Offener Brief

NGOs in Israel/Palästina: Offener Brief an den Bundesrat

17.11.2023, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung

In einem Offenen Brief fordern Schweizer NGOs, darunter Alliance Sud, den Bundesrat auf, Transparenz darüber zu schaffen, auf welcher Grundlage die Finanzierung von elf langjährigen EDA-Partnerorganisationen in Israel/Palästina suspendiert wurde.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

NGOs in Israel/Palästina: Offener Brief an den Bundesrat

Medienmitteilung

Anhaltender Abwärtstrend bei Entwicklungsausgaben

10.04.2019, Entwicklungsfinanzierung

Ein weiteres Mal kommuniziert der Bundesrat einen Rückgang bei der weltweiten Armuts­bekämpfung durch die Schweiz. Und dies, obwohl der Bund Jahr für Jahr Milliardenüber­schüsse ausweist. 2017 sowie 2018 lagen diese in der Höhe der Ausgaben seiner Ent­wicklungshilfe.

Anhaltender Abwärtstrend bei Entwicklungsausgaben

© Daniel Hitzig/Alliance Sud

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Gemessen am Bruttonationalprodukt (BNE) der Schweiz sinkt der Anteil der öffentlichen Ent­wicklungsgelder erneut. Gemäss Mitteilung des Bundesrats betrug die sogenannte APD-Quote (Aide publique au développement) im Jahr 2018 noch 0.44%. 2017 lag die APD-Quote bei 0.46%.

In der aktuellen Botschaft über die internationale Zusammenarbeit für die Jahre 2017-2020 setzte sich der Bundesrat das Ziel, 0.48% des BNE für staatliche Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Das von ihm 2016 beschlossene Stabilisierungsprogramm sah Kürzungen insbe­sondere bei der internationalen Zusammenarbeit vor, welche das Beibehalten einer APD-Quote von 0.5% – wie vom Parlament beschlossen – aus seiner Sicht verunmöglichten. Die letzten Zahlen zeigen nun, dass der Bundesrat nicht einmal sein selbst gesetztes Ziel einhält, sondern sich im Gegenteil immer weiter davon entfernt.

Gleichzeitig weist der Bundeshaushalt jährlich Überschüsse in Milliardenhöhe aus. 2018 schloss der Bundeshaushalt mit einem ordentlichen Überschuss von 2,9 Milliarden Franken ab. Das ent­spricht ziemlich genau der Summe, welche die Schweiz im selben Jahr für Entwicklungszusam­menarbeit aufwendete.

In der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 argumentierte der Bundes­rat, dass die Schweiz die darin festgelegten Ziele auch mit einer Quote von 0.48% erreichen könne. Er wies aber darauf hin, dass «bei einer deutlichen Kürzung dieser Mittel der Bund diese Ziele nicht mehr verwirklichen [könnte].» Deutliche Kürzungen hätten demnach «nicht nur ver­heerende Folgen für die betreffenden Begünstigten, sondern würden auch die Wirksamkeit und die Glaubwürdigkeit gegenüber den Partnerländern und anderen Geberländern beeinträchtigen. Zudem würde dadurch der Beitrag der Schweiz zur internationalen Stabilität geschmälert.»

Ein beträchtlicher Teil der als APD ausgewiesenen Ausgaben fällt für die Betreuung von Asylsu­chenden in der Schweiz an. Zieht man diese Kosten, die zwar absolut notwendig, aber nichts mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun haben, von der APD ab, sinkt der Anteil der echten Ent­wicklungshilfe am BNE gar auf 0.40%. Die Schweiz bleibt damit weiterhin die grösste Empfän­gerin ihrer eigenen Entwicklungsausgaben; aktuell fliessen 9 % der gesamten APD-Ausgaben in die Unterstützung Asylsuchender in der Schweiz.

Artikel, Global

Wenn mehr weniger ist

27.03.2023, Entwicklungsfinanzierung

Die globale Ungleichheit wächst und wächst − anders als die Entwicklungsfinanzierung der OECD-Mitglieder. Reiche Länder wie die Schweiz setzen vor allem auf fragwürdige Buchführungspraktiken, um ihren Beitrag schönzureden.

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Wenn mehr weniger ist
Schlafsaal in einer Asylunterkunft in der Freiburger Poya-Kaserne, die ab Januar 2023 als Asylunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine genutzt wird.
© Peter Klaunzer/Keystone

Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD DAC) hat 1969 die international anerkannte Referenzgrösse der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung eingeführt: die Aide publique au développement (APD; Official development assistance, ODA). Seither ist sie der Massstab für die Erfassung des Umfangs und der Qualität der bereitgestellten Mittel und bildet damit die Grundlage für die Beurteilung dafür, ob die Geberländer ihren Versprechungen nachkommen.

Die APD wird definiert als Entwicklungsfinanzierung, die a) von staatlichen oder lokalen Regierungen gewährt wird; b) die Empfängerländer in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unterstützt und c) konzessionär ist, das heisst reine Zuwendungen oder Kredite zu Vorzugsbedingungen umfassen. Die Auslegung dieser Definition gibt immer wieder Anlass zu hoch technischen und gleichzeitig politischen Debatten. Im Kern geht es darum, welche öffentlichen Ausgaben der APD angerechnet werden dürfen. Die unterschiedlichsten Akteure kritisieren, dass die OECD-Mitgliedsstaaten ihre effektiven Zugeständnisse über zweifelhafte und kreative Buchführungspraktiken künstlich in die Höhe treiben und damit die Definition von «Entwicklungshilfe» immer mehr verwässern.

Wie OECD-Mitglieder ihre Knauserigkeit schönreden

Die Kritik an der Anrechenbarkeit kommt sowohl aus der OECD selbst als auch aus den Ländern des Globalen Südens und von Nichtregierungsorganisationen weltweit. Dabei geht es primär um zwei Tendenzen: Die künstliche Aufblähung der APD durch die Anrechnung von Geldern, welche nicht im engeren Sinn zur Entwicklungszusammenarbeit gehören (ODA inflation) und die gleichzeitige Kürzung von Mitteln in Bereichen, wo sie dringend notwendig sind (ODA diversion). So wird getrickst:

1.    Kosten für Asylsuchende im Inland

Seit 1988 können die Kosten für die Unterbringung und Ausbildung von Geflüchteten während dem ersten Jahr ihres Aufenthalts im Geberland (in-donor refugee costs) der APD angerechnet werden. Während es die OECD den Ländern selbst überlässt, ob und wieviel Asylkosten sie der APD anrechnen, nutzt die Schweiz den Spielraum jeweils grösstenteils aus. 2021 machten diese Ausgaben 9% der gesamten APD der Schweiz aus. Darin enthalten sind die Pauschalen, die das Staatssekretariat für Migration an die Kantone entrichtet, die Kosten der Bundesasylzentren (inkl. Beschäftigungsprogramme), die Kosten für die Rechtsvertretung während der Verfahren, jene für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie die Kosten an die Kantone für schulpflichtige Kinder in den Bundesasylzentren. Auch wenn diese Gelder für den Schutz von Menschen in der Schweiz eingesetzt werden, haben sie keinen entwicklungspolitischen Effekt und tragen nicht zur Reduktion von Armut und Ungleichheit im Globalen Süden bei.

