Publikation

Revision des Aktienrechts: Das fordern NGOs

21.02.2015, Internationale Zusammenarbeit

Eine bessere Verankerung der Unternehmensverantwortung im Obligationenrecht: Darauf zielt die gemeinsame Vernehmlassung einer Koalition von NGOs, darunter Alliance Sud.

Revision des Aktienrechts: Das fordern NGOs

© Daniel Hitzig/Alliance Sud

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Die Revision des Aktienrechts bietet die Gelegenheit das Obligationenrecht im Hinblick auf internationale Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Corporate Governance zu ergänzen, damit Schweizer Gesellschaften ihre Verantwortung besser wahrnehmen – insbesondere wenn sie in Entwicklungsländern aktiv sind. Ohne zur Gesamtheit des Vorentwurfs Stellung zu nehmen, schlagen die unterzeichnenden Organisationen vor, die Revision einerseits mit Bestimmungen hinsichtlich der Respektierung der Menschenrechte und andererseits bezüglich der Offenlegung von «wirtschaftlich Berechtigten» («beneficial ownership») zu ergänzen. Sie kommentieren darüber hinaus die vorgeschlagenen Bestimmungen zur Transparenz von Zahlungen von Rohstoffunternehmen an staatliche Stellen. Diesbezüglich betrachten sie es als entscheidend, dass der Rohstoffhandel, welcher das Kerngeschäft des Schweizer Rohstoffsektors bildet, in die vorgeschlagene Regelung miteinbezogen wird.

Hier geht es zur gemeinsamen Vernehmlassung von Alliance Sud, Brot für alle, Fastenopfer, Swissaid, Amnesty international und der Erklärung von Bern.

Artikel, Global

Aktienrechtsrevision: Handeln statt reden!

30.03.2015, Internationale Zusammenarbeit

Bis Mitte März 2015 lief die Vernehmlassung über die Revision des Aktienrechts. Der Gesetzesentwurf des Bundesrats war und ist ungenügend, denn er verpasst internationale Entwicklungen zu berücksichtigen.

Aktienrechtsrevision: Handeln statt reden!

© Peter Klaunzer/Keystone

Nötig wäre bei der Revision des Aktienrechts der Ausbau der Transparenz, des Respekts von Menschenrechten und Umweltstandards. Gemeinsam mit anderen NGOs macht Alliance Sud konkrete Vorschläge.

Gemessen an seinem Nationaleinkommen liegt die Schweiz weltweit auf Rang 5, was Anklagen wegen Menschenrechtsverletzungen durch ihre Firmen betrifft. Das hat unlängst eine Studie der Universität Maastricht herausgefunden.1 Der Bundesrat hat also allen Grund, «die grosse Verantwortung» anzuerkennen, welche die Schweiz als Sitz zahlreicher multinationaler Firmen hat, so wie er es in den letzten zwei Jahren in seinen Antworten auf parlamentarische Anfragen im Zusammenhang mit der Petition «Recht ohne Grenzen» auch getan hat.2 Dort war auch zu lesen, dass Menschenrechtsverletzungen, die Tochterunternehmen von Schweizer Firmen im Ausland begehen, ein Reputationsrisiko für die Schweiz darstellen und wie wichtig die Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte als Referenzrahmen sind.  Die von Prof. John Ruggie erarbeiteten Prinzipien müssen durch die Staaten mittels einer «sinnvollen Kombination aus bindenden und freiwilligen Massnahmen» umgesetzt werden. Das Schweizer Recht weist in dieser Hinsicht noch etliche Lücken auf. Namentlich kennt es keine Verpflichtung der Unternehmen, Menschenrechte und Umweltstandards zu respektieren oder darüber zu berichten, wie sie dies tun.

Die Ende November lancierte Revision des Aktienrechts bietet Gelegenheit, dies zu korrigieren. Im Gesetzesentwurf, den der Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben hat, ist davon allerdings nichts zu finden. Verschiedene Entwicklungsorganisationen, darunter Alliance Sud, haben darum detailliert Position bezogen. So verlangen sie, dass eine Sorgfaltsprüfungspflicht eingeführt wird, damit die leitenden Organe von Firmen die Risiken ihrer Tätigkeit in Bezug auf Mensch und Umwelt evaluieren. Dazu gehört, dass die Firmen Massnahmen treffen, um solche Risiken zu minimieren, dass sie die Wirksamkeit der Massnahmen kontrollieren und über diesen Prozess Rechenschaft ablegen.

So nötig eine solche nicht-finanzielle Berichterstattung ist, so wenig sie sagt über die Verlässlichkeit der Informationen aus. Die Sorgfaltsprüfungspflicht muss darum durch ein Instrument ergänzt sein, das erlaubt zu verifizieren, ob dieses Reporting den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dies könnte auf zweierlei Arten geschehen: Über die gewohnten Revisionsorgane, denen eine zusätzliche Aufgabe übertragen würde oder über die Aktionäre, die neu das Recht hätten, nicht nur Rechenschaft über den Geschäftsgang zu verlangen, sondern auch zu erfahren, ob Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden. Dazu müssten Aktionäre auch auf Kosten des Unternehmens klagen können, wenn dies nicht der Fall ist.

Die Verankerung dieser Bestimmungen im Obligationenrecht hiesse, dass die Schweiz bei der Regulierung der Aktivitäten multinationaler Firmen im internationalen Vergleich nicht mehr hinterher hinken würde.

1Menno T. Kamminga, Company Responses to Human Rights Reports: An Empirical Analysis, Maastricht University, 2015.

