Impact Investing

Wirkung auf die ärmsten Länder bleibt bescheiden

21.03.2025, Entwicklungsfinanzierung

Impact Investing wird von seinen Verfechtern als Königsweg zur Mitfinanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele und des Klimaschutzes angepriesen. In der jüngsten Studie von Alliance Sud werden die bislang noch sehr überschaubaren Auswirkungen dieser Strategie auf den Prüfstand gestellt.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Wirkung auf die ärmsten Länder bleibt bescheiden

Nur wenig Investitionen fliessen in die ärmsten Länder, sie gelten als zu risikoreich. Ein Bauer betreibt in Guerou, Mauretanien, die Bewässerung seiner Weiden mit Solarpanels. © Tim Dirven / Panos Pictures

 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Schweiz im Bereich der nachhaltigen Finanzen eine führende Rolle anstrebt. Kernstück des sogenannt nachhaltigen Finanzwesens ist das Impact Investing, das «marktbasierte» Finanzrenditen bei gleichzeitiger Bewältigung globaler gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen verspricht. Der Ansatz geht auf eine Veröffentlichung der Rockefeller-Stiftung im Jahr 2007 zurück und hat sowohl unter öffentlichen als auch privaten Finanzmarktakteuren an Popularität gewonnen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, auf diesem Weg privates Kapital zu «mobilisieren», um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen. Einige Anhänger des Ansatzes sehen darin sogar eine Möglichkeit, die Kürzungen in der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auszugleichen. Die Finanzierungslücke, die es zur Erreichung dieser Ziele zu schliessen gilt, ist jedoch enorm. Laut der in Genf ansässigen UNO-Handels- und Entwicklungsorganisation (UNCTAD) sehen sich die Entwicklungsländer mit einem jährlichen Finanzierungsdefizit von über 4'000 Milliarden US-Dollar konfrontiert. Davon werden etwa 2’200 Milliarden US-Dollar allein zur Finanzierung der Energiewende benötigt.

Um die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken: Die Schweizer Banken – führend in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung – hielten per Ende 2023 rund 8’392 Milliarden Franken an in- und ausländischen Vermögen. Es drängt sich also die Frage auf, wie viel von diesem Vermögen wohl in den Entwicklungsländern zur Finanzierung der SDGs investiert wird.

Immer noch eine Nische

Tatsächlich kündigt der Bundesrat in seinem Bericht «Sustainable-Finance Schweiz» an, den Zugang zu Impact Investments für privates Kapital über private Stiftungen und die Verwaltung privater Grossvermögen (Family Offices) hinaus «in grossem Umfang» auszuweiten. So könnte privates Kapital den Weg zu Projekten finden, die einen «messbaren und glaubwürdigen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen» leisten. Gleichzeitig sollen der Schweizer Vermögensverwaltungsbranche neue Ertragsmöglichkeiten eröffnet werden. Mit anderen Worten: Es geht darum, das Impact Investing aus seiner Nische herauszuholen und es für institutionelle Anleger, die eine marktgängige finanzielle Rendite anstreben bzw. sicherstellen müssen (dazu gehören auch Pensionskassen), zugänglich und attraktiv zu machen.

Parallel dazu sollen Mittel aus dem Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) – das davon abgesehen im vergangenen Dezember vom Parlament bereits gekürzt wurde – dazu dienen, im Rahmen von Mischfinanzierungen (Blended Finance) die Anlagerisiken zu reduzieren. Diese Risikominimierung soll einen «Demonstrationseffekt» erzielen und die genannten institutionellen Anleger im grossen Stil anlocken.

Um die Erwartungen einem Plausibilitätscheck zu unterziehen, hat Alliance Sud in einer kürzlich veröffentlichten Studie den Schweizer Markt für Impact Investing beleuchtet. Dieser Markt besteht aus den in der Schweiz ansässigen Asset Managern, die entsprechendes Kapital in Entwicklungsländern einsetzen, und umfasst rund 18 Akteure mit einem verwalteten Kapital von fast 15 Milliarden USD. Etwa 11 Milliarden USD davon sind so genannte private Vermögenswerte, also Investitionen in Aktien und Anleihen, die von privaten Unternehmen im Globalen Süden ausgegeben werden. Der Rest entfällt auf börsenkotierte Unternehmen, bei denen öffentlich gehandelt werden kann.

Um diese Zahl in Relation zu setzen: Der Betrag entspricht weniger als 0,6% des gesamten «nachhaltigkeitsbezogenen Anlagevolumens» (gemäss den vom Verband Swiss Sustainable Finance angewandten Definitionen) oder 0,116% des Gesamtvolumens der verwalteten Vermögen (AuM) der Banken in der Schweiz per Ende 2023 (die oben erwähnten rund 8,4 Billionen Schweizer Franken).

Der Schweizer Markt für Impact Investing ist stark konzentriert, wobei die drei Hauptakteure – ResponsAbility, BlueOrchard und Symbiotics –, die sich inzwischen alle in ausländischem Besitz befinden, 80% des Marktes kontrollieren. Regional gesehen beschränken sich diese Investitionen vor allem auf Lateinamerika und die Karibik (24%) sowie auf Osteuropa und Zentralasien (20%), was auf die relative politische und wirtschaftliche Stabilität und ein günstiges Investitionsumfeld zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu entfallen auf Subsahara-Afrika nur 13% und auf den Nahen Osten und Nordafrika (MENA) gerade einmal 2% der Gesamtinvestitionen, was die weniger attraktiven Investitionsbedingungen und die als höher empfundenen Risiken in diesen Regionen widerspiegelt.

 

In der chilenischen Atacamawüste steht ein hoher Turm, darum herum sind quadratische Solarpanels kreisförmig angeordnet.

An risikoarmen, renditereichen Projekten wie am Solarkraftwerk Cerro Dominador im Schwellenland Chile sind unzählige europäische Banken beteiligt. © Fernando Moleres / Panos Pictures

 

Es profitieren nur wenige Länder….