Es ist zu erwarten, dass die APD für 2022 aufgrund der Anrechnung der Kosten der ukrainischen Geflüchteten durch die Decke geht (ohne dass tatsächlich mehr in die EZA investiert wurde). Im schlechteren Fall werden die Asylkosten angerechnet, ohne dass die APD-Quote steigt, was reale Kürzungen in anderen Bereichen bedeuten würde. Damit würden ärmere Länder, die ohnehin schon unter den Auswirkungen des Krieges leiden, auch noch die Rechnung für die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten in Europa bezahlen.

2.    Privatsektor-Instrumente

2016 hat der OECD-Entwicklungsausschuss entschieden, dass sogenannte Privatsektor-Instrumente (PSI)  also verschiedene Arten von Investitionen, Beteiligungen und Garantien an Unternehmen für die Mobilisierung privater Finanzmittel  ebenfalls der APD angerechnet werden können. Weil sich die Mitglieder des OECD DAC nicht auf eine gemeinsame Definition von «Vorzugsbedingungen» bei Krediten an den Privatsektor einigen konnten, wurden vorläufige Bestimmungen zur Anrechenbarkeit der PSI verabschiedet, welche den Grundwert der Konzessionalität untergraben. Für die Anrechnung der PSI an der APD muss jetzt nur noch die Zusätzlichkeit der Entwicklungsgelder (additionality) ausgewiesen werden, was das Konzept der APD im Grundsatz erschüttert.

Bisher scheint die einzige Begründung zur Anrechnung der PSI zu sein, dass der Privatsektor als Antwort auf die fehlenden und dringend benötigten Mittel zur Entwicklungsfinanzierung gesehen wird. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Empfängerländer interessant: Der weitaus grösste Teil des durch PSI erzielten Mitteleinsatzes geht an Länder mit mittlerem Einkommen (2018: 59%, 2019: 51%), verglichen mit 7% (2018) und 2% (2019), die in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) zu verzeichnen sind. Die Geberländer müssen sich auf strenge und verbindliche Kriterien und Standards sowie auf wirksame Transparenz- und Rechenschaftsmechanismen einigen, die den Einsatz von PSI in der Entwicklungszusammenarbeit regeln und den entscheidenden konzessionären Charakter der öffentlichen Entwicklungsgelder nicht gefährden. In der Schweiz nimmt die Rolle der PSI bisher einen marginalen Stellenwert ein (40 Mio. CHF). Doch mit der zunehmenden strategischen Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit auf die Kooperation mit dem Privatsektor, ist es durchaus möglich, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren massiv steigen wird.

3.    Abgetretene Corona-Impfdosen

2021 beschloss der Entwicklungsausschuss, dass Corona-Impfdosen, die an ärmere Länder abgetreten wurden, den Entwicklungsausgaben zum Referenzpreis von 6.72 USD pro Impfdosis angerechnet werden dürfen. Dies ist ebenso absurd wie skrupellos, denn diese Impfdosen wurden nie im Interesse der ärmeren Länder gekauft − im Gegenteil, die masslosen Käufe in reichen Ländern führten dazu, dass sie in anderen Ländern weder verfügbar noch zahlbar waren. Die Positionierung der Schweiz ist zusätzlich fragwürdig, da sie als einziges Land den Umfang der gespendeten, überschüssigen Impfdosen aus Datenschutzgründen nicht transparent machen will.

Die Auswirkungen auf die APD-Quote sind beträchtlich. Gegenüber dem Vorjahr ist die gesamte APD aller OECD-Länder um 8,5% angestiegen, was hauptsächlich auf die COVID-19-Unterstützung, insbesondere in Form von Impfstoffspenden, zurückzuführen ist. Ohne diese Impfstoffspenden wäre die APD 2021 nur um 4,8% gestiegen. Im Entwicklungsausschuss ist aktuell die Debatte darüber im Gang, zu welchem Referenzpreis die Spenden der APD im Jahr 2022 angerechnet werden können. Statt über den Preis zu verhandeln, täten die DAC-Mitglieder gut daran, die Anrechnung auf die tatsächlich für den Globalen Süden erworbenen Impfdosen zu beschränken.

Glaubwürdigkeit wiederherstellen

Die zunehmende Verwässerung der APD untergräbt die Glaubwürdigkeit von Geberländern. Gleichzeitig fehlen dem Globalen Süden die Mittel zur Bekämpfung der multiplen Krisen, welche zahlreiche Menschen in Armut, Not und Hunger drängen. Es scheint sonderbar, dass das OECD DAC die Kriterien zur Anrechenbarkeit von öffentlichen Entwicklungsausgaben selbst definiert. Denn trotz des Mandats des DAC, die Qualität und Integrität der APD sicherzustellen, laufen die bisher erzielten Vereinbarungen meist in die entgegengesetzte Richtung und wirken sich negativ auf die Qualität und Quantität der Gelder aus, die die Länder des Globalen Südens erreichen. Ein erster Schritt zur Verbesserung der Integrität der APD wäre beispielsweise der Aufbau einer unabhängigen statistischen Instanz  zum Beispiel eines offiziellen Gremiums, welches aus Expert:innen aus Geber- und Empfängerländern besteht. Nur ein solches Gremium wird in der Lage sein, die Regeln zu reformieren und die Glaubwürdigkeit der ausgewiesenen Entwicklungsgelder wiederherzustellen.

Wenn die reichen Länder, wie sie behaupten, wirklich an Transparenz, Ehrlichkeit und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen glauben, müssen sie ihre kleinlichen Buchhaltungspraktiken einstellen und ihre Versprechen einlösen. Die APD muss wieder im engen Sinn definiert werden und den Fokus auf die Überwindung von Armut und Ungleichheit legen. Die Schweiz sollte sich im OECD DAC für eine solche enge Definition der APD einsetzen und sich in ihrer Berichterstattung auch daran halten. Ein weiterer und wichtiger Schritt wäre das Erreichen des 0.7%-Ziels, und zwar ohne die Anrechnung der Asylkosten, der gespendeten Corona-Impfstoffe, der Privatsektor-Instrumente und der Stipendien für ausländische Studierende in der Schweiz. Werden alle diese Kosten der Quote von 2021 abgezogen, erreichte die Schweiz gerade mal eine APD von 0.44% (siehe Graphik). Da fehlt fast ein Drittel für die Erreichung des 1970 vereinbarten UNO-Ziels von 0.7% des Bruttonationaleinkommens.

