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Klimapolitik ist (auch) Aussenpolitik!

25.01.2018, Klimagerechtigkeit

«Das Herzstück der Schweizer Klimapolitik» – so nennt der Bundesrat seinen Vorschlag zur Totalrevision des CO₂-Gesetzes – widerspricht Geist und Zielen des Pariser Klimaübereinkommens.

Klimapolitik ist (auch) Aussenpolitik!

© Schweizerische Bundeskanzlei

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Die reiche Schweiz kann beruhigt in die Zukunft blicken: Dem einsetzenden Klimawandel im Alpenraum begegnet sie mit Hangbefestigungen, Schneekanonen und adjustierbaren Skilift-Masten; und im Falle von komplett eingeschneiten Feriendörfern auch mal mit subventionierten Luftbrücken. Im globalen Süden, wo sich die meisten aus finanziellen Gründen kaum gegen die (erst noch grösstenteils fremdverschuldeten) Klimaveränderungen wappnen können, haben Wetterextreme weitaus existentiellere Folgen: Ernteausfälle, sich ausbreitende Wüsten, zunehmende Überschwemmungen in dicht besiedelten Landstrichen,  die Millionen von Menschen an Leib und Leben gefährden.  

Das Klimaübereinkommen von Paris aus dem Jahre 2015 rückt diese geopolitische Dimension der Klimakrise ins Zentrum. Eine umfassende, nachhaltige Klimapolitik für ein post-industrielles Land wie die Schweiz, dessen Klimafussabdruck weit über die Landesgrenze hinausragt, kann sich nicht nur auf die Verminderung inländischer Emissionen und raumplanerische Massnahmen im eigenen Land beschränken. Klimapolitik muss auch Migrationspolitik, Wirtschaftspolitik und vor allem kohärente Aussen- und Entwicklungspolitik sein.

Wer den Entwurf zur Totalrevision des CO₂-Gesetzes studiert – laut Bundesrat «das Herzstück der Schweizer Klimapolitik» – muss jedoch um Schluss kommen, dass der Bundesrat  das im Sommer 2017 von der Schweiz ratifizierte Pariser Klimaübereinkommen nur partiell und äusserst minimalistisch umzusetzen gedenkt. Ein happiger Vorwurf? Hier folgt die Begründung:

Unzureichende Emissionsreduktion

In Paris hat sich auch die Schweiz wie alle Länder verpflichtet, ihren Netto-Treibhausgas-Eintrag in die Atmosphäre bis Mitte des Jahrhunderts auf null zu senken. Die notwendige Emissionsreduktion muss also – eine einfache Rechnung – 3 bis 4 Prozent pro Jahr betragen. Im neuen CO2-Gesetz schlägt der Bundesrat aber eine Reduktion der inländischen Emissionen von gerade mal einem Prozent pro Jahr vor.

Ferner verlangt das Pariser Klimaübereinkommen von allen Ländern eine Langzeitstrategie zur Erreichung dieses Zieles. Wie eine solche aussehen kann, zeigt Schweden: Am 1. Januar trat dort ein Gesetz in Kraft, das alle künftigen Regierungen Schwedens verpflichtet, bis 2045 eine landesweite «Netto-Null-Emissionsbilanz» anzustreben. Das Gesetz legt dafür konkrete Etappenziele fest: Bis 2030 müssen die inländischen CO2-Emissionen um -63%, bis 2040 um -70% sinken. Die bundesrätliche Vorlage zum neuen CO₂-Gesetz – mit Zeithorizont bis 2030 – erwähnt dieses Pariser Klimaziel noch nicht einmal. Auch eine separate Klimastrategie 2050 ist am Schweizer Horizont nicht auszumachen.

Die wirksamsten Massnahmen, um den Schweizer Klimafussabdruck zu verkleinern, beschränken sich nicht aufs Inland: Die sogenannten grauen Emissionen, die durch Produktion und Transport unserer Importe im Ausland entstehen, übersteigen den gesamten inländischen Ausstoss. Auf dem Finanzplatz Schweiz, dieser Drehscheibe der globalen Finanzflüsse, wird nach wie vor in Milliardenhöhe in fossile Energieträger und Technologien investiert. Diese verursachen ein Zwanzigfaches der inländischen Emissionen. Überlegungen dazu, wie auch graue Emissionen eingedämmt oder der Finanzplatz Schweiz klimapolitisch zu optimieren wäre, sucht man im neuen CO2-Gesetz vergebens. Die Vorlage orientiert sich ausschliesslich an den Inlandemissionen, welche im Vergleich zur globalen Klima-Gesamtverantwortung der Schweiz «Peanuts» sind.

Klimafinanzierung fehlt

Aus entwicklungs- und aussenpolitischer Perspektive besonders bedeutend: Das Pariser Klimaübereinkommen verpflichtet die wohlhabenden Staaten, die Bevölkerungen in Entwicklungsländern, welche von den Klimaveränderungen am stärksten betroffenen sind, bei Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen zu unterstützen. Das Abkommen verlangt, dass zusätzlich zu den eigenen Reduktionsmassnahmen dafür mindestens 100 Milliarden US-$ pro Jahr zu Verfügung gestellt werden müssen.

Entsprechend ihrem Klima-Gesamtfussabdruck und ihrem Anteil an der OECD-Wirtschaftsleistung von rund einem Prozent muss sich die Schweiz daher ab 2020 mit rund 1 Milliarde Franken beteiligen. Doch zur Frage, wie die Schweiz diese Beiträge finanzieren will, steht im CO2-Gesetzesentwurf ebenfalls kein Wort. Dabei könnten mit einer zweckgebundenen Treibstoff- oder Flugticketabgabe Gelder in der notwendigen Grössenordnung mobilisiert werden. Und dies erst noch verursachergerecht. Stattdessen sollen internationale Klimazahlungen, wie bereits heute, aus dem schrumpfenden Budget der Entwicklungszusammenarbeit abgezweigt werden.  

Es fragt sich, wie lange es die Schweiz trotz ihres Paris-inkompatiblen Klimakurses noch schafft, sich auf internationaler Ebene als auch im Inland als verantwortungsbewusstes Land in Szene zu setzen. Offensichtlich will der Bundesrat die leider nicht haarscharf definierten Vorgaben des Pariser Klimaübereinkommens eigennützig auslegen, um unbequeme Diskussionen um eine zukunftsfähige Schweizer Klimapolitik zu vermeiden.

Dieser Artikel ist erstmals auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA) erschienen.

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Jetzt amtlich bestätigt: So trickst die Schweiz

26.03.2018, Klimagerechtigkeit

«Mehr als 60% des Treibhausgas-Fussabdrucks entstehen im Ausland.» So schreibt das Bundesamt für Statistik (BFS) im Titel seiner Publikation im Februar 2018. Damit anerkennt die offizielle Schweiz endlich ihre Klimaverantwortung in der Welt.