Die Hälfte des Impact Investment konzentriert sich auf zehn Länder. Indien steht mit 15% des investierten Volumens an der Spitze, gefolgt von Kambodscha, Georgien, Ecuador und Vietnam. Insgesamt entfallen auf 35 Länder 85% der Investitionen (wobei nur Länder mit einem Engagement von mindestens 1% berücksichtigt wurden). Von diesen 35 Ländern sind ab 2025 nur noch 14 Schwerpunktländer der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Gemessen am Einkommen sind die Hälfte davon Länder mit höherem mittlerem Einkommen. Nur vier sind den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs gemäss UNO-Kategorisierung) zuzurechnen: Kambodscha (6%), Bangladesch (2%) – ein Land, aus dem sich die DEZA nach eigenen Angaben aufgrund von Budgetkürzungen ab 2025 zurückziehen wird –, Tansania (1%) und Myanmar (1%).

… und wenige Sektoren

Der Schweizer Markt für Impact Investing ist auch sektoral stark konzentriert. Mit etwa der Hälfte des gesamten verwalteten Vermögens dominiert der Mikrofinanzsektor. Auf die beiden Sektoren Mikrofinanz und KMU-Entwicklung entfallen über 80% der Investitionen, was auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zurückzuführen ist. Die Sektoren Ernährung und Landwirtschaft sowie Klima und Biodiversität erhalten trotz ihres hohen Finanzbedarfs deutlich weniger Investitionen, nämlich 10% bzw. 4%. Die sozialen Sektoren, zu denen Wohnungsbau, Wasser, Gesundheit und Bildung gehören, ziehen zusammen weniger als 2% des Kapitals an. Dies liegt vor allem daran, dass diese Sektoren in der Regel keine attraktiven finanziellen Renditen bieten und häufig von den Regierungen als öffentliches Eigentum verwaltet werden.

Der Schweizer Markt für Impact Investing tendiert daher dazu, auf Regionen und Sektoren zu fokussieren, die geringere Risiken aufweisen und höhere finanzielle Renditen versprechen. Dies widerspiegelt einen breiteren Trend hin zu «sicheren» Investitionen, die nicht unbedingt auf die dringendsten Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung reagieren. In ihren Schlussfolgerungen hebt die Studie von Alliance Sud hervor, dass Impact Investing allein keinesfalls in der Lage ist, die Finanzierungslücke zur Erreichung der SDGs zu schliessen. Daher ist es entscheidend, der Mobilisierung inländischer Ressourcen, der Bekämpfung illegaler Finanzströme und der Aufrechterhaltung einer substanziellen öffentlichen Entwicklungshilfe für die ärmsten Länder Vorrang einzuräumen.

 

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Klimafinanzierung

Weshalb das Privatkapital an seine Grenzen stösst

05.12.2024, Entwicklungsfinanzierung, Klimagerechtigkeit

Um die Länder im Globalen Süden im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen, setzen viele Akteure des Nordens auf die Mobilisierung privater Mittel. Doch diese ist nicht annähernd so erfolgreich wie erhofft. Eine Bestandesaufnahme von Laurent Matile

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Weshalb das Privatkapital an seine Grenzen stösst

Korrektur überhöhter Erwartungen: Eine von Barbados' Premierministerin Mia Mottley lancierte Initiative zur Förderung von Klimafinanzierung für Entwicklungsländer hat ihre Forderungen an den Privatsektor heruntergeschraubt. © Keystone / AFP / Brendan Smialowski

«Die Zahlen, die bezüglich des Mobilisierungspotenzials von grünem Kapital kolportiert werden, sind realitätsfremd. Über die Mobilisierung von Privatkapital wird viel Unsinn erzählt.» Mit diesen Worten beendete Lawrence H. Summers, ehemaliger US-Finanzminister und emeritierter Professor und Präsident der Harvard-Universität, im Oktober letzten Jahres eine Podiumsdiskussion in Washington D. C.1

An der COP29 in Baku, die am 24. November endete, wurde in letzter Minute ein neues Ziel für die Klimafinanzierung vereinbart: Die Industrieländer verpflichteten sich, das bisherige Finanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2035 zu verdreifachen. Ein Betrag, der angesichts des Bedarfs der Entwicklungsländer, der global auf 2,4 Billionen pro Jahr geschätzt wird, bei weitem nicht ausreicht. In einer nebulösen Formulierung wurde ausserdem vereinbart, «die Anstrengungen aller Akteure zu sichern», um die Beiträge an die Entwicklungsländer aus öffentlichen und privaten Quellen bis 2035 auf 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr zu erhöhen.

Obwohl die Mobilisierung privater Klimafinanzierung nicht zuoberst auf der Agenda der COP29 stand, bleibt sie für viele öffentliche und private Akteure das Patentrezept schlechthin. Tatsächlich haben seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zahlreiche öffentliche und private Akteure – diejenigen, die Lawrence Summers anspricht – grosse Anstrengungen unternommen, um die Entwicklung «innovativer Finanzinstrumente» voranzutreiben. Dabei handelt es sich um staatlich subventionierte Instrumente, deren Ziel immer dasselbe ist: die Risiken reduzieren (de-risking), um private Investitionen zu fördern – sei es für das Klima oder für nachhaltige Entwicklung. Dieses Schema ist tief verwurzelt. Viele Delegationen, darunter auch jene der Schweiz, rechnen damit, dass es, unabhängig von den letztendlich geschuldeten Beträgen der Industrieländer, möglich sein wird, einen wesentlichen Teil davon durch die «Mobilisierung von Privatkapital» sicherzustellen.

Die Faktenlage

Woher die Klimafinanzierung bisher kam und wohin sie geflossen ist, lässt sich aus den neuesten Zahlen der OECD2 ermitteln:

