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Medienmitteilung
Budget 2025: Finanzpolitik auf Kosten der Ärmsten
13.11.2024, Entwicklungsfinanzierung
Die Finanzkommission des Nationalrats will beim Budget 2025 insgesamt 250 Millionen Franken bei der internationalen Zusammenarbeit sparen. Dies hätte – zusammen mit der bereits geplanten Umverteilung von Mitteln an die Ukraine – zur Folge, dass ein Viertel der Mittel von bestehenden Programmen und Projekten abgezogen würde.

Sarah Wyss, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Finanzkommission des Nationalrats, informiert gemeinsam mit dem Vizepräsidenten der Kommission, SVP-Nationalrat Jacquet Nicolet, die Medien über die Kommissionsentscheide. © Keystone / Anthony Anex
Letzte Woche noch hatte sich die aussenpolitische Kommission des Nationalrats deutlich gegen Kürzungen bei den Verpflichtungskrediten der Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 ausgesprochen. Von dieser Linie ist die Finanzkommission nun wieder abgekommen; sie unterstützt beim Budget 2025 Kürzungen im Umfang von 250 Millionen Franken. Dies, obwohl die Verpflichtungskredite der IZA-Strategie 2025-2028 bereits die Ukraine-Finanzierung im Rahmen von 1.5 Milliarden Franken absorbieren müssen.
Für Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, setzt die Kommission mit ihrem Entscheid ein fatales Zeichen: «Jede zusätzliche Kürzung auf dem Buckel der Ärmsten stellt die bewährte internationale Zusammenarbeit der Schweiz in Frage.» So kommt auch die Expertenkommission Gaillard in ihrem Bericht zum Schluss, «dass die IZA bei der übrigen Entwicklungshilfe bereits deutliche Reduktionen umsetzen musste, um vom Bundesrat zusätzlich geplante Mittel für die Ukraine zu kompensieren».
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud
Tel. +41 31 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
AFGHAN FUND
«Die Wirtschaft muss stabilisiert werden»
01.10.2024, Entwicklungsfinanzierung
Während Milliarden afghanischer Währungsreserven in der Schweiz parkiert sind, leidet die Zivilbevölkerung in Afghanistan unter einer dramatischen wirtschaftlichen Lage. Der Co-Leiter des Afghan Fund, Shah Mehrabi, fordert nun gezielte Auszahlungen.

Die Menge an Afghani-Banknoten im Land schwankt stark. Banknotenhändler sind in Kabul allgegenwärtig.
© Keystone/EPA/Samiullah Popal
Drei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban steht Afghanistan am Rand des Abgrunds. Die Rechte der Kinder und Frauen werden mit Füssen getreten: Sie sind im öffentlichen Raum praktisch unsichtbar geworden – Sporteinrichtungen, Hammams, Schönheitssalons und Parks sind für sie tabu. Ihre Schulbildung endet mit der Primarschule und am Arbeitsplatz herrscht rigorose Geschlechtertrennung. Medien und Opposition sind Opfer von Repression. Die Hälfte der Bevölkerung ist mittlerweile von Armut betroffen und 90% können ihren Grundbedarf an Nahrungsmitteln nicht mehr decken.
«Die Wirtschaft befindet sich in einer äusserst prekären Lage, vor allem wegen der dem Bankensektor auferlegten Beschränkungen, der Unterbindung von Handel und Geschäftsverkehr, der Schwächung und Isolation öffentlicher Institutionen und des fast gänzlichen Ausbleibens ausländischer Investitionen und finanzieller Unterstützung der ausländischen Geber in Sektoren wie der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie», warnten die Vereinten Nationen Anfang Jahr.
Derweil bleiben Milliarden von Dollar, die von Genf aus durch den Fund for the Afghan People (Afghan Fund) verwaltet werden, ungenutzt. Der Fonds wurde vor zwei Jahren zur Verwaltung von ausländischen Währungsreserven der Afghanischen Zentralbank (DAB) eingerichtet; diese waren bei der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 eingefroren worden. Zu jenem Zeitpunkt hielt die Federal Reserve Bank in New York 7 Mrd. USD dieser Währungsreserven. Weitere 2,1 Mrd. USD befinden sich in Europa und anderen Ländern. Um zu verhindern, dass das in den USA deponierte Geld von den Opfern des 11. Septembers eingefordert wird, schlug Präsident Biden vor, die Hälfte davon im Ausland zu parkieren. So flossen 3,5 Milliarden USD auf ein Konto der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit Sitz in Basel, und in Genf wurde eine Stiftung zur Verwaltung des Geldes eingerichtet: der Afghan Fund (siehe global #89). Dessen Zweck ist es, die Gelder zu verwalten und einen Teil davon unter Einhaltung strikter Auflagen an die DAB zurückzugeben. Ende Juni 2024 beliefen sich die Vermögenswerte einschliesslich Zinsen auf 3,84 Mrd. USD.