Jetzt amtlich bestätigt: So trickst die Schweiz

Eine Erhöhung des Benzinpreises ist politisch kaum mehrheitsfähig. Vielversprechende Instrumente zur Finanzierung des Schweizer Klimabeitrags hat der Bund jedoch 2011 schubladisiert.
© Daniel Rihs

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Das Bundesamt für Statistik (BFS) steht für Sachlichkeit und Präzision; seine Erhebungen sind unbestechlich und dienen den politischen und wirtschaftlichen Kräften unseres Landes als analytische Grundlage. Nun legt das BFS erstmals Zahlen vor, die eine seit Jahren vorgebrachte, zentrale Kritik von Alliance Sud bestätigen: Es ist unhaltbar, dass die offizielle Schweiz ihre Klimaverantwortung mit der Treibhausgasbilanz gleichsetzt.

In einer Erhebung stellt das BFS fest, dass die «im Ausland aufgrund der Schweizer Endnachfrage entstandenen Emissionen» mit 76 Mio. Tonnen CO2eq pro Jahr fast doppelt zu Buche schlagen wie der Treibhausgasausstoss innerhalb der Landesgrenzen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass wir immer mehr unserer energie- und emissionsintensiven Produktion ins Ausland verlagern.

Das Treibhausgasinventar wird regelmässig im Rahmen der Berichterstattung zum Kyoto-Protokoll erstellt. Es basiert auf dem Territorialprinzip, erfasst also nur Emissionen, die innerhalb der Landesgrenzen entstehen. Es blendet somit den Konsum von Importwaren genau so aus, wie Emissionen, die durch Flüge und Autofahrten ins Ausland verursacht werden. Ebenso wenig erfasst werden die Emissionen von Schweizer Unternehmen, die beispielsweise bei der Ausbeutung und Umwandlung von Rohstoffen oder der Produktion von Waren und Dienstleistungen im Ausland entstehen. Für Staaten wie die Schweiz, die zunehmend Emissionen ins Ausland verlagern statt diese zu vermeiden, wirkt sich diese statistische Verfälschung «günstig» aus.

Wie gesagt, neu ist diese Erkenntnis nicht: In ihrem Masterplan forderte auch die Klimaallianz 2016, dass die Klimapolitik der Schweiz an ihrem Gesamteintrag in die Atmosphäre weltweit ausgerichtet werden muss. Alliance Sud kritisiert seit Jahren, dass der Bundesrat insbesondere bei der Abschätzung ihrer gemäss Pariser Klimaübereinkommen geschuldeten Klimafinanzierungs-Beiträge zwar immer das Verursacherprinzip beschwört, dabei aber nur jenes Drittel der Schweizer Emissionen berücksichtigt, das innerhalb der Landesgrenzen emittiert wird.

Neu ist, dass nun endlich auch von offizieller Seite her eine Gesamtschau postuliert wird. Das sei «gerade in einem Land wie der Schweiz, das intensive weltweite Handelsbeziehungen unterhält» zentral, schreibt das BFS. Dadurch könne Kohärenz zur sogenannten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erzielt werden, einer OECD-weiten Methodik, die ebenfalls dem sogenannten Residenzprinzip folgt.

Das BFS hat jetzt den Grundstein gelegt für eine verlässliche Abschätzung der «gemeinsamen aber differenzierten» Klimaverantwortung der Schweiz. Seine Modellierung hat errechnet, dass sich die Schweizer Emissionen auf fast das Dreifache dessen belaufen, woran sich der Bundesrat bis anhin orientierte. Der von der Schweiz zu leistende Anteil an der internationalen Klimafinanzierung erhöht sich demnach auf 900 Millionen Franken pro Jahr; zur Erinnerung:  in seinem  Bericht vom 10. Mai 2017 ging der Bundesrat noch von 450 bis 600 Millionen aus.

Die Diskussion um den «fairen» Anteil der Schweiz an der Klimafinanzierung kann und muss damit ad acta gelegt werden. Das Augenmerk sollte endlich auf die dringend notwendige Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel gelegt werden.

 

Das Prinzip «Common but Differentiated Responsibility» 


js. Seit der Rio-Erklärung zu Umwelt und Entwicklung von 1992 nimmt das Prinzip der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung (engl. CBDR) eine bedeutende Rolle in der internationalen Klimadebatte ein. Dem CBDR-Prinzip liegt die Erkenntnis zugrunde, dass globale Umweltbedrohungen wie Klimaveränderungen, Biodiversitätsverlust oder Desertifikation nur durch gemeinsames Handeln angegangen werden können. Weil die verschiedenen Länder jedoch in unterschiedlichem Masse dafür verantwortlich sind, müssen die Lasten bei Vorbeugung und Bekämpfung unterschiedlich verteilt werden.

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Die Schweiz im Porzellanladen der COP 23

22.11.2017, Klimagerechtigkeit

An der Klimakonferenz COP 23 lobte Bundespräsidentin Leuthard die Schweiz als Vorbild für andere Länder. Das sieht Jürg Staudenmann, Klimaexperte bei Alliance Sud, im Interview mit kath.ch anders.

Die Schweiz im Porzellanladen der COP 23

© admin.ch

Laut Bundespräsidentin Leuthard hat die Klimakonferenz gezeigt, dass die Staaten willens sind, sich für den Klimaschutz zu engagieren und das Übereinkommen von Paris umzusetzen. Auch Ihre Meinung?

Im Grossen und Ganzen ja. Einmal abgesehen von den paar wenigen Staaten, die sich noch immer mit der Ablösung ihrer Volkswirtschaften von der Erdöl-Abhängigkeit schwertun.

Worin unterscheiden sich die Länder?

Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Elemente des Pariser Klimaübereinkommens die vordringlichsten sind. Für die Schweiz – das kam aus der Rede der Bundespräsidentin klar zum Ausdruck – geht es in erster Linie darum, ein möglichst striktes Regelwerk zur Eindämmung der Emissionen zu beschliessen.

Für Länder wie Tuvalu oder das präsidierende Fidschi stehen konkrete Fragen des Umgangs mit Klimaveränderungen, klimabedingten Schäden und Verlusten im Vordergrund. Sie verursachen wenig Emissionen, spüren aber die Auswirkungen unserer Emissionen an Leib und Leben.

Was wollen denn die Entwicklungsländer?

Sie monieren genauso wie die Schweiz, dass nicht alle Parteien ihre Verantwortung und Verpflichtungen ernst genug nehmen. Dabei beziehen sie sich auf die in Paris beschlossenen Klimafinanzierungsgelder der Industriestaaten, die im Bereich Klima-Anpassung auch nach fast zehn Jahren erst spärlich fliessen. Und sie verlangen Unterstützung für Schäden und Verluste, die etwa bei so starken Hurrikans und Überschwemmungen wie in diesem Sommer entstehen.

Leuthard fordert verbindliche Regeln und Transparenz zur Umsetzung des Klimaabkommens. Auch die Meinung von Alliance Sud?

Sicher, aber das gilt nicht nur für die Mitigation. Denn die Reduktion von Emissionen ist nur ein Teil des Pariser Klimaübereinkommens, wenn auch ein wichtiger. Daneben gilt es aber auch, den zweiten und dritten Pfeiler des Pariser Klimaübereinkommens vorwärts zu bringen: die Adaptation an die bereits einsetzenden Klimaveränderungen und die Klimafinanzierung. Gerade Klarheit darüber, wann und wie die Entwicklungsländer mit finanzieller und anderer Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel rechnen können, ist zentral für ihre Planung und die Festlegung von verpflichtenden Zielen. Deshalb fordern die Entwicklungsländer, dass auch die Klimafinanzierung gleichberechtigt im Regelwerk berücksichtigt wird, wie das im Pariser Klimaübereinkommen ja auch vorgesehen ist.

