Medienmitteilung

Nationalrat verweigert Umsetzung des Klimaschutzgesetzes für den Finanzplatz

14.03.2024, Klimagerechtigkeit, Finanzen und Steuern

Der Bundesrat empfahl heute dem Nationalrat eine Motion von Gerhard Andrey zur Annahme, welche die Klimaverträglichkeit der Schweizer Finanzflüsse stärken sollte. Doch der Nationalrat wollte nichts von der Motion wissen, obwohl diese gemäss Bundesrat der Umsetzung von Art. 9 des Klimaschutzgesetzes gedient und damit dem Volkswillen entsprochen hätte.

 

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

+41 22 901 14 81 laurent.matile@alliancesud.ch
Nationalrat verweigert Umsetzung des Klimaschutzgesetzes für den Finanzplatz

Gerhard Andrey (links) im Nationalrat

© Parlamentsdienste, 3003 Bern

Mit 59,1% nahm im Juni 2023 die Stimmbevölkerung das Klimaschutzgesetz an. In Artikel 9 wurde ein Ziel zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzmittelflüsse festgelegt. Auch das Pariser Klimaabkommen verpflichtet die Schweiz dazu, dieses Ziel zu verfolgen. Mit dieser klaren rechtlichen Ausgangslage als Begründung hatte sich der Bundesrat dazu entschieden, die Motion von Nationalrat Gerhard Andrey anzunehmen.

Die Motion respektierte die bisherigen Bemühungen, mit freiwilligen Massnahmen der Branche die Finanzmittelflüsse auf den Pfad der Treibhausgasreduktion im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu bringen, forderte jedoch subsidiär vom Bund, verbindlichere Massnamen einzuführen, wenn bis 2028 weniger als 80% der Finanzflüsse auf dem richtigen Pfad zur Treibhausgasreduktion wären. Der Bundesrat wies in seiner Antwort darauf hin, dass er bei der Umsetzung der Motion als subsidiäre Regelungen vor allem die Einführung von Best-Practices zu Transparenz und Kostenwahrheit vorsah – eine sehr wirtschaftsfreundliche Umsetzung mit einem grossen Handlungsspielraum für alle Beteiligten.

Absolut unverständliche Verweigerung

Die Ablehnung des Nationalrats ist umso unverständlicher: «Der Nationalrat missachtet den klaren Willen der Bevölkerung für klimaverträgliche Finanzflüsse, er ignoriert die rechtlichen Grundlagen und internationale Verpflichtungen und akzeptiert nicht einmal den moderaten Weg des Bundesrates», betont Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Jede Verzögerung beim Klimaschutz bekommen die Menschen in den ärmsten Ländern am stärksten zu spüren.»

Die klimaverträgliche Ausrichtung der Schweizer Finanzflüsse ist der grösste Klimaschutz-Hebel, den die Schweiz hat und als Vertragspartei des Pariser Abkommens verpflichtet ist zu nutzen. Laut einer Studie von McKinsey sind die Emissionen im Zusammenhang mit dem Schweizer Finanzplatz 14 bis 16 Mal höher als die Schweizer Inlandemissionen.

Fehlender Wille auch beim CO2-Gesetz

Auch bei den Beratungen zum CO2-Gesetz, das morgen in die Schlussabstimmung gelangt, hat sich ein eklatant fehlender politischer Wille in beiden Parlamentskammern gezeigt, was ebenfalls die breite Zustimmung zum Klimaschutzgesetz ignoriert. Die Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Inland wurden nach einem schwachen Entwurf des Bundesrats in den Beratungen laufend weiter geschwächt. Als Folge wird die Schweiz immer mehr Auslandzertifikate einkaufen müssen, die kein gleichwertiger Ersatz für Reduktionen im Inland bedeuten.

Für weitere Informationen:
Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung, 022 901 14 81, laurent.matile@alliancesud.ch
Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

 

Kommentar

Tonnage Tax: Das rühmliche Ende einer unrühmlichen Geschichte?

21.02.2024, Finanzen und Steuern

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) empfahl ihrem Rat am 20. Februar, nicht auf die Vorlage zur Einführung einer «Tonnage Tax» einzutreten. Nun steht dieses Steuerdumpinginstrument für Schweizer Reedereikonzerne und Rohstoffhändler vor dem Ende. Die gesetzgeberische Odyssee, die diesem Entscheid voranging, wirft allerdings ein sehr schlechtes Licht auf das Eidgenössische Finanzdepartement – insbesondere auf die eidgenössische Steuerverwaltung.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Tonnage Tax: Das rühmliche Ende einer unrühmlichen Geschichte?