Schädliche Deflation
Doch heute, zwei Jahre später, ist immer noch kein einziger Cent zurückbezahlt. Weshalb? «Zunächst einmal liegt ein mangelndes Verständnis der Regeln vor: Dieses Geld ist nicht für humanitäre Zwecke bestimmt, sondern zur Stabilisierung des Finanzsystems», antwortet uns Shah Mehrabi, einer der beiden afghanischen Co-Leiter des Fonds, per Telefon aus den USA. Der Professor am Montgomery College in Maryland weist zunächst auf makroökonomische Aspekte hin: Währungsreserven sind Vermögenswerte, die von den Zentralbanken in ausländischer Währung gehalten werden, um die Zahlungsfähigkeit eines Landes zu sichern und die Geldpolitik zu beeinflussen. Ziel ist es, die Zentralbanken vor einer schnellen Abwertung der Landeswährung zu schützen. Diese Reserven spielen eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der Wechselkurse, der Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung von Liquidität für das Bankensystem und der Deckung von Importkosten.
«Nun hat die DAB gemeldet, dass die Geldmenge, d. h. die im Umlauf befindlichen Zahlungsmittel, gesunken ist», fügt er hinzu. «Woran liegt das? Einer der Faktoren ist das Einfrieren der Reserven. Wenn weniger Geld im Umlauf ist, können die Menschen weniger kaufen, die wirtschaftliche Aktivität sinkt und das wiederum wirkt sich auf die Preise und Wechselkurse aus. Genau dies ist in Afghanistan zu beobachten: Unternehmen kommen nicht an Geld, um zu investieren, was zu einer geringeren Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen führt. Also senken sie die Preise immer weiter, um die Menschen zum Kauf anzuregen. Die Folge ist eine Deflation, die für die Wirtschaft genauso schädlich ist wie die Inflation.»
Solide Struktur aufgebaut
«Wir haben viel erreicht», fährt er fort. Doch was genau? In Bezug auf die Governance des Fonds bestätigt er, dass eine solide Struktur geschaffen wurde: Es wurden Statuten verabschiedet und ein Stiftungsrat ernannt, der transparent über die Verwaltung der Vermögenswerte berichten soll. Das Gremium besteht aus ihm selbst, Anwar-ul-Haq Ahady, dem ehemaligen DAB-Direktor und früheren Finanzminister Afghanistans, Jay Shambaugh, einem Vertreter des US-Finanzministeriums, und Botschafterin Alexandra Baumann, Leiterin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des EDA. Die Entscheidungen werden einstimmig getroffen, was bedeutet, dass de facto jedes Mitglied ein Vetorecht hat.
Die Mitglieder des Stiftungsrats entwickelten eine proaktive Anlagestrategie und beauftragten eine Beratungsfirma mit der Ausarbeitung von Compliance- und Audit-Massnahmen. Dadurch sollen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verhindert werden. Der Posten eines geschäftsführenden Sekretärs wurde geschaffen, eine Kommunikationsstrategie entwickelt und ein internationaler Beirat gegründet.
«Gezielte Auszahlungen möglich»
«Die Massnahmen, die wir ergriffen haben, waren Teil der Anforderungen, die vor jeglicher Auszahlung erfüllt werden müssen», fährt Shah Mehrabi fort. «Meiner Meinung nach sind die Bedingungen für gezielte Auszahlungen zur Stabilisierung des Wechselkurses, zum Drucken von Banknoten und zur Bezahlung von Importen nun gegeben. Allerdings in kleinen Teilbeträgen, denn zu viel Geld einzuschiessen, würde Inflation erzeugen.»
Er fügt hinzu, dass der Afghani trotz erheblicher Herausforderungen stabil geblieben sei, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, dank der soliden Geldpolitik der DAB. Dazu gehören Devisenversteigerungen, strengere Kontrollen des Schmuggels, ein Anstieg der Exporte, humanitäre Hilfe und Rücküberweisungen. «Diese Stabilität hat jedoch auch zu einer Deflation geführt, die auf den weltweiten Preiszerfall und die Aufwertung des Afghani zurückzuführen ist. Derzeit liegt die Deflationsrate bei -9,2% und ist damit etwas niedriger als vorher (-9,7%). Um die Deflation weiter zu verringern, muss die Zentralbank möglicherweise die Dollar-Auktionen reduzieren und den Umlauf afghanischer Banknoten erhöhen», so seine Schlussfolgerung.
Taliban von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt
Die politische Lage ist jedoch sehr komplex. Das derzeitige Regime wird von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit wird zwar im Herbst ein humanitäres Büro in Kabul eröffnen (siehe Box), die Kontakte zu Vertretern der Taliban bleiben allerdings rein technischer Natur.
Die rechtlichen und diplomatischen Mittel sind begrenzt, was die Handlungsfähigkeit des Fonds erschwert. Allerdings sind gegen die DAB keine internationalen Sanktionen verhängt. Was die Taliban betrifft, so anerkennen sie den Afghan Fund nicht. Sie wollen ihr Geld zurück. Immerhin, so der Wirtschaftswissenschaftler, würde mit einem Teil der von den USA eingefrorenen Vermögenswerte etwas gemacht – ganz im Gegensatz zu den von der EU eingefrorenen 2,1 Mrd. USD.
