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Medienmitteilung
Neues Palmölabkommen alarmiert die Zivilgesellschaft
23.06.2025, Handel und Investitionen
Das heute vom Bundesrat unterzeichnete EFTA-Freihandelsabkommen mit Malaysia bringt keine Verbesserung gegenüber dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit Indonesien. Während die Regenwaldzerstörung weitergeht, soll noch mehr Palmöl aus Südostasien in die Schweiz kommen.
Malaysia ist einer der grössten Palmölproduzenten weltweit. Durch Palmölplantagen, die auf zerstörtem tropischem Regenwald errichtet werden, gehen unberührte Lebensräume für Mensch und Tier verloren. © Bruno Manser Fonds
Gemeinsame Medienmitteilung von Green Boots, Bruno Manser Fonds, Uniterre und Alliance Sud.
Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen nehmen das heute vom Bundesrat unterzeichnete Freihandelsabkommen mit Malaysia mit Skepsis zur Kenntnis. Obwohl sich 48.6% der Stimmbürger:innen am 7. März 2021 wegen der Palmöl-Problematik gegen ein Abkommen mit Indonesien ausgesprochen hatten, liegt nun ein ähnlicher Deal mit Malaysia vor. Im Unterschied zu Indonesien liefern Malaysia und malaysische Unternehmen seit Jahren bedeutende Mengen an Palmöl in die Schweiz. Sie sollen im geplanten Abkommen mit vergünstigten Konditionen belohnt werden. Die Gefahr, dass mehr Palmöl aus Malaysia auf Kosten des Regenwaldes importiert wird, ist erheblich.
Auch malaysische Nichtregierungsorganisationen sind besorgt über mögliche Auswirkungen des Abkommens auf die Umwelt und die Rechte der indigenen Bevölkerung. Über 30 zivilgesellschaftliche Organisationen aus Malaysia lehnen die problematischen, ihr Recht auf die Verwendung von Saatgut einschränkenden UPOV 91-Regelungen ab.
Ölpalmen werden insbesondere im malaysischen Teil von Borneo von Grosskonzernen auf Kosten der indigenen Bevölkerung unter prekären Arbeitsbedingungen angebaut. «Eine Tarifvergünstigung für Palmöl aus Malaysia ist das falsche Signal», so Johanna Michel. «In Malaysia droht die Zerstörung von über einer Million Hektaren Regenwald für Palmöl-Plantagen.»
Weitere Informationen:
Isolda Agazzi, Expertin für Handelspolitik bei Alliance Sud
022 901 07 82, isolda.agazzi@alliancesud.ch
Medienmitteilung
OECD kritisiert Rückgang der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit
16.06.2025, Internationale Zusammenarbeit
Der Entwicklungsausschuss der OECD (OECD-DAC) hat heute die Resultate der Peer Review der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit publiziert. Während die Schweiz für ihre Bereitschaft, sich in langfristigen, komplexen Projekten zu engagieren, gelobt wird, wird sie unter anderem dazu angehalten, die Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit rückgängig zu machen und die Politikkohärenz zu verbessern. Zudem soll die Schweiz nicht zur international verpönten gebundenen Hilfe zurückkehren.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert in ihrem Schlussbericht die Kürzungen beim Budget der Entwicklungszusammenarbeit und hält die Schweiz dazu an, sicherzustellen, dass ihre Unterstützung der Ukraine zusätzlich zum regulären Entwicklungsbudget geleistet wird, um so nicht ihr geschätztes und wirksames langfristiges Engagement in den ärmsten Ländern zu untergraben.
Ein spezielles Augenmerk gilt auch der Rückkehr zur gebundenen Hilfe (tied aid) – eine mittlerweile verpönte Praxis, bei der Entwicklungsgelder an die Bedingung der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus den Geberländern geknüpft werden. Das schadet nicht nur der lokalen Wirtschaft in den Entwicklungsländern, sondern kommt die Geberstaaten auch teurer zu stehen als eine offene Vergabepraxis. Die Peer Reviewer empfehlen der Schweiz daher – auch und vor allem in ihrem Ukraine-Programm –, nicht von ihrem bisher vorbildlichen Leistungsausweis bei der Aufhebung der gebundenen Hilfe abzuweichen und an ihren Bestrebungen, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Programme zu gewährleisten, festzuhalten. Es wird angemerkt, dass die Schweiz mit den 500 Millionen CHF, die im Rahmen des Ukraine-Programms bereits ausschliesslich für Schweizer Unternehmen reserviert wurden, sowohl die Wirkung ihrer Entwicklungszusammen¬arbeit wie auch ihren guten Ruf als prinzipientreue Geberin aufs Spiel setze.
Evaluationspraxis hat Vorbildcharakter
Die Reviewer:innen kommen aber auch zum Schluss, dass die Schweizer Entwicklungszusam-menarbeit in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter aufweist. So würdigt der Ausschuss beispielsweise die Evaluationspraxis der Schweiz sowie ihre Bereitschaft, sich in langfristigen und komplexen Projekten zu engagieren. Gleichzeitig werden Verbesserungen in verschiedenen Bereichen angeregt: So sollen etwa die Armutsreduktion und das Prinzip “Leave no-one behind” in allen Projekten mehr im Fokus stehen, die Koordination zwischen dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) verbessert oder die Kommunikation strategischer gestaltet werden.