© Keystone / Laif / Patricia Kühfuss

Die Tonnage Tax würde auf den ersten Blick vor allem Unternehmen der Hochseeschifffahrt stark privilegieren. Sie sorgte dafür, dass diese nicht wie alle anderen Unternehmen in der Schweiz der Gewinnsteuer unterliegen, sondern pauschal anhand der Ladekapazität ihrer Schiffe besteuert würden. Politisch als Förderinstrument für den Reedereistandort Schweiz deklariert, wäre die Tonnage Tax aber faktisch auch ein Steuerschlupfloch für Rohstoffhändler in der Schweiz, also für Konzerne, die in den letzten Jahren exorbitante Profite eingefahren haben. Wegen der Pandemie und den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten sind die Preise für gewisse Rohstoffe und den Schiffstransport massiv gestiegen. Das hat den Rohstoffhändlern und Reedereien Rekordgewinne beschert. Anstatt diese angemessen zu besteuern, würde just denselben Konzernen mit der Tonnage Tax ein neues Steuergeschenk beschert. Denn diese sind gemäss Recherchen von Public Eye die eigentlichen Schifffahrtsunternehmen hierzulande: 2’200 Schiffe kontrollieren sie auf den Weltmeeren. Die klassischen Schweizer Reedereien kommen nur auf 1’400 Schiffe, der Bundesrat sprach bisher sogar nur von 900 Schiffen. Diese Zahl stammt vom Schweizer Reedereiverband. Deren unkritische Übernahme könnte den Fiskus bei einer Annahme der Tonnage Tax teuer zu stehen kommen – aus folgenden Gründen:

  • Ein Blick in jene Länder, die bereits eine Tonnage Tax kennen, zeigt, dass die damit begünstigten Unternehmen im globalen Durchschnitt von einem effektiven Steuersatz von lediglich 7% profitieren, wie die Jurist:innen Mark Pieth und Kathrin Betz in ihrem Buch «Seefahrtsnation Schweiz - vom Flaggenzwerg zum Reedereiriesen» gezeigt haben. Dass es noch tiefer geht, zeigt der Hamburger Reedereigigant Hapag-Lloyd, welcher dank Tonnage Tax im Jahr 2021 nur 0,65% Steuern zahlte. Selbst Klaus-Michael Kühne, der 30% an Hapag-Lloyd hält und Mehrheitsaktionär des Schwyzer Logistikunternehmens Kühne + Nagel ist, stimmte der Aussage zu, dass durch die Tonnage Tax «obszön wenig» Geld in die Steuerkasse fliesse.
  • Schweizer Rohstoffhändler wiederum könnten mit der neuen Steuer auch Gewinne aus dem Handel auf ihre Schiffe verschieben und die normale Gewinnsteuer umgehen. Entsprechend massiv wären die Verluste für den Schweizer Fiskus. Daran ändert auch die kürzlich angenommene OECD-Mindeststeuer von 15% nichts, denn davon ist die internationale Schifffahrt explizit ausgenommen.
  • Die Tonnage Tax widerspricht wohl der Bundesverfassung, weil sie das dort festgeschriebene Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt: Werden Frachtschiffbetreiber nach dem Umfang der Fracht ihrer Schiffe besteuert und nicht gemäss ihrer Profitabilität, ist dieses Prinzip ausser Kraft und würde die rechtliche Bevorzugung einer einzelnen Branche bedeuten. Das wäre in der Schweiz nur erlaubt, wenn es sich dabei um eine existentiell bedrohte Industrie handeln würde, was offensichtlich weder für die Schweizer Hochseeschifffahrt noch für den Rohstoffhandel gilt.

Zwielichtige Rolle des Finanzdepartements

Alliance Sud und Public Eye formulierten diese Kritikpunkte anlässlich von Anhörungen sowohl in der Wirtschaftskommission des National- wie auch des Ständerates. Während der Nationalrat der Vorlage im Dezember 2022 trotz sehr vieler Ungereimtheiten noch bedenkenlos zustimmte, nahm der Ständerat diese auf und verlangte von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) bereits zweimal entsprechende Klärungen: Zum ersten Mal vor einem Jahr, zum zweiten Mal im letzten Oktober. Beide Male konnte die ESTV die offenen Fragen zur Abgrenzung des Rohstoffsektors von der Seefahrt, zu den fiskalischen Folgen der Einführung der Sondersteuer und ihrer Verfassungsmässigkeit in entsprechenden Berichten nicht ausreichend beantworten. Folgerichtig will die WAK-S nun also auf die Vorlage nicht eintreten.