«Wir können das afghanische Volk nicht leiden lassen. Es ist im Interesse aller, diese Auszahlungen nun aktiv vorzunehmen. Humanitäre Hilfe allein löst das Problem nicht. Wichtig ist eine langfristige Entwicklung. Es muss gehandelt werden», schliesst Merhabi, dessen Mandat für den Afghan Fund wie auch jenes der anderen Stiftungsratsmitglieder im September für weitere zwei Jahre verlängert wurde.
DEZA kehrt zurück nach Kabul
Wie die meisten Länder beabsichtigt auch die Schweiz derzeit keinen Neustart der langfristig angelegten Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan. Zumindest aber kehrt sie ins Land zurück. «Die DEZA [Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit] wird im Herbst 2024 ein humanitäres Büro in Kabul eröffnen», bestätigt uns Alain Clivaz, ihr Sprecher. «Sie wird ihre Räumlichkeiten im ehemaligen Kooperationsbüro beziehen, das 2021 geschlossen wurde. Das humanitäre Büro wird aus vier Mitgliedern des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) vor Ort bestehen. Das DEZA-Team ist für die Umsetzung, Begleitung und Überwachung der von der DEZA finanzierten Projekte verantwortlich.»
Der EDA-Sprecher weist darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor komplex ist und erhebliche Risiken für sämtliche Aktivitäten im Land birgt. Er versichert aber, dass die DEZA die Entwicklung der Lage genau verfolgt und über ein breit abgestütztes Sicherheitsdispositiv für ihr Personal verfügt, das diese Rückkehr nach Kabul ermöglicht.
«Das DEZA-Büro stellt auf technischer Ebene Kontakte zu Vertretern der Taliban her, wenn diese für die Umsetzung der Projekte notwendig sind», schliesst er.
Für Alliance Sud ist die Präsenz vor Ort wichtig, doch kann humanitäre Hilfe allein eine funktionierende Wirtschaft nicht ersetzen. Die Schweiz muss dafür sorgen, dass die vom Afghan Fund verwalteten Gelder mit aller gebotenen Vorsicht an die DAB zurückbezahlt werden. Dies, damit die afghanische Bevölkerung nicht mehrfach abgestraft wird: einerseits durch ein repressives Regime und Sanktionen und andererseits durch die Ächtung der internationalen Gemeinschaft.
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global
Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
Medienmitteilung
IZA-Strategie: Finanzpolitik auf Kosten der Ärmsten
11.10.2024, Entwicklungsfinanzierung
Die Finanzkommission des Nationalrats will das Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 um 1 Milliarde Franken kürzen. Dies hätte – zusammen mit der bereits geplanten Umverteilung von Mitteln an die Ukraine – zur Folge, dass ein Viertel der jährlichen Mittel von bestehenden Programmen und Projekten abgezogen würde. Die Umsetzung der Strategie würde damit verhindert, bevor sie startet.

© Parlamentsdienste 3003 Bern
Im September noch hatte sich der Ständerat im Rahmen der Debatten zur IZA-Strategie 2025-2028 sehr deutlich gegen Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit ausgesprochen. Von dieser Linie sind die bürgerlichen Parteien nun abgekommen; sie unterstützten in der Finanzkommission des Nationalrats den Antrag um jährliche Kürzungen im Umfang von 250 Millionen Franken. Dies, obwohl die Verpflichtungskredite der IZA-Strategie 2025-2028 bereits die Ukraine-Finanzierung im Rahmen von 1.5 Milliarden Franken absorbieren müssen. Für Alliance Sud, das Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, setzt die Kommission mit ihrem Entscheid ein fatales Zeichen auf dem Buckel der Ärmsten. So kommt auch die Expertenkommission Gaillard in ihrem Bericht zum Schluss, «dass die IZA bei der übrigen Entwicklungshilfe bereits deutliche Reduktionen umsetzen musste, um vom Bundesrat zusätzlich geplante Mittel für die Ukraine zu kompensieren».
Das Parlament muss sich in den nächsten Wochen mit einer zentralen Frage auseinandersetzen: Welche Rolle will die Schweiz in der Welt einnehmen? Internationales Ansehen, Gewicht in multilateralen Gremien und eine Sonderrolle in der Diplomatie kosten etwas. Dieses Engagement lohnt sich aber langfristig für die Schweiz.