Der OECD-Entwicklungsausschuss erinnert die Schweiz einmal mehr daran, einen stärkeren Fokus auf die negativen grenzüberschreitenden Auswirkungen anderer Politikbereiche auf die nachhaltige Entwicklung zu legen und diese systematisch und departementsübergreifend zu analysieren, beispielsweise im Bereich des Rohstoffhandels oder bei der Bekämpfung illegaler Finanzflüsse. «Ohne den konsequenten Einbezug aller Politikbereiche bleibt die nachhaltige Entwicklung sowohl in den Ländern des Globalen Südens wie auch bei uns eine Illusion», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Genau diese Politikkohärenz wird an der UNO-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla (30. Juni-3. Juli) auf dem Prüfstand stehen.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, +41 31 390 93 30
Kristina Allianz. Expertin für internationale Zusammenarbeit, +41 31 390 93 40
Hintergrund:
Die sogenannte Peer Review der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit, welche alle vier Jahre stattfindet und letztes Jahr von einer Delegation aus Luxemburg, Ungarn und Kroatien durchgeführt wurde, stützt sich auf Befragungen von über 90 in der EZA tätigen Akteur:innen in der Schweiz sowie auf Besuche von Schweizer Projekten in Simbabwe und Südafrika.
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Medienmitteilung
Briefkastenfirmen: Nationalrat baut Transparenzregister auf Minimum zurück
13.06.2025, Finanzen und Steuern
Mit dem Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen führt die Schweiz auf internationalen Druck endlich ein Instrument gegen Finanzkriminalität ein. Der Nationalrat will allerdings nur einem Teil der Behörden Zugang dazu gewähren, Medien und NGOs bleibt er gänzlich verwehrt. Für Public Eye und Alliance Sud bleibt dieses neue Gesetz damit meilenweit hinter seinem Potential für einen saubereren Schweizer Finanzplatz zurück.
Gemeinsame Medienmitteilung von Public Eye und Alliance Sud.
Der Nationalrat hat gestern Abend den mutlosen Bundesratsentwurf und die zusätzliche Aushöhlung durch den Ständerat abgesegnet. Stiftungen und Vereine fallen nun definitiv aus dem Geltungsbereich des neuen Gesetzes. Auch bei der Zugangsberechtigung gibt es die absolute Minimalvariante: Medienschaffenden und Fach-NGOs wird der Zugriff auf die neuen Firmendaten verwehrt, obwohl die EU deren «berechtigtes Interesse» in ihrer neuen Anti-Geldwäscherei-Richtlinie explizit anerkennt. Auch für die Steuerbehörden und das Bundesamt für Statistik stellt das Register in dieser Form keinen Mehrwert dar.
Die vom Ständerat vorgeschlagene Richtigkeitsvermutung wurde vom Nationalrat hingegen wieder gestrichen. Sie hätte Banken einen Vorwand geliefert, ihre Sorgfaltspflichten zur reinen Formalität verkommen zu lassen, was gar einen Rückschritt zum sowieso schon tiefen Status Quo bedeutet hätte. Die Differenzbereinigung zum Geschäft findet nun wohl in der Herbstsession statt.
Die bisherige parlamentarische Debatte wie auch der gestrige Entscheid zeigen, dass dieses minimalistische Transparenzregister bloss der formalen Erfüllung von internationalen Vorgaben und nicht der effektiven Bekämpfung der Finanzkriminalität dient. Dies zeigten auch die entsprechenden Voten zahlreicher bürgerlicher Parlamentarier*innen in der gestrigen Debatte.
Die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern setzt also weiterhin auf Intransparenz für den hiesigen Finanzplatz. Ob dieses Geschäftsmodell in Zukunft noch erfolgreich sein wird, darf auf Grund des neusten «Financial Secrecy Index» des Tax Justice Network bezweifelt werden. Denn der «Secrecy Score» der Schweiz hat dort im Vergleich zu vor drei Jahren zu-, die Grösse des Finanzplatzes aber trotzdem abgenommen.
Weitere Informationen:
Dominik Gross, Steuerexperte Alliance Sud
078 838 40 79, dominik.gross@allliancesud.ch
Oliver Classen, Mediensprecher Public Eye
044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch
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Medienmitteilung
Klima-Allianz lanciert Klima-Masterplan: 10 Jahre, um die Schweiz auf Kurs zu bringen
03.06.2025, Klimagerechtigkeit
Zeitgleich mit der Feier ihres 20-jährigen Bestehens lanciert die Klima-Allianz Schweiz heute ihren 3. Klima-Masterplan. Das umfassende Strategiepapier, erarbeitet von Expert:innen aus der breiten Allianz zeigt, wie die Schweiz in den nächsten 10 Jahren Netto-Null schafft. Vom angekündigten Aussprachepapier des Bundesrates zur künftigen Klimapolitik erwartet die Allianz entschlossene Schritte – nicht erst ab 2031, sondern ab sofort.
Expert:innen aus der breitaufgestellten Klima-Allianz lancieren ihren Klima-Masterplan in Bern. Für Alliance Sud ist Delia Berner (1.v.r) dabei. © Klima-Allianz
Medienmitteilung der Klima-Allianz vom 3. Juni 2025. Alliance Sud ist Mitglied der Klima-Allianz.
Yvonne Winteler, Co-Präsidentin der Klima-Allianz, eröffnet die Medienkonferenz zur Lancierung des Klima-Masterplans mit klaren Worten: “Wir befinden uns mitten in einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Das Problem ist, dass dieser Wandel 20 Jahre zu spät kommt. Je länger wir warten, desto mehr schrumpft unser CO2-Budget. Entschlossene Massnahmen sind jetzt erforderlich, welche die grossen Transformationshürden angehen.”