  • Achtzig Prozent (80%) der gesamten Klimafinanzierung der Industrieländer in der Höhe von 115,9 Milliarden USD (im Jahr 2022) wurden durch öffentliche Mittel (bilateral und multilateral den Industrieländern zuzurechnen) bereitgestellt.
  • Nur etwa 20% waren private Mittel, die durch öffentliche Finanzierungen mobilisiert wurden. Nach mehreren Jahren der Stagnation stiegen sie von 14,4 Mrd. USD im Jahr 2021 auf 21,9 Mrd. USD im Jahr 2022, was einem Anstieg um 52% entspricht. Zum Vergleich: Die für nachhaltige Entwicklung mobilisierte Gesamtsumme stieg 2022 ebenfalls deutlich um 27% (von 48 Milliarden USD im Jahr 2021 auf 61 Milliarden USD).
  • Klimabezogene Exportkredite blieben volumenmässig gering und volatil, weshalb ihr Anteil an der Gesamtsumme vernachlässigbar blieb.
  • Der Grossteil der privaten Finanzierungen (68%) wurde weiterhin in Ländern mit mittlerem Einkommen (MICs) mobilisiert und beschränkte sich auf einen begrenzten Kreis von Entwicklungsländern und dort wiederum auf eine begrenzte Anzahl von grossen Infrastrukturprojekten. Nur 3% wurden für Länder mit niedrigem Einkommen (LICs) bereitgestellt.
  • Der Grossteil der privaten Mittel floss in die Emissionsminderung (84%), während für Anpassungsmassnahmen nur 16% eingesetzt wurden. Letztere stiegen von 0,4 Milliarden USD im Jahr 2016 auf 3,5 Milliarden USD im Jahr 2022. Auch diese Gelder flossen in einige wenige Grossprojekte.
  • Fast die Hälfte der mobilisierten privaten Finanzmittel wurde in den Energiesektor investiert, in geringerem Masse auch in den Finanz- und Industriesektor, einschliesslich des Bergbaus.

 

 

Die OECD weist (immer wieder) darauf hin, dass «das Potenzial zur Mobilisierung privater Finanzmittel» im Kampf gegen den Klimawandel in den Entwicklungsländern durch eine Reihe von Herausforderungen gemindert wird. Sie verweist auf die mehr oder weniger günstigen Rahmenbedingungen für Investitionen in den Partnerländern, auf die zu geringe Rentabilität vieler Klimaprojekte, die es erschweren, private Investitionen im grossen Massstab anzuziehen, oder darauf, dass einzelne Projekte oft zu klein sind, um eine nennenswerte kommerzielle Finanzierung zu erhalten.

Doch die Überzeugung scheint zu bröckeln

Kaum eine Idee scheint so abgedroschen wie die Hoffnung, ein paar Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern könnten dazu führen, Tausende Milliarden (Billionen!) an privaten Investitionen für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz zu mobilisieren. Diese These wird denn auch zunehmend in Frage gestellt – nicht nur von Nichtregierungsorganisationen.

Ein Beispiel dafür ist die Bridgetown-Initiative 3.0, die ihre Erwartungen an die Mobilisierung des Privatsektors revidiert hat. Die Initiative, 2022 von Mia Mottley, der charismatischen Premierministerin von Barbados, ins Leben gerufen, wurde Ende September in ihrer dritten Version veröffentlicht. Sie zielt darauf ab, das globale Finanzsystem zu überdenken mit dem Zweck, die Schulden zu reduzieren und den Zugang zu Klimafinanzierung für Entwicklungsländer zu verbessern. Während Bridgetown 2.0 dazu aufrief, jährlich 1,5 Billionen US-Dollar aus dem Privatsektor für einen grünen und fairen Wandel zu mobilisieren, wurde die Forderung in der Version 3.0 auf «mindestens 500 Milliarden US-Dollar» heruntergeschraubt.

Mit Blick auf den Umfang und die Merkmale der bislang mobilisierten privaten Finanzierungen lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen:

  • Erstens konzentriert sich die private Klimafinanzierung, unabhängig davon, ob sie durch öffentliche Gelder mobilisiert wird oder nicht, angesichts der Rentabilität von Grossprojekten vorrangig auf Emissionsreduktionsprojekte in Ländern mit mittlerem Einkommen, hauptsächlich im Energiesektor. Private Mittel für Anpassungsmassnahmen in Ländern mit niedrigem Einkommen bleiben eine Randerscheinung.
  • Zweitens stellt die Stagnation der globalen privaten Klimafinanzierung die Fähigkeit der privaten Ressourcen in Frage, so schnell und umfassend zu wachsen, wie es ihre Befürworter erwarten.
  • Die öffentliche Finanzierung muss weiterhin im Mittelpunkt der Bemühungen stehen, die Entwicklungsländer bei der Emissionsminderung und vor allem bei der Anpassung an den Klimawandel und der Behebung unvermeidbarer Verluste und Schäden zu unterstützen. Dafür müssen «neue und zusätzliche» Mittel ausserhalb der Budgets für Entwicklungszusammenarbeit sichergestellt werden.

 

Alliance Sud fordert erstens, dass der Grossteil des «fairen Beitrags» der Schweiz zur internationalen Klimafinanzierung durch öffentliche Gelder geleistet wird. Dabei ist ein Gleichgewicht zwischen den Mitteln für die Emissionsreduktion und die Anpassungsmassnahmen anzustreben. Zweitens sollen private Finanzierungen, die durch öffentliche Instrumente mobilisiert werden, nur dann als Klimafinanzierung der Schweiz angerechnet werden, wenn ihre positive Wirkung für die Menschen im Globalen Süden zuverlässig nachgewiesen werden kann.

 

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Medienmitteilung

Impact Investing zeigt wenig Wirkung in den ärmsten Ländern

10.12.2024, Entwicklungsfinanzierung

In Genf hat am Montag die Konferenz «Building Bridges» begonnen. Deren erklärtes Ziel ist es, «den Übergang zu einem globalen Wirtschaftsmodell zu beschleunigen, das sich an den Bedürfnissen der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ausrichtet». Eine neue Analyse von Alliance Sud hebt den Nischencharakter von Impact Investing hervor und beklagt, dass nur wenig in die ärmsten Länder investiert wird.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

+41 22 901 14 81 laurent.matile@alliancesud.ch
Impact Investing zeigt wenig Wirkung in den ärmsten Ländern

Die geografische Fokussierung von Impact Investing. Quelle: Tameo 2023.

Die Schweiz strebt eine führende Rolle im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft an. Im Zentrum des sogenannten nachhaltigen Finanzwesens steht das Impact Investing, das zwei Ziele verfolgt: finanzielle Renditen zu erzielen und gleichzeitig die grossen sozialen und ökologischen Herausforderungen anzugehen. Dieser Ansatz, der im internationalen Finanzsystem populär geworden ist, zielt darauf ab, privates Kapital zu mobilisieren, um die SDGs zu erreichen. Das zu deren Umsetzung erforderliche «Finanzierungsloch» ist jedoch abgrundtief: Laut der in Genf ansässigen UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) stehen die Entwicklungsländer einer jährlichen Finanzierungslücke von über 4 Billionen USD gegenüber.

