Strategie 2025 – 2028

Internationale Zusammenarbeit schwebt über dem Abgrund

21.06.2024, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat Mitte Mai die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er hält darin an der Finanzierung der Ukraine-Hilfe auf Kosten des Globalen Südens fest und ignoriert damit die Resultate der öffentlichen Vernehmlassung.

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit schwebt über dem Abgrund

© Ruedi Widmer

Inhaltlich macht der Bundesrat keine grossen Sprünge und setzt in der Strategie 2025-2028 auf bewährte Themen und Umsetzungsstrategien. Dies in einer Welt, die − gemäss Strategie − fragmentierter, instabiler und unberechenbarer ist. In diesem Kontext entscheidet sich der Bundesrat für mehr Flexibilität, sein Wort der Stunde. Flexibilität sei notwendig, um den gegenwärtigen Krisen gerecht zu werden, sagte Bundesrat Ignazio Cassis an der Medienkonferenz. Wer die Strategie liest, merkt aber schnell, dass Flexibilität eigentlich nur bedeutet, dass die gesamte Ukraine-Hilfe im Umfang von 1.5 Milliarden Franken aus dem Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) bezahlt wird und deshalb die Beträge für andere Länder und Programme «flexibel» zusammengestrichen werden.

Heute hier, morgen dort

Bereits an der Medienkonferenz vom 10. April zur Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock und zur Ukraine-Hilfe sprach Bundesrat Ignazio Cassis von einem kontinuierlichen Re-Allozieren von Ressourcen in der IZA. Die Mittelzuweisung sei ein strategisches, dynamisches Geschehen und keine statische Haltung. Ein solch dynamischer Ansatz kann zwar durchaus zweckmässig sein, etwa bei der flexiblen Verknüpfung der drei Pfeiler der IZA, also humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung (auch Nexus genannt). Oftmals sind die Grenzen zwischen diesen Ansätzen ohnehin fliessend.

Eine internationale Zusammenarbeit, die permanent ihre Ressourcen zwischen verschiedenen Regionen und Ländern verschiebt, kann keine ernsthaften, langfristigen Partnerschaften aufbauen. Um effektiv und effizient tätig zu sein, braucht es aber genau diese. Es braucht Vertrauen und langfristiges Engagement, Beziehungen also, die durch Programme der Entwicklungszusammenarbeit geschaffen werden und erhalten bleiben. Oder um es mit den Worten von Bundesrat Cassis anlässlich eines Austauschs mit NGOs von 2022 zu sagen: «Verlässlichkeit, Vertrauen und Voraussehbarkeit». Wird die Schweizer IZA zum Spielball geopolitischer Erwägungen, fehlen ihr die notwendigen Netzwerke und Mitarbeitenden vor Ort. Der Krieg in der Ukraine hat eine Zeitenwende eingeleitet; dies darf aber nicht dazu führen, dass die Schweizer IZA das aufgibt, was sie über viele Jahre aufgebaut und mit ihren Partnerländern erreicht hat.

Seiltanz für die Ukraine

Mit dem Entscheid, die Ukraine-Hilfe aus dem Budget für internationale Zusammenarbeit zu finanzieren, teilt der Bundesrat gleich mehrfach aus. Zum einen ist es eine Absage an den Globalen Süden, der seit Jahren die wohlhabenden Länder dazu auffordert, dem international anerkannten Ziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungsfinanzierung – Aide publique au développement (APD) – nachzukommen. Mit der Vorlage des Bundesrats erreicht die Schweiz 2028 eine APD (ohne Asylkosten) von 0.36%. Wo bleibt also die so oft betonte humanitäre Tradition, wenn sie gebraucht wird?

Eine weitere Absage geht an diejenigen, die sich an der Vernehmlassung beteiligt haben. Denn eine überragende Mehrheit von 75% der Organisationen, Parteien und Kantone, die eine entsprechende Frage beantwortet haben, sagten ausdrücklich, dass die Ukraine-Hilfe nicht zulasten anderer IZA-Regionen und -Schwerpunkte wie etwa Subsahara-Afrika oder dem Mittleren Osten gehen darf. Keine der politischen Parteien ausser der SVP – die notabene gemäss ihrem Parteiprogramm die Entwicklungszusammenarbeit abschaffen möchte – unterstützt die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine aus der IZA. Mehrheitsfähige Lösungen, wie dies umgesetzt werden soll, fand das Parlament im Gerangel um die Bundesfinanzen leider noch keine.

