Artikel teilen
Medienmitteilung
Kurzsichtige Politik – leere Versprechungen
12.11.2015, Entwicklungsfinanzierung
Die Finanzkommission des Ständerates heisst Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit gut. Alliance Sud kritisiert den Entscheid angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen als kurzsichtig.

© Kurt Michel/pixelio.de
von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud
Die Finanzkommission des Ständerates hat heute Kürzungen im Budget der Entwicklungszusammenarbeit gutgeheissen. Damit widerspricht sie dem früheren Parlamentsbeschluss, 0.5% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszwecke einzusetzen. Alliance Sud kritisiert die geplanten Kürzungen angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen als kurzsichtig.
In ihrer Medienmitteilung informierte die Finanzkommission des Ständerats heute über ihre Bera-tungen zum Voranschlag des Bundesbudgets 2016. Der Bundesrat sieht darin Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit von über 115 Millionen Franken vor. Die ständerätliche Finanzkommission akzeptiert diese Kürzungen widerspruchslos. Damit verpasst sie es, den Parlamentsbeschluss von 2008 zu bekräftigen, jährlich 0.5% des Bruttonationaleinkommens für die Entwick-lungszusammenarbeit auszugeben.
Die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit sind angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen unzumutbar. Ende September feierte die Schweiz in New York die Verabschiedung der Agenda 2030, die ambitionierte globale Ziele für die nachhaltige Entwicklung vorgibt. Diese Ziele werden ohne zusätzliche Gelder nicht erreicht werden können. Mit einer Kür-zung noch vor dem Inkrafttreten der neuen Agenda signalisiert die Schweiz bereits ihren fehlenden politischen Willen, die notwendigen Mittel zur Umsetzung der Agenda bereitzustellen.
Gleichzeitig zeigen globale Flüchtlingsströme, dass es dringend mehr Engagement braucht, um langfristig mitzuhelfen, die Ursachen von Armut und Not zu bekämpfen. Bundesrat Burkhalter sieht jedoch im Gegenteil vor, dringend notwendige Aufstockungen bei der humanitären Hilfe bei der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit zu kompensieren, anstatt sie über zusätzliche Gelder zu finanzieren. Eine solche Kompensation ist kurzsichtig. Denn: Wenn der Bundesrat heute bei der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit spart, muss er morgen wieder mehr Geld für kurzfristige Kriseneinsätze ausgeben.
Bereits am 5. November folgte die Aussenpolitische Kommission des Ständerats dem Vorschlag des Bundesrats, die Kosten des Beitritts der Schweiz zur Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) soweit als möglich im Budget der internationalen Zusammenarbeit zu kompensieren. Damit folgt sie dem Trend, Gelder, die für entwicklungspolitische Zwecke reserviert sind, für andere Interessen einzusetzen, in diesem Fall für die Exportförderung.
Artikel
Entwicklungshilfe: Erfolgreiche Petition für 0.7%
20.12.2015, Entwicklungsfinanzierung
Eine breite Mobilisierung stand am Anfang der schrittweisen Erhöhung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit bis 2015. Aufgrund einer Petition stimmte das Parlament einer Erhöhung auf 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu.

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Die Kampagne «0.7% - Gemeinsam gegen Armut» stand am Anfang der schrittweisen Erhöhung der Schweizer Beiträge an die Entwicklungszusammenarbeit. Lanciert wurde sie 2004 von mehr als siebzig Organisationen, Gewerkschaften und Kirchen, koordiniert wurde die Petition durch Alliance Sud zu einer Zeit als drastische Kürzungen absehbar waren. Mit mehr als 200‘000 Unterschriften, die im Mai 2008 eingereicht wurden, war die Kampagne ein grosser Erfolg.
Breite Koalition und fruchtbares Lobbying
Gestützt auf diese breite Unterstützung aus der Bevölkerung konnte Alliance Sud im Parlament eine breite Koalition über verschiedene Parteien hinweg schmieden. Diese sprach sich für das Ziel aus, 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, ein höherer Wert wurde als politisch nicht durchsetzbar erachtet. Anfang 2008 betrug dieser Wert 0.37%, das Ziel des Bundesrats lag bei 0.4%. Dank des Lobbyings der Hilfswerke und dem Engagement von ParlamentarierInnen aus allen Lagern, gelang es, zuerst eine Mehrheit des Ständerats und schliesslich auch den Nationalrat von 0.5% zu überzeugen.
Widerstrebender Bundesrat, schliesslich Etappensieg
Zunächst ging es darum den Widerstand des Bundesrats zu brechen. Dieser führte Budgetüberlegungen ins Feld und weigerte sich zunächst, dem Auftrag des Parlaments vom Dezember 2008 zu folgen und eine Botschaft für einen Zusatzkredit vorzulegen. Schliesslich zwang ihn der Ständerat dazu. Im Dezember 2010 wurde eine erste Tranche für den Zeitraum 2011-12 bewilligt, was der Nationalrat im Februar 2011 mit 106 gegen 79 Stimmen bestätigte.
Mit einem klaren Ja zur Botschaft des Bundesrats über die internationale Zusammenarbeit 2013-2016 bestätigte der Nationalrat schliesslich am 5. Juni 2012, dass das Budget der Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 auf 0.5% erhöht werden soll. 2015 erreichte dieser Wert schliesslich 0.52%. Ein Betrag, den es allerdings zu relativieren gilt, besteht ein beträchtlicher Teil doch aus «Phantomhilfe»: 13% der öffentlichen Entwicklungsgelder werden für das Asylwesen in der Schweiz aufgewendet, wovon Entwicklungsländer in keiner Weise profitieren.