2Rechtsvergleichender Bericht, 2. Mai 2014

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Artikel

Analysefreies CSR-Papier des Seco

01.04.2015, Internationale Zusammenarbeit

Das Positionspapier des Bundesrats zur sozialen Unternehmensverantwortung (CSR) bestätigt, dass die Schweiz ausschliesslich auf Selbstregulierung und freiwillige Initiativen setzt.

Analysefreies CSR-Papier des Seco

© Schwartz/Carroll/Creative Commons

von Michel Egger

Selbstregulierung und freiwillige Initiativen statt griffige gesetzliche Bestimmungen, damit «die Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung in der Schweiz und im Ausland» wahrnehmen. Das ist die Quintessenz des Berichts des Bundesrats zur Corporate Social Respoinsability (CSR).

In den vom Uno-Menschenrechtsrat einstimmig angenommenen Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte steht dagegen schwarz auf weiss: Es braucht einen «Smart Mix» aus staatlicher Regulierung und freiwilligem Handeln der Unternehmen. Die Leitprinzipien, für deren Umsetzung in der Schweiz ein Nationaler Aktionsplan ansteht, werden vom Seco-Papier lediglich als eine untergeordnete Massnahme unter Vielen behandelt.
Bei der Erarbeitung seines Positionspapiers hat das Seco (Staatsekretariat für Wirtschaft) auf den zwingend notwendigen ersten Schritt verzichtet: Es wurde keine Wirksamkeitsanalyse der bisherigen CSR-Massnahmen von Schweizer Unternehmen durchgeführt. Stattdessen steckt das Papier voller Behauptungen. Zwei Beispiele: «Die Verminderung von Sozial- und Umweltrisiken in globalen Wertschöpfungsketten kann somit die Lebenssituation auch in Entwicklungsländern verbessern und CSR damit die globale Nachhaltigkeit stärken.» Und: «Die Wahrnehmung der CSR auch in ökologischer Hinsicht hilft diese Lebensgrundlagen zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und die Lebensqualität zu verbessern sowie Kosten für die Gesellschaft zu vermeiden oder zu senken.» Man mag sich nicht Ausdenken, wie es in der Schweiz ohne eine Umweltgesetzgebung aussehen würde, die verbindliche Mindeststandards für alle Unternehmen vorgibt.
Im Gegensatz zum Schweizer Vorgehen hat die EU ausführlich untersucht, welchen Beitrag freiwillige CSR-Massnahmen tatsächlich leisten. Die dreijährige IMPACT-Studie kam zum ernüchternden Schluss, dass CSR zwar eine positive Wirkung hat, diese aber bei weitem nicht ausreicht, um die Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen. Damit bestätigt diese Studie einmal mehr, dass es einen Mix von gesetzlichen Massnahmen und darüber hinausgehendem Engagement der Unternehmen braucht, um die grossen sozialen und ökologischen Herausforderungen zu meistern.
Dies gilt ganz besonders für die Auslandstätigkeit von Schweizer Unternehmen und deren globale Wertschöpfungsketten. Hier setzt das SECO neben der Förderung von CSR im Ausland auch auf die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Gouvernanz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Die international heiss diskutierte Frage, welche Rolle der rechtlichen Regulierung in den Heimatstaaten von Unternehmen zukommt, wird zwar kurz gestreift, dann aber gleich relativiert: Der Bund will hier einmal mehr auf «Alleingänge» verzichten. In Frankreich dagegen hat die Assemblée Nationale gestern in erster Lesung ein Gesetz über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für die weltweite Geschäftstätigkeit von grossen französischen Unternehmen verabschiedet. In der Schweiz braucht es dafür offensichtlich neben dem Druck von aussen auch den von unten: Deshalb beginnen über 65 Organisationen Ende April mit der Unterschriftensammlung für die Konzernverantwortungsinitiative.
 
Folgende Schweizer NGOs haben während der Erarbeitung des Positionspapiers gemeinsam schriftlich Stellung genommen: Alliance Sud, Amnesty, Brot für Alle, Erklärung von Bern, Fastenopfer.

Medienmitteilung

Konzernverantwortungsinitiative lanciert

21.04.2015, Internationale Zusammenarbeit

«Globale Geschäfte? Globale Verantwortung!» – Unter diesem Motto hat erstmals eine so breite Koalition aus der Schweizer Zivilgesellschaft eine Volksinitiative lanciert.

Konzernverantwortungsinitiative lanciert

Wenn Menschenrechte und Umwelt durch wirtschaftliche Aktivitäten im Ausland gefährdet sind, stehen auch Konzerne mit Sitz in der Schweiz in der Pflicht: Mit dieser Botschaft lancierte heute eine breite Koalition in Bern ihre Konzernverantwortungsinitiative. Sie soll dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen den Schutz sozialer und ökologischer Grundechte verbindlich in ihre Geschäftspraktiken integrieren.