Offen bleibt auch die viel grundsätzlichere und unangenehme Frage, weshalb das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) – zu dem die ESTV gehört – nicht fähig ist, zentrale Fragen zu einem Gesetzesprojekt zu klären, das es selbst aufgegleist hat. Eine mögliche Erklärung für dieses dilettantische Vorgehen einer in Steuerfragen eigentlich hochkompetenten Verwaltungsstelle lieferte kürzlich eine sehr verdienstvolle Recherche von reflekt.ch. Diese Plattform für investigativen Journalismus zeigte nämlich, dass die Vorlage überhaupt erst auf exzessives Drängen der «Mediterranean Shipping Company» (MSC), einer der weltweit grössten Reedereien mit Sitz in Genf, zustande kam. Nachdem sich der ehemalige SVP-Finanzminister Ueli Maurer als wohlwollender Pate für die Anliegen der Reederei entpuppte, die auch schon ins Zwielicht der internationalen Drogenmafia geriet, begann zwischen der ESTV und MSC eine intensive Zusammenarbeit. Dies zeigen E-Mails aus der Verwaltung, die Reflekt mit Hilfe des Öffentlichkeitsgesetzes erhalten hat. Statt im Interesse der Allgemeinheit dafür zu sorgen, dass hochprofitable Konzerne ihre (in der Schweiz sowieso schon sehr niedrigen) Steuern bezahlen und das Parlament in die Lage versetzt wird, informierte Entscheidungen in der Steuerpolitik zu treffen, betätigte sich die eidgenössische Steuerverwaltung also als Steueroptimierungs-Beraterin eines multinationalen Konzerns. Wenn das stimmt, ist das ein veritabler Skandal – unabhängig davon, ob die Tonnage Tax, so wie es die Wirtschaftskommission empfiehlt, versenkt wird. Ganz so weit ist es aber noch nicht: Beschliesst auch das Plenum des Ständerats in der kommenden Frühlingsession Nicht-Eintreten, müsste der Nationalrat danach nochmals über die Bücher.

 

Medienmitteilung

Schweizer Banken sollen Schulden erlassen

03.06.2020, Finanzen und Steuern

Die Coronakrise stürzt viele Entwicklungsländer in ausserordentliche Notlagen. Schweizer Banken stehen als wichtige Gläubigerinnen dieser Länder in der Verantwortung. Entwick­lungsorganisationen fordern den Bund auf, einen runden Tisch einzuberufen, um die Modalitäten eines Schuldenerlasses zu verhandeln.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Schweizer Banken sollen Schulden erlassen

© Pixabay

Aufgrund der vielfältigen negativen Entwicklungen in der Weltwirtschaft droht armen Ländern die schlimmste Schuldenkrise seit den 1980er Jahren: Sie bahnte sich schon vor Corona an und wird jetzt noch verschärft. Im März forderte UNCTAD, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Uno ein internationales Hilfspaket zur Bekämpfung der Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise in den Entwicklungsländern in der Höhe von 2,5 Billionen Dollar.

Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die von multilateralen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, aber auch von einzelnen Ländern wie der Schweiz im Rah­men der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit bereits gesprochen wurden, rei­chen nicht aus, um der Krise in Entwicklungsländern adäquat zu begegnen.

Gläubiger- und Geberländer müssen sich deshalb jetzt auch finanz- und steuerpolitisch bewegen. Sie haben in den letzten Monaten historisch einmalige Hilfspakete zur Rettung der eigenen Volkswirt­schaften geschnürt. Arme Länder konnten erstens davon kaum profitieren und verfügen zweitens auch nicht über die wirtschaftspolitischen Hebel, um selber vergleichbare Coronahilfen zu mobili­sieren. Über Schuldenerlasse können für die betroffenen Länder jedoch schnell zusätzliche Mittel für die Krisenbekämpfung mobilisiert werden.

Die Schweiz vergibt schon lange keine bilateralen Kredite mehr an staatliche Gläubiger und verfügt zudem im IWF und in der Weltbank nur über einen sehr beschränkten Einfluss, wenn es um die Aus­gestaltung von deren Kreditregimen geht. Schweizer Banken hingegen spielen als private Gläubiger von Staaten eine wichtige Rolle: Gemäss bisher unveröffentlichten Zahlen der Schweizer National­bank (SNB) belaufen sich die öffentlichen Schulden, die die 86 ärmsten Länder bei vierzig Schweizer Banken derzeit haben, auf insgesamt 5.7 Milliarden Franken.

Elf Schweizer Entwicklungsorganisationen fordern den Bundesrat deshalb dazu auf, einen run­den Tisch einzuberufen, an dem die Modalitäten von dringenden Schuldenerlassen für Entwicklungs­länder durch die Schweizer Banken verhandelt werden. An diesem runden Tisch müssen neben den Interessen des Bundes, der kreditgebenden Banken und der Schuldnerregierungen auch jene der Zivilgesellschaft vertreten sein. Die Anliegen der von der Coronakrise am stärksten betroffenen Be­völkerungsschichten in den Schuldnerländern müssen in den Verhandlungen direkt und substanziell Gehör finden.