Nach 2006 und 2016 legt die Klima-Allianz Schweiz heute ihren dritten Klima-Masterplan vor – mit dem Ziel, dem Klimaschutz die nötige Dringlichkeit zu verleihen. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, die landwirtschaftliche Produktion wird erschwert, und die Sicherheit der Lebensräume in unseren Alpen gerät unter Druck. Obwohl wir uns schon heute im Risikobereich bewegen, schöpft die Schweiz ihren Handlungsspielraum nicht aus, der ihr als technisch hochentwickeltes, politisch stabiles und wohlhabendes Land zur Verfügung steht. Statt die Klimapolitik konsequent zu verstärken und umfassende Lösungen umzusetzen, sinkt das Ambitionsniveau zunehmend.
Gestützt auf den aktuellen Stand der Klimawissenschaft zeigt der erste Teil des Masterplans auf, welche Rolle die Schweiz beim globalen Anstieg der Treibhausgasemissionen spielt und welche Rolle ihr im globalen Vergleich zusteht.
“Wir müssen das Klimasystem stabilisieren und die globale Erwärmung bei maximal 1.5°C stoppen. Doch die Handlungslücke in der Schweiz – und weltweit – ist riesig. Wenn alle so handeln würden wie die Schweiz, resultierte eine Erwärmung von bis zu 3°C. Die Schweiz kann die eigene Lücke im Inland und in ihrem globalen Einflussbereich anpacken und so zu einer globalen Kraft für die Lösung des Klimaproblems werden. Das ist unsere beste Lebensversicherung“, ergänzt Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz.
Ein Fakten-Fundament mit klaren Handlungswegen
An der Medienkonferenz zeigen zehn Autor:innen der breiten Allianz ihren Masterplan – und machen deutlich: 1. Es muss dringend gehandelt werden, und 2. die Lösungen zur Erfüllung des Pariser Klimaversprechens für die Schweiz sind vorhanden. Mit der Publikation macht die Allianz auch ihre Erwartungshaltung gegenüber dem demnächst erscheinenden Aussprachepapier des Bundesrates zur künftigen Klimapolitik deutlich: Die vorhandenen Hebel müssen effizient genutzt werden – und das nicht erst ab 2031.
Die Autor:innen verdeutlichen die unzulängliche Nutzung der existierenden Lösungen an einem konkreten Instrumenten-Mix in unterschiedlichen thematischen Handlungsfeldern - vom Landverkehr bis zur Klimafinanzierung. Mit diesen Instrumenten ist die Überwindung der bestehenden Hürden zu schaffen. Um uns aus der teuren Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu befreien, müssen die heutigen Spielregeln angepasst werden. So kann die Transformation in den kommenden 10 Jahren gelingen. Der Masterplan zeigt ausserdem auf, dass die Transformation sozialverträglich gestaltet werden kann, sodass sie Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten nicht überproportional stark belastet.
Konkret wird ein Paket von marktwirtschaftlichen Instrumenten, Geboten und Verboten, Förder-, Informations- und Weiterbildungsinstrumenten vorgeschlagen. Im Wesentlichen geht es darum auf erneuerbare Energien umzusteigen, effizienter zu werden und Nachfragemuster anzupassen.
So breit abgestützt wie nie zuvor
Die Klima-Allianz wurde 2005 von 48 Organisationen gegründet. Seither ist sie auf über 150 Mitglieds- und Partnerorganisationen angewachsen. Die Allianz umfasst Klima-, Umwelt- und Naturschutzorganisationen, Organisationen aus der Entwicklungszusammenarbeit, Bauernverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsakteure, und religiöse Organisationen. Zusammen haben diese Organisationen über 2 Millionen Mitglieder in der ganzen Schweiz.
“Eine starke Allianz für’s Klima ist heute nötiger denn je. Sowohl die Auswirkungen der Klimaerhitzung wie auch die nötige Transformation betreffen uns alle. Diese Tatsache scheint im Bundesrat noch nicht angekommen zu sein. Die Klima-Allianz ist deshalb offen für alle zivilgesellschaftlichen Gruppierungen, die unsere Ziele teilen,“ sagt Patrick Hofstetter, einer der Co-Gründer der Klima-Allianz.
Weitere Informationen:
Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud
+41 31 390 93 42, delia.berner@alliancesud.ch
Patrick Hofstetter, Klimaschutz- und Energieexperte bei WWF Schweiz und Vorstandsmitglied Klima-Allianz
076 305 67 37, patrick.hofstetter@wwf.ch
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Medienmitteilung
Schweiz immer noch eine der dunkelsten Ecken der Finanzwelt
03.06.2025, Finanzen und Steuern
Im heute publizierten Schattenfinanzindex schneidet die Schweiz weiterhin sehr schlecht ab. Und trotzdem wird in Bundesbern der hiesige Finanzplatz als Anlaufstelle für Oligarchen, Hotspot für kriminelle Privatbanken und Schutzgebiet für zwielichtige Vermögensberater immer noch mit allen Mitteln verteidigt. Bereits nächste Woche bietet sich dem Nationalrat einmal mehr eine Chance zur Schubumkehr.