Katastrophale Arbeitsbedingungen in Kleiderfabriken in Asien oder Osteuropa, missbräuchliche Kinderarbeit bei der Kakaoproduktion in Westafrika, tödliche Emissionen in Sambia: In solche Missstände sind durch ihre weltweite Tätigkeit auch Schweizer Konzerne verwickelt. Die Schweiz belegt zwar Platz 20 der globalen Wirtschaftsmächte. Gemäss einer Studie der Maastricht University, die weltweit über 1800 Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch Firmen ausgewertet hat, liegt die Schweiz diesbezüglich aber auf dem unrühmlichen 9. Rang. Diese Diskrepanz sorgte in den letzten Jahren für viel Gesprächsstoff, konkrete Massnahmen blieben jedoch aus. Bundesrat und Parlament setzen weiter ausschliesslich auf freiwillige Massnahmen der Konzerne. Mitte März 2015 hat das Parlament eine Kommissionsmotion für mehr Unternehmensverantwortung nur knapp abgelehnt. Das Problem ist also erkannt, für die verbindliche Umsetzung braucht es aber noch mehr zivilgesellschaftlichen Druck.
Deshalb lanciert eine breite Koalition unterschiedlicher Organisationen heute eine Volksinitiative. Die Konzernverantwortungsinitiative will, dass alle Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte und Umwelt verpflichtet werden. Dieses Instrument orientiert sich an den 2011 verabschiedeten „UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“. Demnach muss ein Konzern vorab all seine Geschäftsabläufe und -beziehungen durchleuchten um mögliche Risiken für Mensch und Umwelt zu identifizieren. Anschliessend muss es solch potentiell negative Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit mit wirksamen Gegenmassnahmen bekämpfen. Und als dritten Schritt ist es verpflichtet, transparent über allfällig verletzte Rechte und die dagegen ergriffenen Vorkehrungen zu berichten.
Um zu gewährleisten, dass alle Unternehmen ihre Sorgfaltsprüfungspflicht wahrnehmen, sollen Schweizer Konzerne auch für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden haften, die von ihnen kontrollierte Firmen begehen. Kann ein Unternehmen aber glaubhaft nachweisen,dass es die Sorgfaltsprüfung umfassend durchgeführt und alle nötigen Massnahmen getroffen hat, ist es von der Haftung befreit. Die Initiative wirkt also präventiv und gibtUnternehmen einen wirksamen Anreiz, das Richtige zu tun.
Cornelio Sommaruga, ehemaliger IKRK-Präsident und Mitglied im Initiativkomitee sieht die Initiative als wichtigen Schritt für unseren Wirtschaftsstandort: «Die Schweiz hat sowohl als Sitzstaat humanitärer Organisationen wie auch als Heimat vieler transnationaler Konzerne eine hohe Verantwortung. Im Interesse der Reputation unseres Landes müssen wir auch unsere Unternehmen in die Pflicht nehmen.» Auch andere Sitzstaaten global agierender Konzerne setzen auf Regulierung ihrer Unternehmen. In Frankreich hat etwa die Nationalversammlung Ende März einen
Gesetzesvorschlag gut geheissen, der in die gleiche Richtung wie die Konzernverantwortungsinitiative weist. Die Konzernverantwortungsinitiative ist präzis und würde zu einem ausgewogenen Mix
zwischen verbindlichen und freiwilligen Massnahmen führen. Deshalb wird sie auch von Antoinette Hunziker-Ebneter, Ex-Vorsitzende der Schweizer Börse und heute CEO der Forma Futura Invest AG , unterstützt: « Die Initiative nützt der Wirtschaft: Nur wenn Unternehmen sauber geschäften, bleiben sie international langfristig wettbewerbsfähig. Die Konzernverantwortungsinitiative ist deshalb nicht nur ein Gebot der Moral, sondern dient auch einer nachhaltigen Schweizer Wirtschaft.»
Die 66 lancierenden Organisationen sammeln ab sofort Unterschriften für die Konzernverantwortungsinitiative.
Aktuelle Informationen und Downloads sind auf www.konzern-initiative.ch zu finden.

Für allgemeine Fragen zur Konzernverantwortungsinitiative:

Rahel Ruch, Koordinatorin der Konzernverantwortungsinitiative,
Kampagnensekretariat Tel. 031 390 93 36 / 076 517 02 08

Für weiterführende Fragen:
Mark Herkenrath, Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30 / 078 699 58 66
Chantal Peyer, Brot für alle, Tel. 021 614 77 10 / 079 759 39 30
Daniel Hostettler, Fastenopfer, Tel. 041 227 59 41
Danièle Gosteli-Hauser, Amnesty International Schweiz, Tel. 031 307 22 22
Andreas Missbach, Erklärung von Bern, Tel. 044 277 70 07

Artikel, Global

Kampf gegen verbindliche Regeln

30.06.2015, Internationale Zusammenarbeit

In der Debatte um Wirtschaft und Menschenrechte zeichnet sich eine «unheilige Allianz» zwischen der Regierung und der Wirtschaftslobby ab.

Kampf gegen verbindliche Regeln

© Martin Bichsel/Konzernverantwortungsinitiative

Die Ende April lancierte Volksinitiative zielt auf die Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht für Schweizer Unternehmen, damit auch deren Tochter- und Zuliefererfirmen die Menschenrechte und Umweltstandards überall auf der Welt einhalten. Muttergesellschaften sind für Schäden zivilrechtlich haftbar, die durch sie kontrollierte Firmen angerichtet wurden; ausser sie beweisen, dass sie notwendige Massnahmen getroffen haben. Die Unterschriftensammlung (siehe Beilage in diesem Heft) kommt gut voran, anfangs Juni sind schon mehr als 20‘000 Unterschriften beisammen.