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© Alliance Sud


Die Schweiz hat für 2021 0.5% APD ausgewiesen. Wenn die Ausgaben, welche nicht den Kriterien von Konzessionalität und grenzüberschreitender Geldflüsse entsprechen, abgezogen werden, dann kommt die Schweiz auf eine APD von 0.44%. Dies ist weit entfernt vom international vereinbarten Ziel von 0.7%

APD in der Krise

Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat gezeigt, wie rasch öffentliche Entwicklungsgelder unter Druck kommen können. Kurz nach dem Ausbruch des Kriegs haben zahlreiche Länder ihre Budgets für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe eingefroren oder gekürzt, in manchen Fällen wurden die Gelder auch explizit umgelagert, um die Kosten zur Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge zu decken.

In der Schweiz ist trotz verschiedener Angriffe auf die Entwicklungsgelder im Parlament noch nicht absehbar, wie sich das Budget für die internationale Zusammenarbeit entwickeln wird. Mit dem massiven Ausbau der Militärausgaben in den nächsten Jahren, welcher unter Einhaltung der Schuldenbremse nicht machbar ist, stehen bereits für 2024 Kürzungen bei den schwach gebundenen Ausgaben des Bundeshaushalts an. Jetzt bei den Entwicklungsausgaben zu sparen, ist aber exakt das Falsche, denn die Bedürfnisse ärmerer Länder aufgrund der multiplen Krisen waren nie grösser und ihr Handlungsspielraum aufgrund der akuten Schuldenkrise nie kleiner.

 

Einführung des Subventionsäquivalents

2019 wurde das Subventionsäquivalent (grant equivalent) eingeführt, um den «Effort» der Geberländer besser abzubilden. Im Kern geht es darum, dass reine Zuwendungen (ein grösserer Effort der Geber) und Kredite (kleinerer Effort) nicht gleichwertig in der APD abgebildet werden sollen. Deshalb kann seit 2019 nur noch der Subventionsanteil von Krediten als APD ausgewiesen werden. So weit, so gut.

Das Problem an der Geschichte: Subventionsäquivalente sind nur dann glaubwürdig, wenn die Geber den Barwert der Rückzahlungen unter Verwendung aktueller Marktzinssätze errechnen. Stattdessen beschloss das DAC fixe Zinssätze von 6, 7 oder 9 Prozent (bestehend aus einem «Basissatz» von 5 Prozent plus einer «Risikomarge» von 1, 2 oder 4 Prozent, je nach Pro-Kopf-Einkommen des kreditnehmenden Landes). Mit diesen hohen Sätzen wird der Gegenwartswert der Rückzahlungen unterschätzt, was zu überhöhten Subventionsäquivalenten führt. Dies selbst bei Krediten, die zu Marktbedingungen gewährt werden.

Aktuelle Zahlen der OECD zeigen, dass die Veränderung der Methodologie bisher einen kleinen Effekt auf die APD insgesamt hatte (+2.3% in 2018, +3.6% in 2019 und -0.2% in 2020). Jedoch ist die Veränderung bei einzelnen Ländern, die einen grossen Anteil ihrer APD über Kredite an die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sprechen, signifikant: für 2020 waren es +19% für Japan, +9% für Spanien und -12% für Frankreich. Die Schweiz ist von dieser neuen Methodologie nur am Rande betroffen, denn sie rechnet der APD nur wenige Kredite an.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Artikel

Was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte

14.04.2023, Entwicklungsfinanzierung

Aussenminister Ignazio Cassis informierte über die mittelfristige Finanzierungsstrategie zur Ukraine-Unterstützung. Doch er verzichtete auf Ausführungen zur Herkunft der Gelder. Wir erläutern, was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Was Bundesrat Cassis nicht sagen wollte

© Stephan Poost / pixelio.de

Im Kontext der Frühlingstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Washington gab Bundesrat Cassis am 13.4. in der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF ein Interview. Dabei betonte er die langfristige Unterstützung der Ukraine; gleichzeitig versprach er, dass die Gelder für die Armutsbekämpfung im Globalen Süden gewährleistet bleiben. Geht diese Rechnung auf?

Bundesrat Cassis erläuterte, dass in einem ersten Schritt «etwas Geld von der internationalen Zusammenarbeit in einen separaten Fonds in der Höhe von 1.8 Milliarden gesetzt» würden. Doch wie werden diese 1.8 Mia. Franken finanziert, ohne das Budget für Internationale Zusammenarbeit (IZA) zu belasten? Gemäss unseren Informationen setzen sich die 1.8 Milliarden wie folgt zusammen:

  • 300 Mio. Franken sind für 2023–2024 vorgesehen (bestehend aus Zusatzkrediten und laufendem Budget).
  • Schon bisher war bekannt, dass das vorgesehene nominale Wachstum der IZA-Ausgaben 2025-2028 (+2.5%/Jahr) für den Wiederaufbau der Ukraine reserviert wird, das ergibt rund 650 Millionen Franken.
  • Es fehlen also 850 Mio. Franken, die zulasten des Budgets für Internationale Zusammenarbeit 2025-2028 gehen werden.

Dieses Budget wurde aber bereits im Rahmen der Eckwerte der mehrjährigen Finanzbeschlüsse eingefroren (eben weil das nominale Wachstum vollständig für die Ukraine verwendet wird), real wird es allein deshalb im aktuellen Inflationsumfeld sinken. Man könnte zwar jetzt noch argumentieren, dass ja schon vor dem Krieg IZA-Geld aus der «Entwicklungszusammenarbeit Ost» für die Ukraine verwendet wurde, also gar nicht so viel umgeschichtet werden muss. Im Schnitt über 4 Jahre waren das aber bis 2021 nur etwa 33 Mio. Franken pro Jahr, es fehlen also auch so schöngerechnet noch über 700 Millionen.

Kann also, wie Bundesrat Cassis sagt, «die totale Summe für die normalen Programme der Armutsbekämpfung und der nachhaltigen Entwicklung [bestehen bleiben]»? Eben nicht, die Aussage verschleiert die Tatsache, dass die Prioritäten innerhalb der internationalen Zusammenarbeit neu gesetzt werden müssen, um 700 Millionen einzusparen und die Solidarität mit der Ukraine auf Kosten der Solidarität mit anderen Ländern geht. Ländern des Globalen Südens, welche nach wie vor unter den Auswirkungen der Corona-Krise, den steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen leiden und zunehmend von der Klimakrise betroffen sind.

Alliance Sud fordert die grosszügige Unterstützung der Ukraine im humanitären Bereich, bei der Aufnahme von Geflüchteten in der Schweiz und beim Wiederaufbau. Doch diese Unterstützung muss zusätzlich finanziert werden und darf nicht auf Kosten der globalen Armutsbekämpfung gehen. Im Gegenteil, die Entwicklungsfinanzierung muss endlich erhöht werden.