Im Weiteren fordern die unterzeichnenden Organisationen, dass die involvierten Banken gegenüber der Öffentlichkeit Transparenz über ihre Kredite, deren Konditionen und die Modalitäten ihrer Rück­zahlung herstellen. Es geht um öffentliche Schulden, die von der Allgemeinheit in den betreffenden Ländern mitgetragen werden müssen; damit besteht an diesen Daten ein hohes öffentliches Inte­resse. Im Sinne der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung, die auch in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO verankert ist, hat auch die Schweizer Öffentlichkeit ein Interesse an diesen Daten, sind doch in einigen dieser Länder sowohl die Direktion für Entwicklung und Zusam­menarbeit (Deza) als auch das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Projekten im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit engagiert.

Für weitere Informationen:

Dominik Gross, Experte für Finanzfragen, Alliance Sud
Tel. +41 78 838 40 79

Medienmitteilung

Europäische Steuertransparenz als Trugbild

02.06.2021, Finanzen und Steuern

EU-Staaten und EU-Parlament haben sich gestern auf die Einführung eines Public Country-by-Country-Reporting (pCbCR) geeinigt. Innerhalb der EU-Länder werden Gewinnverschiebungen für multinationale Konzerne nun riskanter. Umso wichtiger, dass sich nun auch der Steuerfluchthafen Schweiz zu mehr Transparenz verpflichtet.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Europäische Steuertransparenz als Trugbild

© Rainer Sturm / pixelio.de

Die Idee eines pCbCRs ist, dass multinationale Konzerne in öffentlich zugänglichen Berichten u. a. Daten zu ihren Gewinnen, bezahlten Steuern und Beschäftigten veröffentlichen müssen. Und zwar aufgeschlüsselt nach sämtlichen Ländern, in denen die Konzerne Niederlassungen betreiben. Seit 2016 verlangen neue OECD-Regeln bereits, dass multinationale Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro diese Daten den Steuerbehörden liefern müssen.

«Die Einigung auf EU-Ebene ist zwar ein kleiner Fortschritt, reicht aber noch lange nicht», sagt Dominik Gross, Fachverantwortlicher Steuer- und Finanzpolitik von Alliance Sud. Denn die EU verpflichte die Konzerne nämlich nur dazu, die Geschäftsdaten ihrer Niederlassungen in der EU zu veröffentlichen. «Alle Niederlassungen ausserhalb der EU können ihren Steueroptimierungspraktiken weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit nachgehen. Das ist vor allem auch für ärmere Länder des Südens, die jährlich 100 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch Gewinnverschiebungen von Konzernen verlieren, eine enttäuschende Nachricht», so Gross.

Zwar müssen die Konzerne auch Daten von Niederlassungen in Steueroasen veröffentlichen, die auf der offiziellen Schwarzen Liste der EU stehen. Die gemäss «Tax Justice Network» undurchsichtigsten Steuerfluchthäfen für Konzerne stehen dort aber ironischerweise gar nicht drauf: Dazu gehören ver-schiedene britische Überseegebiete, aber auch europäische Tiefsteuergebiete wie die Niederlande, Luxemburg, Irland und eben die Schweiz.

Die Schweiz muss nachziehen

«Als Nicht-EU-Mitglied mitten in Europa könnte der Steuerfluchthafen Schweiz der grosse Nutzniesser der neuen Regel in der EU werden», sagt Gross. Da Konzerne mit Hauptsitz in der EU für ihre Tochtergesellschaften in der Schweiz keine Daten publizieren müssen, werden Gewinnverschiebungen zu diesen Schweizer Gesellschaften aus anderen (EU-)Ländern noch attraktiver, als sie das heute schon sind.

Insofern wäre es nur folgerichtig, wenn die EU von der Schweiz eine baldige Übernahme der neuen Transparenz-Regel fordert. Solange dies nicht geschieht, werden Schweizer Tochtergesellschaften im Vergleich mit ihren Konkurrenzstandorten beim Konzernsteuerdumping noch intransparenter. Konzerne in der EU könnten dabei auf die Idee kommen, weitere Verwaltungs- und Finanzierungseinheiten oder gleich ihren Hauptsitz in die Schweiz umzusiedeln.

Medienmitteilung

Eine Steuerreform von den Reichen für die Reichen

02.07.2021, Finanzen und Steuern

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gab gestern bekannt, dass sich 130 Länder des sogenannten «Inclusive Frameworks» auf eine Reform der internationalen Besteuerung grosser multinationaler Konzerne geeinigt haben. Was gut klingt, wird nur den Reichen etwas bringen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Eine Steuerreform von den Reichen für die Reichen

In dieser Reform («BEPS 2.0 / Base Erosion and Profit Shifting») geht es einerseits um die Umverteilung von Konzerngewinnen von den Sitzstaaten in die Marktländer der Konzerne (Säule 1) und andererseits um die Einführung einer transnationalen effektiven Mindeststeuer für grosse multinationale Unternehmen (Säule 2). Trotz dieser vielversprechenden Ansätze ist die vielbeschworene «Steuer-Revolution» ausgeblieben.