Ecopop verlangt Zweckbindung
Die Frage nach der Höhe der öffentlichen Entwicklungsausgaben kehrte im Herbst 2014 in die öffentliche Debatte zurück. Die hauptsächlich von Rechtsaussen-Kreisen lancierte Ecopop-Volksinitiative verlangte, dass die die jährliche Zuwanderung in die Schweiz auf 0.2% der Wohnbevölkerung beschränkt und 10% der Entwicklungsgelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werde.
Alliance Sud engagierte sich gemeinsam mit der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz gegen die zweite Forderung. Sie machte in der Öffentlichkeit klar, dass es den armen Ländern des Südens nicht an Empfängnisverhütungsmitteln fehle, sondern dass deren Bevölkerungen ungenügenden Zugang zu Gesundheit und Bildung hätten, sowie über zu geringe Einkommen verfügten.
Am 30. November 2014 schickten die Stimmberechtigten die Initiative mit 73%-Nein-Stimmen deutlich bachab. Die Medien sprachen danach von der Ecoflop-Initiative.
Kalte Dusche nach den nationalen Wahlen
Nach den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2015 verdüsterten sich die Aussichten für die Entwicklungszusammenarbeit erneut. Seit dem 18. Oktober verfügen SVP, FDP und verbündete Kleinstparteien zusammen mit 101 Sitzen über die absolute Mehrheit der 200 Sitze im Nationalrat.
Im Dezember 2015 bewahrheiteten sich die Befürchtungen von Alliance Sud: Im Budget für das Jahr 2016 stimmte der Nationalrat massiven Kürzungen von 115 Millionen CHF bei der Süd- und der Ostzusammenarbeit zu. Im Stabilisierungsprogramm 2017-2019 soll die Entwicklungszusammenarbeit die Hauptlast tragen.
Ermutigende Zeichen auf internationaler Ebene
Auf internationaler Ebene gibt es einen Hoffnungsschimmer gegen diese Kürzungen. Ende September 2015 wurden in New York in der Gegenwart von mehr als 150 Staats- und Regierungschefs die Agenda 2030 und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) verabschiedet. In Ziel 17 («Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft») wird bekräftigt, dass die entwickelten Länder 0.7% ihres BNE für Entwicklung einsetzen sollen.
Auf Uno-Ebene ersetzen die Ziele nachhaltiger Entwicklung die Millenniumsentwicklungsziele, die einseitig auf Armutsbekämpfung ausgerichtet waren. Die Agenda 2030 verpflichtet alle Länder, ihre Volkswirtschaften auf eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen auszurichten und auch in ihrem Inneren Ungleichheit zu bekämpfen.
Hingegen fehlt in der Agenda 2030 weitgehend der Wille, verbindliche Mechanismen gegen Steueroptimierung und Steuerflucht durch multinationale Unternehmen einzuführen. Diese Praxis führt zu einer eigentlichen Ausblutung von Ländern des Südens. Die Annahme der Agenda 2030 ist jedoch ein starkes Zeichen für eine positive Dynamik unter den Uno-Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz.
Artikel teilen
Artikel
Stabilisierungsprogramm: Aussenpolitisch unklug
16.03.2016, Entwicklungsfinanzierung
Alliance Sud kritisiert, dass ein übergrosser Teil der Sparvorschläge zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit und der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen soll.

© Daniel Hitzig/Alliance Sud
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Die Zusammenfassung der Vernehmlassung von Alliance Sud zum Stabilisierungsprogramm 2017-19
Alliance Sud ist sich der Notwendigkeit bewusst, die Bundesfinanzen in Einklang mit der Schuldenbremse zu bringen, kritisiert aber den Umfang und die höchst ungleiche Verteilung der vorgeschlagenen Sparmassnahmen auf die verschiedenen Aufgabengebiete. Gleichzeitig begrüssen wir ausdrücklich, dass der vorliegende Stabilisierungsvorschlag den möglichen Bedarf an nochmals weiteren Einsparungen ab 2018 nicht bereits vorwegnimmt. Es macht Sinn, diesen in einem späteren Moment zeitnaher und angemessener zu evaluieren.
Nichtsdestotrotz lehnen wir das Stabilisierungsprogramm in der aktuell vorgeschlagenen Form dezidiert ab. Zu kritisieren ist nicht zuletzt der weitgehende Verzicht auf Massnahmen zur Erhöhung der Einnahmen und insbesondere auf eine Gegenfinanzierung der ab 2019 zu erwartenden Mindereinnahmen des Bundes durch die Unternehmenssteuerreform III. Unhaltbar ist aber vor allem die ungleiche Lastenverteilung des Stabilisierungspakets. Sie bedeutet eine kurzsichtige finanzpolitische Prioritätensetzung in der Bundespolitik auf Kosten des langfristigen Schweizer Interesses an einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Zukunft.
Dass ein übergrosser Teil der Sparvorschläge zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit und insbesondere der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gehen soll, ist aussen- und wirtschaftspolitisch unvernünftig. Mit den vorgeschlagenen Kürzungen der Entwicklungsausgaben verhindert der Bundesrat, dass die wirtschaftlich stark globalisierte Schweiz einen angemessenen Beitrag an eine zukunftsfähige Welt leistet. Er setzt mit seinem Vorschlag nicht nur das aussenpolitische Ansehen der Schweiz aufs Spiel, sondern vernachlässigt darüber hinaus auch die binnenwirtschaftliche Bedeutung der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit.
Zurückzuweisen sind schliesslich auch die geplanten Einsparungen im Bereich Bildung und Forschung. Sie gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zu dem die Bildung beiträgt, und die Leistungsfähigkeit des Forschungsplatzes Schweiz.