Leuthard findet, die Schweiz könnte als Vorbild dienen, denn es sei gelungen, Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen voneinander zu entkoppeln.

Von Vorbild zu sprechen, ist gelinde ausgedrückt mutig. Die leichte Senkung der Emissionen pro Kopf oder pro erwirtschaftetem Franken haben auch andere Staaten geschafft; und nicht wenige in Europa sogar noch deutlich besser als die Schweiz. Ausserdem ist es etwas zynisch von «Entkopplung» zu sprechen, wenn dabei nur die im nationalen Treibhausgasinventar aufgeführten Emissionen angeschaut werden. Denn die Gesamt-Emissionen – also inklusiv Flüge und mit importierten Gütern konsumierte «graue Emissionen» – stagnieren.

Wie schätzen Sie unser ökologisches Verhalten ein?

Nach wie vor fahren Schweizerinnen und Schweizer mehr und vor allem schwerere Autos, fliegen rund doppelt so viele Meilen pro Jahr und konsumieren mehr importierte Güter und Dienstleistungen als die Menschen in unseren Nachbarländern.

Wo hapert es?

Die Schweiz ist noch deutlich nicht auf einem 2-Grad-, geschweige denn 1,5-Grad-kompatiblen Pfad. Auch die bevorstehende CO2-Gesetzesrevision wird diese Lücke bei weitem nicht schliessen, wenn man sieht, was in die Vernehmlassung geschickt wurde. Im Gegenteil: Im Vergleich zu den Jahren unter dem Kyoto-Protokoll ist die Schweizer Emissionsreduktion auf fast die Hälfte zurückgegangen.
Auch hat die Schweiz nach wie vor keine Langzeit-Klimastrategie, wie dies das Pariser Klimaübereinkommen fordert. Ebenso wenig scheint der Bundesrat zu beabsichtigen, eine eigenständige, umfassende Klimagesetzgebung in Angriff zu nehmen.

Und wo steht die Schweiz betreffend Klimafinanzierung?

Da fällt unser Land noch weiter zurück. Der Bericht an die aussenpolitische Kommission vom Mai dieses Jahres zeigt im Prinzip, dass der Bundesrat noch immer keinen konkreten Plan hat, wie er bis in zwei Jahren jährlich wiederkehrende Beiträge in dreifacher Millionenhöhe zur Unterstützung von Klimaschutz- und Anpassungsprojekten in Entwicklungsländern mobilisieren will.
Denn er sagt im Wesentlichen, dass er die Mittel aus dem bestehenden Budget der Entwicklungszusammenarbeit abzweigen will und auf zusätzliche Mittel des Privatsektors hofft. Dafür legte er im Bericht aber keinerlei Lösungsansätze vor.

Was hat Sie besonders irritiert?

Die Aussage der Bundespräsidentin vor den Medien, dass die Schweiz nicht gedenke, ihre Klimaziele von 2030 zu überprüfen und gegebenenfalls nach oben anzupassen, ist besonders besorgniserregend. Denn gemäss Pariser Klimaübereinkommen – für dessen strikte Umsetzung sich die Schweiz ja laut Leuthard so sehr engagiert – müssen das alle Länder alle fünf Jahre machen. Das erste Mal 2018 mit Blick auf 2020.

Die Schweiz will die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent senken. Was halten Sie davon, dass 20 Prozent davon im Ausland erfolgen sollen?

Vorausgesetzt, dass für den Zukauf von Emissionreduktionsbescheinigungen aus dem Ausland die noch ausstehenden Regeln auch wirklich zustande kommen, kann das rein juristisch-technisch betrachtet für eine erste, aber wahrscheinlich eher kurze Zeit funktionieren. Aber das ist Augenwischerei. Denn das Pariser Klimaübereinkommen verlangt, dass bis 2050 alle Länder ihre Emissionen auf Null absenken.
Da wird es schon bald nichts mehr zu kaufen geben, denn die anderen Länder werden sich alle erzielten Fortschritte diesbezüglich selber anrechnen wollen. Nichts führt für die Schweiz darum herum, eben auch im Inland die Emissionen tatsächlich zu senken – und zwar um drei bis vier Prozent pro Jahr, wenn wir die Klimaziele von Paris tatsächlich umsetzen wollen.

Das Interview führte Regula Pfeifer, veröffentlicht wurde es auf kath.ch

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Verquer, unkoordiniert und inkohärent

05.10.2020, Klimagerechtigkeit

Die Klimakrise bedroht den Planeten. Das verlangt nach einer Politik, die über Landesgrenzen hinausdenkt und kurzsichtigen Eigennutz hintanstellt. Von einer kohärenten Klima(aussen)politik ist in Bern allerdings nichts zu spüren.

Verquer, unkoordiniert und inkohärent
Zwei Welten treffen aufeinander bei Afrikas grösstem Geothermiekraftwerk im Hells-Gate-Nationalpark in der Nähe des Naivashasees in Kenia.
© Pascal Maitre / Panos

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass Klimapolitik grenzüberschreitend angelegt sein muss. Doch in welchem Departement sollte diese angesiedelt sein? Im Umweltdepartement (UVEK), das für das (revidierte) CO2-Gesetz verantwortlich ist? Im Aussendepartement (EDA), weil das Pariser Klimaabkommen grenzüberschreitende Ziele und Pflichten definiert? Im Wirtschaftsdepartement (WBF), weil die Klimathematik im Kern mit Wirtschaft und Forschung zu tun hat? Gut positioniert wäre auch das Finanzdepartement (EFD), denn der Finanzplatz Schweiz verfügt über gewaltige Hebel, um in der Klimapolitik etwas zu bewegen. Es ist offensichtlich, dass der Klimakrise nur departementsübergreifend, ausserhalb herkömmlicher Denk- und Politikmuster, mit einer koordinierten Strategie begegnet werden kann. Doch in Bundesbern ist davon bisher nichts auszumachen.

Ein zentrales Problem der Schweizer Klimapolitik liegt in der (bewusst?) willkürlichen Handhabung der Landesgrenzen. Obschon allen klar ist, dass Treibhausgase keine Grenzen kennen, fokussiert die Politik bei der Bilanzierung von Treibhausgasen noch immer auf inländische Emissionen, will im neuen CO₂-Gesetze aber trotzdem CO₂-Emissionen im Ausland «kompensieren». Und es wird eifrig darüber debattiert, welche technischen Möglichkeiten es gäbe, CO₂ einzufangen und im Ausland zu «entsorgen». Die Schweizer Klimapolitik soll möglichst kostengünstig sein und – das ist der von der Klimastreikbewegung zu Recht scharf kritisierte realpolitische Konsens – weder unseren klimaschädigenden Lebensstandard in Frage stellen noch politische Verantwortung für den beträchtlichen Schweizer Klimafussabdruck jenseits der Grenze übernehmen.

