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Wie der Bundesrat mit Konzernen kungelt

03.10.2016, Finanzen und Steuern

Der Steuervermeidungsskandal von Apple und der Gesetzesentwurf des Bundesrates für ein Schweizer Country-by-Country-Reporting zeigen: Kein Weg führt an einer öffentlich zugänglichen Unternehmensberichterstattung von multinationalen Konzernen vorbei.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Wie der Bundesrat mit Konzernen kungelt

Mit seiner Marktmacht erreicht Apple die hintersten Winkel der Welt. Das Logo auf der Kappe dieses Tibeters ist allerdings eine Fälschung.
© Kieran Dodds/Panos

Gewinnverschiebungen von multinationalen Konzernen in Steueroasen sind für den globalen Süden verheerend. Um möglichst hohe Renditen aus der Rohstoffgewinnung in afrikanischen Minen oder dem Verkauf ihrer Produkte zu erzielen, verschieben die Konzerne Gewinne ihrer Tochterfirmen im globalen Süden gerne an ihre Niederlassungen oder Geschäftssitze in Tiefsteuergebieten. Dort bezahlen sie nur einen Bruchteil der Steuern, den sie regulär in jenen Ländern bezahlen müssten, in denen effektiv ein Grossteil ihrer Geschäftstätigkeit stattfindet. Dies passiert über sogenannte Transferpreismanipulationen: Wenn zwei Tochterfirmen in einem Konzern einander bestimmte Güter oder Dienstleistungen verkaufen, muss das Management des Konzerns dafür Preise festlegen, die eigentlich den üblichen Marktpreisen entsprechen sollten. Dort wo diese Marktpreise als Referenz fehlen, setzen Konzern-Managements oft willkürlich zu hohe Transferpreise fest und verschieben so Gewinne von einem «Hochsteuerland» in ein Tiefsteuergebiet.

OECD-Länder wollen unter sich bleiben

Das jüngste Beispiel für solche Unternehmenssteuervermeidung lieferte kürzlich Apple (siehe Kasten). Um Steuerflucht dieser Art in Zukunft zu verhindern, kämpft die internationale Steuergerechtigkeits-Bewegung seit 2002 für eine Einführung länderbezogener Berichterstattung für multinationale Konzerne, das sogenannte «Public Country-by-Country-Reporting» (CbCR). Damit könnten Steuervermeidungskonstrukte von Konzernen wie jenes im aktuellen Apple-Beispiel zukünftig enttarnt werden. Die Einführung eines CbCRs auf internationaler Ebene ist denn auch ein Eckpfeiler des vor einem Jahr präsentierten Projektes der OECD zur Bekämpfung der Steuerflucht multinationaler Konzerne mit dem Namen BEPS («Base Erosion and Profit Shifting»). Der Haken daran: Die OECD-Länder wollen keine öffentliche Länderberichterstattung, sondern BEPS auf einen automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden beschränken. Entwicklungsländer werden von diesem System nicht profitieren können. Und dies obwohl dem globalen Süden durch Gewinnverschiebung von Konzernen gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 2014 jährlich mehr als 200 Milliarden Dollar Steuereinnahmen verloren gehen.

Bundesrat nimmt Verantwortung nicht wahr

Die Schweiz ist als Steueroase für multinationale Konzerne ähnlich beliebt wie Irland, dessen Sondersteuerregime Apple ausnützte. Beim Bundesrat scheint die spezielle Verantwortung, welche die Schweiz deshalb beim Aufbau eines nachhaltigen globalen Steuersystems trägt, allerdings noch nicht angekommen zu sein: Der im Frühling vorgelegte Entwurf zum  «Bundesgesetz über den internationalen automatischen Austausch länderbezogener Berichte multinationaler Konzerne» (ALBA-Gesetz), das die OECD-Vorgaben in der Schweiz umsetzten soll, bleibt noch hinter dem von der OECD vorgeschlagenen Standard zurück. So setzt der Bundesrat den Schwellenwert für die Pflicht zur Einreichung länderspezifischer Berichte mit 900 Millionen Franken Umsatz zwar ungefähr auf OECD-Niveau an, er befreit damit aber die «kleinen Konzerne» von der Pflicht, länderbezogene Berichte bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung einzureichen. Dabei sind gerade die Steuern von kleinen Multis für Entwicklungsländer sehr wichtig: Weil arme Staaten über einen Bruchteil des Schweizer Steuersubstrats verfügen, müsste der Schwellenwert hier etwa 15mal tiefer liegen, damit der Schaden für den Fiskus in Entwicklungsländern wirklich wirksam begrenzt werden könnte. Auch will der Bundesrat von den in der Schweiz aktiven multinationalen Konzernen keine Stamm- bzw. länderspezifische Dokumentation (sogenannte Master- und Localfiles) verlangen. Damit wird er zwar den absoluten Minimalvorgaben der OECD gerecht; die Aussagekraft der Transferpreisdokumentationen von multinationalen Konzernen mit Schweizer Hauptsitz wird damit aber empfindlich geschmälert. Auch wenn also die Schweiz Daten mit Steuerbehörden einzelner Entwicklungsländer austauschen würde, fehlte diesen immer noch der nötige Überblick über die spezifischen Verrechnungspreisrisiken eines Schweizer Konzerns, der in ihrem Land eine Tochterfirma betreibt.

Reziprozität geht auf Kosten der Entwicklungsländer

Der Bundesrat will für jeden Staat, der die internationale ALBA-Vereinbarung der OECD unterschrieben hat, einzeln entscheiden, ob die Schweiz den automatischen Austausch länderbezogener Berichte mit diesem aufnehmen will. Orientiert sich der Bundesrat dabei am Automatischen Informationsaustausch (AIA) für Bankenkundendaten, der 2018 eingeführt wird, so werden beim ALBA die allermeisten Entwicklungsländer leer ausgehen; sehr wahrscheinlich auch  Senegal oder Nigeria, welche die internationale ALBA-Vereinbarung bereits unterschrieben haben. Umso wichtiger ist es darum, dass sich das Parlament – das Geschäft wird voraussichtlich in der Wintersession beraten – für eine multilaterale Umsetzung der ALBA-Vereinbarung durch die Schweiz einsetzt. So würden automatisch alle aktuell dreissig Teilnehmerstaaten der ALBA-Vereinbarung in den Genuss der Konzerndaten aus der Schweiz kommen. Selbst das bliebe allerdings Flickwerk. Nachhaltig gestärkt würden zivilgesellschaftliche Kräfte, die sich weltweit für Steuergerechtigkeit einsetzen, erst dann, wenn die Schweiz von Konzernen mit Sitz in der Schweiz verlangte, ihre länderbezogenen Berichte gänzlich offen zu legen. Alleine wäre die Schweiz mit diesem Schritt keineswegs: Die konservative britische Regierung hat kürzlich angekündigt, ein öffentliches CbCR einzuführen. Für Finanzdienstleister ist es in der gesamten EU schon heute Tatsache.