Mit angezogener Schuldenbremse in die Irrelevanz

Im Ausland bleibt nicht unbemerkt, dass sich die Schweiz auf ihrem bequemen wie lukrativen Sonderstatus als neutrales Land ausruht und sich unzureichend am Abwehrkampf der Ukraine beteiligt, unabhängig davon, ob die Unterstützung militärischer oder humanitärer Natur ist. Die Schweiz kann mit einer Schuldenquote von 17,8% des Bruttoinlandprodukts international nicht glaubwürdig erklären, weshalb sie keine zusätzlichen Mittel für die Ukraine aufbringen kann. Gleichzeitig schüren die SVP und die FDP mit ihren Finanzierungsvorschlägen für die Aufrüstung der Armee und für die 13. AHV-Rente die Idee, dass sich die Schweiz gänzlich von ihren internationalen Verpflichtungen verabschieden könne.

Damit schottet sich die Schweiz immer mehr ab und wird international irrelevant. Adieu Vermittlerrolle, adieu humanitäre Tradition und verlässliche Partnerin. Der Bundesrat hat die Zeichen der Zeit richtig gelesen, hat aber den Pfad in die Isolation gewählt. Deshalb kann jetzt nur noch das Parlament korrektiv eingreifen und einen Richtungswechsel für die Ukraine und den Globalen Süden einleiten.

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Global, Meinung

Militärcoup im Ständerat bedroht menschliche Sicherheit

21.06.2024, Entwicklungsfinanzierung

Wir sind ein wenig erschrocken bei der genauen Lektüre der IZA-Botschaft 2025 – 2028, als wir über ein Detail gestolpert sind. Der grosse Schock kam dann aber Anfangs Juni, als die IZA auch im Rahmen der Armeebotschaft im Ständerat ins Visier geriet

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Militärcoup im Ständerat bedroht menschliche Sicherheit

© Parlamentsdienste / Franca Pedrazzetti

Es war ja bekannt, dass die Landesregierung die Unterstützung der Ukraine vollständig auf Kosten des Globalen Südens finanzieren will, die Ursache des leichten Schreckens bei der Lektüre der IZA-Botschaft, war deshalb nur ein vielsagendes Detail. Zum Rückgang der APD-Quote (auch das wussten wir leider schon) schrieb er in der deutschen Version: «Dies ist darauf zurückzuführen, dass das BNE [Red: das Bruttonationaleinkommen, d. h. die Wirtschaft] aufgrund der finanziellen Massnahmen im Zusammenhang mit der Schuldenbremse stärker gewachsen ist als die der IZA zugewiesenen Mittel.» Waaas? Kann es sein, dass die ganze Welt, die es sich leisten kann, bei Finanzkrisen und Epidemien Schulden macht, um die Wirtschaft anzukurbeln, und man in Bundesbern denkt, die Reduktion der Staatschulden durch die Schuldenbremse würde zu Wirtschaftswachstum führen? Aber dann kam die Entwarnung, es war nur ein Übersetzungsfehler aus der französischen Version.

Sehr fest erschrocken sind wir dann am 3. Juni, als wir die Ständeratsdebatte verfolgten. Zuerst wurde ein Antrag abgelehnt, der die von der bürgerlichen Männermehrheit (es sind grösstenteils Männer) unbedingt gewollte Erhöhung der Armeeausgaben bis 2030 wenigstens ausserordentlich und kombiniert mit der ausserordentlichen Finanzierung der Ukraine-Hilfe gebracht hätte. Aber gleich danach beschloss diese Mehrheit, das Armeebudget für den Waffeneinkauf um vier Milliarden zu erhöhen und dafür im Gegenzug die Entwicklungszusammenarbeit um zwei Milliarden zu kürzen. Ein Frontalangriff auf die IZA! (Ein ärgerliches Detail an der auf diese Art und in diesem Ausmass einmaligen Verknüpfung zwischen Armee und internationaler Zusammenarbeit ist, dass einem ständig militärische Metaphern einfallen…)