In einer heute veröffentlichten Analyse untersuchte Alliance Sud den Beitrag von Impact Investing zur nachhaltigen Entwicklung. Trotz des Wachstums dieses Sektors wird deutlich, dass dieser Ansatz allein nicht in der Lage sein wird, die Finanzierungslücke zu schliessen und die systemischen und strukturellen Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung zu beseitigen. Die Priorität muss weiterhin auf der Mobilisierung von Steuermitteln in den ärmsten Ländern, der Bekämpfung illegaler Finanzströme und der Aufrechterhaltung einer substanziellen öffentlichen Entwicklungsfinanzierung für die ärmsten Länder liegen.

Darüber hinaus können wirkungsorientierte Investitionen nicht die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Umgestaltung der globalen Finanzmärkte ersetzen. Deren Ausrichtung an Nachhaltigkeits- und Klimazielen erfordert glaubwürdige Regulierungen, die Bepreisung von Kohlenstoff und die Offenlegung von klimabezogenen Finanzinformationen.

Regionale und sektorielle Fokussierung
Eine grosse Sorge, die Alliance Sud teilt, ist das Risiko des «Impact Washing», bei dem Investitionen als sozial oder ökologisch vorteilhaft dargestellt werden, ohne messbare Ergebnisse zu liefern. Verschärft wird dieses Risiko durch das Fehlen allgemein anerkannter Definitionen und Standards zur Messung der Auswirkungen von Investitionen und zur Gewährleistung einer glaubwürdigen Berichterstattung.

Die Analyse von Alliance Sud legt einen besonderen Fokus auf den Schweizer Markt für Impact Investing in Entwicklungsländern. Tatsächlich werden nur etwa 11 Milliarden USD in Unternehmen und Projekte in Entwicklungsländern investiert. Dies entspricht weniger als 0,6 Prozent des Gesamtvolumens der nachhaltigkeitsbezogenen Investitionen oder weniger als 0,12 Prozent des Gesamtvolumens der verwalteten Vermögen der Banken in der Schweiz im Jahr 2023 (rund 8'400 Milliarden Schweizer Franken).

Die Schweizer Impact-Investitionen bleiben zudem regional stark konzentriert. Fast die Hälfte wird in Lateinamerika und der Karibik sowie in Osteuropa und Zentralasien getätigt, was auf die relative politische und wirtschaftliche Stabilität und ein investitionsfreundliches Umfeld in diesen Regionen zurückzuführen ist. Hingegen entfallen trotz des grossen Finanzierungsbedarfs in benachteiligten Regionen nur etwa 15% der Gesamtinvestitionen auf Subsahara-Afrika, den Nahen Osten und Nordafrika (MENA).

Auch auf sektorieller Ebene ist eine Konzentration festzustellen, wobei die Mikrofinanzierung und die Finanzierung von KMU mit über 80% der Investitionen stark dominieren. Die Sektoren «Ernährung und Landwirtschaft» sowie «Klima und Biodiversität» profitieren weitaus weniger von Investitionen. Die «sozialen Sektoren», zu denen Wohnungsbau, Wasser und Gemeinschaften, Gesundheit und Bildung gehören, ziehen zusammen weniger als 2% des Kapitals an. Dies liegt vor allem daran, dass diese Sektoren in der Regel keine attraktiven finanziellen Renditen bieten und von den Regierungen oft als öffentliches Eigentum verwaltet werden.

«Der Schweizer Markt für Impact Investing konzentriert sich auf Regionen und Sektoren mit geringeren Risiken und höheren finanziellen Renditen. Darin widerspiegelt sich der Trend zu «sicheren» Investitionen, die nicht auf die dringendsten Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung reagieren», sagt Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung bei Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

Weitere Informationen:
Laurent Matile, Experte für Unternehmen und Entwicklung bei Alliance Sud, Tel. +41 22 901 14 81, laurent.matile@alliancesud.ch

Studie

Impact Investing und nachhaltige Entwicklung

10.12.2024, Entwicklungsfinanzierung

Impact Investing stösst insbesondere auch in der Schweiz, einem Land, das für sein Finanzsystem und sein Bekenntnis zu einem nachhaltigen Finanzplatz bekannt ist, auf immer breitere Akzeptanz. Doch gerade weil Impact Investing oft als Allheilmittel zur Bewältigung von Entwicklungsherausforderungen dargestellt wird, beleuchtet die Studie von Alliance Sud seine Wirksamkeit, seine Grenzen und das Ausmass, in dem es tatsächlich zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann, kritisch.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Impact Investing und nachhaltige Entwicklung

Impact Investing wächst zwar, bleibt aber ein Nischenmarkt. Quelle: Tameo 2023.

WIEDERAUFBAU DER UKRAINE

Schweizer Unternehmen als Profiteure?

03.10.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat will 500 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine dem Schweizer Privatsektor zuschanzen. Dies ist sicher nicht im Interesse der ukrainischen Wirtschaft und ihren Unternehmen.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Schweizer Unternehmen als Profiteure?

Grosse ukrainische Stahlwerke wie Saporischstal wurden angegriffen oder besetzt und können ihre Produktionsmengen kaum halten. © Keystone/EPA/Oleg Petrasyuk

Am 11. Juni stellte Bundesrat Ignazio Cassis anlässlich der Ukraine Recovery Conference (URC) in Berlin die Selbstverpflichtung der Schweiz vor: «Erstens: Der Privatsektor spielt eine Schlüsselrolle im Wiederaufbauprozess. Die Schweiz fördert nachhaltige Rahmenbedingungen und sorgt dafür, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) funktionieren und wettbewerbsfähig bleiben.» In Zusammenarbeit mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) unterstütze die Schweiz einen neuen Mechanismus zum Schutz privater Investitionen vor Kriegsrisiken und sei bereit, sich der Allianz zur Unterstützung von KMU anzuschliessen, die an der Konferenz gegründet werde. Man konnte also davon ausgehen, dass der Schweizer Aussenminister vor allem die Unterstützung ukrainischer Unternehmen und der ukrainischen Wirtschaft im Sinn hatte.