Artikel teilen
Meinung
Entwicklungshilfe aus Eigennutz
22.03.2016, Entwicklungsfinanzierung
Das neu zusammengesetzte Parlament will die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt mit Schweizer Eigeninteressen verknüpfen.

© Daniel Rihs/Alliance Sud
von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud
Die Finanzkommission des Nationalrates hat vor wenigen Wochen bei der Behandlung der neuen Legislaturziele beantragt, die öffentliche Entwicklungshilfe über die nächsten Jahre auf 0.3% des Nationaleinkommens zu kürzen. Das würde eine Halbierung der Ausgaben für die eigentliche Entwicklungszusammenarbeit im Ausland bedeuten. Die Hilfe an Asylsuchende im Inland, die von der Schweiz unsinnigerweise auch zu den Entwicklungsausgaben gezählt wird, würde dann fast ein Drittel dieser Ausgaben ausmachen.
Im Nationalrat selbst wird der radikale Kürzungsvorschlag der Finanzkommision kaum eine Mehrheit finden. Aus bürgerlichen Kreisen ist jedoch zu vernehmen, man werde bei den langfristigen Entwicklungsprogrammen durchaus Einsparungen fordern, um mehr Geld in die kurzfristige humanitären Krisenhilfe fliessen zu lassen. Ausserdem sei die Entwicklungszusammenarbeit vermehrt mit Schweizer Eigeninteressen zu verknüpfen, namentlich mit Migrationspartnerschaften und Rückführungsabkommen für Asylsuchende.
Erklärter Zweck dieser Forderungen ist die «Hilfe vor Ort». Gemeint ist jedoch Hilfe für eine Schweiz, die Menschen in Not von der Migration abhalten oder sie rasch wieder ins Heimatland verfrachten will. Das widerspricht klar dem gesetzlich verankerten Zweck der Entwicklungszusammenarbeit, Menschen in benachteiligten Länder aus Solidarität zu besseren Lebensbedingungen zu verhelfen. Gleichzeitig verfehlen die verlangten Massnahmen aber auch die Absicht, den Migrationsdruck zu lindern.
Die Forderung, Mittel aus langfristigen Entwicklungsprogrammen in die humanitäre Krisenhilfe zu verlagern, rennt offene Türen ein. Der Bundesrat beantragt mit der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-20 nämlich bereits eine Aufstockung der humanitären Hilfe. Gleichzeitig behält er sich die Möglichkeit vor, bei Bedarf weitere 120 Millionen Franken für kurzfristige Nothilfeeinsätze zu verwenden. Die Mittel dafür sollen aus dem bereits massiv gekürzten Budget für langfristige bilaterale Entwicklungsprogramme stammen.
Die geplante Verlagerung von Mitteln wäre allerdings ausgesprochen kurzsichtig. Der Schweiz fehlte dann Geld für Wiederaufbauarbeit nach dem Kriseneinsatz und sie wäre weniger denn je in der Lage, präventiv in die Verhinderung neuer Krisen zu investieren. Sie müsste tatenlos zusehen, wie sich ausserhalb aktueller Krisengebiete neue Konflikte anbahnen.
Ebenso kurzsichtig wäre es, die Entwicklungszusammenarbeit an migrationspolitische Anliegen zu binden. Politisch motivierte Unterstützung, also der Tausch «Entwicklungshilfe gegen Migrationsabkommen», droht genau das Gegenteil des Gewünschten zu bewirken. Regime wie jenes in Eritrea würden sich eigene Entwicklungskosten sparen und die frei werdenden Mittel wohl für den eigenen Machterhalt einsetzen. Damit würden die aktuellen Fluchtursachen nicht bekämpft, sondern verschärft.
Gute Entwicklungszusammenarbeit funktioniert anders: Sie verbessert die Lebensbedingungen im Partnerland, indem sie dort die Zivilgesellschaft stärkt und sie in die Lage versetzt, den Staat auf eine sinnvolle Politik zu verpflichten. Das schliesst einen politischen Deal zwischen dem Geberland und der Regierung des Empfängerlandes in der Regel aus.
Dieser Text wurde als Editorial in GLOBAL+ (Frühling 2016) publiziert.
Artikel teilen
Artikel
Mehr erreichen mit weniger Geld?
30.03.2016, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat preist den langfristigen strategischen Nutzen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) als wichtiges Mittel gegen Armut, Fluchtursachen und Terrorismus. Es bleibt sein Geheimnis, wieso er just dort massive Einsparungen vorsieht.

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Im November gab der Bundesrat sein Stabilisierungsprogramm 2017-2020 in die Vernehmlassung. Die geplanten Sparmassnahmen sind massiv, sie treffen jedoch überproportional die internationale Zusammenarbeit. So soll dieser wichtige Aufgabenbereich rund ein Viertel der Einsparungen tragen. Absolute Kürzungen im Vergleich zum Budget 2015 sind nur hier und in der Landwirtschaft vorgesehen.
Mit den vorgesehen Kürzungen soll der Anteil der internationalen Zusammenarbeit an den gesamten Bundesausgaben bis 2019 von 5.5% auf 4.9% sinken. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) am Bruttonationaleinkommen (BNE) soll bis 2020 jeweils 0.48% betragen. Damit hält sich der Bundesrat nicht mehr an den Beschluss des Parlaments, diese Quote bei 0.5% zu halten. Und entfernt sich immer weiter vom Ziel, diese auf 0.7% zu erhöhen. 2015 bekräftigte er im Rahmen der Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dieses Ziel gleich zweimal. Das ist umso stossender, als sich bereits 2014 der Anteil entwicklungswirksamer APD nur noch auf 0.41% des BNE belief. Denn als APD angerechnet werden auch die Kosten der Hilfe an Asylsuchende im Inland, Rückkehrhilfen durch das Staatssekretariat für Migration (SEM), Ausgaben für die internationale Klimafinanzierung (siehe dazu auch S. 10) und friedensfördernde Massnahmen des Verteidigungsministeriums.