© TJN
Im neusten Schattenfinanzindex (Financial Secrecy Index, FSI) des Tax Justice Network (TJN) schneidet der Schweizer Finanzplatz einmal mehr sehr schlecht ab. Sie steht hinter den USA – ein Land, das bekanntlich am Übergang zu einer Oligarchie schlechthin steht – nach wie vor auf Platz 2 der undurchsichtigsten Finanzplätze weltweit. Dominik Gross, Experte für Steuer- und Finanzpolitik bei Alliance Sud, sagt: «Seit der letzten Ausgabe des FSI vor drei Jahren ist die Schweizer Politik ihrem vor langer Zeit ausgerufenen Ziel, auf dem hiesigen Finanzplatz eine Weissgeldstrategie zu etablieren, nicht nähergekommen.» Gemeinsam mit der notorischen Steueroase Guernsey hat die Schweiz unter den zehn schlechtest platzierten Finanzplätzen die höchste Secrecy-Quote.
Intransparenz ist nicht mehr gut fürs Geschäft
Dass die Schweiz nicht wie in der Vergangenheit auch schon Spitzenreiterin der Dunkelheit ist, verdankt sie nicht ihrer im Vergleich mit den USA besseren Transparenz, sondern dem Umstand, dass der hiesige Finanzplatz kleiner ist als der US-amerikanische. Der Anteil der hiesigen Akteure am globalen Offshore-Kuchen nimmt ab, die Intransparenz aber zu. Dominik Gross: «Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Schweizer Politik irrt, wenn sie meint, Intransparenz fördere immer noch das Vermögensverwaltungs-Geschäft. Mit ihrem anachronistischen Versteckspiel schadet die Politik diesem vielmehr.»
Sommersession: Chance für mehr Transparenz
Die Chance zur politischen Schubumkehr bietet sich dem Nationalrat schon nächste Woche: Er stimmt dann im Rahmen der Beratung des sogenannten Gesetzes über die Transparenz juristischer Personen (TJPG) über die Einführung eines Registers für wirtschaftlich Berechtigte von Firmen ab, was international mittlerweile Standard ist. Der Ständerat hat dieses aber so stark durchlöchert, dass dessen Umsetzung die Finanzplatz-Transparenz sicher nicht erhöht, sondern ihr sogar schaden könnte. Das schützt russische Oligarchen, kriminelle Privatbanken und zwielichtige Berater. «Der Nationalrat sollte den Entwurf an seine Rechtskommission zurückweisen und diese damit im Vergleich mit dem Ständerat zu einer besseren Alternative zwingen», fordert deshalb Dominik Gross.
Für weitere Informationen:
Dominik Gross, Finanzexperte bei Alliance Sud
+41 78 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch
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Medienmitteilung
Neue Konzernverantwortungsinitiative eingereicht
27.05.2025, Konzernverantwortung
Innert kürzester Zeit haben über 10'000 freiwillig Engagierte im Januar die Unterschriften für die neue Konzernverantwortungsinitiative gesammelt. Heute wurden 287'164 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht.
© Laura Gauch / Koalition für Konzernverantwortung
Medienmitteilung der Koalition für Konzernverantwortung vom 27. Mai 2025. Alliance Sud ist Mitglied der Koalition für Konzernverantwortung.
Ein breites Komitee aus Politiker:innen aller Lager sowie Unternehmer:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft lancierte am 7. Januar 2025 die neue Konzernverantwortungsinitiative. Diese verpflichtet Konzerne wie Glencore bei ihren Geschäften zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltbestimmungen.
Nach nur 14 Tagen hatten bereits 183'661 Stimmberechtigte die Initiative unterschrieben, da tausende Freiwillige Mitte Januar über 1’000 Standaktionen organisiert hatten. Nachdem nun ausreichend Unterschriften von den Gemeinden beglaubigt wurden, konnte die Konzernverantwortungsinitiative heute der Bundeskanzlei übergeben werden.
Mitte-Nationalrat und Komiteemitglied Stefan Müller-Altermatt sagt: «Die Schweiz darf nicht das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung werden. Wenn ein Konzern die Umwelt verschmutzt oder ganze Landstriche zerstört, dann soll er auch dafür geradestehen. Dass die Initiative so schnell zustande gekommen ist, zeigt deutlich, wie gross die Unterstützung in der Bevölkerung für das Anliegen ist.»
Schweiz bald einziges Land ohne Konzernverantwortung
2020 warnten die Gegner:innen im Abstimmungskampf um die erste Konzernverantwortungsinitiative noch, die Schweiz würde «weltweit einzigartige Haftungsregeln» einführen. Der Bundesrat versprach, «international abgestimmt» vorgehen zu wollen und «gleich lange Spiesse» für Unternehmen in der Schweiz und der EU anzustreben.
Doch obwohl seither verschiedene europäische Länder wie Deutschland und Norwegen Konzernverantwortungsgesetze einführten und im Frühling 2024 die Europäische Union eine Sorgfaltspflichtenrichtlinie verabschiedete, kommt die Diskussion hierzulande nicht voran.
Dabei wäre es auch für die Wirtschaft in der Schweiz wichtig, endlich Planungssicherheit zu erhalten: «Mit der Initiative fordern wir ein international abgestimmtes Konzernverantwortungsgesetz. Damit schützen wir die ganz grosse Mehrheit anständig wirtschaftender Schweizer Unternehmen und schaffen Rechtssicherheit», sagt Mitte-Nationalrat und Komiteemitglied Lorenz Hess.
Der Handlungsbedarf ist gross
Bis heute verletzen Konzerne mit Sitz in der Schweiz immer wieder Menschenrechte und grundlegende Umweltbestimmungen: Eine Glencore-Mine verseucht in Peru einen ganzen Landstrich, der Genfer Metallhandelskonzern IXM lässt in Namibia rund 300’000 Tonnen hochgiftige Abfälle zurück und die Genfer Louis Dreyfus Company handelte mit Zucker von Plantagen in Indien, auf denen Frauen dazu gedrängt werden, ihre Gebärmutter zu entfernen, damit sie bei der Arbeit nicht ausfallen.