Dies, obwohl selbst das neu geschaffene Staatssekretariat für Sicherheitspolitik sagt: «Eine direkte militärische Bedrohung durch einen Angriff auf die Schweiz zu Land oder aus der Luft ist kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich.» Hingegen hätten sich die Bedrohungen etwa durch Cyberangriffe verschärft. Vergessen oder nie zur Kenntnis genommen worden ist, was der Bundesrat im sicherheitspolitischen Bericht schreibt: «Sie [die Aussenpolitik] trägt zur Stärkung internationaler Sicherheit und Stabilität bei, indem sie gute Dienste anbietet, Beiträge zur Friedensförderung leistet, sich für Völkerrecht, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzt, die Ursachen von Instabilität und Konflikten mit der Entwicklungszusammenarbeit bekämpft und mit humanitärer Hilfe zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung beiträgt.» Dass sogar der Begriff der menschlichen Sicherheit bei der Ständeratsmehrheit angekommen wäre, ist hingegen wirklich zu viel verlangt.  

Doch noch ist die Schlacht um die Rettung der IZA nicht verloren, der Gegenangriff läuft und wir kapitulieren nicht! Bitte entschuldigen Sie die militärischen Metaphern.

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Medienmitteilung

Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen

26.06.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute entschieden, dass der Schweizer Privatsektor mit 500 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine unterstützt werden soll. Finanziert wird das Ganze aus dem Betrag im Budget der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028, der eigentlich für die Ukraine vorgesehen war. Doch selbst der Bundesrat hat gemerkt, dass dieser Vorschlag nicht gesetzeskonform ist.

Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen

Charkiw (Ukraine). © imago

Im Mai 2024 hat der Bundesrat die Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 dem Parlament vorgelegt. Darin sieht er vor, dass 1.5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe ausgegeben werden. In derselben Strategie schreibt er, dass der Förderung des lokalen Privatsektors eine zentrale Rolle zukomme: «Die Zusammenarbeit zwischen der IZA und dem Privatsektor ist stets auf Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Davon profitieren lokale KMU und die Bevölkerung» (S. 41). Kaum einen Monat später kommt der Bundesrat von dieser Idee ab. Er sieht nun für den Wiederaufbau der Ukraine nämlich 500 Millionen Franken für den Schweizer Privatsektor vor. Das ist mehr als die gesamten bilateralen Mittel der DEZA für Subsahara-Afrika in einem Jahr (2022).

Dass die Förderung des Schweizer Privatsektors aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit nicht gesetzeskonform ist, weiss der Bundesrat, denn er muss dafür eine neue gesetzliche Grundlage ausarbeiten. Für Alliance Sud ist unverständlich, weshalb der Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt einen solchen Vorschlag macht, bevor die IZA-Strategie 25-28 überhaupt im Parlament behandelt wurde. Es ist unvorstellbar, wie das Parlament über die Verpflichtungskredite der internationalen Zusammenarbeit beschliessen kann, wenn davon 500 Millionen Franken ohne bestehende Gesetzesgrundlage verwendet werden sollen.

«Es ist ein Skandal, dass mit den Geldern für die internationale Zusammenarbeit Schweizer Unternehmen finanziert werden sollen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Mit diesem Entscheid soll in der Ukraine die Praxis der «tied aid» (gebundene Hilfe), die international in der Kritik steht, grossflächig zur Anwendung kommen. «Das wird den Wiederaufbau massiv verteuern, wenn die Ukraine nicht den billigsten Anbieter für ein Produkt oder eine Dienstleistung auswählen kann, sondern auf die teuren Anbieter der Geberländer angewiesen ist», sagt er weiter.


Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

 

 

Medienmitteilung

Chambre de destruction bedroht die Sicherheit der Schweiz

04.06.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Entscheid des Ständerats, der Entwicklungszusammenarbeit zwei Milliarden Franken wegnehmen zu wollen, ist fatal und bedroht die Sicherheit der Schweiz. Die Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit von heute sind die Krisen von morgen und das internationale Ansehen der Schweiz würde irreparabel beschädigt.

 

Chambre de destruction bedroht die Sicherheit der Schweiz

Sommersession im Ständerat. Grosse Abwesende: die Solidarität. © Parlamentsdienste 3003 Bern

 

2024 sind nach Angaben der UNO weltweit rund 300 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sie sind von Kriegen, Naturkatastrophen oder Hunger betroffen und brauchen dringend Lebensmittel, Trinkwasser, medizinische Hilfe, Zugang zu Bildung oder Schutz. Humanitäre Hilfe sichert Überleben, während Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Beitrag leistet, damit Menschen dauerhaft der Armut entkommen können.

Die vom Ständerat geplanten Einsparungen zugunsten der Armee würden zusammen mit den Beiträgen für die Ukraine zu Kürzungen im Umfang von einem Drittel des Budgets führen. Damit würden laufende, erfolgreiche Projekte gestoppt und jahrzehntelang aufgebaute Strukturen zerstört, die diejenigen Menschen erreichen, die Hilfe am Dringendsten benötigen. Wegen der Aufrüstung infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine darf die langfristige Konfliktprävention nicht zur Nebensache verkommen. Die Entwicklungszusammenarbeit leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur langfristigen Sicherheit der Schweiz.

 

Grafik, die zeigt, wie der Bundesrat und der Ständerat die Unterstützung für die Ärmsten Länder um einen ganzen Drittel kürzen möchte.

 

Die Aufrüstung der Armee auf dem Buckel der Ärmsten zu finanzieren, würde bedeuten, dass die bereits durch Kürzungen und die Finanzierung der Ukrainehilfe ausgedünnte Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr in der Lage wäre, ihren verfassungsmässigen Auftrag wahrzunehmen. Die 500 Millionen Franken pro Jahr, die wegfallen würden, sind deutlich mehr Geld als die gesamte Unterstützung der Schweiz für Afrika. Die Schweiz müsste die Bevölkerung ganzer Länder im Stich lassen. Es hiesse, dass die Schweiz multilateralen Organisationen wie dem Welternährungsprogramm, das Menschen vor dem Hungertod bewahrt, dem UNO-Kinderhilfswerk UNICEF oder der Afrikanischen Entwicklungsbank die Unterstützung entzieht. Dies hätte verheerende Auswirkungen auf das internationale Ansehen der Schweiz, die bereits jetzt für ihr mangelndes Engagement in der Kritik steht.

«Die Unsicherheitspolitiker im Ständerat nehmen weitere Instabilität in Kauf, die Menschen in die Flucht treibt. Auch dass sich die Schweiz mit einem solchen Entscheid international weiter angreifbar machen würde, ist ihnen egal. Die chambre de destruction muss vom Nationalrat zur Vernunft gebracht werden», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

 

Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Laura Ebneter, Expertin für internationale Zusammenarbeit Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch

Medienmitteilung

Der Bundesrat tut als ob

22.05.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute die lange erwartete Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er ignoriert darin die Resultate der öffentlichen Vernehmlassung komplett und hält an einer Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine auf Kosten des Globalen Südens fest.

Der Bundesrat tut als ob

Mit seiner aktuellen IZA-Botschaft verschiebt der Bundesrat die Prioritäten drastisch auf Kosten des Globalen Südens - dies obwohl die Schweiz ohnehin seit Jahrzehnten hinter ihren Versprechungen zurückbleibt.
© Anthony Anex / Keystone

In seinen bisherigen Stellungnahmen hat der Bundesrat die Verschiebungen der Prioritäten in der internationalen Zusammenarbeit (IZA) immer kleingeredet. Man werde die Beiträge an die Ukraine aufgrund des Budgetwachstums kaum spüren, sagte Bundesrat Ignazio Cassis noch an der Medienkonferenz vom 10. April. Die nun publizierte Vorlage spricht jedoch eine ganz andere Sprache: 39% der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit werden in Europa, Nordafrika und im Mittleren Osten ausgegeben. Subsahara-Afrika, wo der versprochene Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit liegen sollte, erhält weniger, nämlich 38% der EZA-Mittel. In der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die Verschiebung noch drastischer: Für Europa sind neu 42% der Mittel vorgesehen, während Subsahara-Afrika nur 13% der Mittel erhält. Die Einschnitte auf Kosten der ärmsten Länder sind dramatisch.

