Medienmitteilung

Switzerland first! Zusammenarbeit reduzieren?

21.05.2017, Entwicklungsfinanzierung

Eine knappe Mehrheit der Finanzkommission des Nationalrats verlangt schon wieder Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit. Diese soll zukünftig noch weniger als 0,5% des Nationaleinkommens betragen. Das Vorhaben schadet der Schweiz.

Switzerland first! Zusammenarbeit reduzieren?

© Paul Smith / Panos

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

2010 hiess der Ständerat einen Zusatzkredit für die Entwicklungszusammenarbeit gut. Der Nationalrat folgte ihm kurze Zeit später. Das Ziel war, die öffentlichen Entwicklungsausgaben (aide publique au développement, APD) der Schweiz schrittweise auf eine Quote von mindestens 0,5% des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen. 2010 betrug dieser Anteil erst 0,4%. Der internationale Konsens verlangt sogar 0.7%.

Nun will eine knappe Mehrheit der nationalrätlichen Finanzkommission den damaligen Parlamentsentscheid wieder rückgängig machen. Sie verlangt, dass sich die Entwicklungsausgaben der Schweiz fortan nicht mehr an einer Minimalquote von 0,5% des BNE orientieren sollen, sondern am Zustand der Bundesfinanzen. Was finanzpolitisch vernünftig tönen mag, schadet dem Ruf der Schweiz als verlässlicher Partnerin.   

Mit ihrem Vorstoss bereitet die Finanzkommission offenbar den Weg für nochmalige Sparmassnahmen auf dem Rücken der Armutsbekämpfung. Denn die 0,5%-Vorgabe ist faktisch bereits ausser Kraft gesetzt. So trägt die Entwicklungszusammenarbeit im Stabilisierungsprogramm 2017-2019 über ein Viertel der Lasten. Im Rahmen dieses Sparprogramms hat der Bundesrat die zukünftigen Entwicklungsausgaben der Schweiz schon auf 0,48% reduziert.

Allerdings will der Bundesrat im Budget 2018 und im Finanzplan 2019-21 weitere Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit durchsetzen, die deutlich über die bereits beschlossenen Einsparungen hinausgehen. Es ist davon auszugehen, dass rechtskonservative Kräfte im Parlament noch drastischere Kürzungen verlangen werden.

Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Entwicklungsorganisationen, hält diese Pläne für mehrfach unsinnig. Die Entwicklungszusammenarbeit entspricht nicht nur dem Gebot der Solidarität und der humanitären Tradition der Schweiz, sie leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von gewaltbereitem Extremismus, Bürgerkriegen und möglichen zukünftigen Flüchtlingskrisen. Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit gefährden damit wichtige Interessen der Schweiz und schaden ihrem internationalen Ruf. Nicht zuletzt nützen stabile Verhältnisse in den Entwicklungsländern auch der Schweizer Aussenwirtschaft.

Bereits heute ist die Schweiz selber die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder. Dafür verantwortlich sind die zuletzt gestiegenen Ausgaben für die Betreuung von Asylsuchenden in der Schweiz. Diese Kosten werden vom Bundesrat absurderweise ebenfalls zur öffentlichen Entwicklungshilfe gezählt und machten 2016 bereits rund 20% der Gesamtausgaben aus.

Hinzu kommt, dass Geld aus dem Entwicklungsbudget des Bundes in internationale Klimaschutzprojekte statt in die Bildung, die Gesundheit und die Unterstützung der Zivilgesellschaft in schwachen Staaten fliesst. Ohne zweckfremde Auslagen betrug der Anteil der tatsächlichen Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe am BNE im Jahr 2016 nur gerade 0,39%.

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Entwicklungshilfe für Schweizer Milchproduzenten?

08.06.2017, Entwicklungsfinanzierung

Das Entwicklungsbudget wird gekürzt. Personal wird entlassen, die Deza schliesst ihre Programme in Vietnam und Pakistan. Doch die Bauernlobby im Parlament verteidigt ihre Millionen an Subventionen aus dem Topf der Entwicklungszusammenarbeit.

Entwicklungshilfe für Schweizer Milchproduzenten?