In der Darstellung der Rahmenkredite für die internationale Zusammenarbeit geht der Bundesrat jeweils vom Vergleichsjahr 2016 aus. Hier wurde das Budget für die internationale Zusammenarbeit jedoch bereits massiv gekürzt, um über 115 Millionen Schweizer Franken. Ein Teil des in der Botschaft dargestellten Wachstums ist also blosses Wiederaufstocken auf den status quo ante. Als aussagekräftiges Vergleichsjahr sollte also das Jahr 2015 herangezogen werden. Die neuen Kredite sind jedoch nicht direkt mit jenen von 2013-16 vergleichbar, da Personal- und Sachkosten neuerdings separat ausgewiesen werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass in der IZA-Botschaft 2017-20 neu auch der Rahmenkredit Friedensförderung und menschliche Sicherheit figuriert.
Und: Im Stabilisierungsprogramm hat der Bundesrat bereits angekündigt, dass es 2018 allenfalls eine weitere Sparrunde brauchen wird. Davon könnten die Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit erneut betroffen sein.
Die neue Botschaft über die internationale Zusammenarbeit ist aber nicht nur von Kürzungen geprägt, sondern auch von Verschiebungen innerhalb der Rahmenkredite. Der Bundesrat geht zu Recht von einem wachsenden Bedarf an humanitärer Krisenhilfe aus und teilt diesem Rahmenkredit bereits ab 2017 wieder wachsende Finanzmittel zu. Damit gehen die Kürzungen bei der APD jedoch zwangsläufig auf Kosten der langfristigen bilateralen EZA. Deren Mittel werden voraussichtlich selbst 2020 nicht wieder das Niveau von 2015 erreichen.
Allerdings kann nur die über den Südkredit finanzierte langfristige Entwicklungszusammenarbeit die strukturellen Ursachen von Armut und Not bearbeiten und der Prävention von Krisen und Konflikten dienen. Humanitäre Nothilfe hingegen ist in erster Linie reaktiv. So verlegt sich der Bundesrat in der internationalen Zusammenarbeit also zunehmend auf reaktive Aktivitäten, statt vorausschauend in die Prävention möglicher zukünftiger Krisen zu investieren.
Angesichts der Budgetkürzungen tut sich das Aussenministerium schwer, strategische Schwerpunkte zu setzen. Im Gegenteil, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) versucht, die Kürzungen möglichst linear umzusetzen – also pro bisheriges Programmland einfach ein bisschen weniger Mittel einzusetzen. Aus Sicht von Alliance Sud ist der Hauptgrund für diese Verzettelung, dass die Schweiz mit Entwicklungsgeldern in möglichst vielen Ländern präsent sein will, um auch aussenpolitische und wirtschaftliche Interessen zu bedienen. Nur riskiert die Schweiz damit, jeweils mit einem minimalen Budget zwar die Präsenz aufrechtzuerhalten, aber als kleiner Akteur keine grosse Rolle spielen zu können.
Inhaltlich setzt die neue Botschaft für die internationale Zusammenarbeit auf Kontinuität. Oberstes Ziel bleibt die Armutsbekämpfung. Die regionale Schwerpunktsetzung auf das südliche Afrika, wo 34 der 48 ärmsten Länder liegen, ist demnach sinnvoll und zeigt auf, dass die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auch willens ist, die strukturellen Ursachen von Armut anzugehen. Ebenfalls zu begrüssen ist die Ausrichtung der Botschaft an der letzten September verabschiedeten UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie soll als Referenzrahmen für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz dienen. In der Tat: Armutsbekämpfung kann nur gelingen, wenn alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezogen werden.
Gleichzeitig verstärken die vorgesehenen Sparmassnahmen aber einen bereits bestehenden Trend, den Alliance Sud als problematisch einschätzt. Die Botschaft will die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Förderung von sogenannten Public Private Partnerships (PPP) intensivieren. Der öffentliche Beitrag soll jeweils die Risiken und Kosten privater Investitionen schmälern und sie so wirtschaftlich lebensfähig und profitabel machen – auf die Gefahr hin, dass letztlich private Investitionen, die sowieso stattgefunden hätten, staatlich subventioniert werden.
Dabei ist der armutsreduzierende Effekt solcher Partnerschaften umstritten. Verschiedene Studien zeigen auf, dass PPP aufgrund ihrer Komplexität und hohen Transaktionskosten den Staat oft teurer zu stehen kommen als selber durchgeführte Projekte. Auch gibt es kaum Hinweise, dass PPP tatsächlich die Effizienz erhöhen. Mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht untergraben zudem die demokratische Kontrolle.1 Die internationale Zusammenarbeit und insbesondere die langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit mit ärmeren Ländern sind keineswegs nur Ausdruck von Solidarität. Sie dienen auch dem Interesse unseres kleinen und international stark vernetzten Landes an einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Welt in Sicherheit und Frieden.
1 Maria José Romero: What lies beneath? A critical assessment of public private partnerships and their impact on sustainable development, 2015. Abrufbar unter http://www.eurodad.org/whatliesbeneath
Artikel teilen
Artikel
Weckruf im Parlament angekommen, wird er gehört?