Zusätzliche und ausserordentliche Finanzierung nötig

«Hilfe gegen Armut und Not sind dringlicher denn je. Eine ausserordentliche Situation wie der Krieg in der Ukraine braucht ausserordentliche Mittel; die Menschen im Globalen Süden dürfen nicht die Rechnung dafür bezahlen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

Gravierend ist auch der prognostizierte Einbruch der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung auf nur noch 0.36% des Bruttonationaleinkommens. «Eine solch tiefe Quote – die Hälfte des international vereinbarten, von der Schweiz versprochenen Ziels und der tiefste Stand seit zehn Jahren – ist absolut inakzeptabel und einem reichen Land wie der Schweiz unwürdig», führt Missbach weiter aus.

Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken

Angesichts der zahlreichen Krisen und Kriege ist es jetzt mehr denn je angezeigt, dass die Schweiz ihr internationales Engagement ausbaut. In einem kurzen Briefing Paper hat Alliance Sud die wichtigsten Hintergrundinformationen für eine zukunftsgerichtete IZA zusammengestellt.

 

Für weitere Informationen:

Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Laura Ebneter, Expertin für internationale Zusammenarbeit Alliance Sud, Tel. 031 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch

Briefing Paper: Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken

Briefing Paper

Internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken

22.05.2024, Entwicklungsfinanzierung

Dieses Jahr bestimmt die Schweiz die Ausrichtung ihrer internationalen Zusammenarbeit (IZA) bis 2028. Diese soll solidarisch mit den Partnerländern lokalen Bedürfnissen Rechnung tragen. Eingebettet in den globalen Referenzrahmen der Agenda 2030 hat sich der Fokus über die Armutsbekämpfung hinaus erweitert: die soziale und ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sollen ein Teil langfristiger IZA sein. Das Alliance Sud Briefing Paper zeigt, wie die Schweiz seit 50 Jahren ihre internationalen Versprechungen verfehlt, ihren Beitrag gar künstlich erhöht und aktuell die IZA demontiert. Dabei gäbe es gewichtige Gründe, diese aus- statt abzubauen.

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken

Schweizer Politik und Wirtschaft führt weltweit zu ökologischen und sozialen Verwerfungen – besonders im Globalen Süden. Doch das spiegelt sich kaum in der Entwicklungsfinanzierung, die seit Jahren hinter ihren Versprechungen zurückbleibt. Soldat kurz vor bundesrätlichem Besuch in Maputo, Mozambique.
© Peter Klaunzer / Keystone

Medienmitteilung

Entwicklungsausgaben: Beitrag der Schweiz nach wie vor ungenügend

11.04.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bund gibt sich am IC Forum in Basel solidarisch, bläht aber seine öffentlichen Entwicklungsausgaben wie schon in der Vergangenheit auf. Die von der OECD publizierte Zahl für das Jahr 2023 ist in erster Linie auf die im Inland verbleibenden Asylkosten zurückzuführen, die fast ein Drittel der gesamten «Auslandhilfe» ausmachen. Mit einem Beitrag von 0,43% verfehlt die Schweiz das international vereinbarte Ziel von 0,7% des Bruttonationaleinkommens massiv.