© berggeist007/pixelio.de

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

In den letzten Sparrunden musste die Entwicklungszusammenarbeit das grösste Sparopfer bringen. Über 25% des Sparprogramms werden hier abgezwackt. Auch in der angekündigten nächsten Sparrunde wird es voraussichtlich das Entwicklungsbudget überproportional treffen. Erste Konsequenzen wurden gezogen. Die Deza hat ihre Programme in Vietnam und Pakistan geschlossen.

Ausgerechnet bei einem alten Zopf der Entwicklungszusammenarbeit will die Bauernlobby am kommenden Mittwoch im Parlament nun Kürzungen verhindern. Die Schweiz leistet Nahrungsmittelhilfe mit Schweizer Milchprodukten im Umfang von 20 Millionen CHF. Der Bundesrat hat aufgrund einer externen Evaluation dieses Programm angepasst. Ganz verabschieden will er sich noch nicht von dieser Exportsubvention an die inländische Milchbranche.

Dabei widerspricht Entwicklungshilfe, die an den Kauf einheimischer Produkte geknüpft ist, den internationalen Richtlinien zu wirksamer Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungsgelder sollen eigene Initiativen in Entwicklungsländern fördern. Mit dem Kauf von Nahrungsmitteln vor Ort oder zumindest aus anderen Entwicklungsländern wird nicht nur Nothilfe an hungernde Bevölkerungsschichten geleistet sondern es werden auch lokale und regionale Marktchancen geschaffen. Die Lieferung von teuren Produkten aus der Schweiz würgt im schlechtesten Fall diese lokalen Initiativen ab.

In einem Kontext von massiven Kürzungen kann sich die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit eine Subventionierung der Schweizer Milchbauern nicht leisten. Die Zwängerei der Bauernlobby im Parlament zeigt entsprechend klar, dass die Diskussionen um Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit vorgeschoben ist. Für sie ist das Entwicklungsbudget ein Honigtopf, aus dem sie unter dem Label «internationale Solidarität» für ihre eigene Klientel möglichst viel herausholen wollen.

Öffentliche Entwicklungsfinanzierung

Öffentliche Entwicklungs­ausgaben

Alliance Sud setzt sich für eine Erhöhung und möglichst enge Definition der Entwicklungsausgaben der Schweiz ein. Sie soll endlich das vor über 50 Jahren verabschiedete Finanzierungsziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens erreichen, ohne die Asylkosten im Inland anzurechnen.

Worum es geht >

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Worum es geht

Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD DAC) hat 1969 die international anerkannte Referenzgrösse der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung eingeführt: Aide publique au développement (APD; bzw. Official development assistance, ODA). Seither ist die «APD-Quote» der Massstab für die Erfassung des Umfangs und der Qualität der bereitgestellten Mittel. Sie bildet damit die Grundlage für die Beurteilung dafür, ob die Geberländer ihren Versprechungen nachkommen.

Doch zahlreiche Akteure, darunter auch Alliance Sud, kritisieren, dass die OECD-Mitgliedsstaaten ihre ausgewiesene Entwicklungsfinanzierung über zweifelhafte und kreative Buchführungspraktiken künstlich in die Höhe treiben. Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass die Schweiz dem vor über 50 Jahren verabschiedeten UNO-Ziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens endlich nachkommt, ohne im Inland verbleibende Ausgaben wie Asylkosten anzurechnen. Zudem setzt sie sich in der OECD für eine möglichst enge Definition von Entwicklungsausgaben ein.

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Entwicklungsminister Cassis schon im Gegenwind

15.11.2017, Entwicklungsfinanzierung

Die Finanzkommission des Nationalrats will dem neuen Aussenminister Ignazio Cassis 100 Millionen Franken im Budget 2018 streichen. Treffen wird es – einmal mehr – die langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit.

Entwicklungsminister Cassis schon im Gegenwind

© BirgitH / pixelio.de

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Dem neuen Chef des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA), Bundesrat Ignazio Cassis (FDP), sollen 100 Millionen Franken aus seinem Budget für 2018 gestrichen werden. Dies teilte die FK-N nach ihrer Budgetberatung vom 13.-15. November mit. Gespart werden soll insbesondere bei der Entwicklungszusammenarbeit. Angesichts der Aufgabenverteilung wird es zum grössten Teil die langfristige Entwicklungszusammenarbeit treffen.