Gespaltener Privatsektor

Das Business hat schnell reagiert. Die NGOs wurden eingeladen, die Initiative vor dem Global Compact Swiss Network zu präsentieren, dasselbe gilt auch für die Generalversammlung der Anlagestiftung Ethos und den «Nachhaltigkeitsgipfel» der Migros. Dabei zeigt sich der Privatsektor alles andere als geeint. Ein kleinerer Teil begrüsst einen Smart mix aus freiwilligen Massnahmen und verbindlichen gesetzlichen Regeln, so wie es die Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte vorsehen. Zu diesem Teil zählen aktive oder frühere UnternehmerInnen wie Antoinette Hunziker-Ebneter (Forma Futura Invest), Marc Bloch (La Semeuse) und Jacques Zwahlen (Veillon), aber auch die Verbands- bzw. Stiftungsvertreter Nick Beglinger (Cleantech) und Dominique Biedermann (Ethos). Letztere hatten auch die Motion der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats in der Frühlingssession aktiv unterstützt, die eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen verlangte und nur um Haaresbreite abgelehnt wurde.
Die Anhänger dieses Lagers sind zahlreicher als man vermuten könnte. Zahlreiche Unternehmen haben schon heute Sorgfaltsprüfungen eingeführt und von der Initiative dementsprechend wenig zu befürchten. Sie leiden unter jenen Firmen, welche die Schweizer Wirtschaft mit ihrer verantwortungslosen Haltung gegenüber Menschenrechten und Umweltstandards in Verruf bringen. Dies öffentlich zu sagen ist jedoch etwas anderes, denn niemand will die Wirtschaftslobbys gegen sich aufbringen.
Offiziell haben Economiesuisse und Swissholdings noch keine Position bezogen, aber ihr njet ist dasselbe wie gegen die APK-Motion. Für sie genügen freiwillige Massnahmen und diese müssen international von allen umgesetzt werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen ja nicht leidet. Was sie nicht sagen ist, dass Lobbies wie die internationale Industrie- und Handelskammer alle entsprechenden Regulierungsversuche auf Uno-Ebene hintertrieben haben. Einzelne Schweizer Lobbyisten, wie Stéphane Graber von der Geneva Trade and Shipping Association (GTSA) sind aber überzeugt, dass der internationale Trend Richtung Regulierung geht. So zumindest hat er seine Unterstützung der Motion begründet. 

Nationaler Aktionsplan soll neutralisiert werden

Im Grossen und Ganzen hat sich die Regierung die Position der Wirtschaft zu Eigen gemacht und setzt auf die Selbstregulierung der Firmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist sein Positionspapier zur sozialen Unternehmensverantwortung (CSR), das er am 1. April veröffentlicht hat. Ausgeheckt wurde es vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), im Gegensatz zur EU wurde hierfür aber weder eine richtige Vernehmlassung durchgeführt noch wurde analysiert, welche Auswirunkungen die CSR-Praktiken der Schweizer Unternehmen haben. . Rhetorisch bekennt sich der Bundesrat zwar zum Smart mix, Fleisch ist aber keiner am Knochen. Das lässt nichts Gutes erahnen für den Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien, den der Bundesrat als Antwort auf das Postulat von Graffenried am Erarbeiten ist. Vorgesehen war dessen Veröffentlichung schon vor sechs Monaten, erwartet wird sie diesen Sommer.
Die NGOs fragen sich besorgt, welchen Status denn der NAP mit den Menschenrechten im Zentrum gegenüber der CSR-Position, die mit Themen wie Umwelt oder Korruption weiter gefasst ist, haben wird. Für den Bundesrat sind die beiden Papiere «komplementär». Wenn das wirklich der Fall ist, warum hat das Seco dann alles daran gesetzt, die CSR-Position vor dem NAP zu veröffentlichen und warum soll letzterer eine der Massnahmen sein um erstere umzusetzen? Wenn nicht alles täuscht, geht es (jedoch) darum, einen Rahmen zu schaffen, dem man den NAP unterordnen kann. Um ihn damit besser zu neutralisieren. Genauso sieht es übrigens das Business.
Der Initiative den Boden entziehen
Die Abteilung menschliche Sicherheit (AMS, EDA) setzt sich für einen weniger defensiven Ansatz in Sachen Unternehmen und Menschenrechte ein. Der abtretende Direktor Claude Wild hofft, dass freiwillige Massnahmen dereinst eher de facto als de iure obligatorisch werden. Seiner Meinung ist dieses Vorgehen, auf das er mit den Rohstoffhändlern setzt, das vielversprechendere als der mühsame Weg der Gesetzgebung. Das Ziel ist – in dem man das Vertrauen der Unternehmen gewinnt und gleichzeitig die NGOs mit im Boot hat – zu einer Anleitung zu kommen, wie die Uno-Leitprinzipien umgesetzt werden und die Unternehmen auch darüber Rechenschaft ablegen müssen.
Die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (Deza) hat ihrerseits vor kurzem mit dem Global Compact Network Switzerland (GCNS) eine öffentlich-private Partnerschaft über drei Jahre mit einem Budget von 1.2 Mio. CHF abgeschlossen. Gemäss Jean-Christophe Favre von der Deza, «ist das Ziel, den Rahmen für einen geschützten Dialog mit dem Privatsektor und anderen Akteuren wie der Zivilgesellschaft und der akademischen Welt zu schaffen. Er soll erlauben, ohne taktische Hintergedanken zu diskutieren, aber auch um Instrumente zu entwickeln, die den im Ausland engagierten Schweizer KMU helfen, die Uno-Leitprinzipien umzusetzen.» Diese sei eine der Hauptachsen der geplanten Aktivitäten.
Diese Partnerschaft ist Teil eines Neustarts des Schweizer Netzwerks, das heute nur von 21 von 84 Schweizer Firmen unterstützt wird, die beim Global Compact der Uno mitmachen. Es wird von Antonio Hautle, dem ehemaligen Direktor des Fastenopfers, geleitet. Ein flankierender Stakeholder-Rat mit fünf bis neun Mitgliedern, die Mehrheit davon aus der Zivilgesellschaft, soll die Glaubwürdigkeit, die Transparenz und die Effizienz des GCNS stärken. Eine Idee ist, dass das Schweizer Netzwerk als Plattform dient, um Umsetzungsfragen der CSR-Position und des zukünftigen NAP zu behandeln.
Fazit: Es zeichnet sich ab, dass Regierung und Privatwirtschaft an einer gemeinsamen Strategie arbeiten, um dem Druck auf die Regulierung von Unternehmen entgegenzuwirken. Das Prinzip: Nein zu gesetzlichen Massnahmen. Die Regel: kein Schritt ohne die Zustimmung des Business. Der Motor: Multistakeholder-Prozesse. Wir erleben damit auf der Schweizer Ebene dasselbe wie auf internationaler Ebene, wo erfolgreich verhindert wurde, dass bindende Regeln für Unternehmen eingeführt werden. Das Problem der Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen jedoch besteht weiterhin. Mit dem Smart mix-Ansatz die macht Initiative einen wichtigen Schritt, dass sich der Graben zwischen Globalisierung und gesetzlich verankertem Schutz der Menschenrechte und der Natur endlich verkleinert wird.