30.05.2016, Entwicklungsfinanzierung
Übermorgen, 2. Juni, entscheidet der Nationalrat über die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. VertreterInnen von sieben Parteien haben den Weckruf persönlich entgegengenommen.

von Daniel Hitzig, ehemaliger Medienverantwortlicher Alliance Sud
Mujinga Kambundji, Jean-Philippe Rapp und Fulvio Caccia haben zum gestrigen Auftakt der Sommersession den Weckruf von über 75 Organisationen der Zivilgesellschaft an Nationalrätinnen und Nationalräte aus sieben Parteien weiter gegeben. Aktuell haben über 34'500 Leute den Weckruf unterzeichnet.
Die VolksvertreterInnen erhielten je einen Wecker mit den Worten: «Danke, dass Sie dem Weckruf gegen Hunger und Armut Gehör schenken und sich für eine Stärkung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit einsetzen!»
Der Weckruf gegen Hunger und Armut setzt sich für eine Erhöhung der Entwicklungsausgaben auf 0.7% des Schweizer Nationaleinkommens ein und kann weiterhin online unterzeichnet werden. Die Debatte im Nationalrat über die Botschaft des Bundesrats über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 findet am Donnerstag, 2. Juni statt.
Artikel teilen
Artikel
Kurzsichtiges Sparen auf Kosten der Ärmsten
03.06.2016, Entwicklungsfinanzierung
Das Bundesbudget der Entwicklungszusammenarbeit für 2016 wurde massiv gekürzt. Auch bei den Rahmenkrediten der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-2020 griff der Bundesrat zum Rotstift.

© Jörg Böthling
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Während Krisen, Katastrophen und Flüchtlingselend die Schlagzeilen beherrschen, wollen Bundesrat und Parlament ausgerechnet die Mittel streichen, die sinnvoll zu deren Ursachenbekämpfung beitragen können. Bis 2015 stiegen die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit jährlich, entsprechend des vom Parlament gesetzten Ziels, 0.5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) einzusetzen. Infolge des gebremsten Wirtschaftswachstums wurde dieses Ziel bereits 2014 und 2015 erreicht.
Allerdings tragen die Kosten für Asylsuchende in der Schweiz mit einem Anteil von über 13% an der APD massiv zur Zielerreichung bei. Es klingt absurd, ist aber eine Tatsache: Die Schweiz ist das grösste Empfängerland ihrer Entwicklungsgelder. Alliance Sud kritisiert dies, denn Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden sowie die Deckung ihrer Grundbedürfnisse weisen keinen Entwicklungsnutzen auf. Allgemein droht die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend zu einem Selbstbedienungsladen für zweckfremde Interessen zu verkommen. So wird auch immer mehr Geld für die Finanzierung der Massnahmen gegen den Klimawandel eingesetzt, und mit Entwicklungsgeldern wird sogar Exportförderung betrieben. Der wirtschaftspolitisch wünschenswerte, entwicklungspolitisch aber höchst fragwürdige Beitritt der Schweiz zur Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank AIIB wurde ebenfalls über das Entwicklungsbudget finanziert.
Eine Kürzung jagt die nächste
In letzter Zeit ist das Budget der Entwicklungszusammenarbeit unter Dauerbeschuss geraten: In seinem Voranschlag zum Bundesbudget 2016 kürzte der Bundesrat bei der Entwicklungszusammenarbeit mehr als 115 Mio. CHF. Die Kürzungen betreffen insbesondere die langfristige Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Die humanitäre Hilfe wird von Kürzungen grösstenteils verschont. Angesichts der grossen Not sind diese Mittel auch dringend notwendig. Doch sind sie zusätzlich bereit zu stellen. Alliance Sud hält eine Kompensation bei den langfristigen Mitteln für kurzsichtig. Die Schweiz schwächt so ein wichtiges Instrument der Ursachenbekämpfung von Armut und Not. «Hilfe vor Ort» wird nicht nur über Nahrungsmittelhilfe und Zeltlieferungen für Flüchtlingslager geleistet, sondern insbesondere über Bildungsprogramme, Förderung der lokalen Wirtschaft und guter Regierungsführung. Diese langfristig angelegten Projekte helfen mit, den Menschen vor Ort Zukunftsperspektiven zu bieten und tragen zur Minderung des Migrationsdrucks bei.
Trotz Milliardenüberschuss in der Staatsrechnung 2015 will der Bundesrat in den kommenden Jahren weiter massiv sparen. In seinem Stabilisierungsprogramm 2017-2019 soll die internationale Zusammenarbeit rund 25% der Sparmassnahmen tragen. Somit wird bei den Ärmsten gespart, die sich nicht wehren können. In der Vernehmlassungsantwort zum Stabilisierungsprogramm kritisiert Alliance Sud insbesondere, dass der Bund auf einnahmeseitige Massnahmen verzichten will, um den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen.
Rahmenkredite für 2017-2020
In seiner Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017-2020 veröffentlichte der Bundesrat die konkreten Zahlen der Rahmenkredite, die für die kommenden vier Jahre für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden sollen. Der Bundesrat führt hier die bereits im Budget 2016 vorgenommene Umverteilung von der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit hin zur kurzfristigen humanitären Hilfe weiter. Während die humanitäre Hilfe ihr notwendiges Wachstum erfährt, wird bei den langfristigen bilateralen Programmen der Deza auch 2017 nochmals massiv gekürzt. Bis 2020 werden hier nicht wieder die Mittel aufgewendet, die 2015 zur Verfügung standen. Damit verlegt sich der Bundesrat auf eine reaktive Strategie, anstatt in die Prävention von zukünftigen Krisen zu investieren.