Der Vorschlag des Bundesrats sah in diesem Bereich – dem sogenannten Südkredit – bereits Kürzungen im Umfang von 40 Millionen Franken gegenüber dem Vorjahr vor. Von heute auf morgen lassen sich in der langfristig angelegten Entwicklungszusammenarbeit zusätzliche Millionenbeträge im hohen zweistelligen Bereich nur mit krassen Nebenwirkungen streichen. Zentrale Erfolgsfaktoren sind hier Vertrauen und Ausdauer: Ein überstürzter Abbruch von Projekten und Rückzug aus Programmen untergräbt die Glaubwürdigkeit der Schweiz als Partnerin in der Entwicklungszusammenarbeit. Und es werden bereits erreichte Erfolge aufs Spiel gesetzt, die erst durch ein längeres Engagement gefestigt werden müssten.

Es bleibt die Hoffnung auf die Debatte in der Wintersession im Parlament. Der Gesamtrat hat in Debatten rund um das Budget der Entwicklungszusammenarbeit bereits mehrfach gegen seine Finanzkommission gestimmt. Zuletzt im September diesen Jahres, als die Kommission die Höhe der Entwicklungsgelder nicht mehr an einer APD-Quote von 0.5% ausrichten wollte. Dies wurde vom Nationalrat klar mit 101 zu 86 Stimmen abgelehnt.

Meinung

Unternehmen statt NGOs

03.07.2019, Entwicklungsfinanzierung

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA senkt die Bundesbeiträge an einzelne bisherige Partnerorganisationen deutlich. Ein weiterer Mosaikstein beim Umbau der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Unternehmen statt NGOs

Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit soll ab 2021 mehr Partnerschaften mit Schweizer Unternehmen eingehen. Darunter leiden die bewährten Partnerschaften mit Schweizer Hilfswerken. Anfang Juli hat die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA bekannt gegeben, dass die Bundesbeiträge an einzelne bisherige Partnerorganisationen deutlich gesenkt werden sollen.

Bundesrat und Verwaltung streben eine Neuausrichtung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe an. In der laufenden Vernehmlassung zur internationalen Zusammenarbeit ab 2021 schlagen sie eine engere Verknüpfung mit innenpolitischen und aussenwirtschaftlichen Interessen vor. Vorgesehen ist vor allem auch ein Ausbau der Partnerschaften der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA mit Schweizer Unternehmen und anderen Wirtschaftsakteuren.

Die bewährten DEZA-Partnerschaften mit Schweizer Hilfswerken sollen nach 2021 ebenfalls weitergeführt werden. Hier ist allerdings kein Ausbau geplant. Im Gegenteil: Wie die DEZA Anfang Juli mitgeteilt hat, sollen die Programmbeiträge an Schweizer NGOs eingeschränkt und neuverteilt werden. Konkret will die DEZA die Bundesbeiträge an die internationalen Entwicklungsprogramme der Schweizer Hilfswerke deutlich senken – von aktuell 50% auf neu 30% (für Einzelorganisationen) bzw. 40% (für Allianzen und Dachorganisationen). Zudem will sie eine neue Obergrenze von 8 Millionen Franken einführen.

Für viele betroffenen Organisationen bedeutet dieser Entscheid, dass sie auf verschiedene Entwicklungsprojekte in benachteiligten Ländern verzichten und sich teilweise sogar vollständig aus bisherigen Partnerländern zurückziehen müssen. Das ist umso bedauerlicher, als dass die betroffenen Organisationen mit ihrer langjährigen Expertise erwiesenermassen einen massgeblichen Beitrag zur Armutsbekämpfung und zur globalen nachhaltigen Entwicklung leisten.

Erfreulich ist, dass die DEZA auch in Zukunft nur mit solchen NGOs Partnerschaften eingehen will, die allerhöchste Qualitätskriterien erfüllen und das ZEWO-Zertifikat vorweisen können. An welchen Kriterien sich die geplanten neuen DEZA-Partnerschaften mit Unternehmen und anderen Wirtschaftsakteuren messen lassen sollen, ist hingegen noch offen. Die Vernehmlassungsunterlagen zur internationalen Zusammenarbeit des Bundes ab 2021 machen hierzu leider keine verbindlichen Angaben.