Dieser Artikel ist erstmals in GLOBAL+ (Nr 58, Sommer 2015) erschienen.

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Artikel

Für verantwortungsvolle Konzerne

05.07.2016, Internationale Zusammenarbeit,

Was passiert, wenn Multis aus der Schweiz im Süden Menschenrechtsverletzungen begehen und Umweltschäden anrichten? Oft gar nichts. Eine breite NGO-Koalition hat eine Volksinitiative lanciert, um Lücken in der Gesetzgebung zu schliessen.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Für verantwortungsvolle Konzerne

Kein Land hat mehr multinationale Konzerne pro Kopf als die Schweiz. Verschiedene Unternehmen mit ihrem Sitz hierzulande sind bei der Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards in den Ländern des Südens ertappt worden. Glencore verschmutzt Flüsse in der Demokratischen Republik Kongo; Triumph schert sich nicht um Gewerkschaftsrechte; Syngenta gefährdet Bauern mit dem Einsatz von Pestiziden, die in Europa verboten sind. Die Konzernzentralen in der Schweiz sind jedoch juristisch nicht haftbar für die Geschäftspraktiken ihrer Tochterfirmen oder anderer Firmen, die unter ihrer Kontrolle stehen.

Darüber hinaus ist der Zugang zur Justiz für Opfer sehr schwierig. Gibt es in ihren Ländern keine unabhängige und gerechte Rechtsprechung, so müsste es ihnen möglich sein, dort zu klagen, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Wie eine grossangelegte internationale Studie zeigt, stossen sie dabei auf zahlreiche rechtliche und praktische Hürden, namentlich in der Schweiz.

Während sich die die Schweiz auf internationaler Ebene für die Weiterentwicklung der Menschenrechte und von Umweltstandards einsetzt, sträubt sie sich im eigenen Land gegen gesetzliche Massnahmen zur Regulierung von Unternehmen. Der Bundesrat setzt stattdessen auf freiwillige Initiativen der Unternehmen. So steht es im Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt.

Petition mit durchschlagendem Erfolg

Die unbefriedigende Situation führte im November 2011 zur Lancierung der Kampagne «Recht ohne Grenzen». Initiiert von einer Handvoll Organisationen – darunter Alliance Sud – und unterstützt von rund 50 NGO und Gewerkschaften, verlangte die Petition von Bundesrat und Parlament, ein Gesetz auszuarbeiten, wonach Firmen, die ihren Sitz in der Schweiz haben, überall in der Welt die Menschenrechte und Umweltstandards respektieren müssen. Am 13. Juni 2012 wurde die von mehr als 135‘000 Personen unterzeichnete Petition der Bundeskanzlei übergeben. Sie forderte zweierlei: Im Schweizerischen Recht sollte eine Sorgfaltsprüfungspflicht für Firmen in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards eingeführt werden, und diese sollte auch für ihre weltweit operierenden Tochtergesellschaften gelten (Prävention). Andererseits sollten die Hürden abgebaut werden, die verhindern, dass Opfer in der Schweiz auf Schadenersatz klagen können (Wiedergutmachung).

Ruggie-Strategie für die Schweiz

Parallel zur Einreichung der Petition reichten fünf Abgeordnete parlamentarische Vorstösse ein, darunter ein Postulat (von Graffenried, 12.3503), das vom Bundesrat verlangt, eine Ruggie-Strategie für die Schweiz auszuarbeiten, das heisst einen nationalen Aktionsplan vorzulegen zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, wie sie der Uno-Menschenrechtsrat im Juni 2011 einstimmig angenommen hatte. Am 14. Dezember 2012 wurde das Postulat durch den Nationalrat knapp (97 gegen 95 Stimmen) angenommen. Der Bundesrat hatte Zeit bis im Dezember 2014 den Auftrag auszuführen. Aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der Bundesverwaltung kam es jedoch immer wieder zu Verzögerungen. Mitte 2016 lag der nationale Aktionsplan immer noch erst im Entwurfsstadium vor.