Die meisten Gelder für internationale Klimapolitik werden derzeit im Aussendepartement mobilisiert, genauer aus dem Budget der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Das steht zunehmend in Konflikt mit dem Kernauftrag der Deza, vor Ort Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. Globaler Klimaschutz ist zweifelsohne wichtig und dringend, kann aber nicht alleine Aufgabe der Deza sein und primär aus dem Entwicklungsbudget finanziert werden.

Zwei Beispiele, die illustrieren, wie verquer und unkoordiniert die Schweiz Klimapolitik ausserhalb der Landesgrenzen betreibt:

Industrieforschung aus Mitteln der Deza. Die Deza beteiligt sich an einem Forschungsprojekt des Privatsektors und der EPFL zu emissionsarmem Zement (Low Carbon Cement LCC), der in Indien, Kuba, Thailand, China und Brasilien produziert und getestet wird. Ob dies zu einem direkten Nutzen für die Ärmsten vor Ort führt, ist fraglich.

Entwicklungsprojekte beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Im Juli verkündete das Bafu stolz, dass in Peru 200’000 Öfen verteilt werden, «um den Verbrauch von Brennholz zu senken». Einen Fortschritt für jene , die nicht mehr in verrauchten Küchen ihre Gesundheit ruinieren müssen. In welchem Mass dadurch Emissionen reduziert werden, wird schwierig nachzuprüfen sein. Doch die Schweiz wird sich ein Minus an x Tonnen CO2-Emissionen in der Schweiz anrechnen lassen. Erstaunlich: Die Deza ist in das Projekt nicht involviert.

Fazit: Die Schweizer Klimapolitik ist, namentlich was ihre Ziele und Wirkung jenseits der Landesgrenzen angeht, beliebig und inkonsistent. Vom Ansatz bis zur Finanzierung und Wahl der Instrumente fördern verschiedene Bundesstellen weitgehend unkoordiniert und mit teilweise vertauschten Zuständigkeiten ihre je eigenen Programme. Nicht nur private und politische Akteure,[1] auch der Gesetzgeber handelt bei der Entwicklung des neuen CO₂-Gesetzes widersprüchlich und inkohärent.[2]

Eine umfassende, Klima(aussen)politik tut dringend Not! Die Schweiz muss aufzeigen, aus welchen Beweggründen, mit welchen Instrumenten sie unmittelbar oder über Dritte (z.B. den Green Climate Fund) global Emissionen reduzieren und Resilienz fördern will; und wie dabei Vorsorge- und Verursacherprinzipien konsequent eingehalten werden können. Dazu braucht es klare Rollenteilungen auf Basis von Kompetenzen und Kapazitäten des Bundes und der Wirtschaft unter Einbezug der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft.

 

[1] Die Grünen stellen in ihrem neuen «Klimaplan» hochtechnische Verfahren zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und deren dauerhafte Speicherung ausser Landes zur Diskussion. Thermodynamisch betrachtet wird dies deutlich teurer zu stehen kommen als die vergleichsweise simple Abkehr von fossilen Energieträgern.

[2] Ausländische Treibhausgas-Reduktionen, die nicht an inländische angerechnet werden, sollen «möglichst den von der Schweiz im Ausland mitverursachten Emissionen entsprechen». Ob damit die vom Bundesamt für Statistik errechneten über 60% des Schweizer Klimafussabdruckes ausserhalb der Landesgrenzen gemeint sind, oder ob Klimafinanzierung künftig entlang den Zulieferketten von Schweizer Unternehmen eingesetzt werden soll, bleibt (absichtlich?) offen.

Ganzheitliche Klimabilanzierung für Unternehmen und Staaten

Der Speicherplatz für zusätzliche Treibhausgase in der Atmosphäre ist beschränkt. Eine lückenlose, den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtete staatliche Treibhausgas-Bilanzierung könnte sich an transnationalen Industriestandards orientieren, die unter dem Greenhouse Gas (GHG) Protocol zusammengefasst werden. Diese auf freiwilliger Basis angewendete Methodik basiert auf einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und schliesst bestehende Lücken in der internationalen Klimaberichterstattung.
Dabei werden Emissionen dreier «Reichweiten» erfasst:

  • Die sogenannten scope 1 & 2-Emissionen umfassen die durch ein Unternehmen direkt und indirekt (beispielsweise durch zugekaufte Energie) ausgestossenen Treibhausgase.
  • Bei scope 3 werden auch Emissionen mitberücksichtigt, die durch Zulieferer sowie durch die Verteilung, Nutzung und Entsorgung eigener Produkte anfallen.

Auf Staaten übertragen bedeutete dies, dass neben inländischen Emissionen auch Emissionen in die Bilanz aufgenommen werden müssten, die durch Produktion und den Transport von importierten Konsumgütern und Dienstleistungen im Ausland anfallen (sogenannte graue Emissionen).

Unter scope 3 müssten neben diesen sogenannt «Konsum-basierten» Emissionen auch Treibhausgase mitbilanziert werden, die multinationale Schweizer Unternehmen und deren Zulieferer ausserhalb der Landesgrenzen emittieren. Das umfasst namentlich auch Emissionen, die durch Investitionen entstehen, die über den Schweizer Finanzplatz abgewickelt wurden. Diese betragen notabene ein 22-faches der inländischen Emissionen.

Eine nationale Klimapolitik ist nur dann verantwortungsvoll und global gerecht, wenn sie auf dem nach scope 2 und 3 ermittelten CO2-Fussabdruck basiert. Dies spielt insbesondere für die Eingrenzung von inflationär, aber unscharf verwendeten Begriffen wie «netto Null» oder «klimaneutral» eine wichtige Rolle. JS

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Das CO2-Gesetz ist besser als nichts

10.12.2020, Klimagerechtigkeit

Das neue CO2-Gesetz ist entwicklungspolitisch gesehen zwar ungenügend, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Einen Plan B gibt es nicht: Wird es abgelehnt, drohen eine noch schwächere Vorlage und eine Lücke in der Schweizer Klimagesetzgebung.

Das CO2-Gesetz ist besser als nichts
Das Parlament geht zu wenig weit: KlimaaktivistInnen protestierten Ende September auf dem Helvetiaplatz in Bern und erinnerten die ganze Schweiz daran, dass die Klimakrise trotz Corona immer noch aktuell und wichtig ist.
© Anthony Anex / Keystone

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Das revidierte CO2-Gesetz ist ein Kompromiss der zurzeit vorherrschenden politischen Kräfte der Schweiz. Auch wenn der vorliegende Gesetzestext nach zähem parlamentarischem Ringen klare Lücken aufweist, unterstützt werden muss er allemal. Denn er stellt den längst überfälligen Zwischenschritt in der schleppenden Schweizer Klimapolitik dar und bereitet den Boden für dringende, weiterreichende Schritte in Richtung globaler Klimagerechtigkeit.