Für weitere Informationen:
Laura Ebneter, Expertin für internationale Zusammenarbeit
Tel. 031 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch
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Kommentar
IZA im Parlament: Wechselbad im Whirlpool
23.09.2024, Entwicklungsfinanzierung
Seit der Sommersession sind die Parlamentsdebatten um die Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) und die Armeebotschaft eng verknüpft und sorgen für einen wirren Zahlensalat. Was ist genau passiert? – Ein Beitrag von Andreas Missbach

Abbildung der Sitzungordnung im Nationalrat. Herbstession 2024. © Keystone / Peter Schneider
Normalerweise handelt es sich um ein Routinegeschäft, jetzt hingegen herrscht Schwindelgefahr. Der Reihe nach: Alle vier Jahre entscheidet das Parlament über die Strategie der internationalen Zusammenarbeit, die der Bundesrat vorschlägt. Bei der IZA-Strategie 2025 – 2028 ist alles anders. Schuld daran ist, dass gleichzeitig auch die Armeebotschaft 2024 verhandelt wird. Und was nach zwei ganz unterschiedlichen Geschäften aussehen könnte, wurde in der Sommersession vom Ständerat verknüpft. Er nahm einen Einzelantrag an, der das Armeebudget um 4 Milliarden Franken erhöhen will. Für die Finanzierung will sich der Ständerat beim Budget der internationalen Zusammenarbeit bedienen und dort 2 Milliarden abzuzweigen.
Damit sind nun die beiden Geschäfte IZA und Armee aufs engste verhängt. Das bedeutet, dass 2 Räte, 2 Sub-Kommissionen und 6 Kommissionen sich simultan damit beschäftigen. Und als Kirsche auf dem Chaos-Kuchen kommen noch die Verhandlungen über das Budget 2025 obendrauf, wo ebenfalls über die Armee und die internationale Zusammenarbeit gefeilscht wird. Entsprechend sind natürlich auch die Argumente fröhlich verquirlt. So wird etwa behauptet, dass die Armee auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit ausgeblutet worden sei. Faktencheck: Von 2015 – 2023 wuchsen die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit mit 1,7% deutlich geringer als die ordentlichen Bundesausgaben (2,6%), die Ausgaben für die Armee hingegen mit 3,9% deutlich stärker.
Zwischenstand gegen Ende der Herbstsession
Am 11. September korrigierte der Ständerat bei der Behandlung der IZA-Strategie 2025 – 2028 den Entscheid, den er in der Sommersommersession bei der Diskussion der Armeebotschaft gefällt hatte. Ein Antrag, der die 2 Milliarden Kürzung wieder ins Spiel gebracht hätte, wurde sehr deutlich mit 31 zu 13 Stimmen abgelehnt. Dem Antragssteller aus der FDP fehlte sogar die geschlossene Unterstützung aus seinen eigenen Reihen. Ebenso abgelehnt wurde mit 28 Ja-Stimmen eine Kürzung um 800 Millionen Franken. In der Debatte wurde der frühere Entscheid als «Hüftschuss» bezeichnet. Das Aufatmen von der Monbijoustrasse, wo sich das Büro von Alliance Sud befindet, in Richtung Bundeshaus war deutlich zu vernehmen.
Die Erleichterung hielt nicht lange an, am 19. September entschied der Nationalrat in die Gegenrichtung. Er möchte die zusätzlichen 4 Milliarden für die Armee, die in beiden Räten eine Mehrheit fanden, mit «Kompensationsmassnahmen» –sprich Kürzungen – in vier Bereichen umsetzen, darunter auch bei der internationalen Zusammenarbeit. Ohne allerdings ein Preisschild daran zu hängen und zu sagen, wie viel jede Massnahme bringen soll. Nur zwei Tage später setzte der Bundesrat noch eins drauf. Er möchte in Widerspruch zu seiner eigenen IZA-Strategie im Rahmen des «Entlastungspakets für den Bundeshaushalt» 2027 und 2028 insgesamt 274 Millionen Franken bei der IZA abzwacken. Damit wird Sachpolitik ganz der Finanzpolitik unterstellt.
Ausblick auf den grossen Bazar
Wie geht es weiter: Zwischen den Sessionen werden sich verschiedene Kommissionen über die verhängten Geschäfte beugen. Dass der Vorschlag mit den vier Kürzungsmassnahmen zur Armeefinanzierung des Nationalrates bis zum Schluss überlebt, ist wenig wahrscheinlich und es dürften neue Vorschläge kommen, wo die Millionen und Milliarden zu finden sind. In der Wintersession kommt es dann bei der Armeebotschaft 2024 zur Differenzbereinigung zwischen National- und Ständerat. Die IZA-Strategie 2025 –2028 kommt zum ersten Mal in den Nationalrat und dann gibt es höchstwahrscheinlich auch gleich in derselben Session eine Differenzbereinigung, die natürlich mit der anderen kommuniziert: Der grosse Bazar. Ach ja, die Budget-Kirsche kommt auch noch oben drauf.
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Medienmitteilung
Armeebotschaft: Frontalangriff auf ganzheitliche Sicherheitspolitik
19.09.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Nationalrat hat heute entschieden, dass er die Erhöhung des Armeebudgets im Umfang von vier Milliarden Franken zu Teilen aus dem Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) finanzieren will. Das ist ein Frontalangriff auf eine ganzheitliche Sicherheitspolitik.