«BEPS 2.0 ist hauptsächlich aus zwei Gründen mangelhaft», sagt Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud. «Erstens sind die gesamte Rohstoffindustrie und der Finanzsektor aus der 1. Säule ausgenommen und es wird nur ein sehr kleiner Teil der Gewinne überhaupt umverteilt. Zweitens ist der vorgesehene Mindeststeuersatz in der Säule 2 von 15% viel zu tief angesetzt.»

Afrikanische, lateinamerikanische und andere Entwicklungsländer haben in der Regel Steuersätze von 25% oder 30%. Vor allem für die Rohstoffkonzerne lohnt es sich deshalb weiterhin, ihre Gewinne aus den Minen Afrikas oder Lateinamerikas in die Konzernzentralen zum Beispiel im Kanton Zug zu verschieben. Ländern mit tiefen und mittleren Einkommen im unteren Bereich entgehen gemäss einer Berechnung der Ökonomen Petr Janský und Miroslav Palanský (2019) durch Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne jährlich Steuereinnahmen in der Höhe von 30 Milliarden Dollar. Das ist weit mehr als die gesamten Kosten der Gesundheitswesen der 69 ärmsten Länder der Welt zusammengerechnet betragen (20 Mia.).

Bremsklotz Bundesrat

Umso befremdlicher ist die Haltung des Schweizer Bundesrates zur Reform: Er will etwa afrikanischen Ländern mitnichten entgegenkommen, indem er für griffigere Massnahmen plädieren würde, als sie gestern beschlossen wurden. Stattdessen trägt er die Reform gemäss einer gestrigen Mitteilung generell nur unter starken Vorbehalten mit. Er deutet an, in den anstehenden Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung der jetzt schon schwachen Reform auf eine weitere Verwässerung hinwirken zu wollen – zusammen mit anderen Steuerfluchthäfen.

Das zeigt: Wer sich in der Schweiz für eine weltweit gerechtere Steuerpolitik und einen Paradigmenwechsel im hiesigen Tiefsteuergebiet einsetzen will, kann sich weder auf die OECD noch auf den Bundesrat verlassen. Eigene Projekte der Zivilgesellschaft und von fortschrittlichen Kräften aus der Politik sind jetzt gefragt: zuallererst die Einführung eines öffentlichen Country-by-Country-Reportings (CbCR) für multinationale Konzerne in der Schweiz, das aufzeigt, wer was wo versteuert.

 

Für weitere Informationen:
Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud, Tel. +4178 838 40 79, dominik.gross@alliancesud.ch.

Medienmitteilung

Schwarzgeld aus Entwicklungsländern auf Rekordhöhe

15.12.2014, Finanzen und Steuern

2012 erreichten die Schwarzgeldabflüsse aus Entwicklungsländern ein Rekordhoch von 991 Mrd. Dollar. Das ist mehr als das Zehnfache der Ausgaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

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Schwarzgeld aus Entwicklungsländern auf Rekordhöhe

© Bernd Kasper/pixelio.de

Medienmitteilung

Schwarzgeld aus dem Süden weiter willkommen

29.07.2016, Finanzen und Steuern

Die nur knapp genügende Note der OECD zeigt: Die Schweizer Banken können mit Schwarzgeld aus Entwicklungsländern immer noch Profite machen. Nun sind National- und Ständerat gefordert.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

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Schwarzgeld aus dem Süden weiter willkommen

© Bernd Kasper/pixelio.de

Der zweite Teil des Länderexamens durch das Global Forum für Steuertransparenz der OECD ist abgeschlossen. Der Bundesrat gab heute das Ergebnis bekannt. Das Global Forum beurteilt in seinem Bericht die Fortschritte der Schweiz auf dem Weg zu einer Weissgeldstrategie. Die Schweiz erhält darin die genügende Gesamtnote „weitgehend konform“ (largely compliant). Das schmeichelhafte Resultat für die Schweiz ist aber leider kein Beweis für eine weltweit erfolgreiche Weissgeldstrategie, sondern Ausdruck der Dominanz der reichen Industrieländer in der OECD. Obwohl zahlreiche Entwicklungsländer im Global Forum vertreten sind, werden deren Interessen in der OECD nur ungenügend berücksichtigt. Die Entwicklungsländer hätten der Schweiz in Sachen Steuertransparenz wohl eine schlechtere Note gegeben.