Dass die Klimabewegung mit dem revidierten CO2-Gesetz höchst unzufrieden ist, ist nachvollziehbar. Denn es fokussiert einseitig auf Emissionsminderung und lässt viele Fragen einer globalen Klimagerechtigkeit aussen vor. Auch Alliance Sud sieht erhebliche blinde Flecken: So fehlen jegliche Bestimmungen zu zentralen Aspekten des Pariser Klimaübereinkommens wie der internationalen Klimafinanzierung oder zum Umgang mit klimabedingten oder -verschärften Schäden und Verlusten. Die dringende Unterstützung von Entwicklungsländern mit zusätzlichen Mitteln im Kampf gegen die Klimakrise wird ausgeklammert – und so implizit weiterhin an die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) delegiert .

Offene Fragen und ein kleiner Lichtblick

Zwar wird im Zielartikel (Art. 3) auf «Emissionsverminderungen im Ausland, die nicht an das Ziel nach Absatz 1 [Halbierung der Emissionen bis 2030, Anm. d. Red.] angerechnet werden» verwiesen; diese sollen «möglichst den von der Schweiz im Ausland mitverursachten Emissionen entsprechen». Doch ist unklar, was genau damit bezweckt werden soll.

Wollte das Parlament damit Massnahmen in Zulieferketten von Schweizer Unternehmen priorisieren? Dies bürge das Risiko, dass zukünftige Klimafinanzierungsgelder aus den Rahmenkrediten der EZA auch noch zur Dekarbonisierung von industriellen Zulieferketten der Schweizer Unternehmen eingesetzt werden.

Oder ist dieser Artikel eine (zaghafte) Anerkennung der zwei Drittel im Ausland anfallenden Treibhausgasemissionen der Schweiz, die durch Produktion unserer Importgüter entstehen? Und für deren Reduktion wir als KonsumentInnen folglich mitverantwortlich sind? Die genaue Auslegung wird Gegenstand der Umsetzung des Gesetzes sein; weitere, hitzige Debatten scheinen vorprogrammiert.

Der einzige konkrete «klimaaussenpolitische» Bezug bei den zahlreichen Instrumenten und Massnahmen beschränkt sich auf das umstrittene Ansinnen, einen Viertel der für 2030 gesteckten nationalen Klimaziele mit dem Kauf teurer Zertifikate für Massnahmen im Ausland zu erreichen. Rein buchhalterisch müssten so 30-35 Millionen Tonnen CO2 statt auf Schweizer Boden ausserhalb der Landegrenzen reduziert werden. Das wird mehrere Milliarden Franken kosten, welche für die dadurch nicht obsolet gewordene Dekarbonisierung der Wirtschaft und Gesellschaft im Inland fehlen werden. Und dies, notabene, während die EU solche Ausweichstrategien inzwischen nicht nur ausklammert, sondern die Treibhausgasemissionen innerhalb der EU-Grenzen bis 2030 sogar um 55 Prozent reduzieren will.

Ein potentieller, entwicklungspolitischer Lichtblick besteht allerdings in Bezug auf den neu zu schaffenden Klimafonds: Mit einem Teil der Gelder – namentlich den Einnahmen aus Sanktionen und Emissionshandel – sollen künftig «Massnahmen zur Vermeidung von Schäden an Personen und Sachen [infolge] der erhöhten Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre» finanziert werden. Dies schliesst juristisch auch (Anpassungs-)Massnahmen in Entwicklungsländern ein.

In den sauren Apfel beissen

Das revidierte CO2-Gesetz genügt dem Anspruch nachhaltiger und global gerechter Entwicklung kaum; es wird selbst dem Pariser Klimaübereinkommen nur teilweise gerecht. Und dennoch ist für Alliance Sud klar, dass bei der voraussichtlichen Abstimmung die Stimmbevölkerung in den sauren Apfel beissen muss. Dass neben Wirtschaftskreisen, denen das Gesetz zu weit geht, auch einzelne Regionalgruppen der Klimastreikbewegung dagegen das Referendum ergriffen haben, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern aus folgenden Gründen gar brandgefährlich:

Zum einen existiert schlichtweg kein Plan B. Falls das CO2-Gesetz 2022 nicht in Kraft tritt, wirft das die Schweizer Klimapolitik um weitere Jahre zurück. Die Totalrevision des vorliegenden CO2-Gesetzes hat vier Jahre gedauert. Die Nichtannahme der Vorlage nächstes Jahr hätte eine klaffende Gesetzeslücke bis Mitte der Zwanzigerjahre zur Folge. Die Schweiz hätte bis dahin – als weltweiter Sonderfall – gar keine eigentliche Klimagesetzgebung.

Zum anderen – und das wiegt schwerer – drohte die Schweiz zu einem neuen «Trumplandia» zu verkommen. Das Verwerfen des CO2-Gesetzes würde ausgerechnet denjenigen Kräften in Politik und Gesellschaft den Rücken stärken, welche sich uneinsichtig am Status quo festklammern und jegliche Klimafortschritte seit Jahrzehnten torpedieren. Die eigennützig handelnden Referendumsführer (allen voran Avenergy, vormals Erdölvereinigung und Auto Schweiz), die einzig und allein ihre todgeweihten Geschäftsmodelle um ein paar Jahre verlängern wollen, würden im Chor mit den Klimakrisen-Verleugnern den politischen Scherbenhaufen als Absage der Bevölkerung an jeglichen Klimaschutz umzudeuten versuchen. Die SVP und weitere rechtslibertäre Gruppierungen könnten damit gar ein unheilvolles klimapolitisches «Comeback» inszenieren. Es ist illusorisch, dass in diesem Fall die Stimmen der Klimabewegung, welche aus genau konträren und von der Sache her unterstützungswürdigen Klimagerechtigkeits-Motiven heraus gegen die Vorlage sind, im populistisch-politischen Getöse überhaupt noch gehört würden.

Aus demselben Grund ist auch höchst fraglich, ob und wann einem nach Jahren gescheiterten CO2-Gesetz eine auch nur annähernd ambitionierte, neue Vorlage erwachsen könnte. Einschlägige Erfahrungen aus abgelehnten Gesetzesvorlagen deuten auf das Gegenteilige hin: In der Regel folgen auf gescheiterte nicht verschärfte, sondern klar abgeschwächte Vorlagen.

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Gletscher-Initiative: zahnloser Gegenvorschlag

23.12.2020, Klimagerechtigkeit

Die Bevölkerungen in den ohnehin schon klimaexponierten Entwicklungsländern kämpfen tagtäglich mit den zunehmenden Folgen der Klimakrise. Die wohlhabende Schweiz muss dringend ihrer Verantwortung als Mitverursacherin nachkommen.

Gletscher-Initiative: zahnloser Gegenvorschlag

© Gletscher-Initiative

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

Dazu gehört zum einen eine rasche und vollständige Absenkung aller Emissionen; zum anderen aber auch die Unterstützung der Meistbetroffenen im Kampf gegen die zunehmende Verschärfung der Klimakrise.

Eine der wirkungsvollsten und daher vordringlichsten Massnahmen zur Eindämmung der fortschreitenden Klimakrise ist die rasche, vollständige Dekarbonisierung der Schweizer Gesellschaft. Das Volksbegehren «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» rückt dies ins Zentrum. – Daher stellt sich Alliance Sud voll und ganz hinter die Volksinitiative.