Meinung

Selektive Solidarität

03.12.2015, Entwicklungsfinanzierung

Zuerst Terror und aktuell die Klimakonferenz in Paris. Wie ernst ist es der Schweiz mit ihrer Solidarität mit der Welt? GLOBAL+-Editorial von Alliance Sud-Geschäftsleiter Mark Herkenrath.

Selektive Solidarität

Mark Herkenrath, ehemaliger Direktor vom Alliance Sud
© Daniel Rihs/Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Am Abend des 16. November wurde das Bundeshaus in die Farben der Trikolore getaucht. Ein schönes und wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Pariser Terroranschläge. Aber auch ein Mahnmal der selektiven Wahrnehmung. Wie wäre es, wenn sich Bundesrat und Parlament auch einmal mit Opfern jenseits unserer europäischen Nachbarländer solidarisch zeigten? Das Bundeshaus im Licht der Flagge Malis oder des Libanons? Oder jener Tuvalus, wo der Klimawandel schon jetzt verheerende Folgen zeigt. Wie ernst es der Schweiz mit ihrer Solidarität mit der Welt ist, steht aktuell an der Pariser Klimakonferenz auf dem Prüfstand.

Ein Indikator für die Haltung der Schweiz gegenüber den Benachteiligten dieser Welt ist die Höhe der öffentlichen Entwicklungshilfe. Seit ein paar Wochen ist auf der Website des Aussendepartements EDA nachzulesen, dass sie im Jahr 2014 die vom Parlament beschlossenen 0,5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) erreicht hat – es waren sogar 0,51%. Grund zum Jubeln ist das indes nicht. Selbst das EDA zog es vor, das an sich erfreuliche Ergebnis für sich zu behalten und verzichtete vornehm auf eine Medienmitteilung.

Tatsache ist, dass es sich bei einem beträchtlichen Teil der schweizerischen Entwicklungsausgaben um Phantomhilfe handelt. 2014 wurden rund 17% des Aufwandes, den sich die Schweiz als bilaterale öffentliche Entwicklungszusammenarbeit anrechnen lässt, für Hilfe an Asylsuchende im Inland ausgegeben. In anderen Geberländern beträgt der Anteil des Entwicklungsbudgets, der für Asylsuchende im Inland benutzt wird, im Durchschnitt nur 4 bis 5%. Blieben die Asylausgaben, die den Entwicklungsländern so gut wie gar nichts nützen, von der Berechnung ausgeklammert, hätte sich öffentliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 2014 auf gerade einmal 0,44% des Nationaleinkommens belaufen.

Das Schweigen des EDA hat noch einen zweiten Grund: Die Entwicklungsausgaben der Schweiz werden im Rahmen des Budgets 2016 und des Stabilisierungsprogramms 2017-19 bereits wieder massiv reduziert. Sie sollen über die nächsten Jahre hinweg nur noch 0,47% des BNE betragen, inklusive der Hilfe an Asylsuchende. Das widerspricht nicht nur dem Beschluss des Parlaments von 2008, die Schweiz müsse eine Entwicklungshilfequote von 0,5% des BNE erreichen, sondern auch dem langfristigen Interesse der Schweiz an einer stabilen und friedlichen Weltordnung. Bleibt die leise Hoffnung, dass das neugewählte Parlament am 0,5%-Auftrag festhält und sich der bundesrätlichen Bevormundung widersetzt.

Kaum helfen wird dabei allerdings, dass auch Norwegen, Schweden und Finnland in den kommenden Jahren einen wachsenden Teil ihres Entwicklungsbudgets für Inlandhilfe an Asylsuchende einsetzen wollen. Norwegen könnte zukünftig bis zu 21% seines Entwicklungsbudgets für die Betreuung von Asylsuchenden innerhalb der eigenen Landesgrenzen benutzen. Im Unterschied zur Schweiz setzt Norwegen aber nicht nur 0,5%, sondern mehr als 1% seines Nationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit ein. Norwegen, Schweden und Finnland könnten bis zur Hälfte ihrer Hilfe für Asylausgaben einsetzen und würden immer noch einen grösseren Teil ihrer Nationaleinkommen für langfristige Entwicklungszusammenarbeit ausgeben als die Schweiz in ihren besten Zeiten.

Dieser Text wurde in der Winterausgabe 2015/16 von GLOBAL+ publiziert.

Artikel

Stabile Hilfe, bei den Ärmsten wird jedoch gekürzt

09.04.2015, Entwicklungsfinanzierung

Die Entwicklungsbudgets der Industriestaaten erreichten mit 135.2 Mrd. US-$ 2014 wieder den Stand von 2013. Allerdings gelangt immer weniger Geld in die ärmsten Länder.

Stabile Hilfe, bei den Ärmsten wird jedoch gekürzt

Gemäss Entwicklungsausschuss (Development Assistance Committee, DAC) der OECD-Länder egalisieren die Entwicklungsbudgets 2014 das Rekordhoch von 2013. Insgesamt gaben die 29 Länder letztes Jahr 135.2 Milliarden US-$ für Entwicklungszusammenarbeit aus. Gemessen am gesamten Bruttonationaleinkommen (BNE) der DAC-Länder entspricht dies 0.29%. Damit wird die UNO-Zielvorgabe, 0.7% des BNE für Entwicklungshilfe auszugeben, weiterhin nicht annähernd erreicht. Geographisch kommt es zu Veränderungen. Dort, wo Entwicklungsgelder am dringendsten benötigt werden, sind die Beiträge gefallen. Bei den ärmsten Ländern (Least Developed Countries, LDC) wurde 8% gekürzt (abzüglich Entschuldungen). Ebenfalls gekürzt wurde bei den nicht rückzahlbaren Beiträgen. Diese sind 2014 um 4% gesunken. Auf der anderen Seite ist der Anteil an Krediten und Darlehen um 41% gestiegen.