Die neue Konzernverantwortungsinitiative wird solchen Geschäften einen Riegel schieben.
Weitere Informationen:
- Bilder von der Einreichung
- Initiativtext mit Kurzerläuterungen
- Initiativkomitee
- Beispiele von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung
Medienkontakte:
Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat Die Mitte (SO)
076 332 15 26
Lorenz Hess, Nationalrat Die Mitte (BE)
079 356 59 26
Für weitere Informationen, Bilder etc. steht zur Verfügung:
Oliver Heimgartner, Co-Geschäftsleiter
078 800 93 45, oliver.heimgartner@konzernverantwortung.ch
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Gaza: Appell der Entwicklungsorganisationen
Bundesrat muss sich aktiv für uneingeschränkte humanitäre Hilfe einsetzen
23.05.2025, Internationale Zusammenarbeit
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist desaströs. Schweizer Entwicklungsorganisationen fordern den Bundesrat dazu auf, sich der gemeinsamen Erklärung von über 20 Staaten anzuschliessen und unverzüglich alles daran zu setzen, dass die humanitäre Hilfe uneingeschränkt und unparteiisch geleistet werden kann.
Eingeschlossen inmitten von Schutt und Asche: Gazas Bevölkerung ist Hunger und anhaltenden Offensiven schutzlos ausgesetzt - dennoch schränkt Israels Regierung die humanitäre Hilfe massiv ein.
© Keystone/EPA/Mohammed Saber
Gemeinsame Medienmitteilung von Alliance Sud, Caritas Schweiz, HEKS, Helvetas, Terre des hommes, Swissaid und Solidar Suisse.
Während diese Woche wieder erste Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt sind, schränkt die israelische Regierung weiterhin die lebensnotwendige Versorgung der Zivilbevölkerung ein. Die aktuellen Transporte reichen bei weitem nicht aus, um die 2,1 Millionen Menschen zu versorgen. Gleichzeitig führt die israelische Armee ihre Anfang Woche gestartete Bodenoffensive fort, fliegt Luftangriffe im dicht besiedelten Küstenstreifen und drängt die Zivilbevölkerung in zunehmend kleineren Gebieten zusammen. Humanitäre Einrichtungen oder Konvois werden immer wieder angegriffen. Die Situation der Zivilbevölkerung hat ein katastrophales Ausmass angenommen – das erfordert dringend ein entschiedenes und international koordiniertes Vorgehen.
Der in den letzten Tagen bekannt gewordene israelische Plan für die Bereitstellung der humanitären Hilfe ist aus mehreren Gründen alarmierend: In vier «Hubs» sollen die Güter ausschliesslich im Süden des Gazastreifens und unter der alleinigen Kontrolle Israels verteilt werden. Lange Zugangswege durch ungesichertes und zerstörtes Gebiet, in dem noch immer Kampfhandlungen stattfinden, gefährden die notleidenden Menschen sowie Helferinnen und Helfer. Die Versorgung würde stark eingeschränkt und wäre nur für jene zugänglich, die sich einer Sicherheitsprüfung durch die israelische Armee unterziehen würden. Private Sicherheitskräfte sollen unabhängige humanitäre Organisationen ersetzen. Dieser Plan widerspricht fundamental dem völkerrechtlichen Neutralitätsprinzip der humanitären Hilfe und verknüpft Nothilfe mit politischen und militärischen Zielen. Humanitäre Hilfe darf nicht von Kriegsparteien instrumentalisiert werden.
Caritas Schweiz, HEKS, Helvetas, Terre des hommes, Swissaid, Solidar Suisse und Alliance Sud rufen den Bundesrat dazu auf, sich für den sofortigen und uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung und die Respektierung des humanitären Völkerrechts einzusetzen, und zwar auf verschiedenen Ebenen:
- Die Schweiz muss sich der von über 20 Staaten unterzeichneten gemeinsamen Geber-Erklärung zur humanitären Hilfe für Gaza anschliessen. In dieser Erklärung fordern die Aussenministerinnen und Aussenminister der unterzeichnenden Staaten – darunter Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Australien und Kanada – Israel dazu auf, «die sofortige vollständige Wiederaufnahme der Hilfe für Gaza zu ermöglichen und es den Vereinten Nationen und humanitären Organisationen zu ermöglichen, unabhängig und unparteiisch zu arbeiten, um Leben zu retten, Leiden zu verringern und die Würde zu wahren».
- Der Bundesrat hat diese Woche seine Besorgnis über die Situation im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht. Sich lediglich besorgt zu zeigen, reicht allerdings nicht. Der Bundesrat muss sich gegenüber Israel mit Nachdruck für den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe einsetzen und sich der zu beobachtenden Erosion humanitärer Prinzipien entschieden entgegensetzen – auf allen politischen und diplomatischen Kanälen.
- Der Bundesrat muss darauf hinwirken, dass die humanitären Prinzipien uneingeschränkt respektiert und geschützt werden. Damit grundlegende Prinzipien der humanitären Hilfe wie Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gewahrt werden können, braucht es unabhängige Organisationen. Das ist mit der neuen Gaza Humanitarian Foundation, die in Genf ansässig ist, nicht gewährleistet. Die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen muss sich entschieden von jeglichen Versuchen distanzieren, humanitäre Hilfe für politische und militärische Ziele zu instrumentalisieren.