Doch zwei Wochen später, am 26. Juni, gab der Bundesrat bekannt, «dem Schweizer Privatsektor eine führende Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine» einräumen zu wollen. Dafür will er in den nächsten vier Jahren ein Drittel der 1.5 Milliarden Franken verwenden, die in der Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 für die Ukraine vorgesehen sind. Die Mittel werden dabei fast vollumfänglich von der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) zum Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verschoben. Verwaltet wird das gesamte «Ukraine-Budget» von Jacques Gerber, derzeit jurassischer FDP-Staatsrat, der als Ukraine-Delegierter im Generalsekretariat des EDA sitzen und direkt den Bundesräten Cassis und Parmelin unterstellt sein wird.

Die Pläne des SECO

Soweit (oder so wenig) bekannt, haben die Pläne des SECO zwei Phasen. In der ersten sollen Schweizer Unternehmen unterstützt werden, die bereits in der Ukraine sind, damit sie Arbeitsplätze schaffen oder erhalten. Dies soll dadurch geschehen, dass der Bund Risiken der Unternehmen übernimmt, etwa durch Finanzhilfen oder Versicherungslösungen. Als Feigenblatt dafür, das Geld aus dem IZA-Budget abzuzweigen, sollen die Projekte der unterstützten Unternehmen eine «Entwicklungskomponente» haben, etwa Massnahmen zur Berufsbildung. So weit, so unklar. Genannt werden hingegen mögliche Begünstigte, etwa der Glashersteller und Glasverarbeiter Glas Trösch. Zudem zielen einige der Massnahmen darauf ab, dass Schweizer Firmen, die noch nicht in der Ukraine tätig sind, dort investieren. Sollte dies gemacht werden, könnten erst recht lokale KMUs und Unternehmen verdrängt werden.

Noch viel problematischer ist die zweite Phase, in der das SECO die «generelle Bevorzugung des Schweizer Privatsektors» plant. Die Ukraine erhielte dann also Geld von der Schweiz, das sie nur für Einkäufe bei Schweizer Firmen verwenden dürfte. Diese gebundene Hilfe (tied aid) widerspricht der guten Praxis in der internationalen Zusammenarbeit (IZA), den WTO-Bestimmungen und dem Schweizer Beschaffungsrecht. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage; diese soll in den nächsten Monaten geschaffen werden. Für den Bundesrat reicht dafür ein Staatsvertrag mit der Ukraine, die aussenpolitische Kommission des Ständerates hat hingegen ein eigenes Gesetz gefordert. Den abschliessenden Entscheid über das gesamte Paket fällt das Parlament im Rahmen der IZA-Strategie in der Wintersession. Die bundesrätliche Entscheidung einer Vorzugsbehandlung für den Schweizer Privatsektor ist aber offensichtlich nicht kongruent mit den in Berlin gemachten Versprechen. Dass die Ukraine selbst entscheiden könne, was sie von Schweizer Firmen brauche, ist kein überzeugendes Argument. – In einer Notlage nimmt man die Einkaufsgutscheine der Migros, auch wenn dies dem eigenen Dorfladen schadet, der eigentlich viel wichtiger wäre.

Stärkung der lokalen Wirtschaft

Was die Ukraine wirklich braucht, ist die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, und somit auch der Schweiz, für ihre eigene Wirtschaft und ihre nationalen Unternehmen. Rund 90% davon sind KMUs, die trotz der Unwägbarkeiten des Krieges eine ausserordentliche Widerstandsfähigkeit an den Tag legen. Eine aktuelle Studie der London School of Economics1 kommt zum Schluss, dass die ukrainische Wirtschaft sich als erstaunlich resilient erwiesen hat, ihre Wachstumsaussichten jedoch gering bleiben werden, solange der Krieg andauert. Ukrainische Produzenten verlieren nationale Marktanteile an internationale Konkurrenten, die nicht unter Kriegsbedingungen operieren. Dies zeigt, dass ihre relativ offene Wirtschaft (durch das Assoziierungsabkommen insbesondere gegenüber der EU) schlecht an die Bedingungen in Kriegszeiten angepasst ist. In dieser Situation ist die verstärkte öffentliche Beschaffung des Staates von Waren und Dienstleistungen bei ukrainischen Privatunternehmen ein wichtiges Instrument, um die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft während des Krieges zu stärken und die Produktionskapazität und die Beschäftigung zu stützen. So kann sich die ukrainische Wirtschaft gleichzeitig auf die künftige Erholung und den Wiederaufbau vorbereiten.

«Made in Ukraine» fördern

Die Gebergemeinschaft und die Schweiz sollten deshalb eine «Standortoffensive» für die Ukraine verfolgen, um deren Kapazitäten zu konsolidieren und auszubauen. Das Subventionsprogramm «Made in Ukraine» der ukrainischen Regierung zur Steigerung der inländischen Produktion muss unterstützt werden. Die Geberländer sollten die Verwendung von lokalen Vorprodukten (local content) und lokale Einkäufe zu einer Bedingung für die finanzielle Unterstützung der Ukraine machen, damit die Hilfsgelder für die Ukraine in der Ukraine ausgegeben werden. Auch die Förderung des Technologietransfers für die ukrainische Wirtschaft fällt unter diesen Ansatz. Die Folge wären nicht nur höhere Steuereinahmen, sondern durch die Steigerung von Exporten auch Deviseneinnahmen, die beide zur Rückzahlung der Wiederaufbaukredite der Gebergemeinschaft (vor allem der EU) dringend nötig sein werden.

Darüber hinaus sollten die Geber die Zusammenarbeit zwischen ihren und ukrainischen Unternehmen bei der Güterproduktion (z. B. über Joint Ventures oder Konsortien) mit Versicherungsmodellen gegen Kriegsrisiken und mit günstigen Finanzierungen fördern. Dies kann kurzfristig die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft stärken, solange der Krieg andauert, und mittel- bis langfristig zu ihrer Integration in die globalen Produktionsketten beitragen. Dieser Teil der ersten Phase der Schweizer Pläne wäre mit den entsprechenden Rahmenbedingungen also sinnvoll.

Der Wiederaufbau muss im Sinne eines Übergangs zu einer grünen Wirtschaft geplant werden, sowohl um die ukrainische Wirtschaft nachhaltig zu gestalten als auch um die Anpassung an den Green Deal der EU zu erleichtern. Investitionen in saubere Energie werden von entscheidender Bedeutung sein, ebenso wie die Dezentralisierung der Energieerzeugung – die Ukraine verfügt über eine grosse Anzahl kleiner Kraftwerke –; so wird die Anfälligkeit für russische Angriffe reduziert. Ausländische Partner und Investoren sollten ukrainische Unternehmen unterstützen, denen es an Fachkenntnissen und Humankapital mangelt, und sie bei der Implementierung von Spitzentechnologien (einschliesslich emissionsfreier Technologien) begleiten. Auch hierzu könnten die Pläne des SECO einen Beitrag leisten.