Mit der Verwaltung von 3400 Milliarden Franken Auslandvermögen ist die Schweiz nach wie vor grösster Offshore-Finanzplatz der Welt. Für die Entwicklungsländer ist sie weiterhin eine Blackbox (vgl. Karte unten). Sie praktiziert eine Zebrastrategie: Weissgeld aus den reichen Industrieländern, Schwarzgeld aus den armen Entwicklungsländern. Für ärmere Länder sehen Bundesrat und Parlament keinen automatischen Informationsaustausch vor. Und auch die Steueramtshilfe auf Ersuchen funktioniert mit Entwicklungsländern bisher nur sehr ungenügend. Dafür gab es von der OECD heute denn auch nur ein „knapp genügend“ (partially compliant). Bundesrat und Parlament haben es bisher versäumt, die Steueramtshilfe auf Ersuchen auszuweiten, die auf sogenannten gestohlenen Daten basieren. Alleine aus Indien liess die eidgenössische Steuerverwaltung bisher hunderte solcher Amtshilfegesuche unbeantwortet. Amtshilfegesuche, die auf geleakte Bankkundendaten zurückgehen, sind für Steuerbehörden in Entwicklungsländern aber in der Regel die einzige Möglichkeit, um an unversteuerte Gelder auf Schweizer Konten heranzukommen.

Nach langem Zögern hat der Bundesrat im Juni eine entsprechende Gesetzesänderung zuhanden des Parlamentes verabschiedet. Alliance Sud fordert neben der Ausweitung des automatischen Informationsaustausches auf möglichst viele Entwicklungsländer nun vom Parlament auch eine schnelle Ausweitung der Steueramtshilfe auf gestohlene Daten. National- und Ständerat würden damit nichts mehr als den absoluten Mindeststandard des OECD-Länderexamens erfüllen.

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© Alliance Sud


So werden Schweizer Bankkundendaten mit der Welt ausgetauscht.

Medienkommentar

Kommt die OECD-Mindeststeuer aufs Abstellgleis?

21.12.2023, Finanzen und Steuern

Wenn der Bundesrat die Einführung der Mindeststeuer verschiebt, erweist er sich als Höriger der Konzernlobby. Es wäre ein demokratiepolitischer Skandal. Steuerpolitisch bleibt die Mindeststeuer aber so oder so ein Rohrkrepierer.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Kommt die OECD-Mindeststeuer aufs Abstellgleis?

Noch im Abstimmungskampf zur Mindeststeuer im Juni hatten sowohl Finanzministerin Karin Keller-Sutter als auch die Konzernlobby vehement auf eine möglichst schnelle Einführung gedrängt.

© Keystone / Peter Klaunzer

Am Freitag wird der Bundesrat aller Voraussicht nach entscheiden, ob er die OECD-Mindeststeuer auf Anfang Jahr einführen wird oder dies verschiebt. Tut er letzteres, wäre das eine Kapitulation vor der Konzernlobby um economiesuisse und Swiss Holdings, die dies mit fadenscheinigen Argumen-ten seit einigen Wochen fordert. Die bürgerlichen Mehrheiten in den Wirtschaftskommissionen (WAKs) sind dem Druck der Konzernverbände bereits gefolgt: Nachdem die WAK-S den Bundesrat Anfang November in einem Brief aufforderte, eine Verschiebung der Einführung zu prüfen, folgte ihr ihre Schwesterkommission des Nationalrates ein paar Wochen später.

Aus einer streng entwicklungspolitischen Sicht wäre eine Verschiebung unproblematisch: Sie gäbe unter anderem den Produktionsländern der Schweizer Konzerne im Globalen Süden zumindest vorübergehend die Möglichkeit, zusätzliche Steuereinnahmen aus Konzerngewinnen zu generieren, die zwar dort erzielt werden, aber bei einer hiesigen Einführung der Mindeststeuer von der Schweiz abgeschöpft würden.

Aus demokratiepolitischer Sicht wäre eine Verschiebung durch den Bundesrat allerdings ein Skandal: Noch im Abstimmungskampf zur Mindeststeuer im Juni hatten sowohl Finanzministerin Karin Keller-Sutter als auch die Konzernlobby in der bei wirtschaftspolitischen Vorlagen üblichen Harmonie vehement auf eine möglichst schnelle Einführung gedrängt. Sie behaupteten, dass bei einem Nein zur Mindeststeuer ab 2024 massive Verluste von Steuereinnahmen drohten und Schweizer Konzerne international grosse Probleme bekommen würden. Gemäss Vox-Analyse zur Abstimmung war v. a. ersteres für viele Ja-Stimmende entscheidend. Es waren die Hauptargumente gegen das «Nein, aber» der SP, der Gewerkschaften und von Alliance Sud. Sie alle waren für ein Nein, damit Bundesrat und Parlament danach eine neue bessere Vorlage zimmern können, die die Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer sowohl im Inland wie im Ausland gerechter verteilt. Mit dem inhaltsleeren Argument der Dringlichkeit torpedierten die Befürworter:innen diese Forderung.