- Der Bundesrat muss alles in seiner Macht Stehende tun, um die Gewalt und die fortschreitende Zerstörung zu beenden. Die Schweiz soll sich entschieden für einen sofortigen Waffenstillstand, den Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza und der Westbank sowie die Freilassung der zivilen israelischen Geiseln einsetzen.
Die Menschen in Gaza brauchen Hilfe – jetzt. Das zeigt sich auch in den Projekten der Schweizer NGOs mit ihren Partnerorganisationen vor Ort in aller Dringlichkeit. Die Schweiz muss ihrer humanitären Tradition gerecht werden und sich für eine strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts einsetzen.
Für weitere Informationen:
Alliance Sud
Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher
079 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch
Caritas Schweiz
Livia Leykauf, Mediensprecherin
076 233 45 04, medien@caritas.ch
HEKS
Lorenz Kummer, Mediensprecher
076 461 88 70, lorenz.kummer@heks.ch
Terre des hommes Lausanne
Cyril Schaub, Media Relations
058 611 07 45, cyril.schaub@tdh.org
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Schweizer Unternehmen will Millionen für deutschen Kohleausstieg
16.05.2025, Handel und Investitionen
Ein heute von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen veröffentlichtes Briefing beleuchtet die Hintergründe der Klage Azienda Elettrica Ticinese (AET) gegen den deutschen Kohleausstieg vor einem Schiedsgericht. Das öffentlich-rechtliche Schweizer Unternehmen verlangt eine Entschädigung für die Abschaltung eines Kohlekraftwerks im nordrhein-westfälischen Lünen, an dem es eine Beteiligung hält.
Defizitär und klimaschädlich: Das Trianel Kohlekraftwerk in Lünen, Nordrhein-Westfalen, ist seit 2013 am Netz - beteiligt ist die Schweizer AET. © Keystone/DPA/Bernd Thissen
Gemeinsame Medienmitteilung von Alliance Sud, Netzwerk Gerechter Welthandel, PowerShift, Umweltinstitut München, WWF Schweiz, Public Eye, Pro Natura
Eine genauere Untersuchung der Klage zeigt:
- Das Kohlekraftwerk hat seit seinem Bau jedes Jahr Verluste eingefahren. Die AET verlangt also Entschädigung für eine Anlage, die defizitär war und dies voraussichtlich auch weiterhin bleiben wird.
- Die AET wurde in einem Volksentscheid dazu verpflichtet, sich von der Beteiligung am Kohlekraftwerk spätestens 2035 zu trennen. Trotzdem möchte sie für hypothetische Einnahmen des Kraftwerks bis ins Jahr 2053 entschädigt werden. Die verlangte Entschädigungssumme wurde in den Verfahrensdokumenten geschwärzt.
- Ein Erfolg der AET in dem Verfahren würde die Architektur des deutschen Kohleausstiegs in Frage stellen und könnte zu weiteren Klagen vor Schiedsgerichten durch Kohleunternehmen führen. Neun weitere Kohlekraftwerke in Deutschland haben ausländische Anteilseigner, die bei einem Erfolg AET’s möglicherweise vor einem Schiedsgericht klagen könnten.
“Es ist ein Skandal, dass sich ein öffentliches Unternehmen undemokratischer Schiedsgerichte bedient, um gegen notwendige Klimaschutzmaßnahmen vorzugehen. Dass die AET Entschädigungen für ein verlustbringendes Kraftwerk verlangt, treibt das Ganze auf die Spitze,” sagt Fabian Flues, Handelsexperte bei der NGO PowerShift.
“Schon vor dem Bau des Kohlekraftwerks in Lünen war das Fiasko absehbar. Entsprechend deutlich hat der WWF, die AET und den Kanton Tessin vor dieser ökonomisch widersinnigen und klimaschädlichen Kurzschluss-Entscheidung gewarnt. Statt Verantwortung zu übernehmen, schiebt die AET nun Deutschlands Klimapolitik die Schuld für ihr eigenes Versagen zu und fordert Schadenersatz. Dieses Vorgehen ist einer öffentlich-rechtlichen Anstalt unwürdig. Der Kanton Tessin muss diesem Hohn ein Ende machen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.” sagt Francesco Maggi, Geschäftsleiter WWF Svizzera italiana.
“Im Gegensatz zur EU und mehreren europäischen Ländern hat die Schweiz den Energiecharta-Vertrag nicht gekündigt. Dieser verlangsamt jedoch den Ausstieg aus fossilen Energien und erschwert ihn, wie die Klage der AET gegen Deutschland zeigt. Die Schweiz muss sich dem Trend anschließen und diesen anachronistischen Vertrag kündigen”, sagt Isolda Agazzi, Investitionsexpertin bei Alliance Sud.
“Deutschland hat mit dem Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag einen wichtigen Schritt getan, aber nicht daraus gelernt. Während Investitionsschutzverträge weiterhin unsere Energiepolitik sabotieren, treibt die Bundesregierung neue Abkommen mit denselben problematischen Schiedsmechanismen voran.”