Wer aufgestockt, wer gekürzt hat

Insgesamt erhöhten dreizehn Länder ihre Entwicklungshilfe. Signifikant verbessert haben sich Finnland (+12.5%), Deutschland (+12.0%) und Schweden (+11.0%). Stark gekürzt haben Spanien (-20.3%), Japan (-15.3%), Portugal (-14.9%), Kanada (-10.7%) und Frankreich (-9.2%).
Der Entwicklungsausschuss veröffentlicht auch Daten über die Geldflüsse, die tatsächlich in den Entwicklungsländern ankommen (country programmable aid). Aus den Industrieländern waren dies 2014 63.9 Milliarden US$, 4.7 Milliarden US$ oder 6.9% weniger als 2013.
Auch die Schweiz hat 2014 ihr Entwicklungsbudget erhöht, und zwar um 9.2%. Insgesamt gab sie im letzten Jahr 3‘246 Mio. CHF für Entwicklungshilfe aus. Gemessen am BNE ergibt dies 0.49%. Das vom Parlament für 2015 gesetzte Ziel, 0.5% des BNE für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben ist damit in greifbare Nähe gerückt. In der DAC-Rangliste kann die Schweiz so ihren 8. Platz verteidigen. Von der Erhöhung konnte insbesondere die humanitäre Hilfe profitieren, deren Mittel um 19.7% gestiegen sind.
Gemäss Definition des Entwicklungsausschusses kann auch eigentliche Nicht-Hilfe als Entwicklungshilfe angerechnet werden. In der Schweiz machen insbesondere Ausgaben für Asylsuchende einen grossen Anteil aus. Nach dem starken Rückgang 2013 sind diese 2014 wieder um 18.7 Mio. CHF gestiegen (+6.0%). Diese «Phantomhilfe» macht derzeit 14% des Schweizer Entwicklungsbudgets aus. Die reale, entwicklungswirksame Hilfe belief sich auf 2‘783.3 Mio. CHF. Dies entspricht 0.42% des BNE.
Gemäss Parlamentsbeschluss, die schweizerische Entwicklungshilfe auf 0.5% des BNE zu erhöhen, muss die Erhöhung der DEZA und dem Seco zugutekommen. Insgesamt verteilen DEZA und Seco die 2‘392.9 Mio. CHF ihres Budgets zu 76% auf bilaterale und zu 24% auf multilaterale Programme. 234.8 Mio CHFentfallen auf andere Bundesämter, insbesondere im EDA (Abteilung menschliche Sicherheit), VBS und UVEK (Bundesamt für Umwelt).

Meinung

Mehr Klimaschutz, weniger Entwicklungshilfe?

18.06.2015, Entwicklungsfinanzierung

Peter Niggli, Alliance Sud-Geschäftsleiter, widerspricht Bafu-Direktor Bruno Oberle: Das Vorhaben, Entwicklungshilfe in Klimazahlungen umzupolen, widerspreche dem Gesetz.

Mehr Klimaschutz, weniger Entwicklungshilfe?

© Daniel Rihs/Alliance Sud

Der Klimawandel kommt teuer zu stehen. Wenn wir ihn nicht bremsen, nehmen Ernteausfälle, Überflutungen tiefgelegener Küstenregionen, Krankheiten, Massenwanderungen und bewaffnete Konflikte um Ressourcen zu. Ihn zu bremsen, kostet ebenfalls. Dazu müssen Energiegewinnungs-, Produktions- und Transportsysteme global auf erneuerbare Energien umgestellt werden – was unter dem Begriff Klimaschutz verstanden wird. Moderate Schätzungen gehen von jährlich 200 Mrd. Dollar aus, welche dafür ab 2020 in Schwellen- und Entwicklungsländern investiert werden müssten. Hinzu kommen 50 Mrd. jährlicher Investitionen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Dazu gehören Küstenschutzsysteme gegen den Meeresspiegelanstieg, Veränderungen der Wasserläufe oder Umsiedlungen innerhalb betroffener Länder, um nur ein paar Punkte zu nennen.
Diese 250 Mrd. fallen in den Entwicklungsländern zusätzlich zu dem an, was der weitere Ausbau der Bildungs- und Gesundheitssysteme oder der Infrastruktur kostet. Die Industrieländer versprachen in Kopenhagen 2009, sich an den gesamten Klimakosten mit 100 Mrd. jährlich, also zu 40 Prozent, zu beteiligen. Und zwar zusätzlich zur Entwicklungshilfe von heute 135 Mrd. Unsere Länder könnten diese 100 Mrd. leicht und verursachergerecht generieren, wenn sie die heimischen Treibhausgasemissionen preislich mehr belasten, als sie es ohnehin tun müssen, wenn sie den eigenen Klimaschutz vorantreiben. Vom Willen, die dazu nötigen politischen und gesetzlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in vielen Industrieländern, auch in der Schweiz, aber wenig zu spüren. Das zeigt exemplarisch das Interview mit Bruno Oberle, dem obersten Umweltschützer der Schweiz.
Oberle behauptet apodiktisch, es sei politisch schon entschieden, dass der Klimabeitrag der Schweiz aus dem Entwicklungsbudget finanziert werde. Da dieses auf 0,5 Prozent erhöht worden sei, handle es sich um «neues, zusätzliches» Geld. Das widerspricht den internationalen Vereinbarungen. Schon bisher nahmen die Schweiz und andere westliche Länder ihre homöopathisch dosierten Klimabeiträge aus dem Entwicklungsbudget. Ab 2020 geht es aber um mehrere hundert Mio. Franken jährlich zulasten der Entwicklungsaufgaben von Deza und Seco. Für Oberle ist das kein Problem. Die Prioritäten der Entwicklungshilfe seien ständigem Modewandel unterworfen. Habe man sich früher auf Gender oder Dezentralisierung konzentriert, müsse man sich nun eben auf Klima ausrichten. Das nütze den Armen auch. Klima kann man aber so wenig essen, wie man genug zu essen kriegt, wenn der Klimawandel völlig aus dem Ruder läuft. Ceterum censeo: Oberles Vorhaben widerspricht dem Entwicklungshilfegesetz.

Editorial zu GLOBAL+ Nr 58, Sommer 2015

Artikel

Ein (zu) kleiner Schritt

21.07.2015, Entwicklungsfinanzierung

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. Eva Schmassmann über das magere Ergebnis der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung vom Juli 2015 in Addis Abeba. Und die Aussichten für die nachhaltigen Entwicklungsziele.

Ein (zu) kleiner Schritt

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

«Wir sind die erste Generation, die der Armut ein Ende setzen kann, und die letzte, die die schlimmsten Folgen des Klimawandels abwehren kann.» Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon wird nicht müde, mit diesen Worten auf die Chance und die Dringlichkeit hinzuweisen, mit der wir konfrontiert sind. Die internationale Staatengemeinschaft hat dieses Jahr die Gelegenheit, an drei Konferenzen Ban Ki-moons Appell Folge zu leisten. Letzte Woche fand in Addis Abeba die dritte internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung statt. Im September sollen in New York die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet werden, und im Dezember findet der Klimagipfel in Paris statt.

Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) sollen die dieses Jahr auslaufenden Millennium-Entwicklungsziele ablösen. Die SDG sind ein ambitioniertes Rahmenwerk, um die Welt bis 2030 in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Dazu gehört unter anderem die Ausrottung extremer Armut, der Schutz und Erhalt unserer Ökosysteme, aber auch der Wandel hin zu nachhaltigen Produktions- und Konsumstrukturen. Die Entwicklungsländer konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, bereits vor der Verabschiedung der SDG durch die Uno-Generalversammlung über die Finanzierung dieser globalen Agenda zu diskutieren. Denn, soweit sind sich alle einig, zur Erreichung der SDG werden enorme Summen Geld benötigt.
Das Gastgeberland der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, Äthiopien, ist selbst eines der ärmsten Länder der Welt, das vor kapitalen Herausforderungen steht. Rund zwei Drittel der Bevölkerung muss mit täglich weniger als zwei US-Dollar überleben. Analphabetenrate und Kindersterblichkeit sind enorm hoch. Die Konferenz in Addis Abeba hatte sich nicht das Ziel gesetzt, eine konkrete Summe Geld zu sprechen. Denn Geld allein reicht nicht, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Die Konferenz sollte vielmehr aufzeigen, welche Voraussetzungen es für nachhaltige Entwicklung braucht. Eine zentrale Rolle spielen dabei Änderungen im internationalen Finanzsystem, um bestehende Geldflüsse für die Entwicklung verfüg- und nutzbar zu machen. Doch just hier hat es die Konferenz verpasst, notwendige strukturelle Änderungen voranzutreiben.

Noch immer fliessen mehr Gelder vom globalen Süden in den Norden als umgekehrt. Laut einem Uno-Bericht verliert Afrika jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar durch unlautere Finanzflüsse. Das ist doppelt so viel, wie der Kontinent jährlich an Entwicklungsgeldern erhält. Die Datenlage ist allerdings schwach und es ist anzunehmen, dass die Finanzabflüsse sogar weit grösser sind.
Eine zentrale Forderung von Alliance Sud ist darum, diese unlauteren Finanzflüsse wirksam zu bekämpfen, zu verhindern, dass unversteuerte oder illegal erworbene Vermögen in ausländische Steueroasen verfrachtet werden. Dafür braucht es die enge Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Zielländern der dubiosen Gelder. Bis heute werden die Regeln für internationale Steuerpolitik von den reichen Industrieländern in der OECD bestimmt. Entwicklungsländer fordern darum seit langem eine Zusammenarbeit in Steuerfragen auf Augenhöhe im Rahmen der Uno. In Addis Abeba hätte die Gelegenheit genutzt werden können, um endlich ein zwischenstaatliches Gremium für Steuerfragen zu schaffen. Dies umso mehr als die Industrieländer verlangen, dass die Entwicklungsländer vermehrt eigene Ressourcen mobilisieren, sprich die nationalen Steuereinnahmen erhöhen. Dabei sind legale Steuervermeidungspraktiken und die Steuerflucht multinationaler Firmen nachweislich die Haupthindernisse bei der einheimischen Ressourcenmobilisierung. Doch die OECD-Länder beharrten auf ihrer Machtposition und haben die Schaffung dieses neuen Gremiums bis zur letzten Minute bekämpft. Auch auf die Gefahr hin, die Konferenz scheitern zu lassen. Zum Schluss haben die Entwicklungsländer klein beigegeben und in ein Abschlussdokument ohne Steuergremium eingewilligt.

Äthiopien stand dabei besonders unter Druck – und hat den Druck afrikanischen und anderen Entwicklungsländern weitergegeben. Als Gastgeberland lag ihm daran, die Konferenz zu einem Abschluss zu bringen. Die nächsten zwei Konferenzen finden in New York und Paris statt. Wie wird es dort um die Kompromissbereitschaft des Nordens bestellt sein? Denn eines ist nach Addis Abeba klar: Ban Ki-moons Wunsch wurde (noch) nicht erfüllt. Es sind noch viele, grössere Schritte notwendig, um der Armut ein Ende zu setzen und den Klimawandel zu bekämpfen.

Meinung

Schielen aufs Entwicklungsbudget

05.10.2015, Entwicklungsfinanzierung

Das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit schrumpft nicht nur. Es wird auch zusehends zum Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen.

Schielen aufs Entwicklungsbudget

© Daniel Rihs / Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Ende September verabschiedet die Uno die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung. Ein ambitiöser Zielkatalog soll bis in 15 Jahren nicht nur die Entwicklungsländer, sondern die gesamte Welt auf den Weg in eine sozial und ökologisch nachhaltige Zukunft führen. Die offizielle Schweiz brüstet sich damit, erfolgreich zur Ausarbeitung dieses Zielkatalogs beigetragen zu haben, und verspricht, sich aktiv an der Umsetzung zu beteiligen.
Dazu passt ausgesprochen schlecht, dass der Bundesrat ausgerechnet jetzt die Mittel für die internationale Zusammenarbeit massiv kürzen will. Sein Entwurf für das Bundesbudget 2016 sieht bei der Entwicklungszusammenarbeit im Süden und Osten Einsparungen von rund 85 Millionen Franken vor. Dem Vernehmen nach werden auch die Rahmenkredite für die internationale Zusammenarbeit 2017-20 kaum Besserung bringen: Voraussichtlich werden die Entwicklungsausgaben des Bundes unter den vom Parlament geforderten 0.5 % des Bruttonationaleinkommens bleiben – und dies trotz steigender Asylkosten (welche sich die Schweiz bekanntlich international als Entwicklungshilfe anrechnen lässt).
Ursprünglich sollte auch der humanitären Hilfe das Geld gekürzt werden. Diesen unseligen Entscheid hat der Bundesrat inzwischen aber rückgängig gemacht. Er hat kürzlich angekündigt, er wolle dieses und nächstes Jahr rund 70 Millionen mehr als geplant für humanitäre und friedensfördernde Massnahmen gegen die aktuelle Flüchtlingskatastrophe einsetzen. Die schlechte Nachricht: Ein Teil der Ausgaben soll ebenfalls zu Lasten der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen. Deren Budget schrumpft also gleich nochmals. Offensichtlich kommt dem Bundesrat nichts Besseres in den Sinn, als dringend benötigte Krisenhilfe zu Lasten der Ursachenbekämpfung von Armut und Not zu finanzieren.
Das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz schrumpft aber nicht nur, sondern wird zusehends zum Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen. Es wird schonungslos für die Klimafinanzierung benutzt und immer mehr auch für die Exportförderung. Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll auch der wirtschaftspolitisch wünschenswerte, entwicklungspolitisch aber höchst fragwürdige Beitritt der Schweiz zur asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB daraus berappt werden.
Deza-Direktor Manuel Sager, der uns in diesem Heft ein Interview gibt, bedauert zwar, dass solche Übergriffe die erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz gefährden. Er handelt wie ein ausgesprochen netter und hochanständiger Zeitgenosse. So anständig, dass er sich in politische Verteilungskämpfe lieber nicht einmischen will. Es sei Sache der Politik und nicht der Bundesverwaltung, die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit vor dem finanziellen Ausbluten zu bewahren. Andere Bundesämter treten da deutlich offensiver auf.
Auf Alliance Sud kommt viel (Überzeugungs-)Arbeit zu. Als neuer Direktor des Think-and-do-Tanks der Schweizer Hilfswerke freue mich auf diese Herausforderung. Denn es fehlt uns nicht an guten Argumenten.