Im (direkten) Gegenvorschlag schwächt der vom Bundesrat hingegen dieses Kernanliegen – mit teilweise nicht nachvollziehbaren Argumenten – deutlich ab. Das sendet falsche Signale und untergräbt die eigene (notabene nach der Initiativeinreichung beschlossene) Vorgabe des Bundesrates, bis 2050 netto Null Emissionen auszustossen. Die anvisierten Abschwächungen im Gegenvorschlag würden die notwendigen Massnahmen massiv verschleppen. Die Erreichung des Endziels – Klimaneutralität der Schweiz bis spätestens 2050 zu erreichen – stünde in Frage.

Alliance Sud fordert – angesichts der sich stark zugespitzten Klimakrise und der veränderten politischen Verhältnisse seit der Lancierung der Initiative – einen ambitionierteren Gegenvorschlag. Dieser sollte nebst griffigen Massnahmen zur Dekarbonisierung der Schweiz insbesondere auch dem zweiten, entwicklungspolitisch zentralen Aspekt des Pariser Klimaübereinkommens gerecht werden. Mit der Ratifizierung verpflichtete sich die Schweiz, zusammen mit allen hoch-industrialisierten Ländern, die Meistbetroffenen der (grösstenteils nicht selbst verschuldeten) Klimaveränderung im globalen Süden finanziell zu unterstützen.

Ein entsprechender Passus fehlt jedoch im Initiativetext als auch im Gegenvorschlag. Alliance Sud sieht daher zwei Möglichkeiten: Anstatt eines direkten würde ein indirekter Gegenvorschlag die Möglichkeit für wirkungsvollere und vor allem sehr schneller umsetzbare Schritte auf Gesetzesebene schaffen. Alliance Sud schliesst sich daher der Forderung der Klima-Allianz nach einem indirekten Gegenvorschlag an.

Sollte der Bundesrat keinen indirekten Gegenvorschlag in Erwägung ziehen, fordert Alliance Sud, den direkten Gegenvorschlag auf der Grundlage des Initiativtextes dahingegen anzupassen, dass der Kern des Anliegens ohne Abstriche beibehalten und – wie in unserer Stellungnahme erläutert –  ergänzt wird.

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Klima(aussen)politische Fragezeichen

12.02.2021, Klimagerechtigkeit

In der langfristigen Klimastrategie bekennt sich der Bundesrat zu globaler Verantwortung. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit darf aber nicht zu einem Instrument zur Einhaltung des langfristigen Schweizer Klimaziels umfunktioniert werden.

Klima(aussen)politische Fragezeichen

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klima und Umwelt»

In der langfristigen Klimastrategie bekennt sich der Bundesrat zu globaler Verantwortung und fasst den folgerichtigen Grundsatz, auch Treibhausgase im Schweizer Klimafussabdruck ausserhalb der Landesgrenzen zu reduzieren. Gleichzeitig sollen jedoch ausländische Treibhausgas-Senken auch dazu dienen, die inländische Treibhausgas-Bilanz bis 2050 auszugleichen («Netto-Null-Ziel»). Das wirft grundlegende Fragen auf.

Am 27. Januar stellte der Bundesrat die seit Langem und mit Spannung erwartete Klimastrategie der Schweiz bis zum Jahr 2050 vor. Mit dem Pariser Klimaübereinkommen verpflichteten sich 2015 alle Länder, bis 2020 darzulegen, wie sie bis spätestens Mitte des Jahrhunderts dazu beitragen, die Treibhausgase weltweit auf «netto-null» zu senken; das heisst ein Gleichgewicht zwischen Emissionsquellen und -senken herzustellen.

Im nun vorliegenden Papier bekräftigt der Bundesrat sein 2019 beschlossenes Ziel, «die Treibhausgasbilanz der Schweiz spätestens im Jahr 2050 [auszugleichen] (Netto-Null)». Trotz des expliziten Bekenntnisses, dass «aus wissenschaftlicher Sicht die Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen auf Netto-Null zwingend [ist], um die globale Erwärmung unter der kritischen Schwelle zu halten», umfasst das nun festgeschriebene Netto-Null-Ziel jedoch explizit nur «die Emissionen innerhalb der Schweizer Landesgrenzen».

Demgegenüber anerkennt der Bundesrat, «dass rund zwei Drittel des Treibhausgasfussabdrucks der Schweiz im Ausland anfallen». Er fasst daher folgerichtig – und durchaus lobenswert – den Grundsatz für die Schweizer Klimapolitik der kommenden 30 Jahre, dass «die Emissionen über die gesamten Wertschöpfungsketten reduziert» werden müssen.

Mit welchen konkreten Massnahmen Emissionen im Ausland reduziert werden sollen, bleibt indes offen. Zudem leitet der Bund einen «Bedarf an negativen Emissionen her, der zum Ausgleich der verbleibenden [inländischen] Restemissionen voraussichtlich notwendig sein wird». Die Strategie beziffert diesen mit 7 bis 12 Millionen Tonnen CO2-Äquiivalenten (7-12 Mt CO2eq); also bis zu einem Drittel der derzeitigen Inlandemissionen. Weil jedoch die natürlichen Senken und Kapazitäten für die geologische Speicherung im Inland begrenzt seien, geht der Bundesrat davon aus, dass die Schweiz «auch auf den Zugang zu ausländischen Lagerstätten angewiesen sein» wird.

Schweizer Emissionssenken im Ausland?

Mit anderen Worten: Trotz Eliminierung von Treibhausgas-Emissionen in sämtlichen Sektoren sollen selbst 2050 noch Millionen von Tonnen CO2eq durch technische oder natürliche Treibhausgas-Senken im Ausland ausgeglichen werden. Der Bundesrat stellt im selben Strategiepapier jedoch auch fest, dass «das Potenzial für Massnahmen im Ausland» rasch abnehmen wird, weil die Treibhausgase bis 2050 weltweit eliminiert werden müssen. Und dass auch die «Bereitschaft, anderen Ländern anrechenbare Reduktionsmöglichkeiten günstig abzutreten» sinken werde.

In der Tat haben bereits über 60 Länder Netto-Null-Ziele beschlossen – die meisten notabene ohne Kompensationsabsichten jenseits ihrer Landesgrenzen. Sie, aber auch einkommensschwache Länder, werden sämtliche Emissionsminderungen, die in ihrem eigenen Land erreicht werden können, selber benötigen, um ihre eigenen Klimaziele zu erreichen. Ferner versprachen bereits über 1'000 Unternehmen, ihre (zum Teil historischen) Emissionen durch Wiederaufforstungen oder technische Negativemissions-Technologien zu «kompensieren». Da stellt sich unweigerlich die Frage, auf welchen Ländereien all dieser Kohlenstoff eliminiert und eingelagert werden soll. Insbesondere bei «naturbasierten Ansätzen» – wie Aufforstungen oder Wiedereinstauungen von trockengelegten Mooren – drohen unweigerlich neue Konflikte aufgrund anderer Landnutzungsansprüche, der Ernährungssicherheit oder verletzter Landrechte ansässiger und indigener Bevölkerungen.