Hintergrund
Die Schiedsgerichtsklage der AET findet unter dem Energiecharta-Vertrag, einem Investitionsschutz-Vertrag aus den 1990er Jahren, statt. Der ECT ermöglicht es Investoren, vor Schiedsgerichten gegen Energie- und Klimamaßnahmen zu klagen, wenn diese ihre Gewinne einschränken. Kein Investitionsschutzvertrag hat so viele Schiedsgerichtsklagen ermöglicht, wie der ECT. Deutschland, die EU und 10 weitere Länder sind aus dem ECT ausgetreten, weil dieser ihre Handlungsfähigkeit in der Klimakrise zu stark beschneidet. Die Schweiz ist weiterhin Mitglied des ECT. Der ECT verfügt über eine Verfallsklausel, die Klagen über einen Zeitraum von 20 Jahren nach dem Austritt möglich macht. Aus dem ECT austretende Länder können jedoch ein Abkommen abschließen, um Klagen untereinander auszuschließen.
Darüber hinaus ist Deutschland mit den meisten bilateralen Investitionsschutzverträgen weltweit, die bereits 58 Investorenklagen ermöglicht haben. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat diese Verträge als “in vielen Hinsichten veraltet” bezeichnet. Dennoch gibt es keine Vereinbarungen im neuen Koalitionsvertrag, diese Altlasten anzugehen. Die deutsche Zivilgesellschaft fordert, diese Verträge in Absprache mit den Partnerländern zu kündigen.
Schweizerische Umwelt- und Entwicklungsorganisationen verlangen schon seit langem einen Austritt der Schweiz aus dem Energiecharta-Vertrag. Der Bundesrat beabsichtigt jedoch nicht, aus dem Vertrag auszutreten. Stattdessen hat er hat dessen Modernisierung, wie sie von der Energiecharta-Konferenz am 3. Dezember 2024 beschlossen wurde, gutgeheissen.
Link zum Briefing:
https://power-shift.de/aet-briefing/
Für weitere Informationen:
Isolda Agazzi, Expertin für Handels- und Investitionspolitik bei Alliance Sud
isolda.agazzi@alliancesud.ch, +41 22 901 07 82
Fabian Flues, Leitung Investitionspolitik bei PowerShift e.V.,
fabian.flues@power-shift.de, +49 30 308 821 92
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Schweizer Klimafinanzierung hat noch viel Luft nach oben
14.05.2025, Klimagerechtigkeit
Kurz vor Antritt der neuen US-Regierung hat die internationale Staatengemeinschaft an der COP29 in Baku beschlossen, die finanzielle Unterstützung für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden zu verdreifachen. Alliance Sud und Caritas haben mit Blick auf die anstehenden Diskussionen im Bundesrat die aktuellen Entwicklungen der internationalen Klimafinanzierung analysiert und zeigen auf, was die Schweiz jetzt tun muss, um den globalen Klimaschutz zu stärken.
Wo die Klimakatastrophe allgegenwärtig ist: Deich in den Sundarbans, den weltgrössten Mangrovenwäldern, die Indien und Bangladesch grossflächig vor Fluten und Küstenerosion schützen. Doch Wirbelstürme, Versalzung und steigende Meeresspiegel setzen dem Wald arg zu. © GMB Akash/Panos Pictures
Während Donald Trump in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit versucht hat, die Klimaerwärmung aus Politik und sogar der Wissenschaft zu verbannen, stiegen die Temperaturen in Indien dieses Jahr bereits im April auf über 40 Grad Celsius – fünf Grad mehr als jahresüblich. Mit Trumps Verleugnung löst sich die Klimakrise aber nicht auf, es ist weiterhin im Interesse aller, die globale Erderwärmung möglichst auf 1.5 Grad zu begrenzen. «Die Schweiz hat ein doppeltes Interesse am weltweiten Klimaschutz: Erstens ist sie überdurchschnittlich von der Klimaerwärmung betroffen und zweitens ist für sie überlebenswichtig, dass der Multilateralismus funktioniert und die Welt regelbasiert zusammenarbeitet», sagt Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.
Einen fairen Beitrag an die Klimafinanzierung leisten
Ein zentrales Instrument, damit die Welt sich klimafreundlich weiterentwickelt und raschmöglichst aus den fossilen Energieträgern aussteigt, ist die internationale Klimafinanzierung. An der letzten Klimakonferenz COP29 in Baku im November 2024 hat die Schweiz eingewilligt, zum neuen Unterstützungsziel von 300 Milliarden Dollar pro Jahr für Klimaschutz und Klimaanpassung im Globalen Süden beizutragen. Angesichts der hohen Verantwortung für Emissionen und der Wirtschaftskraft der Schweiz ist 1% des globalen Ziels für Klimaschutz das absolute Minimum für den Beitrag der Schweiz. Das bedeutet, dass dieser bis 2030 auf jährlich mindestens 3 Milliarden Dollar ansteigen muss.
Der Bundesrat wird bis Ende Sommer entscheiden, mit welchem Beitrag sich die Schweiz beteiligen wird. Alliance Sud zeigt in ihrem neuen Analysepapier «Klimafinanzierung – jetzt erst recht» detailliert auf, warum die Schweiz weit höhere Beiträge als heute an die künftige Klimafinanzierung leisten soll und wie sie dafür nach dem Verursacherprinzip Mehreinnahmen generieren kann. Denn, wie die Autorin Delia Berner sagt: «Die Beiträge weiterhin auf dem Buckel der Entwicklungszusammenarbeit zu leisten, trägt nur zur Verschärfung der globalen Krisen bei.»