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Kahlschlag bei der internationalen Zusammenarbeit

10.03.2023, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute die Eckwerte der mehrjährigen Finanzbeschlüsse kommuniziert. Für die internationale Zusammenarbeit bedeuten sie eine womöglich drastische Reduktion.

Kahlschlag bei der internationalen Zusammenarbeit

© siepmannH / pixelio.de

Der Bundesrat hat heute die Eckwerte der mehrjährigen Finanzbeschlüsse kommuniziert. Für die internationale Zusammenarbeit spricht er von einer Wachstumsrate von 2,5%, allerdings nominal. Im gegenwärtigen Inflationsumfeld führt das zu einer möglicherweise dramatischen Reduktion. Zudem legt er für den Zeitraum von 2025–2028 eine Obergrenze von 10,6 Milliarden Franken fest, was deutlich unter den in der Finanzplanung für 2021 – 2024 vorgesehenen 11,25 Milliarden liegt.

Damit nicht genug; der Bundesrat will das (fiktive) «Wachstum der IZA-Ausgaben ab 2025» für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden (kumuliert 650 Millionen). Insgesamt würde das zu einem katastrophalen Kahlschlag bei der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz führen.

Für Alliance Sud ist klar: Die Schweiz ist als hoch globalisiertes Land auf eine stabile und sichere Welt angewiesen. Terrorismus, Gewalt und politische Instabilität gedeihen vor allem in fragilen Ländern, in denen der Staat seinen Kernaufgaben wie Bildung und Gesundheit nicht mehr nach­kommen kann. Und wo sich westliche Staaten zurückziehen, füllen Autokratien wie Russland oder China dieses Vakuum. Eine schlagkräftige Entwicklungszusammenarbeit liegt daher im ureigenen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz.

«Der Klimawandel und damit einhergehende Konflikte bedrohen viele Entwicklungserfolge der letzten Jahre. Deshalb müssen wir unsere Solidarität aufrüsten, nicht die wirksame Entwicklungszu­sammenarbeit der Schweiz in Stücke schlagen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Angezeigt ist eine Erhöhung der Budgets für Entwicklungszusammenarbeit auf das von der Schweiz mehrmals bekräftigte UNO-Ziel von 0.7 Prozent des Bruttonationaleinkommens bis 2028. Und dies, ohne wie bisher Asylkosten einzurechnen und ohne die ebenfalls dringend notwendige Hilfe für die Ukraine. «Jegliche Kürzungen der Gelder für die Entwicklungszusam­menarbeit wären in der aktuellen geopolitischen Lage verheerend, mit ungeahnten Folgen für die Schweiz», bilanziert Andreas Missbach.

Weitere Informationen: Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4179 847 86 48, andreas.missbach@alliancesud.ch

Alliance Sud zeigt in aktuellen Texten, dass der finanzielle Spielraum der Schweiz viel grösser ist als vom Bundesrat behauptet und analysiert die Dysfunktionalität der Schuldenbremse.

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Bundesrat politisiert am Volk vorbei

16.03.2023, Entwicklungsfinanzierung

Während der Bundesrat im Februar Kürzungen im Budget der internationalen Zusammenarbeit angekündigt hat (2% im Jahr 2024), wollen 65% der Schweizer:innen genau das Gegenteil. Das zeigen zwei neue repräsentative Umfragen der ETH Zürich.

Marco Fähndrich
Marco Fähndrich

Kommunikations- und Medienverantwortlicher

Bundesrat politisiert am Volk vorbei

© NADEL - Center for Development and Cooperation

Wie die Umfrage «Swiss Panel Global Cooperation» des Zentrums für Entwicklung und Zusammenarbeit der ETH Zürich (NADEL) ergibt, möchten 86% der Befragten die Ausgaben erhöhen oder unverändert lassen. Die meisten Befragten überschätzen jedoch die aktuelle Höhe der Ausgaben; über die tatsächlichen (niedrigeren) Ausgaben in Kenntnis gesetzt, sind 65% der Befragten für eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit.