Entwicklungsausgaben: Beitrag der Schweiz nach wie vor ungenügend

Im internationalen Vergleich fällt die Schweiz auf den mittelmässigen Platz 10 zurück. (Grafik von Alliance Sud / Quelle: OECD-DAC 2024)

Gemäss den heute publizierten Zahlen des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC) ist der Anstieg der Schweizer APD insbesondere auf die Kosten für die Unterbringung der ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz zurückzuführen, die unsinnigerweise der APD angerechnet werden dürfen. 2023 betrugen sie 28% der Schweizer Entwicklungsausgaben. Diese Gelder werden zwar für den Schutz von Menschen in der Schweiz eingesetzt, haben aber keinen entwicklungspolitischen Effekt und tragen nicht zur Reduktion von Armut und Ungleichheit im Globalen Süden bei.

 

#MehrSolidaritätJetzt

«Es braucht jetzt auch mehr Solidarität mit den vielen Menschen, die in extremer Armut leben und Gefahr laufen, in Vergessenheit zu geraten. Die Schweiz muss endlich das von ihr mitgetragene UNO-Ziel erfüllen und 0,7% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungsfinanzierung einsetzen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Nun soll auch noch der Wiederaufbau der Ukraine aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit finanziert werden. Damit würde die Ukraine ab 2025 mehr Geld erhalten als alle bilateralen DEZA-Programme in Subsahara-Afrika zusammen.

«Das ist ein Skandal: Die internationale Gemeinschaft hat kein Verständnis dafür, dass die Schweiz bei einer Staatsverschuldung von 16% auf Kosten der Ärmsten spart», sagt Missbach weiter. Eine breite Koalition aus der Bildung, Forschung, Zivilgesellschaft und Kultur fordert deshalb eine Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeit mit der Kampagne #MehrSolidaritätJetzt.

 

Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Laura Ebneter, Verantwortliche Internationale Zusammenarbeit Alliance Sud, Tel. 031 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch

 

Medienmitteilung

Ukraine-Wiederaufbau zerstört bewährte Entwicklungszusammenarbeit

10.04.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute den seit Monaten erwarteten Entscheid zur Ukraine-Hilfe gefällt: 5 Milliarden Franken sollen dafür in den nächsten zwölf Jahren zur Verfügung gestellt werden. Dabei verschweigt er aber, dass so die bewährte Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz kurz und klein geschlagen wird. Denn die Ukraine würde ab 2025 mehr Geld erhalten als alle bilateralen DEZA-Programme in Subsahara-Afrika zusammen.

Ukraine-Wiederaufbau zerstört bewährte Entwicklungszusammenarbeit

Mit den vom Bundesrat beschlossenen Beiträgen für die Ukraine würde diese 2025 mehr Geld erhalten als alle bilateralen DEZA-Programme in Subsahara-Afrika zusammen.  Grafik: Alliance Sud

Dass für den Wiederaufbau der Ukraine umfassende Mittel benötigt werden und auch die Schweiz einen substanziellen finanziellen Beitrag für die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau leisten muss, ist unbestritten. Geht es nach dem Bundesrat, soll die Ukraine-Hilfe bis 2028 im Umfang von 1.5 Mia. Franken zu 100% aus dem Budget für internationale Zusammenarbeit finanziert werden – das ist völlig inakzeptabel. Zudem ist die Finanzierung der restlichen 3.5 Mia. noch nicht geklärt. Auch da besteht die Gefahr, dass dies vollumfänglich zulasten der IZA gehen wird.

Bundesrat ignoriert Vernehmlassung

75% der Vernehmlassungsantworten zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 forderten, dass die Ukraine-Hilfe nicht zulasten anderer IZA-Regionen und -Schwerpunkte, wie etwa Subsahara-Afrika oder dem Mittleren Osten, gehen darf. Dieser Ansicht sind 5 von 7 Parteien – mit sehr deutlichen Worten die Mitte – und 9 Kantone. Explizit kein Problem damit, dass die Ukraine-Hilfe auf Kosten der IZA gehen soll, haben nur 3 von 215 Teilnehmenden der Vernehmlassung (24% haben sich nicht zu dieser Frage geäussert). Ebenso sprach sich die beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit des Bundesrates gegen eine Ukraine-Finanzierung auf Kosten der Ärmsten aus. Das Festhalten an den 1,5 Milliarden aus dem IZA-Budget 2025-2028 für die Ukraine-Finanzierung kommt somit einer völligen Missachtung der Ver-nehmlassung gleich.