Vormarsch ohne Weitsicht: Eine Mehrheit des Nationalrats offenbarte heute einen verengten, rein militärischen Blick auf gegenwärtige Krisen und gefährdet damit tragende humanitäre Werte. © Keystone / Anthony Anex
Letzte Woche noch hatte sich der Ständerat im Rahmen der Debatten zur IZA-Strategie 2025-2028 mit 31 zu 13 Stimmen sehr deutlich gegen die Finanzierung der Armee auf Kosten der IZA ausgesprochen. Der Nationalrat hat heute in die Gegenrichtung entschieden und möchte mit einem Kompensationsansatz zur Finanzierung der zusätzlichen Mittel für die Armee auch bei der internationalen Zusammenarbeit Gelder abzweigen.
Damit verkennt der Nationalrat, dass die internationale Zusammenarbeit integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Sicherheitspolitik ist. «Die Finanzierung der Armee auf Kosten der internationalen Zusammenarbeit unterminiert die humanitäre Tradition der Schweiz. Es ist auch sicherheitspolitisch kurzsichtig, die Feuerwehr auf Kosten von Brandschutzmassnahmen zu stärken», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.
Im aktuellen Sicherheitspolitischen Bericht steht klipp und klar: «Die Schweiz (…) trägt zur Stärkung internationaler Sicherheit und Stabilität bei, indem sie gute Dienste anbietet, Beiträge zur Friedensförderung leistet, sich für Völkerrecht, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzt, die Ursachen von Instabilität und Konflikten mit der Entwicklungszusammenarbeit bekämpft und mit humanitärer Hilfe zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung beiträgt.»
Hinzu kommt, dass die Verpflichtungskredite der IZA-Strategie 2025-2028 bereits die Ukraine-Finanzierung im Rahmen von 1.5 Milliarden Franken absorbieren mussten. So kommt auch die Expertenkommission Gaillard in ihrem Bericht zum Schluss, «dass die IZA bei der übrigen Entwicklungshilfe bereits deutliche Reduktionen umsetzen musste, um vom Bundesrat zusätzlich geplante Mittel für die Ukraine zu kompensieren». Jede zusätzliche Kürzung auf dem Buckel der Ärmsten stellt die bewährte internationale Zusammenarbeit der Schweiz in Frage.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud
Tel. +41 31 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
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Strategie 2025 – 2028
Internationale Zusammenarbeit schwebt über dem Abgrund
21.06.2024, Internationale Zusammenarbeit, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat hat Mitte Mai die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er hält darin an der Finanzierung der Ukraine-Hilfe auf Kosten des Globalen Südens fest und ignoriert damit die Resultate der öffentlichen Vernehmlassung.

© Ruedi Widmer
Inhaltlich macht der Bundesrat keine grossen Sprünge und setzt in der Strategie 2025-2028 auf bewährte Themen und Umsetzungsstrategien. Dies in einer Welt, die − gemäss Strategie − fragmentierter, instabiler und unberechenbarer ist. In diesem Kontext entscheidet sich der Bundesrat für mehr Flexibilität, sein Wort der Stunde. Flexibilität sei notwendig, um den gegenwärtigen Krisen gerecht zu werden, sagte Bundesrat Ignazio Cassis an der Medienkonferenz. Wer die Strategie liest, merkt aber schnell, dass Flexibilität eigentlich nur bedeutet, dass die gesamte Ukraine-Hilfe im Umfang von 1.5 Milliarden Franken aus dem Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) bezahlt wird und deshalb die Beträge für andere Länder und Programme «flexibel» zusammengestrichen werden.
Heute hier, morgen dort
Bereits an der Medienkonferenz vom 10. April zur Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock und zur Ukraine-Hilfe sprach Bundesrat Ignazio Cassis von einem kontinuierlichen Re-Allozieren von Ressourcen in der IZA. Die Mittelzuweisung sei ein strategisches, dynamisches Geschehen und keine statische Haltung. Ein solch dynamischer Ansatz kann zwar durchaus zweckmässig sein, etwa bei der flexiblen Verknüpfung der drei Pfeiler der IZA, also humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung (auch Nexus genannt). Oftmals sind die Grenzen zwischen diesen Ansätzen ohnehin fliessend.
Eine internationale Zusammenarbeit, die permanent ihre Ressourcen zwischen verschiedenen Regionen und Ländern verschiebt, kann keine ernsthaften, langfristigen Partnerschaften aufbauen. Um effektiv und effizient tätig zu sein, braucht es aber genau diese. Es braucht Vertrauen und langfristiges Engagement, Beziehungen also, die durch Programme der Entwicklungszusammenarbeit geschaffen werden und erhalten bleiben. Oder um es mit den Worten von Bundesrat Cassis anlässlich eines Austauschs mit NGOs von 2022 zu sagen: «Verlässlichkeit, Vertrauen und Voraussehbarkeit». Wird die Schweizer IZA zum Spielball geopolitischer Erwägungen, fehlen ihr die notwendigen Netzwerke und Mitarbeitenden vor Ort. Der Krieg in der Ukraine hat eine Zeitenwende eingeleitet; dies darf aber nicht dazu führen, dass die Schweizer IZA das aufgibt, was sie über viele Jahre aufgebaut und mit ihren Partnerländern erreicht hat.