Auch die Sorge über die weltweite Armut ist weiterhin gross und nimmt mit besserem Informationsstand zu, und zwar von 65% auf 73%, unabhängig von soziodemografischen Faktoren. Die NADEL-Umfrage bestätigt einmal mehr, wie wichtig die Information über globale Themen ist – und wie nötig der Druck auf Bundesrat und Parlament, damit sie endlich die Solidarität anstelle der Armee aufrüsten.

Die Umfrage räumt auch mit der Idee auf, dass die Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Rolle die Schweiz in der internationalen Zusammenarbeit spielen soll, entlang irgendwelchen soziodemographischen «Gräben» verläuft: zwischen Jung und Alt, hohem oder tiefem Einkommen, Frauen und Männern, Stadt und Land. Der einzige signifikante Faktor ist die politische Einstellung. Nichtsdestotrotz ist die Zustimmung für die globale Zusammenarbeit auch parteipolitisch breit abgestützt: Laut der ETH-Studie «Sicherheit 2023» ist die Bevölkerung in der ganzen Schweiz, von links bis rechts, der Meinung, dass die Schweiz verstärkt Entwicklungshilfe leisten sollte.

Die Bundesratsparteien sind angesichts dieser Umfragen im Wahljahr besonders gut beraten, die Meinung der Bevölkerung ernst zu nehmen und nicht mehr am Volk vorbei zu politisieren. Mit der internationalen Zusammenarbeit kann man zwar selten Wahlen gewinnen, aber für die menschliche Sicherheit auf der ganzen Welt gibt es gar keine andere Wahl.

Alle Details zur NADEL-Umfrage finden Sie hier: Survey results 2022

Unsere Medienmitteilung zur Studie «Sicherheit 2023» finden Sie hier.

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Jeder vierte Franken bleibt in der Schweiz

12.04.2023, Entwicklungsfinanzierung

Gemäss den heute publizierten Zahlen des OECD-Entwicklungsausschusses stiegen die öffentlichen Entwicklungsausgaben der Schweiz im Jahr 2022 von 0.5% auf 0.56% des Brutto­nationaleinkommens (BNE). Dies ist nur eine Scheinblüte; in Wirklichkeit verfehlt die Schweiz das international vereinbarte Ziel von 0,7% zur Reduktion von Armut und Ungleichheit im Globalen Süden massiv. Ohne die im Inland verbleibenden Asylkosten einzurechnen, geht der Schweizer Beitrag nämlich deutlich zurück, von 0.45 auf 0.40% des BNE.

Jeder vierte Franken bleibt in der Schweiz

Die Welt befindet sich im Krisenmodus – Klimakrise, Coronakrise, Schuldenkrise und der Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Nahrungsmittel- und Energiepreise vielerorts drastisch steigen lässt. Diese Polykrise hat massive negative Auswirkungen in den ärmsten Ländern der Welt: Sie führt zu steigen­der Armut, zu Hungersnöten und letztlich auch zu politischen Unruhen, Fragilität und Gewalt. Viele Gründe also, um die öffentliche Entwicklungsfinanzierung – in der Sprache der OECD die aide publi­que au développement (APD) – aufzustocken und damit die internationale Solidarität auszubauen.

Der Anstieg der Schweizer APD ist lediglich auf die Kosten für die Unterbringung der ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz zurückzuführen, welche unsinnigerweise der APD angerechnet werden dürfen. 2022 betrugen sie 28% der Schweizer Entwicklungsausgaben. Diese Gelder werden zwar für den Schutz von Menschen in der Schweiz eingesetzt, haben aber keinen entwicklungspolitischen Effekt und tragen nicht zur Reduktion von Armut und Ungleichheit im Globalen Süden bei. Im interna­tionalen Vergleich verbleibt die Schweiz auf dem mittelmässigen Platz 10, hinter Luxemburg, Schwe­den, Norwegen, Deutschland, Dänemark, Niederlande, Frankreich, Finnland und Belgien.