Artikel

Deza-Direktor Manuel Sager im Interview

07.10.2015, Entwicklungsfinanzierung

«Zusätzliche Klimahilfe ohne neue Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit schränkt bisherige Aufgaben ein», sagt Deza-Direktor im GLOBAL+-Gespräch.

Deza-Direktor Manuel Sager im Interview

Deza-Direktor Manuel Sager
© Daniel Rihs / Alliance Sud

Mit seiner Aussage «Die Klimazahlungen werden aus Entwicklungsbudget bezahlt werden» provozierte Bruno Oberle, Direktor des Bundesamts für Umwelt in der letzten GLOBAL+-Ausgabe. Deza-Direktor Manuel Sager repliziert diplomatisch: Diesen Entscheid treffen Bundesrat und Parlament, nicht Amtsdirektoren.

GLOBAL+: Haben Sie noch Hoffnung, dass an der Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris ein griffiges Abkommen herauskommt?
Manuel Sager: So wie es jetzt – aufgrund der zugesagten CO₂-Reduktionsverpflichtungen – aussieht, ist man noch ziemlich weit von einem verbindlichen Abkommen entfernt. Das ist aber oft so bei internationalen Verhandlungen: Erfolge müssen erdauert, erstritten werden. Und oft kommt eine Einigung erst an der Verhandlung selbst zustande. Sicher habe ich noch Hoffnung!  


Bundesrätin Leuthard will bis zu 20% der Reduktion der Schweizer Treibhausgasemissionen über Entwicklungsprojekte im Ausland erreichen. Man schielt also im federführenden Bundesamt für Umwelt (Bafu) ganz offen zur Deza hinüber…
Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit hat per Gesetz den Auftrag der Armutsbekämpfung. Wenn Mitigations- und Klimaanpassungsmassnahmen zur Armutsreduktion beitragen, sind sie durchaus auf der Linie dessen, was wir bereits machen.

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Aber Klimamassnahmen sind ja nie auch zu 100% Armutsbekämpfungsmassnahmen. Wenn man mit den Deza-Geldern plötzlich viel mehr Klimaprojekte machen muss, dann müssen zwingend andernorts Abstriche gemacht werden. Ist die Deza in diesem Punkt tatsächlich auf derselben Linie wie das Bafu?
Man wird projektbezogen schauen müssen, was der Anteil an konkreter Armutsbekämpfung ist. Und welche Massnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in armen Ländern tatsächlich mit den Folgen des Klimawandels zusammenhängen.

Werden Sie dafür kämpfen, dass die Armutsbekämpfung im Zentrum des Deza-Auftrags bleibt?
Die Armutsbekämpfung ist unser Auftrag, den wir vom Parlament haben. Wir setzen um, was uns das Parlament und der Bundesrat vorgeben. Und im Moment sehe ich keine Anzeichen, dass sich am Auftrag der Armutsbekämpfung irgendetwas ändern sollte – in gesetzlicher Hinsicht schon gar nicht.

Im GLOBAL+-Interview mit Bafu-Direktor Bruno Oberle (Nr. 58, Sommer 2015) entstand der Eindruck, dass gewisse politische Entscheide bereits getroffen wurden: Das Umweltproblem «Klimawandel» soll über die Deza-Finanzierung angegangen werden. Oder zugespitzt gesagt: das Bafu verhandelt auf internationaler Ebene und macht Zusagen; ausführen muss es dann aber die Deza.
Zwar ist es auch mein Verständnis, dass Klimamassnahmen in Verbindung mit Armutsbekämpfung bei der Deza bleiben. Wie hoch diese Beträge aber schliesslich sein werden, was als Armutsbekämpfung betrachtet werden kann und was eben ausserhalb unseres Mandates liegen würde, das muss man im Einzelfall prüfen. Hier können die Auffassungen natürlich auseinandergehen, ja! Aber letztlich bestimmt der Bundesrat das Verhandlungsmandat.

Fakt ist, dass es für den internationalen Klimaschutz mehr und zusätzliche Finanzmittel braucht. Ohne Erhöhung des Budgets wird das zwingend zu Abstrichen bei Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit führen. Da müsste sich die Deza doch stark machen für eine Aufstockung der Entwicklungsgelder auf zumindest den versprochenen 0.7%-Anteil am Bruttonationaleinkommen.
Gut, der Bundesrat hat das Uno-Ziel der 0.7% akzeptiert, allerdings ohne zeitlichen Horizont. Das Parlament wird letztlich entscheiden, wann dieses Ziel umgesetzt werden wird.

Die Industrieländer sind die Hauptverursacher des Klimawandels. Also müssten die Mittel zur Behebung des Problems doch bei den Verursachern mobilisiert werden, zum Beispiel via eine erhöhte CO2-Abgabe oder die Besteuerung des Flugverkehrs?
Die Frage, wie wir in der Schweiz zusätzliche Mittel generieren, erfordert eine breite gesellschaftspolitische Debatte. Wichtig wird jedoch vor allem die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sein. Wie in anderen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit müssen öffentliche Mittel vor allem als Katalysator wirken, um in Partnerschaft mit dem Privatsektor innovative Technologien, den Wissenstransfer und Direktinvestitionen zu fördern. Es geht nicht einfach darum, [mit öffentlichen Mitteln] zum Beispiel höhere Dämme gegen Überschwemmungen zu bauen. Vielfach geht es auch um eine Verbesserung der Regierungsführung, Fragen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche Privatinvestitionen oder Technologietransfers ermöglichen.
Ich bin überzeugt, dass der grösste Teil der Klimafinanzierung über marktwirtschaftliche Instrumente kommen muss, weil – wie gesagt – die öffentlichen Gelder nie ausreichen werden, die 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren oder wie viele es dann sein werden bis 2020.

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Kann man den privaten Sektor tatsächlich dazu bringen, in den ärmsten Ländern in Klimaschutzmassnahmen zu investieren?
Es gilt, positiv auf die Rahmenbedingungen einzuwirken. Dazu gehören der Kampf gegen die Korruption oder die Einrichtung besserer Steuersysteme, die es den Entwicklungsländern erlauben, sich selber besser zu finanzieren, um öffentliche Dienstleistungen und Güter bereitzustellen. Ich bin überzeugt, dass ohne starken Privatsektor keine wirtschaftliche Entwicklung möglich ist – das ist bei uns so, und auch in Entwicklungsländern. Darum ist es wichtig, in den Entwicklungsländern Arbeitsplätze zu schaffen. Das kann auf verschiedene Arten geschehen: Entweder indem man den lokalen Privatsektor stärkt – das machen wir ja auch – oder man fokussiert wie gesagt auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, die ausländische Investitionen zulassen.
Wichtig ist, dass es zu einem inklusiven Wachstum kommt und nicht einfach eine Elite profitiert, oder dass Gewinne wieder ins Ausland abfliessen. Ich sehe es als Aufgabe der Deza, im Dialog in diesen Partnerschaften daraufhin zu wirken, dass die privaten Unternehmen ihre sozialen und Umweltverantwortungen wahrnehmen.