Inhaltlich setzt die neue Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit auf Kontinuität. Obwohl dafür viel weniger Mittel eingesetzt werden sollen, bleibt die Armutsbekämpfung oberstes Ziel. Die regionale Schwerpunktsetzung auf das südliche Afrika, wo 34 der 48 ärmsten Länder liegen, ist sinnvoll. Ebenfalls zu begrüssen ist die Ausrichtung der Botschaft an der 2015 verabschiedeten Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie soll für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz als Referenzrahmen dienen. Armutsbekämpfung kann nur gelingen, wenn alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezogen werden.
Weckruf gegen Hunger und Armut
Angesichts drohender Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit lancierte Alliance Sud im Februar 2016 im Verbund mit über 75 Nichtregierungsorganisationen den «Weckruf gegen Hunger und Armut». Über 36‘000 Menschen forderten National- und Ständerat auf, am von der Schweiz auf international Ebene bekräftigten Ziel festzuhalten, 0.7% des BNE für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen.
Während die nationalrätliche Finanzkommission die Mittel noch wesentlich weiter kürzen wollte, stellte sich die aussenpolitische Kommission hinter den Vorschlag des Bundesrats. Am 2. Juni 2016 debattierte der Nationalrat die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit. Rückweisungsanträge waren chancenlos, denn sie hätten bedeutet, dass der Bundesrat innert kürzester Zeit eine grundlegend neue Strategie für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit entwerfen müsste. Schliesslich stellte sich der Nationalrat knapp hinter die Botschaft des Bundesrats, die eine APD-Quote von 0.48% des BNE vorsieht. Der Nationalrat fiel damit hinter seine in der vorhergehenden Legislatur bekräftigte Forderung zurück, 0.5% des BNE für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen.
Artikel teilen
Artikel
Bei den Reichen lernt man Sparen
03.10.2016, Entwicklungsfinanzierung
Das Finanzdepartement meldet regelmässig Haushaltsüberschüsse, doch der Entwicklungszusammenarbeit soll es erneut an den Kragen gehen. Ausgeblendet bleibt, dass die Schweiz im Vergleich bei Verschuldung und Steuerbelastung Tiefstwerte aufweist.

Bundesrat Ueli Maurer, eingerahmt vom Direktor der Finanzverwaltung und vom Bundesratssprecher
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Im Mai 2016 verabschiedete der Bundesrat das Stabilisierungsprogramm 2017-2019. Im Herbst wird es im Ständerat diskutiert. Die Sparmassnahmen betreffen die internationale Zusammenarbeit (IZA) überproportional. Diese soll rund 25% der Einsparungen tragen. Konkret sind das Sparschnitte von 150-250 Millionen Franken pro Jahr. Ausserdem gehört die IZA zu den ganz wenigen Bereichen, bei denen nicht nur relativ zum provisorischen Finanzplan gespart wird, sondern absolute Kürzungen stattfinden.
Gegenüber der bisherigen Planung reduziert das Stabilisierungsprogramm die Bundesausgaben insgesamt um jährlich 800 Millionen bis 1 Milliarde Franken. Wegen der starken Aufwertung des Schweizer Frankens und − das Wirtschaftswachstums hat sich verlangsamt − schrumpfenden Einnahmen seien Anpassungen notwendig, um die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Einnahmeseitig will der Bund allerdings auf Massnahmen verzichten, neue Steuern oder Abgaben sind kein Thema.
Als Hauptargument für die asymmetrische Lastenverteilung der Sparmassnahmen auf Kosten der IZA wird angeführt, diese habe in den letzten Jahren von einem überproportionalen Wachstum profitiert. Dieses Wachstum war allerdings die Folge eines strategischen Entscheids beider Kammern des Parlaments, den Anteil der Entwicklungszusammenarbeit auf 0.5% der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Kurz, die rein buchhalterische Begründung für die massiven Einschnitte verkennt das langfristige Interesse der Schweiz an einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Welt.
In seiner Botschaft zum Stabilisierungsprogramm behauptet der Bundesrat, die IZA gehöre «weiterhin zu den am stärksten wachsenden Bereichen innerhalb des Bundes» (Bundesblatt 2016: 4717). Da im Budget 2016 massiv gekürzt wurde, handelt es sich bei diesem Wachstum jedoch zum grössten Teil um eine Wiederaufstockung auf das Ausgabenniveau von 2015. Während die IZA 2015 noch einen Anteil von 5.5% am Gesamthaushalt betrug, wird dieser Anteil bis 2019 auf 4.9% schrumpfen.
Steuerausfälle durch USR III erhöhen Spardruck
Neue oder höhere Steuern schliesst der Bundesrat explizit aus. Mit der Unternehmenssteuerreform III (USR III) werden die Einnahmen ab 2019 nochmals massiv sinken. In seinem Vorschlag der USR III rechnet der Bundesrat vor, dass dem Bund 1.3 Milliarden Franken an Einnahmen entgehen werden. Trotzdem verzichtet er auf eine Gegenfinanzierung, z.B. über eine Finanztransaktionssteuer. Und das Parlament hat die USR III zugunsten der Unternehmen noch weiter ausgebaut. Die Auswirkungen sind schwer zu beziffern, sie werden aber voraussichtlich zu massiven zusätzlichen Steuerausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden führen.
Der Fokus auf steuerliche Anreize im Standortwettbewerb irritiert. In seinem Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2015 sagt der Bundesrat selber, dass bei der Wahl des Unternehmensstandorts die Steuerbelastung nur ein Faktor unter vielen sei. Mindestens ebenso wichtig sind Faktoren wie die Infrastruktur, das Bildungsniveau, Forschung, der Zugang zu ausländischen Märkten und die politische Stabilität des Umfelds.