Eine E-Mail-Lawine für den Bundesrat
Zwischen dem 23. und 30. Januar 2013, während des Weltwirtschaftsforums in Davos appellierten mehr als 10'000 Personen in E-Mails an die Bundesräte Burkhalter (EDA) und Johann Schneider-Ammann (WBF), die Petition «Recht ohne Grenzen» umzusetzen.

Etappensieg

Diese breite Mobilisierung der BürgerInnen trug für beide Achsen der Petition Früchte. In Bezug auf die Präventions-Achse stimmte der Nationalrat am 13. März 2013 einem Postulat (Po. 12.3980) zu, das am 30. Oktober 2012 bereits von seiner Aussenpolitischen Kommission (APK-N) als Antwort auf «Recht ohne Grenzen» gutgeheissen worden war. Es verlangte vom Bundesrat einen «rechtsvergleichenden Bericht zur Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten und Umwelt im Zusammenhang mit den Auslandaktivitäten von Schweizer Konzernen». Die Sorgfaltsprüfungspflicht, die im Zentrum der Uno-Leitprinzipien steht, sieht vor, dass Unternehmen Menschenrechtsrisiken identifizieren, Massnahmen dagegen ergreifen sowie transparent darüber Bericht erstatten.

Der rechtsvergleichende Bericht wurde am 28. Mai 2014 veröffentlicht. Der Bundesrat anerkennt darin, dass es Handlungsbedarf gibt und die gesetzliche Verankerung einer Sorgfaltsprüfungsflicht vorstellbar sei. Er hält die Frage für berechtigt, «ob die Schweiz bei der Umsetzung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte nicht eine Vorreiterrolle einnehmen sollte.» Auch anerkennt er, dass die Schweiz für «die Einhaltung der Menschenrechte und den Umweltschutz, namentlich auch in Ländern mit ungenügender Rechtsstaatlichkeit, eine grosse Verantwortung trage.» Zum ersten Mal stellt der Bundesrat verschiedene Varianten vor, wie eine Sorgfaltsprüfungspflicht im Gesetz verankert werden könnte. Als Folge des Berichts verabschiedete die APK-N am 2. September 2014 eine Motion (14.3671), welche einen Gesetzesentwurf zur Sorgfaltsprüfungspflicht verlangt.

In Bezug auf die Wiedergutmachungs-Achse stimmte der Ständerat am 26. November 2014 einem Postulat (14.3663) zu, das einen Bericht verlangt über den Zugang zu Wiedergutmachung für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen. Der Bundesrat wurde beauftragt, in vertiefter Weise zu analysieren, wie dem dritten Pfeiler der Uno-Leitprinzipien (das Recht auf Wiedergutmachung) in der Schweizer Gesetzgebung Rechnung getragen werden könnte. Mitte 2016 lag dieser Bericht immer noch nicht vor. Seine Empfehlungen sollen in den nationalen Aktionsplan integriert werden.

Ausweichmanöver des Nationalrats

Am 11. März 2015 hätte die Koalition «Recht ohne Grenzen» beinahe einen weiteren wichtigen Etappensieg errungen. Nach einer tumultuösen Debatte entschied der Nationalrat hauchdünn (mit 91 zu 90 Stimmen, mit dem Stichentscheid des Präsidenten), die Motion seiner APK-N zu unterstützen und einen Gesetzesentwurf zur Sorgfaltsprüfungspflicht zu verlangen. Nach einem Rückkommensantrag aus der CVP wurde ein zweites Mal abgestimmt. Verschiedene Abgeordnete änderten darauf ihre Meinung oder blieben der Abstimmung fern.

Lancierung einer Volksinitiative

Nach diesem Manöver des Nationalrats entschieden mehr als 65 Nichtregierungsorganisationen, die Konzernverantwortungsinitiative zu lancieren. Wie bei der Kampagne «Recht ohne Grenzen», wo Alliance Sud das Parlamentslobbying koordiniert hatte, spielte sie auch bei der Lancierung der Initiative eine zentrale Rolle. Ihr Geschäftsleiter ist Mitglied des Initiativkomitees sowie des leitenden Gremiums des neu gegründeten Vereins, der die Initiative koordiniert. Ende April 2016 hatten bereits 140‘000 Personen die Initiative unterzeichnet. Die Einreichung ist vorgesehen im Oktober 2016.

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Weder Plan noch Aktion

16.11.2016, Internationale Zusammenarbeit,

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann hielt am «UN Forum on Business and Human Rights» eine befremdliche Rede: Er bezeichnete Freihandel als Voraussetzung für die Beachtung der Menschenrechte.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Weder Plan noch Aktion

Johann Schneider-Ammann, Presidente della Confederazione
© admin.ch

Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann trat am diesjährigen «UN Forum on Business and Human Rights» in Genf als Keynote-Speaker auf. Seine Rede begann unter dem Eindruck des Brexit und der Wahl von Donald Trump mit einer Verteidigung des freien Handels. Angesichts der Tatsache, dass Schneider-Ammann dieses Jahr zwar Bundespräsident, vor allem aber Schweizer Wirtschaftsminister ist, war das nicht weiter überraschend. Allerdings ging er so weit, den Freihandel als Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte zu bezeichnen. Und als einziges Rezept, das Millionen aus der Armut gehoben habe. Dies ignoriert nicht nur die weit geteilte Analyse, dass es Verliererinnen und Verlierer der Globalisierung waren, die für einen Austritt aus der EU und für Trump gestimmt haben, sondern auch die Menschen, die in den Weltmarktfabriken unter gravierender Missachtung elementarer Menschen- und Arbeitsrechte schuften.