Parlament muss Volkswillen respektieren

Jetzt kann nur noch das Parlament den Fehlentscheid des Bundesrats korrigieren. Es berät und verabschiedet die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 in der Herbst- und der Wintersession. «Es muss verhindert werden, dass die bewährte Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz kurz und klein geschlagen wird», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Damit würde das Parlament auch den Volkswillen respektieren, der laut Umfrage des Zentrums für Ent-wicklung und Zusammenarbeit der ETH (NADEL) stärker auf die Entwicklungszusammenarbeit als auf die Armee setzen will. Gemäss Sicherheitsstudie 2024 der ETH befürwortet sogar in der politischen Mitte eine deutliche Mehrheit der Befragten eine Erhöhung der Mittel für den Globalen Süden.

Weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

 

Medienmitteilung

Mehr Mittel für die Ukraine: Die Mitte muss jetzt liefern

05.03.2024, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung

Der Nationalrat hat heute den Vorstoss seiner Finanzkommission abgelehnt, der sichergestellt hätte, dass der Ukraine-Wiederaufbau nicht auf Kosten des Globalen Südens finanziert wird. Nun ist es an der Mitte, den Worten ihrer Stellungnahme zur internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 auch Taten folgen zu lassen.

Mehr Mittel für die Ukraine: Die Mitte muss jetzt liefern

© Parlamentdienste, 3003 Bern / Monika Flückiger

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski trifft die Präsident:innen von Nationalrat und Ständerat bei seinem Besuch in der Schweiz im Januar 2024.

Gemäss Entwurf der Strategie für die internationale Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 will der Bundesrat in den nächsten vier Jahren mindestens 1,5 Milliarden Franken für die Ukraine verwenden. Die Vernehmlassung hat aber deutlich gezeigt, dass eine solidarische Unterstützung der Ukraine nicht auf Kosten anderer Schwerpunkte und Programme gehen darf. So fordert auch die Mitte in ihrer Vernehmlassungsantwort zur IZA-Strategie, «(d)ass die Mehrausgaben zugunsten der Ukraine separat ausgewiesen und beantragt werden», und «dass die Verpflichtungskredite der vorliegenden IZA-Strategie deswegen nicht gekürzt werden».

Ganz und gar unverständlich ist deshalb die heutige Ablehnung der Motion zur Schaffung eines Fonds für den Wiederaufbau der Ukraine (Mo. 23.4350). «Die Mitte hat es heute verpasst, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen: Sie muss nun bis zur Behandlung der Strategie in den Räten mehrheitsfähige Vorschläge für die Finanzierung des Ukraine-Wiederaufbaus ausserhalb der IZA ausarbeiten.», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Alles andere «(…) steht im Widerspruch zur humanitären Tradition der Schweiz und kann aus Sicht der Mitte nicht im langfristigen Interesse des Landes sein», wie sie selbst in ihrer Vernehmlassungsantwort schreibt.

Weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

Faktenblatt zum ausserordentlich finanzierten Wiederaufbau der Ukraine

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© Screenshot Alliance Sud, eigene Markierung

Die Mitte predigt in ihrer Vernehmlassungsantwort Solidarität und Kohärenz, setzt aber im Parlament auf Passivität wie der Bundesrat.

FAKTENBLATT

Wiederaufbau der Ukraine: umfassend und ausserordentlich

19.02.2024, Entwicklungsfinanzierung

Für den Wiederaufbau der Ukraine sind umfassende Mittel gefragt. Auch die Schweiz muss einen substanziellen finanziellen Beitrag leisten. Doch die zuständigen Departemente wollen das nötige Geld aus den Töpfen für die internationale Zusammenarbeit nehmen und damit die Schuldenbremse priorisieren. Dabei kann sich die Schweiz eine ausserordentliche Finanzierung für die Ukraine leisten. Gerade jetzt muss sie den Globalen Süden gegen multiple Krisen unterstützen.

Wiederaufbau der Ukraine: umfassend und ausserordentlich

© Alliance Sud