Meinung

JA zur Konzernverantwortungsinitiative!

14.07.2020, Konzernverantwortung

Am 29. November entscheiden die Schweizer Stimmberechtigen, ob Unternehmen auch im Ausland für von ihnen angerichtete Schäden geradestehen müssen.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

JA zur Konzernverantwortungsinitiative!

Kein Land der Welt hat mehr multinationale Konzerne pro Kopf als die Schweiz. Verschiedene Unternehmen mit Sitz hierzulande oder ihre Tochterfirmen im Ausland geraten regelmässig in die Schlagzeilen wegen ihrer Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards in den Ländern des Südens: Glencore lässt Bauern vertreiben, die um ihre Landrechte kämpfen, Lafarge Holcim überzieht ganze Dörfer mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub, Schweizer Raffinerien schmelzen Gold, das aus höchst dubiosen Quellen stammt.

Die Konzernzentralen in der Schweiz sind jedoch juristisch nicht haftbar für die Geschäftspraktiken der Firmen, die unter ihrer Kontrolle stehen. Betroffene, die sich vor Ort gegen die Verletzung ihrer Rechte wehren, werden nicht selten eingeschüchtert und sind oft konfrontiert mit korrupten Untersuchungs- und Justizbehörden.

Während sich die offizielle Schweiz auf internationaler Ebene für die Weiterentwicklung der Menschenrechte und von Umweltstandards einsetzt, sträubt sie sich im eigenen Land gegen gesetzliche Massnahmen zur massvollen Regulierung von Unternehmen.

Der Bundesrat ist der Meinung, es genüge, wenn sich Unternehmen freiwillig an Menschenrechte und Umweltstandards halten und – so will es sein indirekter Gegenvorschlag – in Hochglanzbroschüren ihre diesbezüglichen Bemühungen in regelmässigen Berichten schönreden können. Nach einem politischen Seilziehen, das sich über vier Jahre hinzog, hat sich die Mehrheit des Parlaments im Sommer 2020 endgültig dieser Haltung angeschlossen.

Die Konzernverantwortungsinitiative verlangt etwas ganz und gar Selbstverständliches. Selbst GegnerInnen der Initiative räumen ein, dass deren Anliegen – der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt – unbestritten seien. Kein Schweizer Unternehmen, das die grundlegenden Regeln des verantwortungsvollen Unternehmertums befolgt, braucht eine gesetzliche Regulierung mit Augenmass zu fürchten; die Angst vor Kosten und überbordender Bürokratie ist unbegründet.
Trotzdem wehren sich die Lobbyorganisationen SwissHoldings und Economiesuisse vehement gegen die Konzernverantwortungsinitiative. Honni soit qui mal y pense: So können nur schwarze Schafe argumentieren, die sich heute einseitig an Profitinteressen, statt an Prinzipien wie Fairness und Verantwortung orientieren.

Dass verantwortungsloses Gewinnstreben mit den berechtigten Anliegen nach sozialem (und ökologischem) Ausgleich kollidieren kann, ist altbekannt. Seit Jahrzehnten versuchen die Vereinten Nationen darum, den Bereich «Unternehmen und Menschenrechte» so zu regeln, dass legitime Interessen in ein Gleichgewicht gebracht werden können. Ein diesbezüglicher Meilenstein war die Verabschiedung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, welche der UN-Menschenrechtsrat 2011 einstimmig verabschiedete. Die Staaten werden darin verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Unternehmen unter ihrer Jurisdiktion die Menschenrechte einhalten. Dies soll erreicht werden mit einer Mischung aus freiwilligen Massnahmen der Unternehmen und verpflichtenden staatlichen Regeln, einem sogenannten smart mix.

Mit der Umsetzung dieser (nach ihrem Verfasser benannten) Ruggie-Prinzipien tut sich die offizielle Schweiz jedoch schwer: Im November 2011 lancierte eine Handvoll Organisationen – darunter Alliance Sud – die Petition «Recht ohne Grenzen», die von Bundesrat und Parlament verlangte, ein Gesetz auszuarbeiten, wonach Firmen, die ihren Sitz in der Schweiz haben, überall in der Welt die Menschenrechte und Umweltstandards respektieren müssen. Im Frühling 2015 unterstützte der Nationalrat knapp eine Motion, die ein Gesetz zu einer menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen zu verlangte. Auf Antrag der CVP wurde die Abstimmung wiederholt und einige Abgeordnete änderten ihre Meinung. Nach diesem Manöver des Nationalrats entschieden mehr als 60 zivilgesellschaftliche Organisationen, die Konzernverantwortungsinitiative zu lancieren. Am 10. Oktober 2016 wurde die «Volksinitiative für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt» mit über 120‘000 gültigen Unterschriften eingereicht.

In den folgenden vier Jahren spielte sich in National- und Ständerat bzw. deren Kommissionen ein endlos scheinendes Hin und Her ab, das an die Abzockerinitiative erinnerte: Trotz breiter Unterstützung in der Bevölkerung gelang es dem Parlament nicht, einen Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten, der es den InitiantInnen erlaubt hätte, ihr Volksbegehren zurückzuziehen.

Als entwicklungspolitische Denkfabrik spielte Alliance Sud im Ringen um eine gesetzliche Verankerung der Konzernverantwortung von Anfang eine zentrale Rolle. Ihr früherer Geschäftsführer Peter Niggli und ihr aktueller Direktor Mark Herkenrath sind Mitglieder des Initiativkomitees, Herkenrath zudem im Vorstand des Vereins, der die Initiative koordiniert.

Unterstützen Sie mit Ihrem JA zur Konzernverantwortungsinitiative am 29. November eine weltoffene, solidarische Schweiz, deren Unternehmen zu ihrer globalen Verantwortung stehen.

Folgende weitergehende Informationen finden Sie auf der Website des Initiative:


Weitere Komitees, welche die Initiative unterstützen:

Wirtschaftskomitee für verantwortungsvolle Unternehmen
Kirche für Konzernverantwortung