Die Aussagen von Bundespräsident Schneider-Ammann fallen damit diametral anders aus als die Analyse von Prof. John Ruggie, Autor der allseits als globale Referenz anerkannten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. In seiner Eröffnungsrede am Tag zuvor betonte Ruggie, dass gerade angesichts der durch die Globalisierung ausgelösten Verunsicherung und Ereignissen wie dem Brexit und den US-Wahlen, Konzerne mehr denn je die Respektierung der Menschenrechte ins Zentrum stellen müssten, um Armut zu reduzieren und Vertrauen zurückzugewinnen. Und er unterstrich, dass das Versprechen der Unternehmen, sich an ethischen Prinzipien zu orientieren, heute zu oft nicht standhalte. Genau deswegen seien 2011 die UNO-Leitprinzipien entstanden und forderten heute Bewegungen wie in Frankreich, der Schweiz und international verbindliche Regeln für Konzerne.

Als Höhepunkt seiner Rede sprach der Wirtschaftsminister den in der Schweiz seit 2014 überfälligen Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte an. Obwohl die UNO-Leitprinzipien als zentrales Element den Perspektivenwechsel von den Risiken für Unternehmen hin zu jenen für die Menschenrechte betonen, klang selbst die Einordnung des NAP in den Worten von Bundespräsident Schneider-Ammann wie ein Plan für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Er betonte denn auch, dass der Nationale Aktionsplan fünfzig Massnahmen enthalten werde, aber «keinerlei neue gesetzlich verbindliche Vorgaben».

Was für ein Unterschied zu Githu Muigai, dem Attorney General von Kenya, der nach Schneider-Ammann sprach: „Das freiwillige Handeln von Unternehmen ist willkommen und nötig, doch es reicht nicht, es braucht strenge Massnahmen und Gesetze.“ Falls es noch Zweifel gab, dass es in der Schweiz eine Volksinitiative braucht, um das Thema Wirtschaft und Menschenrechte voranzubringen, so hat der Auftritt unseres Wirtschaftsministers diese definitiv beseitigt.

Meinung

Nationaler Aktionsplan (NAP): Die Analyse

23.12.2016, Internationale Zusammenarbeit

Vier Jahre hat sich der Bundesrat Zeit genommen, um den NAP der Schweiz zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu veröffentlichen. Die Konzernverantwortungsinitative hat das Dokument analyisert.

Nationaler Aktionsplan (NAP): Die Analyse

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

«The End of the Beginning»

2011 verabschiedete der UNO-Menschenrechtsrat einstimmig die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und legte damit den Grundstein für einen Paradigmenwechsel: Konzerne haben eine unabhängige Verantwortung, die Menschenrechte zu respektieren. Die Erwartungen an Unternehmen sind in den UNO-Leitprinzipien klar definiert. Die Zeit der Hochglanz-Prospekte über philanthropische Projekte in Entwicklungsländern ist vorbei. Unternehmen müssen heute in der Gestaltung ihrer globalen Geschäftstätigkeit aktiv sicherstellen, dass die Menschenrechte aller respektiert werden. Weder die naive Annahme, es werde niemand geschädigt, so lange man gute Absichten verfolge, noch die Kompensation von Mängeln im profitorientierten Kerngeschäft mit sozialen Projekten ist gefragt. Der Anspruch der Weltgemeinschaft heisst heute: Konsequente Integration der Menschenrechte und der Nachhaltigkeit in die eigenen Geschäftsabläufe und proaktive Suche nach entsprechenden Risiken. Dieses Ziel ist noch längst nicht erreicht. Der Vater der UNO-Leitprinzipien, Professor John Ruggie, nannte den neuen Konsens 2011 «The End of the Beginning». Nach mehr als fünf Jahren muss nüchtern festgestellt werden, dass «the Beginning» andauert. Zwar haben einige Staaten nationale Aktionspläne veröffentlicht, doch diese lesen sich meist wie Bestandesaufnahmen aktueller Politiken. Gleichwohl ist eine gesteigerte internationale Dynamik spürbar: Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass neben übergeordneten Prinzipien klare Anforderungen und verbindliche Gesetze notwendig sind, um sicherzustellen, dass alle Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen.
Die Schweiz veröffentlichte am 9. Dezember 2016 ihren Nationalen Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten (in der Folge NAP), dessen Erarbeitung durch das Postulat 12.3503, Alec von Graffenried, ausgelöst worden ist. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die sich im Verein Konzernverantwortungsinitiative zusammengeschlossen haben, verfolgten die Entwicklung des Plans aktiv und beteiligten sich wo möglich an dessen Ausarbeitung. Gemeinsam haben sie das Endresultat in vorliegendem Papier analysiert und kommentiert.

Download der Analyse und Kommentare der Konzernverantwortungsinitiative

Medienmitteilung

Standortpolitik mit Scheuklappen

11.01.2017, Internationale Zusammenarbeit

Der Bundesrat empfiehlt die Konzernverantwortungsinitiative zur Ablehnung. Damit verpasst er die Gelegenheit, die grossen Herausforderungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ernsthaft anzugehen.

Standortpolitik mit Scheuklappen

© admin.ch

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Der Bundesrat empfiehlt die Konzernverantwortungsinitiative zur Ablehnung. Damit verpasst er die Gelegenheit, die grossen Herausforderungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte ernsthaft anzugehen. Die Initiative verlangt, dass Schweizer Konzerne die Menschenrechte und die Umwelt respektieren.