Finanzierung von Unternehmen

Eine enorme Finanzierungslücke besteht jedoch bei der Modernisierung der ukrainischen Industrie, die für den Wiederaufbau nötig ist. Insbesondere im Baustoff- oder Metallsektor, wo die Strukturen teilweise noch aus der Sowjetzeit stammen, muss die Dekarbonisierung vorangetrieben werden. Zur Bereitstellung der langfristig notwendigen Mittel für solche Reindustrialisierungs-Projekte wäre eine ukrainische Entwicklungsbank geeignet. Westliche Partner wie die Schweiz könnten Kiew bei der Beschaffung der Mittel und der Gewährung von Garantien zur Seite stehen, um die Finanzierung ukrainischer Unternehmen in grossem Massstab zu realisieren.

Der im Entstehen begriffene Rohstoffsektor der Ukraine zeigt sowohl den Bedarf an mehr Finanzmitteln als auch an einer gezielten Industriepolitik. EU-Vertreter begrüssten in Berlin die enormen Reserven der Ukraine an «kritischen Rohstoffen», die die Europäische Kommission als entscheidend für die europäische Wirtschaft betrachtet. Die Ukraine verfüge über 22 der 34 Mineralien, die als wesentlich für die Gewährleistung der «strategischen Autonomie» der EU oder sogar der «europäischen Souveränität» gelten. Eine ukrainische Entwicklungsbank könnte nationale Unternehmen unterstützen, damit sie zu Akteuren in dieser aufstrebenden Industrie werden und der grösstmögliche Mehrwert in der Ukraine geschaffen wird.

Dringende Kurskorrektur nötig

Für Alliance Sud ist klar: Gewisse Massnahmen der ersten Phase der Pläne des SECO können sinnvoll sein, wenn sie Arbeitsplätze schaffen, den Technologietransfer – insbesondere «grüner» Prägung – fördern, Partnerschaften mit lokalen Unternehmen beinhalten und sichergestellt ist, dass durch die Förderung von Schweizer Firmen keine lokalen Firmen verdrängt werden. Es ist dabei dringend nötig, dass über die konkreten Pläne transparent berichtet wird, damit deren Nutzen oder Schaden beurteilt werden kann. Im Zentrum der Schweizer Hilfe sollte aber die Unterstützung des lokalen Privatsektors und der ukrainischen Wirtschaft stehen. Dafür braucht es primär Geld; am besten würde die Schweiz dafür bestehende multilaterale Kanäle nutzen, anstatt in der Ukraine die «Swissness» zu pflegen.

Die zweite Phase, die lediglich zum Ziel hat, der Schweizer Exportwirtschaft ein «Stück vom Kuchen» des Wiederaufbaus zu sichern, würde den Interessen der ukrainischen Wirtschaft eindeutig zuwiderlaufen. Eine längerfristig stabile ukrainische Wirtschaft nützt aber auch der Schweiz mehr als volle Auftragsbücher einzelner Unternehmen. Diese Pläne sollten deshalb gestoppt werden. Und natürlich liegt es auf der Hand, dass diese Tätigkeiten nur am Rande die Prioritäten der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz berühren und deshalb nicht aus dem IZA-Budget finanziert werden dürfen.

 


1 A state-led war economy in an open market. Investigating state-market relations in Ukraine 2021-2023. LSE Conflict and Civicness Research Group, 4. Juni 2024.

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Medienmitteilung

Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen

26.06.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Bundesrat hat heute entschieden, dass der Schweizer Privatsektor mit 500 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine unterstützt werden soll. Finanziert wird das Ganze aus dem Betrag im Budget der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028, der eigentlich für die Ukraine vorgesehen war. Doch selbst der Bundesrat hat gemerkt, dass dieser Vorschlag nicht gesetzeskonform ist.

Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen

Charkiw (Ukraine). © imago

Im Mai 2024 hat der Bundesrat die Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2025-2028 dem Parlament vorgelegt. Darin sieht er vor, dass 1.5 Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe ausgegeben werden. In derselben Strategie schreibt er, dass der Förderung des lokalen Privatsektors eine zentrale Rolle zukomme: «Die Zusammenarbeit zwischen der IZA und dem Privatsektor ist stets auf Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Davon profitieren lokale KMU und die Bevölkerung» (S. 41). Kaum einen Monat später kommt der Bundesrat von dieser Idee ab. Er sieht nun für den Wiederaufbau der Ukraine nämlich 500 Millionen Franken für den Schweizer Privatsektor vor. Das ist mehr als die gesamten bilateralen Mittel der DEZA für Subsahara-Afrika in einem Jahr (2022).

Dass die Förderung des Schweizer Privatsektors aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit nicht gesetzeskonform ist, weiss der Bundesrat, denn er muss dafür eine neue gesetzliche Grundlage ausarbeiten. Für Alliance Sud ist unverständlich, weshalb der Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt einen solchen Vorschlag macht, bevor die IZA-Strategie 25-28 überhaupt im Parlament behandelt wurde. Es ist unvorstellbar, wie das Parlament über die Verpflichtungskredite der internationalen Zusammenarbeit beschliessen kann, wenn davon 500 Millionen Franken ohne bestehende Gesetzesgrundlage verwendet werden sollen.

«Es ist ein Skandal, dass mit den Geldern für die internationale Zusammenarbeit Schweizer Unternehmen finanziert werden sollen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Mit diesem Entscheid soll in der Ukraine die Praxis der «tied aid» (gebundene Hilfe), die international in der Kritik steht, grossflächig zur Anwendung kommen. «Das wird den Wiederaufbau massiv verteuern, wenn die Ukraine nicht den billigsten Anbieter für ein Produkt oder eine Dienstleistung auswählen kann, sondern auf die teuren Anbieter der Geberländer angewiesen ist», sagt er weiter.