Mängel bei der Schweizer Klimafinanzierung beheben
Eine neue Analyse von Caritas Schweiz zeigt, wo die Gelder fehlen, wenn die Schweiz weiterhin einen ungenügenden Beitrag an die internationale Klimafinanzierung leistet. Sie hat die neusten verfügbaren Zahlen zu den Schweizer Klimageldern aus den Jahren 2021 und 2022 unter die Lupe genommen und untersucht, aus welchen Quellen die Mittel stammen und wie sie eingesetzt werden. «Indem die Schweiz die Mittel für die internationale Klimafinanzierung zu mehr als 90 Prozent aus dem sonst schon beschränkten Budget der internationalen Zusammenarbeit nimmt, schwächt sie die Armutsbekämpfung im Globalen Süden», sagt Angela Lindt, Leiterin der Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik von Caritas.
Die Caritas-Analyse zeigt zudem: Neben der unzureichenden Höhe stellt auch die Zugänglichkeit zu den Schweizer Klimageldern für die Lokalbevölkerung in den ärmsten Ländern eine grosse Herausforderung dar. Dies gilt vor allem für mobilisierte Gelder des Privatsektors, die sich die Schweiz an ihre Klimafinanzierung anrechnet. Diese sind auch deshalb kein Ersatz für unzureichende öffentliche Mittel, weil sich die hohen Erwartungen an private Geldgeber bisher nicht erfüllen. Auch dies verdeutlicht, dass es neue und zusätzliche Finanzierungsquellen für die öffentlichen Klimagelder braucht, damit die Schweiz ihren fairen Beitrag leisten kann.
Links zu den neuen Publikationen:
https://www.alliancesud.ch/de/so-sieht-eine-faire-schweizer-klimafinanzierung-aus
https://www.caritas.ch/klimafinanzierung
Für weitere Informationen:
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch
Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik,
041 419 23 95, alindt@caritas.ch
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Medienmitteilung
Entwicklungsausgaben im freien Fall
16.04.2025, Entwicklungsfinanzierung
Einmal mehr verfehlt die Schweiz bei weitem das international vereinbarte Ziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit. Die heute von der OECD publizierten Zahlen zur öffentlichen Entwicklungsfinanzierung (APD) zeigen, dass die Schweiz 2024 nur 0.51% des BNE für die Entwicklungszusammenarbeit ausgab, 14.9% weniger als im Vorjahr. Mit den im Dezember 2024 beschlossenen Kürzungen ist ein weiterer Rückgang absehbar.
Symbolbild © Keystone
Wie schon in den Vorjahren verfehlte die Schweiz auch im letzten Jahr ihre internationalen Verpflichtungen und steht mit 0.51% des BNE auf Platz 8 der OECD-Geberländer. Ohne Anrechnung der Asylausgaben im Inland, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen ebenfalls der APD angerechnet werden dürfen, betragen ihre Entwicklungsausgaben gar lediglich 0.38%. Somit machen Asylausgaben im Inland satte 25% der von der Schweiz angerechneten Entwicklungsausgaben aus.
Die Reduktion der Entwicklungsausgaben um 14.9% verglichen mit dem Vorjahr steht auch den Ansichten der Schweizer Bevölkerung diametral entgegen. Gemäss einer heute publizierten repräsentativen Umfrage der ETH wünschen sich knapp 80% der Schweizer Bevölkerung, dass die Entwicklungsausgaben gleichbleiben oder erhöht werden.
Der Entscheid des Parlaments, die Entwicklungsausgaben im Finanzjahr 2025 um 110 Millionen Franken und in den Jahren 2026-2028 um 321 Millionen Franken zu kürzen, greifen in der OECD-Statistik noch nicht. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Position der Schweiz weiter verschlechtern wird – und dies in einem Kontext, in dem nichts mehr ist wie es einmal war. Seit der Amtseinführung von Donald Trump wurden nicht nur der Multilateralismus und damit auch das internationale Genf stark geschwächt, auch die Abschaffung von USAID hat weltweit dramatische Konsequenzen.
«In dieser veränderten Weltlage sollte die Schweiz sich klar positionieren und sich auf die Seite von Multilateralismus, Demokratie und Menschenrechte stellen», sagt Kristina Lanz, Expertin für internationale Zusammenarbeit bei Alliance Sud. Dies bedingt ebenso eine grosszügige Unterstützung der in Genf ansässigen internationalen Organisationen wie auch einen zukunftsgerichteten Ausbau der Entwicklungsfinanzierung und der internationalen Klimafinanzierung. Die vierte Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (FfD4), die vom 30. Juni bis 3. Juli in Sevilla stattfindet, bietet hierfür eine hervorragende Gelegenheit.
Zusätzliche Investitionen sind möglich
Auch wenn der Bundesrat dies immer wieder bestreitet – die Schweiz kann es sich leisten, mehr in die internationale Zusammenarbeit zu investieren: Zum einen gäbe es für den Bund – zumindest mittel- bis langfristig – vielfältige Möglichkeiten, um Mehreinnahmen zu generieren; zum anderen besteht für die Schweiz kein Grund zum Sparen. «Die extrem tiefe, abnehmende Staatsverschuldung der Schweiz ermöglicht auch kurzfristig zusätzliche Investitionen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Mit einer Lockerung der Schuldenbremse würden gemäss einer Studie von Cédric Tille, Professor für internationale Ökonomie am Geneva Graduate Institute, bis 2030 mindestens 15 Milliarden Franken für Mehrausgaben zur Verfügung stehen, bis 2050 sogar 25 Milliarden. Dies, ohne dass sich die extrem niedrige Schuldenquote der Schweiz erhöht.
Für weitere Informationen:
Kristina Lanz, Expertin für internationale Zusammenarbeit, Tel. +41 31 390 93 40, kristina.lanz@alliancesud.ch
Andreas Missbach, Geschäftsleiter, Tel. +41 31 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
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