In dem im Dezember 2016 publizierten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte unterstreicht der Bundesrat seine Erwartung, dass «in der Schweiz ansässige und/oder tätige Unternehmen […] ihre menschenrechtliche Verantwortung gebührend wahrnehmen». Trotzdem enthielt der NAP keine einzige neue verbindliche Massnahme zur Umsetzung dieses Ziels. Nun lehnt der Bundesrat auch die Konzernverantwortungsinitiative ohne vertiefte Diskussion ab. Offenbar ist er nicht bereit, den Worten auch Taten folgen zu lassen und internationale Entwicklungen nachzuvollziehen oder gar zu antizipieren.
International herrscht von OECD bis UNO Konsens, dass von Unternehmen heute ein proaktiver Umgang mit menschenrechtlichen und ökologischen Risiken erwartet wird und dafür Sorgfaltsprüfungen durchzuführen sind. Die Konzernverantwortungsinitiative schlägt vor, dieses Instrument gesetzlich zu verankern.

Die Nachbarsländer sind der Schweiz bereits heute deutlich voraus: Frankreich steht kurz vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das eine Sorgfaltsprüfungspflicht vorsieht. Die italienische Regierung hat im Dezember angekündigt, juristische Abklärungen zur Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht vorzunehmen. Und Deutschland wird ab 2018 systematisch überprüfen, ob bis 2020 mindestens 50% der grossen deutschen Firmen menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen etabliert haben und anderenfalls gesetzliche Massnahmen in Betracht ziehen.

Die Scheuklappenpolitik des Bundesrates hat nicht nur für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Konzerne gravierende Folgen. Auch die zahlreichen Unternehmen, die heute schon Wert auf eine faire und sozial nachhaltige Geschäftstätigkeit legen, leiden darunter. Für sie wären allgemeinverbindliche Vorgaben des Bundes nötig, um für alle Unternehmen die gleichen Voraussetzungen zu schaffen.

Die grundlegende Frage nach einem gesetzlichen Rahmen, in dem sich multinationale Konzerne bewegen sollen, stellt sich immer dringender. Die breite Koalition hinter der Konzernverantwortungsinitiative, bestehend aus 80 Organisationen der Zivilgesellschaft, freut sich auf die nun bevorstehende Diskussion im Parlament und die Abstimmungskampagne. Das Interesse an der Thematik im Parlament ist rege: Nach der Publikation des Nationalen Aktionsplanes für Wirtschaft und Menschenrechte, wurden gleich fünf Interpellationen mit Nachfragen zum NAP eingereicht. Auch in der Bevölkerung ist das Problembewusstsein gross, wie eine repräsentative Demoscope-Umfrage vom Juni 2016 zeigt: 90 Prozent der Befragten wollen, dass Schweizer Konzerne verpflichtet werden, Menschenrechte und Umwelt auch im Ausland zu respektieren.

Die Konzernverantwortungsinitiative gibt dem Parlament und der Bevölkerung die Chance, die Untätigkeit des Bundesrates zu korrigieren und einen Schritt in Richtung eines zukunftsorientierten, nachhaltigen und gerechteren Wirtschaftsstandortes Schweiz zu machen.

Für Rückfragen: Seraina Patzen, Koordination Koalition Konzernverantwortungsinitiative, 076 349 07 22

Medienmitteilung

Frankreich führt Sorgfaltsprüfungspflicht ein

22.02.2017, Internationale Zusammenarbeit

Frankreich hat eine Sorgfaltsprüfungspflicht für multinationale Konzerne verabschiedet und setzt damit den Kern der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte um. Die Verabschiedung dieses «devoir de vigilance» ist vorbildlich.

Frankreich führt Sorgfaltsprüfungspflicht ein

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Frankreich hat gestern Abend eine Sorgfaltsprüfungspflicht für multinationale Konzerne verabschiedet und setzt damit den Kern der Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte um. Die Verabschiedung dieses «devoir de vigilance», also der Sorgfaltsprüfungspflicht, ist vorbildlich.

Die Konzernverantwortungsinitiative fordert die Einführung eines analogen Mechanismus: Schweizer Konzerne sollen den Schutz der Menschenrechte und Umwelt verbindlich in ihre Geschäftsabläufe einbauen. Das Mittel dazu ist ebenso die Sorgfaltsprüfungspflicht. Damit werden alle Konzerne verpflichtet, ihre Geschäftstätigkeiten systematisch auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltrisiken zu überprüfen und falls nötig Massnahmen zu ergreifen.

In der Schweiz zeigt sich der Bundesrat bei der Umsetzung der Uno-Leitprinzipien bislang mutlos. Er verabschiedete 2016 einen zahnlosen «Nationalen Aktionsplan (NAP)», und im Januar 2017 hat er die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag zu Ablehnung empfohlen. Nun wird der Bundesrat die Botschaft erarbeiten, bevor die Initiative in die zuständigen Kommissionen des National- und Ständerats kommt.

Die Konzernverantwortungsinitiative wird von einer breiten Koalition getragen, welche aus über 80 Entwicklungs-, Frauen-, Menschenrechts- und Umweltorganisationen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Vereinigungen sowie Aktionärsverbänden besteht. Unterstützung geniesst die Initiative in einem breiten politischen Spektrum: www.konzern-initiative.ch/komitee-unterstuetzer

Für Rückfragen: Tom Cassee, Konzernverantwortungsinitiative, Medien und Kommunikation, 079 755 21 24