Für weitere Informationen:
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud,
Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch

 

 

Artikel, Global

Die Büchse der Pandora ist geöffnet

21.03.2024, Entwicklungsfinanzierung

Der Entwicklungsausschuss der OECD hat eine in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtete Entscheidung gefällt und spielt dabei mit dem Feuer: Er hat die Anrechnung von Privatsektorinstrumenten an die Entwicklungsfinanzierung gelockert, was weitreichende Folgen für die ärmsten Länder im Globalen Süden haben kann.

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Die Büchse der Pandora ist geöffnet

© Christina Baeriswyl

Seit es die Entwicklungsfinanzierung gibt, drehen sich die Diskussionen darum, wie sie gemessen werden soll. Während Geberländer daran interessiert sind, möglichst grosszügig dazustehen, geht es den Ländern des Globalen Südens insbesondere darum, dass ein möglichst grosser Anteil der Gelder da ankommt, wo sie am dringendsten benötigt werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die aktuelle Debatte um die Anrechnung öffentlicher Beiträge für Kredite und Investitionen in Unternehmen im Globalen Süden.

Im Februar 2016 einigten sich die Mitglieder des Entwicklungsausschusses (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen der «Modernisierung» der Definition der öffentlichen Entwicklungshilfe (aide publique au développement, APD) zum ersten Mal auf Anrechnungskriterien für «Privatsektorinstrumente» (Private Sector Instruments / PSI). Diese Instrumente umfassen öffentlich finanzierte Kredite an Unternehmen, Investitionen in Form von Kapitalbeteiligungen, Mezzanine-Finanzierungen1 und Garantien.

Die Mitglieder des DAC konnten sich jedoch nicht darauf einigen, wie die Privatsektorinstrumente in die APD einbezogen werden sollen, ohne die geltenden Grundsätze zu unterlaufen. Daraufhin wurden 2018 vorläufige Berichterstattungsrichtlinien verabschiedet, anhand derer PSI angerechnet werden können. Da die PSI nur 2-3% der gesamten APD ausmachen, wurde diese provisorische Lösung als akzeptabel erachtet, bis sich das DAC auf eine dauerhaftere Lösung einigen würde. Im Oktober 2023 kam diese Einigung zustande. Damit wurden weitreichende Folgen für die Entwicklungsfinanzierung eingeleitet.

Das Problem der Zusätzlichkeit

Seit der Einführung der APD in den 60er Jahren war einer ihrer zentralen Grundsätze die Konzessionalität (Vergünstigung). Entsprechend bestehen Entwicklungsgelder aus reinen Zuwendungen (grants) oder Krediten zu Vorzugsbedingungen. Mit dem Entscheid vom Oktober 2023 hat der Entwicklungsausschuss der OECD den Grundsatz der Konzessionalität über Bord geworfen und damit die APD neu definiert. Gemäss den neuen Regeln muss bei der Anrechnung der PSI ausgewiesen werden, inwiefern diese Gelder einen finanziellen oder inhaltlichen Mehrwert sowie einen entwicklungspolitischen Mehrwert leisten (siehe «Die drei Definitionen der Zusätzlichkeit»). Entsprechend wird von den DAC-Ländern erwartet, dass sie bei der Anrechnung der Privatsektorinstrumente Rechenschaft darüber ablegen, welche Form der Zusätzlichkeit zutrifft.

Der DAC selbst bedauert, dass die bislang übermittelten Daten uneinheitlich und die vorgelegten Berichte über die Zusätzlichkeit «unvollständig und nicht überzeugend» waren. Eine seriöse Berichterstattung über die Zusätzlichkeit ist jedoch entscheidend, um sicherzustellen, dass die DAC-Länder die begrenzten öffentlichen Entwicklungsgelder dort einsetzen, wo der Bedarf am grössten ist und die Wirkung am stärksten sein kann.

 

Die drei Definitionen der Zusätzlichkeit

Damit Privatsektorinstrumente der APD angerechnet werden können, müssen sie entweder einen finanziellen oder inhaltlichen sowie einen entwicklungspolitischen Mehrwert aufweisen:

  1. Ein Privatsektorinstrument erfüllt eine «finanzielle Zusätzlichkeit», wenn es Partnern aus dem Privatsektor (z. B. ein lokales Unternehmen) nicht möglich ist, auf den (lokalen oder internationalen) Kapitalmärkten zu den erforderlichen Bedingungen und/oder im erforderlichen Umfang eine Finanzierung für ihr Vorhaben zu erhalten; oder wenn die Aktivität Mittel aus dem Privatsektor mobilisiert, die sonst nicht investiert worden wären.
  2. Ein «inhaltlicher Mehrwert» liegt vor, wenn der öffentliche Sektor zusätzlich zu seiner Investition einen nicht-finanziellen Mehrwert für die Partner aus dem Privatsektor bereitstellt, den die Kapitalmärkte nicht bieten würden und der zu besseren Entwicklungsergebnissen führen soll. Dieser Mehrwert wird häufig durch die Konditionalität von Investitionen (z. B. Auferlegen von ESG/Environmental, Social, Governance-Kriterien), aktive Beteiligung (z. B. Einsitz im Verwaltungsrat), Aktivitäten zum Aufbau von Kapazitäten, Beratungsleistungen sowie andere Formen der technischen Hilfe angestrebt.
  3. Schliesslich liegt ein «entwicklungspolitischer Mehrwert» vor, wenn das Projekt darauf abzielt, eine Entwicklungswirkung zu erzielen, die ohne die Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor nicht eingetreten wäre.

 

Ohne klar nachvollziehbare und transparente Informationen zur Zusätzlichkeit besteht das Risiko, dass die APD durch kreative Buchführungspraktiken künstlich in die Höhe getrieben und damit die Definition von «Entwicklungshilfe» immer mehr verwässert wird. Immerhin werden ab 2026 die Informationen über die Zusätzlichkeit der PSI vom DAC speziell überprüft, «um die Integrität der APD zu fördern». Es ist zu hoffen, dass diese Überprüfungen mehr Licht ins Dunkel bringen.

SIFEM und Co.

Gemäss einer Studie des NGO-Netzwerks Eurodad wurde zwischen 2018 und 2021 ein Gesamtvolumen von 20.6 Milliarden US-Dollar als PSI deklariert, was einem Anteil von 3% an der gesamten APD entspricht. Vier der wichtigsten europäischen Geber (Grossbritannien, EU, Deutschland und Frankreich) stellen allein 80% der gesamten PSI zur Verfügung. Die Schweiz folgt weiter hinten auf dem 11. Platz mit 0.7% der gesamten PSI.