Ziel und Zweck von Privatunternehmen ist es, Gewinne zu erwirtschaften, und nicht die inklusive Entwicklung zu fördern. Kein Unternehmen wird freiwillig in die öffentliche Infrastruktur, zum Beispiel einen Damm gegen den ansteigenden Meeresspiegel, investieren.
Das ist sicher so. Ob ein Schutzdamm gebaut wird oder nicht, hängt davon ab, ob ein Staat die notwendigen Ressourcen dafür aufbringen kann. Ob es da nicht auch privat-öffentliche Partnerschaftsmodelle gibt, die erlauben, solche Projekte mit privaten Mitteln – mit einer gewinnorientierten Komponente – aufzubauen, das gilt es eben zu prüfen.

Der Bau von Lawinenverbauungen in der Schweiz ist ja auch kein «Business Case» mit «Return-on-Investment». Solche Investitionen muss der Staat machen. Wieso soll das in Entwicklungsländern anders sein?
Einverstanden, es wird weiterhin Aufgaben geben, z.B. im Gesundheits- oder Bildungsbereich, die staatliche Aufgaben sind; dort wird es schwierig sein, ein Businessmodell zu entwickeln. Andererseits,  je eher ein Staat fähig ist, Einkommen zu generieren – z.B. über die Besteuerung ausländischer Investitionen sowie eines starken inländischen Privatsektors – und sich so selber zu finanzieren, desto eher ist er in der Lage, Schutzdämme, Schulen, Krankenhäuser zu bauen.  Man kann zwar den Privatsektor nicht als Akteur der Entwicklungszusammenarbeit sehen. Das wäre falsch. Da würden wir ihm eine Rolle geben, die ihm nicht zukommt. Doch ich bin überzeugt, dass heute viele Unternehmer einsehen, dass sich die soziale und ökologische Verantwortung von Firmen und die Gewinnerzeugung nicht gegenseitig ausschliessen.

Aber es ist doch bedenklich, dass es kaum positive Beispiele gibt, wo solche öffentlich-privaten Partnerschaften tatsächlich auf längere Sicht Erfolg haben. Kommt dazu, dass sich beim Klimawandel der Finanzbedarf in ganz anderen  Grössenordnungen bewegt.
In der Tat ist es nicht die primäre Verantwortung des Privatsektors, den Klimawandel zu verhindern. Aber es liegt in seiner Verantwortung, seine Tätigkeit sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Das ist ein Unterschied!

Es bleiben also Fragezeichen, wie der Klimawandel und dessen Auswirkungen durch den Privatsektor behoben werden sollen. Vorbereitet werden solche Entscheide schon jetzt auf Ämterebene. Laut Bafu setzt die Schweiz zu 70% auf die Finanzierung durch private Unternehmen. Und bei den 30% öffentlicher Mittel schaut man aufs Deza-Budget. Und die Haltung des Bafu ist klar: Die Deza muss umdenken. Gehörten früher etwa auch Genderfragen zu den Prioritäten der Entwicklungszusammenarbeit, so muss es in Zukunft das Klima sein.
Letztlich werden die Entscheide nicht von Bundesämtern, sondern auf der Ebene Bundesrat und im Parlament getroffen.  Wobei die internationalen Rahmenvorgaben, wie die Uno-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (SDG), eine wichtige Rolle spielen. Dort ist das Klima eines unter 17 Zielen. Nochmals: Die Gewichtung bei der Umsetzung wird Gegenstand der politischen Debatte sein müssen.

Es ist ja genau an der Deza, die Schwerpunkte bei den Entwicklungsaufgaben zu setzen!
Genau, und unser gesetzliche Auftrag ist die Armutsbekämpfung. Für das gibt uns das Parlament alle vier Jahre unseren Rahmenkredit.

Ausser Deutschland, welches seine Klimagelder verdoppelt und die anrechenbaren öffentlichen Entwicklungsausgaben massiv aufstockt, folgt die Schweiz dem Trend der anderen Industrieländer: Klimafinanzforderungen werden ohne Aufstockung zunehmend und unter dem Deckmantel der Armutsbekämpfung mit Entwicklungsgeldern finanziert. Ist es nicht eine Zweckentfremdung, wenn Entwicklungsbudgets für die Klima-Schadensbehebung der Industrieländer eingesetzt werden?
Wenn für zusätzliche Aufgaben keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stehen, können Tätigkeiten der Entwicklungszusammenarbeit, die bisher für wichtig und wirksam betrachtet wurden, nicht mehr weitergeführt werden.

Angesichts der Flüchtlingskrise wäre jetzt doch der ideale Zeitpunkt, die Aufstockung unseres finanziellen Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit auf den Tisch zu bringen!
Ich finde, es gibt nur gute Zeitpunkte, um über eine Erhöhung der Entwicklungsbudgets zu reden. Aber es stimmt: Der Ruf nach internationaler Zusammenarbeit wird durch die Flüchtlingsströme lauter.  Ich denke, die Schweiz und ihre Bevölkerung sind grosszügig. Vor allem was die Solidarität mit armen Menschen angeht.

Kommen wir abschliessend nochmals auf die Klimakonferenz in Paris zu sprechen: Wie aktiv wird die Deza in die Vorbereitung des Mandats für die Delegation einbezogen? Täuscht unser Eindruck oder wird die Deza in diesen Konsultation überfahren?
Ich bin jetzt seit zehn Monaten in meinem Amt, habe mich aber bis jetzt eigentlich noch nie überfahren gefühlt. Nein, ich glaube, das sind jeweils gute Diskussionen, in denen man versucht, einen Interessenausgleich zu finden. Das ist unser System in der Schweiz, auf allen Ebenen, und ich glaube das funktioniert gut.

Alliance Sud wird jedenfalls den Druck aufrechterhalten, dass die Gelder der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für deren Kernaufgaben eingesetzt werden.
Die Zivilgesellschaft spielt mit ihrer Anwaltschaft für die Armutsbekämpfung in diesen ganzen Diskussionen eine wichtige Rolle. Das ist ganz klar!

Manuel Sager, danke für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klima und Umwelt» und Daniel Hitzig, ehemaliger Medienverantwortlicher Alliance Sud.

Das Interview ist in der Herbstausgabe 2015 von GLOBAL+ erschienen.