Neben der Frage, wo konkret und mit welchen ausländischen Treibhausgas-Senken die Millionen Tonnen «Schweizer Restemissionen» aus dem Inland und den fast doppelt so klimaintensiven Wertschöpfungsketten dauerhaft eingelagert werden sollen, kommt die Frage der dafür notwendigen Finanzierung hinzu.

IZA-Gelder zur Reduktion von Schweizer Emissionen?

Der explizite Grundsatz, dass die Schweiz «ihre klimapolitische Verantwortung wahr[nimmt]» und daher die Emissionen «über die gesamten Wertschöpfungsketten» und damit zum ersten Mal in der Schweizer Klimapolitik über die Landesgrenzen hinaus reduzieren will, ist gewiss zu begrüssen. In der Frage, mit welchen konkreten Massnahmen der Klimafussabdruck im Ausland reduziert werden soll, bleibt die Strategie vage. So sollen die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, «dass die Produktion und die Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungsketten die Umwelt möglichst wenig belasten und zu einem möglichst geringen Treibhausgasausstoss führen.» Bund, Kantone und Gemeinden sollen «für die Schonung der natürlichen Ressourcen» sorgen und «Ansätze im Bereich der Kreislaufwirtschaft [stärken]».

Sehr konkret wird die langfristige Klimastrategie hingegen in Bezug auf die Internationale Zusammenarbeit (IZA). Sie engagiere sich «unter anderem dafür, die Emissionen in den Wertschöpfungsketten im Ausland zu reduzieren». Denn die Schweiz soll gemäss revidiertem CO2-Gesetz «auch einen Beitrag zur Reduktion der Auslandsemissionen [leisten]; und zwar im selben Umfang wie diese von der Schweiz verursacht werden.»

Dazu sollen «die Ressourcen der IZA im Bereich Klimawandel […] schrittweise von 300 Millionen Franken pro Jahr (2017–2020) bis Ende 2024 auf rund 400 Millionen Franken pro Jahr erhöht [werden]» – notabene aber ohne eine entsprechende Aufstockung der Gesamtkredite der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Wie in früheren Beiträgen ausgeführt, sollen demnach bis 2024 fast 20% der gesamten EZA-Mittel der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) für Klimaprojekte reserviert sein.

Ist demnach zu befürchten, dass der Bundesrat mit der neuen Klima-Langzeitstrategie die Hauptverantwortung für die Eliminierung von Emissionen in unseren Zulieferketten der IZA und die Kosten für Auslandmassnahmen den zwei bedeutendsten, aber stagnierenden Rahmenkrediten der Deza und des Seco aufbürdet? Denn neue, zusätzliche Finanzquellen sind in der Strategie nicht vorgesehen; abgesehen von der unspezifischen Hoffnung auf künftig verstärkt mobilisierte private Ausland-Investitionen.

Was ist mit dem Klimafonds?

Bemerkens- und bedauernswerterweise bleibt auch der neue Klimafonds des revidierten CO2-Gesetzes im Zusammenhang mit Auslandmassnahmen unerwähnt. Dabei wurde er genau dafür eingerichtet, um aus der künftigen Flugticket- und CO2-Abgabe unter anderem die Finanzierung von zusätzlichen Emissionsminderungsmassnahmen zu ermöglichen. Grundsätzlich eröffnet dies die seit langem geforderte Möglichkeit, Klimaschutz im Ausland verursachergerecht zu finanzieren und die unterdotierten Rahmenkredite der Entwicklungszusammenarbeit zu entlasten.  

Denn es kann nicht Sinn und Zweck der Entwicklungszusammenarbeit sein, in zunehmendem Masse als Instrument und Finanzierungsquelle zur Verringerung des Schweizer Klimafussabdruckes eingesetzt zu werden. Auch lässt es sich kaum mit dem Entwicklungshilfegesetz vereinbaren, die EZA statt auf die Verringerung von Armut und Ungleichheit in Entwicklungsländern – oder zumindest auf die Unterstützung der ärmsten und am stärksten von der Klimakrise betroffenen Bevölkerung im Süden – zunehmend auf die Reduktion der Emissionen in unseren Zulieferketten auszurichten.

Fazit: Die langfristige Strategie ist kurzsichtig

Die Klima-Langzeitstrategie bekennt sich zur globalen Gesamtverantwortung und will den Klimafussabdruck der Schweiz auch ausserhalb der Landesgrenzen reduzieren. Dies ist sehr zu begrüssen, auch wenn die Strategie in Bezug auf konkrete Massnahmen im Ausland vage bleibt. Der Bundesrat lässt offen, wie er «unvermeidbare Restemissionen» aus dem Inland und den weltweiten Wertschöpfungsketten mittels ausländischer Senken ausgleichen will. Die Rolle, die der Entwicklungszusammenarbeit bei der Reduktion des Schweizer Klimafussabdrucks zugeschrieben wird, erscheint in Bezug auf ihr Mandat sowie der dafür zur Verfügung stehenden Budgets höchst fraglich.

Für Klimamassnahmen ausserhalb der Landesgrenzen sind dringend neue Instrumente und zusätzliche, verursachergerechte Finanzierungsquellen notwendig. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit darf nicht zu einem Instrument zur Einhaltung des langfristigen Schweizer Klimaziels umfunktioniert werden; schon gar nicht, solange sie nicht gemäss internationaler Vereinbarung mit wenigstens 0.7% des BNE alimentiert wird.

Artikel

Ja zum Klimaschutz-Gesetz

15.02.2023, Klimagerechtigkeit

Am 18. Juni stimmt die Schweiz über den Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative ab. Das Gesetz ist ein dringend notwendiger Schritt für die Schweizer Klimapolitik und für den Schweizer Beitrag zur weltweiten Klimagerechtigkeit.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ja zum Klimaschutz-Gesetz

Der Ducan-Gletscher im Kanton Graubünden am 11. September 2022.

Es gibt viele Gründe, weshalb die Schweiz aus ihrem Eigeninteresse heraus die Klimakrise bekämpfen sollte: Gletscher schmelzen immer schneller und verringern die Wasserreserven der Schweiz, Hitzeperioden führen zu mehr Todesfällen und extreme Regenfälle verkleinern die Ernte, um nur einige Beispiele der Auswirkungen zu nennen. Doch was die Klimaerwärmung bei uns bewirkt, gilt in Ländern des Globalen Südens oft noch viel mehr. Insbesondere wenn die finanziellen Kapazitäten durch Schuldenkrise und Steuerflucht deutlich geringer sind, können sich viele Regionen nur ungenügend an den Klimawandel anpassen und sind entsprechend verletzlicher für deren negative Auswirkungen.  

Die Schweiz gehört zu den grössten Klimasündern

Ein entscheidender Faktor trägt dabei wesentlich zur Ungerechtigkeit bei: Im Unterschied zur Schweiz tragen die ärmsten Länder des Globalen Südens keine Mitschuld an der Klimakrise, und dennoch leiden sie überdurchschnittlich darunter. Die Schweizer Mitverantwortung wird insbesondere deutlich, wenn die Schweizer Treibhausgasemissionen pro Kopf mit anderen Ländern verglichen werden. Dabei ist wichtig, die konsumbasierten Emissionen zu vergleichen, denn gerade die Schweiz ist durch den (Netto-)Import von Gütern und ihre überdurchschnittlich häufigen Flugreisen für mehr Treibhausgase verantwortlich als nur jene im Inland.

