oder an sich binden, das nicht aus der Wertschöpfung im Land selber stammt, sondern durch Gewinnverschiebungen aus jenen Ländern abgezogen wurde, wo die tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden. Generiert ein Land seine Unternehmenssteuereinnahmen vor allem durch Gewinnverschiebungen aus anderen Ländern, weist es überdurchschnittlich hohe Zinseinnahmen aus ausländischen Direktinvestitionen aus. Auf der Grundlage von entsprechenden Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) weist die Schweiz gemäss den SteuerexpertInnen von Oxfam einen Zinssaldo aus konzerninternen Krediten von über 12 Milliarden Dollar jährlich aus. Dieser stammt aus Auslandsinvestitionen von in der Schweiz niedergelassenen Konzernen, die diese innerhalb ihres Netzes von Tochterfirmen im Ausland getätigt haben. Die Schweiz liegt in dieser Statistik damit hinter dem weltweit führenden Konzerntiefsteuergebiet Luxemburg und praktisch gleichauf mit Holland auf dem dritten Rang.

Das sollte vor allem für die parlamentarische Beratung der Steuervorlage 17 (SV17) Konsequenzen haben. Die Vernehmlassung zur Nachfolgevorlage für die im vergangenen Februar von den Stimmberechtigen haushoch abgelehnte Unternehmenssteuerreform III (USR III) ging soeben zu Ende. Doch schon jetzt wird deutlich, dass dieselben Sondersteuerregime, die mit ein Grund für die Ablehnung der USR III waren, auch in der SV17 wieder zum Thema werden. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer etwa findet sogar die Unterstützung des grünen Stadtzürcher Finanzdirektors Daniel Leupi. Das ist nicht nur demokratiepolitisch höchst fragwürdig, sondern auch weltinnenpolitisch verheerend. Denn die zinsbereinigte Gewinnsteuer dient genau jenen Gewinnverschiebungspraktiken der Konzerne, für deren Begünstigung Oxfam und das Tax Justice Network die Schweiz auf die schwarze Liste gesetzt haben. Wäre der Europäische Rat konsequent, müsste er das auch tun. Doch die Staatsoberhäupter der EU-Länder schützen genauso wie ihre KollegInnen in der Schweiz lieber die Interessen der eigenen Eliten, schliesslich haben ja auch Holland, Luxemburg oder Irland Tiefsteuergebiete zu verteidigen, und den USA will man trotz Trump nach wie vor nicht zu stark auf die Füsse treten. Dass wiederum die Schweiz in Brüssel kein machtloser Zwerg ist, wenn es um Wirtschaftspolitik geht, ruft der Oxfam-Report mit einer anderen Statistik in Erinnerung: Die Schweiz ist nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner der EU. Wenn die Schweizer Politik also nur wollte, könnte sie auch in Brüssel längst ein politisches Zeichen gegen das wohlstandsvernichtende Offshoresystem und den gesellschaftlich verheerenden internationalen Steuerwettbewerb setzen.

Siehe auch die Stellungnahme von Alliance Sud in der Vernehmlassung zur Steuervorlage 2017.

Artikel

Steuervorlage 17: Aus Fehlern nichts gelernt

07.12.2017, Finanzen und Steuern

Alliance Sud begrüsst den erneuten Versuch des Bundesrats, schädliche Steuerprivilegien abzuschaffen. Entwicklungspolitisch ist die neue Steuervorlage 17 jedoch hoch problematisch. Die Vernehmlassung.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Steuervorlage 17: Aus Fehlern nichts gelernt

© Dieter Schütz / pixelio.de

Die Abschaffung der alten Steuerstatus sollte mit möglichst keinen neuen Sondersteuerregimen kompensiert werden: Auch eine enge Patentbox nach OECD-Guidelines besipielsweise öffnet Gewinnverschiebungen und Steuervermeidung multinationaler Konzerne Tür und Tor. Eine Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundesssteuer käme einer Subvention des "Race to the bottom" im interkantonalen Steuerwettbewerb gleich, was wiederum neue Anreize für Gewinnverlagerungen aus dem Ausland in Schweizer Tiefsteuergebiete schaffen würde.

Der Bundesrat versäumt es mit der Steuervorlage 17 vollends, eine einnahmenseitige Gegenfinanzierung für die Abschaffung der alten Privilegien vorzuschlagen. Ausserdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass er in absehbarer Zukunft bereit wäre, steuerpolitisch einen Paradigmenwechsel vorzubereiten, geschweige denn zu vollziehen und den Schweizer Fiskus aus seiner Abhängigkeit von Konzerngewinnen zu lösen, die hier versteuert, aber im Ausland erwirtschaftet werden. Das ist für Alliance Sud nach dem sehr deutlichen Nein zur USR III vom Februar nicht nachvollziehbar. Sie erachtet die Vorlage aus entwicklungs- wie demokratiepolitischer Sicht als sehr problematisch.

Die Abschaffung der alten Steuerprivilegien ist nun ausserdem sehr dringlich: Die Schweiz steht seit dem 5. Dezember auf der "Grauen Liste" der EU. Wenn sie bis Ende 2018 die Abschaffung der alten Sonderstatus nicht beschlossen hat, riskiert sie EU-Sanktionen. Bundesrat und Parlament sind deshalb sehr gut beraten, die Vorlage nicht wieder zu überfrachten und damit ein neuerliches Referendumsdebakel an der Urne zu riskieren.

Vollständige Stellungnahme von Alliance Sud in der Vernehmlassung.