Seiltanz für die Ukraine
Mit dem Entscheid, die Ukraine-Hilfe aus dem Budget für internationale Zusammenarbeit zu finanzieren, teilt der Bundesrat gleich mehrfach aus. Zum einen ist es eine Absage an den Globalen Süden, der seit Jahren die wohlhabenden Länder dazu auffordert, dem international anerkannten Ziel von 0.7% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungsfinanzierung – Aide publique au développement (APD) – nachzukommen. Mit der Vorlage des Bundesrats erreicht die Schweiz 2028 eine APD (ohne Asylkosten) von 0.36%. Wo bleibt also die so oft betonte humanitäre Tradition, wenn sie gebraucht wird?
Eine weitere Absage geht an diejenigen, die sich an der Vernehmlassung beteiligt haben. Denn eine überragende Mehrheit von 75% der Organisationen, Parteien und Kantone, die eine entsprechende Frage beantwortet haben, sagten ausdrücklich, dass die Ukraine-Hilfe nicht zulasten anderer IZA-Regionen und -Schwerpunkte wie etwa Subsahara-Afrika oder dem Mittleren Osten gehen darf. Keine der politischen Parteien ausser der SVP – die notabene gemäss ihrem Parteiprogramm die Entwicklungszusammenarbeit abschaffen möchte – unterstützt die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine aus der IZA. Mehrheitsfähige Lösungen, wie dies umgesetzt werden soll, fand das Parlament im Gerangel um die Bundesfinanzen leider noch keine.
Mit angezogener Schuldenbremse in die Irrelevanz
Im Ausland bleibt nicht unbemerkt, dass sich die Schweiz auf ihrem bequemen wie lukrativen Sonderstatus als neutrales Land ausruht und sich unzureichend am Abwehrkampf der Ukraine beteiligt, unabhängig davon, ob die Unterstützung militärischer oder humanitärer Natur ist. Die Schweiz kann mit einer Schuldenquote von 17,8% des Bruttoinlandprodukts international nicht glaubwürdig erklären, weshalb sie keine zusätzlichen Mittel für die Ukraine aufbringen kann. Gleichzeitig schüren die SVP und die FDP mit ihren Finanzierungsvorschlägen für die Aufrüstung der Armee und für die 13. AHV-Rente die Idee, dass sich die Schweiz gänzlich von ihren internationalen Verpflichtungen verabschieden könne.
Damit schottet sich die Schweiz immer mehr ab und wird international irrelevant. Adieu Vermittlerrolle, adieu humanitäre Tradition und verlässliche Partnerin. Der Bundesrat hat die Zeichen der Zeit richtig gelesen, hat aber den Pfad in die Isolation gewählt. Deshalb kann jetzt nur noch das Parlament korrektiv eingreifen und einen Richtungswechsel für die Ukraine und den Globalen Süden einleiten.
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Global, Meinung
Militärcoup im Ständerat bedroht menschliche Sicherheit
21.06.2024, Entwicklungsfinanzierung
Wir sind ein wenig erschrocken bei der genauen Lektüre der IZA-Botschaft 2025 – 2028, als wir über ein Detail gestolpert sind. Der grosse Schock kam dann aber Anfangs Juni, als die IZA auch im Rahmen der Armeebotschaft im Ständerat ins Visier geriet

© Parlamentsdienste / Franca Pedrazzetti
Es war ja bekannt, dass die Landesregierung die Unterstützung der Ukraine vollständig auf Kosten des Globalen Südens finanzieren will, die Ursache des leichten Schreckens bei der Lektüre der IZA-Botschaft, war deshalb nur ein vielsagendes Detail. Zum Rückgang der APD-Quote (auch das wussten wir leider schon) schrieb er in der deutschen Version: «Dies ist darauf zurückzuführen, dass das BNE [Red: das Bruttonationaleinkommen, d. h. die Wirtschaft] aufgrund der finanziellen Massnahmen im Zusammenhang mit der Schuldenbremse stärker gewachsen ist als die der IZA zugewiesenen Mittel.» Waaas? Kann es sein, dass die ganze Welt, die es sich leisten kann, bei Finanzkrisen und Epidemien Schulden macht, um die Wirtschaft anzukurbeln, und man in Bundesbern denkt, die Reduktion der Staatschulden durch die Schuldenbremse würde zu Wirtschaftswachstum führen? Aber dann kam die Entwarnung, es war nur ein Übersetzungsfehler aus der französischen Version.