Umverteilen zulasten der Ärmsten
Im Juni 2016 kündigte Finanzminister Maurer jedoch bereits ein zweites Sparpaket 2018-2020 an. Der Staatshaushalt soll um weitere 3 Milliarden Franken entlastet werden. Neben den Entscheiden zur USR III erhöht auch das Festhalten am Zahlungsrahmen für die Armee den Ruf nach Sparmassnahmen in anderen Bereichen. Um das Budget wieder ins Gleichgewicht zu bringen, folgt reflexartig der Griff in die Kasse der sogenannten ungebundenen Ausgaben. Im Gegensatz zu den gebundenen Ausgaben folgen diese nicht direkt aus gesetzlichen Bestimmungen. Besonders betroffen ist dabei erneut die Entwicklungszusammenarbeit, deren Lobby in Bundesbern vergleichsweise schwach ist. Und die Einschnitte wirken sich vermeintlich weit weg aus, fern von potenziellen Wählerinnen und Wählern.
Längerfristig holen uns die Auswirkungen der Sparübungen auf dem Buckel der Ärmsten jedoch in der Schweiz wieder ein. Es fehlen die Mittel im Kampf gegen die Ursachen von Terror, Konflikten und Armut. Und die Möglichkeiten, via Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag an die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration zu leisten, werden zur Unzeit eingeschränkt.
Kaum gestellt, geschweige denn wirklich beantwortet wird die Frage, wie gut begründet, wie notwendig diese massiven Sparübungen im Bundesbudget tatsächlich sind. Immerhin präsentierte der Bundesrat in den letzten Jahren jeweils Rekordüberschüsse. So resultierte zuletzt bei der Staatsrechnung 2015 ein Überschuss von 2.3 Milliarden Franken, weit über den budgetierten 400 Millionen Franken. Auch die Juni-Hochrechnung für 2016 des EFD geht von einem 1.7 Milliarden Franken Überschuss aus. Zwar ist dieses Ergebnis hauptsächlich speziellen Umständen wie den Negativzinsen geschuldet. Da Unternehmen ihre Steuern verstärkt im Voraus bezahlen, liegen die Einnahmen weit über dem Budget. Das um diese Sonderfaktoren bereinigte Finanzierungsergebnis liegt mit -0.1 Milliarden Franken zwar einiges tiefer, aber immer noch wesentlich über dem budgetierten Defizit von 0.5 Milliarden.
Auch im internationalen Vergleich präsentieren sich die öffentlichen Finanzen in der Schweiz überdurchschnittlich gut. So lag die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte 2015 bei sehr tiefen 34.4%, deutlich unter dem Durchschnitt der Länder des Euroraums (94.1% des BIP). Auch bezüglich Steuerbelastung weist die Schweiz Tiefstwerte auf. Die Fiskalquote liegt mit 27% wesentlich unter dem OECD-Durchschnitt von 34.4%.
Angesichts dieser Fakten drängt sich der Schluss auf, dass der Bundesrat mit schlechten Prognosen ganz bewusst den Anschein von Spardruck erweckt. Zwar verschlechterten sich zuletzt die globalen und nationalen Wirtschaftsaussichten. Gemäss Prognosen der Expertengruppe des Bundes wird die Schweizer Wirtschaft aber auch 2017 real um 1.8% wachsen. Es ist ein Armutszeugnis für die reiche und im Vergleich mit Nachbarstaaten wirtschaftlich sehr gut dastehende Schweiz, den Rotstift bei den Ärmsten in den Entwicklungsländern anzusetzen.
Artikel teilen
Artikel
Anhaltender Druck auf das Entwicklungsbudget
30.01.2017, Entwicklungsfinanzierung
Im Juni 2016 entschied der Nationalrat, dass die Schweiz 0.48% ihres Nationaleinkommens für die internationale Zusammenarbeit einsetzt. Doch schon im Februar will der Bundesrat ein Sparpaket vorstellen, das diesen Entscheid rückgängig macht.

© Peter Klaunzer/Keystone
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Der Kampf um ein angemessenes Budget für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit geht in die nächste Runde. Der Bundesrat hat für den Februar weitere Sparmassnahmen bei den Bundesfinanzen angekündigt. Die genauen Sparpläne wird er voraussichtlich nach der Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III veröffentlichen. Diese könnte ein Milliardenloch in den Bundeshaushalt reissen. Klar ist, dass der Bundesrat einmal mehr massive Kürzungen bei den Entwicklungsausgaben plant. Mit Sparmassnahmen bei der Armee, der Landwirtschaft und teilweise auch in der Bildung ist er letztes Jahr im Parlament weitgehend gescheitert.
Auch die Höhe der Schweizer Entwicklungsausgaben sorgte letztes Jahr für ein zähes Ringen. Ursprünglich hatte der Bundesrat ein wachsendes Budget für diesen wichtigen Aufgabenbereich vorgesehen. Schon Ende 2015 kündigte er unter dem Titel «Stabilisierungsprogramm 2017-2019» jedoch ein Sparpaket an, das der Entwicklungszusammenarbeit rund 25% der gesamten anvisierten Kürzungen aufbürdete. Als er im Februar 2016 seine Botschaft über die internationale Zusammenarbeit (IZA) für die Jahre 2017-2020 vorstellte, waren diese Kürzungen darin bereits verwirklicht.