Gemäss dem Global Carbon Atlas war 2019 jede in der Schweiz wohnhafte Person durchschnittlich für den Ausstoss von 14 Tonnen CO2 verantwortlich; das sind nur drei Tonnen weniger als in den USA. Damit steht sie weltweit auf Platz 13, die USA befinden sich auf Platz 10. Unsere Nachbarländer stossen konsumbasiert allesamt weniger aus, Deutschland landet mit 10 Tonnen CO2 pro Kopf auf Platz 24 und Frankreich mit 6.5 Tonnen CO2 auf Platz 48. Sogar China, das mittlerweile absolut gesehen am meisten CO2 ausstösst, rutscht beim konsumbasierten Pro-Kopf-Vergleich auf Platz 44 mit 7 Tonnen CO2 – das ist gerade einmal die Hälfte der Schweiz. Nehmen wir als Beispiel aus dem Globalen Süden Pakistan, das letztes Jahr von verheerenden Überschwemmungen betroffen war, so landen wir bei 1 Tonne CO2 pro Kopf, in noch ärmeren Ländern wie Tansania oder Malawi gar bei 0.1 Tonnen CO2 pro Kopf im Jahr 2019.

Klimafinanzierung erhöhen und Konsumverhalten überdenken

Die Schweiz ist sowohl für Treibhausgase, die im Inland ausgestossen werden, wie auch für diejenigen, die sie für ihren Konsum im Ausland emittiert, verantwortlich. Für eine gerechte Bekämpfung der Klimakrise führt kein Weg an der raschen Reduktion der eigenen Inlandemissionen vorbei, da die Schweiz hier die rechtlichen, technischen und finanziellen Möglichkeiten dazu hat. Es liegt in unserer Verantwortung, unser eigenes Verhalten für eine klimafreundliche Zukunft und zur Vermeidung weiterer Klimaschäden in der ganzen Welt anzupassen. Die Verantwortung für Auslandemissionen muss unabhängig davon bzw. zusätzlich wahrgenommen werden. Dafür muss die Schweiz ihre Beiträge an die internationale Klimafinanzierung erhöhen und ihr Konsumverhalten überdenken.  

Das Klimaschutz-Gesetz, das am 18. Juni 2023 zur Volksabstimmung gelangt, führt die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Reduktion der Schweizer Treibhausgase bis Netto Null spätestens im Jahr 2050 ein. Das Gesetz ist ein dringend notwendiger Schritt für die Schweizer Klimapolitik und für den Schweizer Beitrag zur weltweiten Klimagerechtigkeit. Alliance Sud setzt sich darum für ein Ja an der Urne ein.

Schweizer Klimapolitik

Schweizer Klimapolitik

Alliance Sud engagiert sich als Mitglied der Klima-Allianz Schweiz für eine ambitionierte und gerechte Schweizer Klimapolitik.

Worum es geht >

Worum es geht

Zur Klimagerechtigkeit gehört, dass die Schweiz ihre verfügbaren Hebel nutzt, um das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, zu erreichen. Neben ihrer direkten Verantwortung für die eigenen Emissionen ist sie Sitz vieler multinationaler Unternehmen sowie eines bedeutenden Finanzplatzes. Ebenso ist sie führend im weltweiten Handel mit fossilen Brennstoffen. Diese Unternehmen und Finanzakteure kennen keine verbindlichen Vorgaben für den Ausstieg aus fossilen Energien und maximieren ihren Profit, ohne die entstehenden Klimaschäden zu bezahlen.
 

Meinung

Ein deutliches «Ja» für mehr Klimagerechtigkeit

19.06.2023, Klimagerechtigkeit

Die Argumente für ein «Ja» zum Klimaschutz-Gesetz waren so vielfältig wie die Schweiz. Die Stimmbevölkerung hat mit 59.1% Zustimmung dem Bundesrat den klaren Auftrag gegeben, mehr Verantwortung für die Umsetzung des Pariser Abkommens zu übernehmen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ein deutliches «Ja» für mehr Klimagerechtigkeit

© Verein Klimaschutz Schweiz

Endlich! Am Abstimmungssonntag kam auch bei Alliance Sud grosse Erleichterung auf, als klar wurde, dass in der Schweizer Stimmbevölkerung ein starker Klimaschutz mehrheitsfähig ist – trotz einer aggressiven Gegenkampagne. Der indirekte Gegenvorschlag der Gletscher-Initiative vermochte zu überzeugen, weil es für eine breite Mehrheit der Bevölkerung längst überfällig ist, dass die Schweiz mehr Verantwortung im Klimaschutz übernimmt – sowohl in ihrer internationalen Rolle als reiches Land wie auch gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung. So regelt das Gesetz nicht nur die Schweizer Verpflichtungen für Emissionsreduktionen, sondern auch die Verantwortung von Bund und Kantonen, für die Anpassung an den Klimawandel zu sorgen.

Die hohe Zustimmung zum Klimaschutz-Gesetz gibt Bundesrat und Parlament den klaren Auftrag, nun geeignete Massnahmen für eine rasche Absenkung der Schweizer Emissionen zu beschliessen, insbesondere mittels Anpassungen im CO2-Gesetz. Bereits das Emissionshalbierungsziel bis 2030 erfordert zusätzliche Anstrengungen und ist gleichzeitig eine zentrale Voraussetzung zur Erreichung des Ziels des Pariser Abkommens, die globale Erderwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen. Das Klimaschutz-Gesetz gibt vor, dass diese Emissionsreduktionen «soweit möglich» in der Schweiz erreicht werden müssen. Die Möglichkeiten der Schweizer Klimapolitik sind bei weitem nicht ausgeschöpft und gehen weit über das erklärte Ziel von Bundesrat Rösti hinaus, für genügend einheimischen Strom zu sorgen. Der erste wichtige Schritt wird eine rasche Verabschiedung der Verordnung zum Klimaschutzgesetz durch den Bundesrat sein.

Die rasche Reduktion der Emissionen ist nur ein Teil der Schweizer Verantwortung für Klimagerechtigkeit. Im Gesetz ebenfalls eingefordert wird die Klimaverträglichkeit der Finanzflüsse. Der Bund muss dafür sorgen, dass der Schweizer Finanzplatz seinen Beitrag zum globalen Klimaschutz leistet. Hier besteht ein wesentlicher Nachholbedarf und gleichzeitig eine riesige Chance, die Schweizer Hebel für globalen Klimaschutz zu nutzen.

Mit dem klaren «Ja» der Stimmbevölkerung sollte die Schweiz jetzt den Schwung nutzen, das Pariser Abkommen gemäss ihrer Verantwortung und der hohen finanziellen Flexibilität, welche sie als reiches Land hat, umzusetzen. Zu den Verpflichtungen gehört auch ein fairer Beitrag der Schweiz zur internationalen Klimafinanzierung, der nicht auf Kosten der internationalen Zusammenarbeit anderswo geht. Die Schweiz muss künftig mit verursachergerechten Finanzierungsinstrumenten für eine zusätzliche Finanzierung zugunsten des Globalen Südens sorgen.