Sehr fest erschrocken sind wir dann am 3. Juni, als wir die Ständeratsdebatte verfolgten. Zuerst wurde ein Antrag abgelehnt, der die von der bürgerlichen Männermehrheit (es sind grösstenteils Männer) unbedingt gewollte Erhöhung der Armeeausgaben bis 2030 wenigstens ausserordentlich und kombiniert mit der ausserordentlichen Finanzierung der Ukraine-Hilfe gebracht hätte. Aber gleich danach beschloss diese Mehrheit, das Armeebudget für den Waffeneinkauf um vier Milliarden zu erhöhen und dafür im Gegenzug die Entwicklungszusammenarbeit um zwei Milliarden zu kürzen. Ein Frontalangriff auf die IZA! (Ein ärgerliches Detail an der auf diese Art und in diesem Ausmass einmaligen Verknüpfung zwischen Armee und internationaler Zusammenarbeit ist, dass einem ständig militärische Metaphern einfallen…)
Dies, obwohl selbst das neu geschaffene Staatssekretariat für Sicherheitspolitik sagt: «Eine direkte militärische Bedrohung durch einen Angriff auf die Schweiz zu Land oder aus der Luft ist kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich.» Hingegen hätten sich die Bedrohungen etwa durch Cyberangriffe verschärft. Vergessen oder nie zur Kenntnis genommen worden ist, was der Bundesrat im sicherheitspolitischen Bericht schreibt: «Sie [die Aussenpolitik] trägt zur Stärkung internationaler Sicherheit und Stabilität bei, indem sie gute Dienste anbietet, Beiträge zur Friedensförderung leistet, sich für Völkerrecht, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzt, die Ursachen von Instabilität und Konflikten mit der Entwicklungszusammenarbeit bekämpft und mit humanitärer Hilfe zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung beiträgt.» Dass sogar der Begriff der menschlichen Sicherheit bei der Ständeratsmehrheit angekommen wäre, ist hingegen wirklich zu viel verlangt.
Doch noch ist die Schlacht um die Rettung der IZA nicht verloren, der Gegenangriff läuft und wir kapitulieren nicht! Bitte entschuldigen Sie die militärischen Metaphern.
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Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen
26.06.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat hat heute entschieden, dass der Schweizer Privatsektor mit 500 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine unterstützt werden soll. Finanziert wird das Ganze aus dem Betrag im Budget der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028, der eigentlich für die Ukraine vorgesehen war. Doch selbst der Bundesrat hat gemerkt, dass dieser Vorschlag nicht gesetzeskonform ist.

Charkiw (Ukraine). © imago
Im Mai 2024 hat der Bundesrat die Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 dem Parlament vorgelegt. Darin sieht er vor, dass 1.5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe ausgegeben werden. In derselben Strategie schreibt er, dass der Förderung des lokalen Privatsektors eine zentrale Rolle zukomme: «Die Zusammenarbeit zwischen der IZA und dem Privatsektor ist stets auf Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Davon profitieren lokale KMU und die Bevölkerung» (S. 41). Kaum einen Monat später kommt der Bundesrat von dieser Idee ab. Er sieht nun für den Wiederaufbau der Ukraine nämlich 500 Millionen Franken für den Schweizer Privatsektor vor. Das ist mehr als die gesamten bilateralen Mittel der DEZA für Subsahara-Afrika in einem Jahr (2022).
Dass die Förderung des Schweizer Privatsektors aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit nicht gesetzeskonform ist, weiss der Bundesrat, denn er muss dafür eine neue gesetzliche Grundlage ausarbeiten. Für Alliance Sud ist unverständlich, weshalb der Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt einen solchen Vorschlag macht, bevor die IZA-Strategie 25-28 überhaupt im Parlament behandelt wurde. Es ist unvorstellbar, wie das Parlament über die Verpflichtungskredite der internationalen Zusammenarbeit beschliessen kann, wenn davon 500 Millionen Franken ohne bestehende Gesetzesgrundlage verwendet werden sollen.
«Es ist ein Skandal, dass mit den Geldern für die internationale Zusammenarbeit Schweizer Unternehmen finanziert werden sollen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Mit diesem Entscheid soll in der Ukraine die Praxis der «tied aid» (gebundene Hilfe), die international in der Kritik steht, grossflächig zur Anwendung kommen. «Das wird den Wiederaufbau massiv verteuern, wenn die Ukraine nicht den billigsten Anbieter für ein Produkt oder eine Dienstleistung auswählen kann, sondern auf die teuren Anbieter der Geberländer angewiesen ist», sagt er weiter.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
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Medienmitteilung
Chambre de destruction bedroht die Sicherheit der Schweiz
04.06.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Entscheid des Ständerats, der Entwicklungszusammenarbeit zwei Milliarden Franken wegnehmen zu wollen, ist fatal und bedroht die Sicherheit der Schweiz. Die Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit von heute sind die Krisen von morgen und das internationale Ansehen der Schweiz würde irreparabel beschädigt.

Sommersession im Ständerat. Grosse Abwesende: die Solidarität. © Parlamentsdienste 3003 Bern
2024 sind nach Angaben der UNO weltweit rund 300 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sie sind von Kriegen, Naturkatastrophen oder Hunger betroffen und brauchen dringend Lebensmittel, Trinkwasser, medizinische Hilfe, Zugang zu Bildung oder Schutz. Humanitäre Hilfe sichert Überleben, während Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Beitrag leistet, damit Menschen dauerhaft der Armut entkommen können.