Im Parlament führte diese Botschaft zu intensiven Diskussionen. Es ging einerseits um den Finanzrahmen für die IZA, andererseits um deren Verknüpfung mit der Schweizer Migrationspolitik. SVP und FDP forderten massiv höhere Budgetkürzungen als der Bundesrat und ausserdem eine Verschiebung von der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur humanitären Hilfe. Eine solche Verschiebung würde jedoch der bilateralen Zusammenarbeit die Mittel entziehen, um sich vor Ort für bessere Bedingungen einzusetzen und sich präventiv gegen Krisen und Armut zu engagieren. Die CVP forderte die Rückweisung der Botschaft an den Bundesrat mit dem Auftrag, die Entwicklungszusammenarbeit für die Verhinderung von Migration in die Schweiz zu nutzen. Entwicklungszusammenarbeit darf und kann jedoch nicht als Pfand in migrationspolitischen Verhandlungen genutzt werden.
Dank intensivem Lobbying von Alliance Sud und dem breit abgestützten «Weckruf gegen Hunger und Armut» wurden sowohl die Rückweisung als auch zusätzliche Budgetkürzungen äusserst knapp abgelehnt. Auch ein Antrag, Entwicklungszusammenarbeit nur noch in den Ländern zu leisten, die der Schweiz in Migrationsfragen stark entgegen kommen, konnte abgewendet werden.
In der Debatte zum Stabilisierungsprogramm 2017-2019 in der Herbstsession verlangten SVP und eine Mehrheit der FDP trotzdem erneut Einsparungen bei der Entwicklungszusammenarbeit. Ihre Forderungen hätten den Lastenanteil der IZA auf über einen Drittel am gesamten Sparpaket erhöht. Auch diese Anträge wurden aber in beiden Kammern knapp abgelehnt. In der Debatte zum Bundesbudget 2017 im vergangenen Dezember scheiterte die SVP schliesslich ein drittes Mal mit Kürzungsforderungen. Das Parlament bestätigte einmal mehr den Finanzrahmen für die IZA und stellte sich gegen einen unüberlegten und kurzsichtigen Kahlschlag.
Wenn nun der Bundesrat bei der Entwicklungszusammenarbeit trotzdem nochmals den Rotstift ansetzen will, ist es am Parlament, diesen unsinnigen Plan zu durchkreuzen. Dafür wird sich Alliance Sud nach Kräften einsetzen. Es ist auch im Sinne der Schweiz, einen angemessenen Beitrag zu einer friedlichen und sicheren Welt ohne Armut zu leisten.
Artikel teilen
Medienmitteilung
Entwicklungsgeld: 20% davon gehen ins Asylwesen
12.04.2017, Entwicklungsfinanzierung
Die heute veröffentlichten OECD-Zahlen zeigen: Die Schweiz gehört zu jenen Ländern, die sich am meisten Asylkosten als Entwicklungsausgaben anrechnen lassen. Das führt zum geschönten Eindruck eines erhöhten internationalen Engagements.

© pixabay.com
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Wie das Aussendepartement (EDA) letzte Woche mitteilte, stieg der Schweizer Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développment APD) gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) auf 0.54%. Dies trotz sinkender Anteile der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0.39% gegenüber 0.41% im Jahr 2015. Die höhere APD-Quote wurde durch den steigenden Anteil der Asylkosten auf 19.4% der APD erreicht, und dies obwohl die Zahl der AsylbewerberInnen seit 2015 zurückgegangen ist.
Im internationalen Vergleich, den der Entwicklungsausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heute veröffentlichte, verbleibt die Schweiz unter den Ländern, deren APD-Quote über dem DAC-Durchschnitt liegt und belegt den 8. Platz.
Die Schweiz nimmt erneut eine Spitzenposition bei der Anrechnung von Asylkosten an die APD-Quote ein. Bei den Geberländern über dem DAC-Durchschnitt erobert sich die Schweiz hinter Österreich und Deutschland einen Podestplatz bei der grosszügigen Anrechnung von Flüchtlingskosten zurück. Die Schweiz überholt damit Schweden, die Niederlande und Dänemark.
Trotz zurückgehender Asylgesuche verrechnet die Schweiz steigende Kosten. Dasselbe gilt für die meisten Geberländer an der Spitze dieser OECD-DAC Liste. Die Kürzungen bei der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit wurden auch in anderen DAC-Ländern durch steigende Asylkosten wettgemacht.
Als gutes Beispiel voran geht Deutschland, das trotz steigender Asylkosten weiterhin mehr an die eigentliche Entwicklungshilfe zahlt. In der Spitzengruppe liegen die APD-Quoten sowohl in Schweden wie in Norwegen immer noch doppelt so hoch wie jene der Schweiz.
Der Asylkosten-Anteil an der APD erhöht sich auf 19.4% gegenüber 2015 (13.4%). So bleibt jeder fünfte APD-Franken in der Schweiz und die Schweiz bleibt die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder. Tatsächlich wären APD-Gelder laut EDA und OECD dazu bestimmt, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Empfängerländern zu fördern und Entwicklungsländern oder multilateralen Organisationen zuzukommen.
Das OECD-DAC beobachtet die Anrechnung von Asylkosten an die APD kritisch und arbeitet an einer neuen Definition, um Asylkosten von der APD auszuschliessen. Auch Alliance Sud, die entwicklungspolitische Organisation der Schweizer Hilfswerke, setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene dafür ein, dass solche Kosten ohne direkten Entwicklungsnutzen von der APD-Quote ausgeschlossen werden. Eine steigende APD-Quote soll bedeuten, dass die Schweiz ihre Verantwortung gegenüber den Ärmsten dieser Welt wahrnimmt und die Entwicklungsgelder nicht zu einem beschönigenden Rechenspiel verkommen.
Artikel teilen