Unterstützung der Ukraine ausbauen – aber nicht auf Kosten des Globalen Südens

Zahlreiche internationale zivilgesellschaftliche Organisationen sind besorgt darüber, wie dringende Prioritäten der Entwicklungsfinanzierung und der humanitären Hilfe für andere Länder durch die Unterstützung der Ukraine beeinträchtigt werden. «Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine müssen massiv ausgebaut werden, aber das darf nicht auf Kosten bestehender Projekte und Programme im Globalen Süden gehen. Sonst kommen die ärmeren Länder indirekt für die Unterstützung der Ukraine auf. Die Schweiz muss stattdessen endlich einen angemessenen Beitrag an die Armutsbekämpfung und für nachhaltige Entwicklung leisten. Und zwar real und nicht nur mit Zahlenspielen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud.

Weitere Informationen:

Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Laura Ebneter, Verantwortliche Internationale Zusammenarbeit Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch

Siehe auch, weshalb grosse öffentliche Investitionen in eine soziale, nachhaltige und global solidarische Schweiz problemlos möglich sind.

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Finanzgipfel in Paris

19.06.2023, Entwicklungsfinanzierung

Der französische Präsident organisiert diese Woche eine geschlossene Diskus­sionsrunde über eine stärkere Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden. Der Elefant im Raum bleiben wird eine echte Reform des globalen Finanzsystems.

Finanzgipfel in Paris

Vom 22.-23. Juni 2023 organisiert Frankreich einen «Summit on a New Global Financing Pact» in Paris. Hauptsächlich hinter verschlossenen Türen diskutieren Staats- und Regierungschef:innen mit Vertreter:innen der Finanzakteure über eine stärkere Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden. Reformen, die das Finanzsystem tatsächlich gerechter machen würden, werden aber nicht lanciert – auch nicht von der Schweiz, die ebenfalls teilnimmt.

Die Vielfachkrise im Globalen Süden vernichtet Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung und es fehlt vielerorts an finanziellen Mitteln. Der neuste Weltklimabericht stellte ausserdem klar, dass die Kosten der Klimakrise viel schneller zunehmen als die finanziellen Mittel, die dafür zur Verfügung stehen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron organisiert diese Woche eine geschlossene Diskus­sionsrunde unter Staatschef:innen, die weitreichende multilaterale Entscheide an kommenden Gipfeln vorspuren könnte: bei der G20, an der UNO-Halbzeitkonferenz für die Agenda 2030 und der Klimakonferenz COP28. Im Zentrum steht der Ausbau der privaten Finanzierung für eine grüne Wende. Es sollen aber auch Ideen zum besseren Schutz besonders verletzlicher Staaten vor den negativen Folgen der Klimakrise und zu neuen Finanzierungsinstrumenten zur Deckung von Klima­schäden ausgetauscht werden.

Die meisten Vorschläge sind Symptombekämpfung: Es ist nicht so, dass in der Welt zu wenig Geld für mehr nachhaltige Entwicklung vorhanden ist, es wird nur sehr schlecht verteilt. An Macrons Gipfel wird eine echte Reform des globalen Finanzsystems, die dieses gerechter machen könnte, der Elefant im Raum bleiben: «Während die Schuldenkrise im Globalen Süden sich stetig ver­schärft, wird am Gipfel nur ‘Pflästerlipolitik’ betrieben. Die wirklichen Fragen bleiben aussen vor: Transparenz bei den Gläubigern, Umverteilung von finanziellen Ressourcen vom Norden in den Süden und – unumgänglich – Schuldenerlasse», kommentiert Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungs­politik.

Was ist die Rolle der Schweiz?

Alliance Sud verfolgt die aktuellen internationalen Debatten zu diesen Themen und stellt fest: Die offizielle Schweiz geniesst und schweigt. Denn sie profitiert finanziell davon, dass Konzerne weiter­hin ihre Gewinne aus Produktionsländern in Schweizer Tiefsteuerkantone verschieben. Sie wendet nur 0.4% ihres Bruttonationaleinkommens für ihre internationale Zusammenarbeit auf anstatt der versprochenen 0.7%. Trotz ihrer sehr globalisierten Wirtschaft leugnet die Schweiz jegliche Verant­wortung für Emissionen importierter Güter, die ausserhalb ihrer Landesgrenzen anfallen, ebenso wie die im Ausland verursachten Emissionen des Schweizer Finanz- und Rohstoffhandelsplatzes. Entsprechend spielt sie ihre Verantwortung in der Klimafinanzierung herunter und rühmt sich den­noch ihrer Grosszügigkeit. Andreas Missbach: «Die Schweiz ist Trittbrettfahrerin, dabei könnte sie dank ihrem bedeutenden Finanzplatz und dem Sitz vieler multinationaler Konzerne das Steuer in die Hand nehmen und die grüne Wende, mehr Transparenz und ein gerechtes Steuersystem voranbringen.»