Nun wollen sie davon plötzlich nichts mehr wissen. Das Argument: Die internationale Lage habe sich seit Juni massiv verändert. Den Fakten hält diese Behauptung allerdings nicht stand: Bereits im Frühsommer war klar, dass wichtige Länder wie die USA oder China die neue Steuer vorerst nicht einführen werden und damit das ganze neue System massiv schwächen werden. Das versuchten Bundesrat und Konzernlobby damals zu verschweigen und führten die Stimmbürger:innen in die Irre – zum Nachteil einer grossen Mehrheit der Menschen in der Schweiz und in den Produktionsländern der Schweizer Konzerne weltweit. Sie wurden um die Aussicht auf eine bessere Vorlage gebracht. Erfüllt der Bundesrat die Wünsche der Konzernlobby, macht er klar: Entscheidend sind für ihn nicht die Aussicht auf Mehreinnahmen für den Schweizer Fiskus, sondern die nackten Interessen der Konzerne und ihrer Aktionär:innen.

Die grundsätzlichen Schwächen des neuen OECD-Systems bleiben aber so oder so erhalten: Ein Grossteil der Länder vor allem im Globalen Süden wird sowieso nicht profitieren und überall sonst hebeln zahlreiche Schlupflöcher und Ausnahmen die Effektivität der Mindeststeuer aus. Nach jahrelangen Verhandlungen zeigt sich: Die OECD ist an ihrem eigenen Anspruch, das globale Konzern-steuersystem etwas fairer zu gestalten, gescheitert. Nun ruhen die Hoffnungen vieler auf der UNO.

 

Medienmitteilung

Schweiz bleibt auf Platz eins der Steueroasen

29.10.2015, Finanzen und Steuern

Der Finanzplatz Schweiz ist weiterhin Weltspitze beim Verstecken von Steuerfluchtgeldern und der Verschleierung von unlauteren Finanzflüssen. Das zeigt der neue Financial Secrecy Index.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Schweiz bleibt auf Platz eins der Steueroasen

Der Finanzplatz Schweiz ist weiterhin Weltspitze beim Verstecken von Steuerfluchtgeldern und der Verschleierung von unlauteren Finanzflüssen. Für Steuerhinterzieher aus Entwicklungsländern ist das Schweizer Bankgeheimnis weiterhin intakt. Alliance Sud fordert dringende Abhilfe.

Das Tax Justice Network (TJN), ein internationales Netzwerk von Steuerexpertinnen und Steuerexperten, hat heute zum vierten Mal seinen Financial Secrecy Index (FSI) veröffentlicht. Die Schweiz belegt in dieser internationalen Rangliste der Steueroasen zum dritten Mal in Folge den wenig schmeichelhaften Spitzenplatz. Mit Zürich, Genf und Lugano beherbergt sie weltweit wichtige Finanzplätze und hat mit zahlreichen Ländern noch immer keinen Informationsaustausch vereinbart. Damit bietet sie optimale Voraussetzungen für die Verschleierung von unlauteren Finanzflüssen.

Hauptgrund für den peinlichen ersten Platz der Schweiz auf der Rangliste der Steueroasen ist, dass sie in Sachen Bankgeheimnis eine Zebrastrategie verfolgt: Aus den Industrieländern soll zwar nur noch Weissgeld auf Konten in der Schweiz fliessen, Schwarzgelder aus Entwicklungs- und Schwellenländern sind dagegen weiterhin willkommen. Nur mit wenigen dieser Länder hat die Schweiz die erweiterte Amtshilfe gegen die Steuerflucht vereinbart. Für den Bundesrat sollen ärmere Länder bis auf weiteres vom automatischen Informationsaustausch ausgeschlossen bleiben.

Obwohl die Entwicklungsländer ganz besonders unter den Folgen der Steuerflucht leiden, ist für sie ein Ende des Schweizer Bankgeheimnisses in weiter Ferne. Trotzdem hat das Parlament im September erweiterte Sorgfaltspflichten für die Banken bei Verdacht auf Schwarzgeld mit grosser Mehrheit abgelehnt. Auch der Beitritt der Schweiz zur multilateralen Amtshilfeübereinkunft ist vom Parlament noch nicht endgültig gutgeheissen.

Für Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, ist klar, dass es für die Entwicklungsländer mehr Unterstützung im Kampf gegen die Steuerflucht braucht. Im Minimum sollte die Schweiz rasch mit allen Ländern die erweiterte Steueramtshilfe vereinbaren. Gefordert ist aber auch der baldige Einschluss der Entwicklungs- und Schwellenländer ins System des automatischen Informationsaustauschs. Nur der automatische Informationsaustausch kann potentielle Steuerhinterzieher wirksam von ihrem Tun abhalten.