Die vom Ständerat geplanten Einsparungen zugunsten der Armee würden zusammen mit den Beiträgen für die Ukraine zu Kürzungen im Umfang von einem Drittel des Budgets führen. Damit würden laufende, erfolgreiche Projekte gestoppt und jahrzehntelang aufgebaute Strukturen zerstört, die diejenigen Menschen erreichen, die Hilfe am Dringendsten benötigen. Wegen der Aufrüstung infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine darf die langfristige Konfliktprävention nicht zur Nebensache verkommen. Die Entwicklungszusammenarbeit leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur langfristigen Sicherheit der Schweiz.

Die Aufrüstung der Armee auf dem Buckel der Ärmsten zu finanzieren, würde bedeuten, dass die bereits durch Kürzungen und die Finanzierung der Ukrainehilfe ausgedünnte Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr in der Lage wäre, ihren verfassungsmässigen Auftrag wahrzunehmen. Die 500 Millionen Franken pro Jahr, die wegfallen würden, sind deutlich mehr Geld als die gesamte Unterstützung der Schweiz für Afrika. Die Schweiz müsste die Bevölkerung ganzer Länder im Stich lassen. Es hiesse, dass die Schweiz multilateralen Organisationen wie dem Welternährungsprogramm, das Menschen vor dem Hungertod bewahrt, dem UNO-Kinderhilfswerk UNICEF oder der Afrikanischen Entwicklungsbank die Unterstützung entzieht. Dies hätte verheerende Auswirkungen auf das internationale Ansehen der Schweiz, die bereits jetzt für ihr mangelndes Engagement in der Kritik steht.
«Die Unsicherheitspolitiker im Ständerat nehmen weitere Instabilität in Kauf, die Menschen in die Flucht treibt. Auch dass sich die Schweiz mit einem solchen Entscheid international weiter angreifbar machen würde, ist ihnen egal. Die chambre de destruction muss vom Nationalrat zur Vernunft gebracht werden», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.
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Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
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Laura Ebneter, Expertin für internationale Zusammenarbeit Alliance Sud,
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Medienmitteilung
Der Bundesrat tut als ob
22.05.2024, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat hat heute die lange erwartete Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er ignoriert darin die Resultate der öffentlichen Vernehmlassung komplett und hält an einer Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine auf Kosten des Globalen Südens fest.

Mit seiner aktuellen IZA-Botschaft verschiebt der Bundesrat die Prioritäten drastisch auf Kosten des Globalen Südens - dies obwohl die Schweiz ohnehin seit Jahrzehnten hinter ihren Versprechungen zurückbleibt.
© Anthony Anex / Keystone
In seinen bisherigen Stellungnahmen hat der Bundesrat die Verschiebungen der Prioritäten in der internationalen Zusammenarbeit (IZA) immer kleingeredet. Man werde die Beiträge an die Ukraine aufgrund des Budgetwachstums kaum spüren, sagte Bundesrat Ignazio Cassis noch an der Medienkonferenz vom 10. April. Die nun publizierte Vorlage spricht jedoch eine ganz andere Sprache: 39% der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit werden in Europa, Nordafrika und im Mittleren Osten ausgegeben. Subsahara-Afrika, wo der versprochene Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit liegen sollte, erhält weniger, nämlich 38% der EZA-Mittel. In der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die Verschiebung noch drastischer: Für Europa sind neu 42% der Mittel vorgesehen, während Subsahara-Afrika nur 13% der Mittel erhält. Die Einschnitte auf Kosten der ärmsten Länder sind dramatisch.
Zusätzliche und ausserordentliche Finanzierung nötig
«Hilfe gegen Armut und Not sind dringlicher denn je. Eine ausserordentliche Situation wie der Krieg in der Ukraine braucht ausserordentliche Mittel; die Menschen im Globalen Süden dürfen nicht die Rechnung dafür bezahlen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.
Gravierend ist auch der prognostizierte Einbruch der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung auf nur noch 0.36% des Bruttonationaleinkommens. «Eine solch tiefe Quote – die Hälfte des international vereinbarten, von der Schweiz versprochenen Ziels und der tiefste Stand seit zehn Jahren – ist absolut inakzeptabel und einem reichen Land wie der Schweiz unwürdig», führt Missbach weiter aus.
Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken
Angesichts der zahlreichen Krisen und Kriege ist es jetzt mehr denn je angezeigt, dass die Schweiz ihr internationales Engagement ausbaut. In einem kurzen Briefing Paper hat Alliance Sud die wichtigsten Hintergrundinformationen für eine zukunftsgerichtete IZA zusammengestellt.
Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Laura Ebneter, Expertin für internationale Zusammenarbeit Alliance Sud, Tel. 031 390 93 32, laura.ebneter@alliancesud.ch
Briefing Paper: Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken
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