Für eine detailliertere Einschätzung und ausführlichere Hintergrundinformationen zu den diskutier­ten Themen des Gipfels finden Sie hier:

Für weitere Informationen:

Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Laurent Matile, Experte Unternehmen und Entwicklung, Alliance Sud, Tel. +4122 901 14 81, laurent.matile@alliancesud.ch

Delia Berner, Expertin Internationale Klimapolitik, Alliance Sud, Tel. +4177 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

Dominik Gross, Experte Steuer- und Finanzpolitik, Alliance Sud, Tel. +4178 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch

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Strategie ohne die notwendige Finanzierung

20.06.2023, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassung zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 lanciert. Mit der Strategie setzt er auf bewährte Schwerpunkte. Die notwendige Finanzierung wird aber nicht bereitgestellt.

Strategie ohne die notwendige Finanzierung
Patricia Danzi, Direktorin der DEZA
© Alliance Sud

Mit der Beendigung des Engagements der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika, die vor drei Jahren per Ende 2024 beschlossen wurde, sollten die frei werdenden Mittel in die anderen Schwerpunktregionen − insbesondere Subsahara-Afrika sowie Nordafrika und Mittlerer Osten – verlagert werden. Davon ist der Bundesrat für die kommende Strategie abgekommen; er will von 2025 bis 2028 1.5 Mia CHF aus dem Topf der IZA für die Ukraine zur Verfügung stellen. Dies ist ebenso unsolidarisch wie unglaubwürdig. Wenn 1.5 Mia CHF für die Ukraine reserviert werden, ohne den Finanzrahmen auszubauen, hat dies gravierende Konsequenzen für andere Regionen. «Wir setzen uns dafür ein, dass die Schweizer Unterstützung der Ukraine nicht von der Bevölkerung im Globalen Süden bezahlt wird», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. «Die Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine müssen massiv ausgebaut, aber zusätzlich zur internationalen Zusammenarbeit gesprochen werden.»

Die vorgesehenen Verpflichtungskredite für 2025-2028 sehen zudem einen Ausbau der humanitären Hilfe auf Kosten der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit vor. «Dies stellt eine zusätzliche Belastung der bestehenden, langfristigen Projekte, Programme und Partnerschaften dar, die wir nicht unterstützten können», sagt Andreas Missbach. Für zusätzliche Massnahmen der Not- und Soforthilfe bei Krisen und Katastrophen steht mit dem Instrument der Nachtragskredite bereits ein flexibles Finanzierungsinstrument zur Verfügung.

Grundauftrag der IZA ins Zentrum stellen

Sich überlappende Krisen und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu gravierenden Rückschritten bei der Armutsbekämpfung und einer Zunahme der globalen Ungleichheit geführt. Die Kluft zwischen dem dringenden Handlungsbedarf und verfügbaren Mitteln nimmt damit ein besorgniserregendes Ausmass an. Deshalb wird sich Alliance Sud in der Vernehmlassung für eine Schweizer IZA einsetzen, die den verfassungsmässigen Auftrag – die Überwindung von Armut und Not – ins Zentrum stellt und sich konsequent an der Uno-Agenda 2030 ausrichtet.

Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Laura Ebneter, Verantwortliche Internationale Zusammenarbeit, Alliance Sud, Tel. +4131 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch

Weshalb die Schuldenbremse kein Hindernis für die Ukraine-Hilfe und eine starke IZA ist.

Weshalb die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor nicht die Antwort auf die grosse Finanzierungslücke in der internationalen Zusammenarbeit ist.