Medienmitteilung

Eine andere Reform der Unternehmenssteuern!

03.06.2015, Finanzen und Steuern

Die aus Top-Experten zusammengesetzte unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) fordert Staats- und Regierungschefs der Welt zu einem Systemwechsel auf.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Eine andere Reform der Unternehmenssteuern!

Nobelpreisträger Joseph Stieglitz, Mitglied der ICRICT
© Creative commons

Die Unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) fordert Staats- und Regierungschefs der Welt zu einem Systemwechsel auf. Zur Kommission gehören namhafte Expertinnen und Experten, darunter Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz und Eva Joly. Die Kommission erörtert ihre Erklärung heute auf dem Wirtschaftsfestival von Trient. Alliance Sud hat die Kommission mitinitiiert.

Die Unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) hat eine globale Erklärung veröffentlicht und eine Änderung der nicht mehr zeitgemäßen internationalen Unternehmensbesteuerung gefordert. Sie schlägt eine umfassende Reform der geltenden Gesetze und zuständigen Institutionen vor. Die Erklärung wird heute um 17 Uhr von Mitgliedern der Kommission auf dem Wirtschaftsfestival von Trient erörtert.

«Multinationale Konzerne handeln wie ein einziges und einheitliches Unternehmen und sollten deshalb auch so besteuert werden. Es ist Zeit für unsere politischen Führungskräfte, Courage zu zeigen und zu erkennen, dass das Prinzip der selbständigen Einheit eine juristische Fiktion ist», erklärt Joseph Stiglitz, Professor und Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften. «Während des Übergangs sollte für die führenden Industrienationen global eine Mindest-Körperschaftssteuer gelten, damit der Unterbietungswettbewerb aufhört.»

«Bei dieser Debatte geht es um Gerechtigkeit – um die gerechte Behandlung guter und schlechter Steuerzahler, um die gerechte Besteuerung von Arbeit und Kapital, um Gerechtigkeit zwischen den Ländern und besonders zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen», erklärt der ICRICT-Vorsitzende und frühere UN-Untergeneralsekretär und kolumbianische Finanzminister José Antonio Ocampo. «Die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung sollte unter Berücksichtigung des globalen öffentlichen Interesses und nicht nach nationalen oder unternehmerischen Vorteilen erfolgen.»

Die Erklärung weist darauf hin, dass das derzeitige System überholt ist und den Missbrauch von Steuervorschriften durch multinationale Unternehmen keinesfalls verhindert. Staats- und Regierungschefs weltweit werden aufgefordert, Reformen mutig in Angriff zu nehmen, da sonst mit einer weiteren Eskalation der bereits erheblichen Unzufriedenheit der Öffentlichkeit wegen diverser Steuerskandale von Konzernen zu rechnen ist.

Einige wichtige Punkte:

  • Der Missbrauch der Steuervorschriften durch internationale Unternehmen erhöht die Steuerlast für andere Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, verstösst gegen die staatsbürgerliche Verantwortung der Unternehmen, beraubt Industrienationen und Entwicklungsländer wichtiger Ressourcen zur Bekämpfung der Armut und zur Finanzierung öffentlicher Dienste, verschärft Einkommensungleichheiten und erhöht die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von Auslandshilfe.
  • Die aktuellen Reformversuche der BEPS-Initiative (Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und Gewinnverlagerung) von G20 und OECD sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber grundsätzlich unzureichend, da die Entscheidungsgewalt in diesem Kontext global nicht repräsentativ ist. Die Probleme des Steuermissbrauchs erfordern globale Steuerlösungen, die ohne eine inklusive globale Steuerbehörde mit allen Nationen am Verhandlungstisch nicht machbar sind.
  • Der wichtigste Wegbereiter für den Steuermissbrauch internationaler Unternehmen ist das Prinzip der selbständigen Einheit - eine juristische Fiktion, die den Transfer erheblicher Beträge versteuerbarer Einkommen aus den zugrunde liegenden operativen Geschäftstätigkeiten ermöglicht.

Die Erklärung enthält folgende Empfehlungen:

  • Multinationale Unternehmen sind als einziges Unternehmen zu versteuern. Während des Übergangs erheben die Industrienationen einen Mindest-Körperschaftssteuersatz.
  • Der Steuerwettbewerb ist zu unterbinden, um dem Unterbietungswettbewerb die Basis zu entziehen.
  • Die öffentliche Transparenz hinsichtlich der von multinationalen Unternehmen gezahlten Steuern ist zu verbessern.
  • Durch Gründung einer internationalen Steuerbehörde im Rahmen der Vereinten Nationen ist eine umfassende internationale Steuerzusammenarbeit auf den Weg zu bringen; weiterhin ist eine UN-Konvention zur Bekämpfung missbräuchlicher Steuerpraktiken zu erarbeiten.