85% des Gesamtvolumens der PSI werden über Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (Development Finance Institutions / DFI) weitergeleitet, darunter ist in der Schweiz die Swiss Investment Fund for Emerging Markets (SIFEM). Die Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen der vier grössten europäischen Geber – British International Investment (BII) in Grossbritannien, die Europäische Investitionsbank (EIB/EU), die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sowie Proparco in Frankreich – machen 91% der als PSI gemeldeten Beiträge dieser DAC-Mitglieder aus. Einige dieser DFI haben ihr Portfolio innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt, und es ist zu erwarten, dass dieses Finanzvolumen in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.

 

Verteilung der PSI auf die Länder nach Einkommensgruppen

 

Diese Entwicklungsfinanzierungsgesellschaften haben ein Renditemandat und investieren daher vorzugsweise in Ländern und Regionen, die ein geringeres Risikoprofil aufweisen und sicherere Gewinnchancen bieten. Wie die Abbildung oben zeigt, wurde zwischen 2018 und 2021 der überwiegende Teil der PSI in Ländern mit mittlerem Einkommen im oberen Bereich (UMICs) investiert (59 Prozent), gefolgt von Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (LMICs) (37 Prozent). Lediglich 4 Prozent der PSI gingen an die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs). Dies zeigt, dass die Entwicklungsgelder, die über PSI abgewickelt werden, kaum diejenigen Länder erreichen, die sie am dringendsten benötigen würden.

Die Schweiz rechnet der APD jährlich rund CHF 35 Mio. als PSI an. Diese umfassen die Kapitalzahlungen an die SIFEM im Rahmen von ungefähr CHF 30 Mio., zu denen noch andere Instrumente (weniger als CHF 5 Mio.) hinzukommen. Die SIFEM ist auf die langfristige Finanzierung von KMUs und anderen «schnell wachsenden» Unternehmen spezialisiert, mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.

 

Mobilisierte Gelder des Privatsektors

Die Privatsektorinstrumente müssen von den «mobilisierten Geldern des Privatsektors» unterschieden werden. Letztere umfassen alle privaten Mittel, die durch öffentliche Entwicklungsfinanzierungsmassnahmen angestossen werden; sie sind nicht Bestandteil der APD. Die mobilisierten Mittel können aber der breiter gefassten Kennzahl der Entwicklungsfinanzierung – dem total official support for sustainable development (TOSSD) – angerechnet werden.

 

Im kürzlich erschienenen Bericht über die Transparenz der dreissig grössten Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen – welche notabene ein Gesamtvermögen von 2000 Milliarden US-Dollar verwalten – wurde die SIFEM ganz unten platziert. Ende 2022 verfügte diese über ein Investitionsportfolio von USD 451 Millionen, das fast vollständig in Ländern mittleren Einkommens (MICs) investiert wurde. Genauer gesagt wurden 62% in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (LMIC) und 34% in Ländern mit hohem mittlerem Einkommen (UMIC) investiert. Auf Länder mit niedrigem Einkommen (LDC, z. B. Äthiopien und Malawi) entfielen nur 3% des Investitionsportfolios. Gleichzeitig wurden nur 42% des Portfolios in den Schwerpunktländern der internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz investiert.

Privatsektorinstrumente für wen?

Wir befinden uns in einer kritischen Zeit. Kriege, die Nachwehen der Corona-Pandemie und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels drängen Millionen von Menschen in die Armut. Gleichzeitig nehmen die Mittelzuwendungen ab oder bleiben bestenfalls gleich hoch. Es drängt sich also die Frage auf, ob der Ausbau der Privatsektorinstrumente, die mehrheitlich Ländern mittleren Einkommens dienen, der richtige Weg für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz ist. Für eine abschliessende Beurteilung der Wirksamkeit dieser Instrumente ist die aktuelle Datengrundlage nicht ausreichend. Aufgrund der geographischen Verteilung ist aber zu bezweifeln, dass sie einen Beitrag zum verfassungsmässigen Auftrag der IZA leisten – nämlich die Überwindung von Armut und Not für die ärmsten Länder, Regionen und Bevölkerungsgruppen. Deshalb sollten sie auch in Zukunft keinen zentralen Platz in der IZA einnehmen. Weitaus relevanter ist es aber sicherzustellen, dass die wichtigste Messgrösse der Entwicklungsfinanzierung – die APD – im Zuge des Modernisierungsprozesses nicht weiter verwässert und die Büchse der Pandora wieder geschlossen wird.

 

 

1 Mezzanine-Finanzierung wird von der OECD definiert als «Instrumente, die sich auf Finanzierungsarten beziehen, die zwischen vorrangigem Fremdkapital und Eigenkapital eines Unternehmens angesiedelt sind und sowohl Merkmale von Darlehen als auch von Eigenkapital aufweisen».

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Medienmitteilung

Private Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit?

01.10.2020, Entwicklungsfinanzierung

In seiner Strategie zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2021-2024, die von beiden Parlamentskammern verabschiedet wurde, plant der Bundesrat, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft zugunsten der nachhaltigen Entwicklung zu diversifizieren, zu verstärken und neue Finanzinstrumente zu erproben. Ein neues Positionspapier von Alliance Sud analysiert das Potenzial, die Grenzen und Risiken dieses Vorgehens.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

+41 22 901 14 81 laurent.matile@alliancesud.ch
Private Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit?

© Gerd Altmann / Pixabay

Der Bundesrat will mit den Mitteln der öffentlichen Entwicklungshilfe (aide publique au développement, APD) die «Mobilisierung zusätzlicher privater Mittel» für die nachhaltige Entwicklung ermöglichen, insbesondere durch sogenannte Mischfinanzierungen. Konkreteres bleibt die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 allerdings schuldig: Weder beziffert sie die Beträge, die für den Ausbau dieser Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft vorgesehen sind, noch stellt sie die konkreten Instrumente vor, geschweige denn die privaten Akteure, mit denen die offizielle Schweiz in Zukunft zusammenarbeiten will.

Zwar gibt es einen breiten Konsens darüber, dass private Investitionen in Entwicklungsländern notwendig sind, um die Finanzierung der Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) sicherzustellen; jüngste Studien und Berichte weisen jedoch darauf hin, dass die Erwartungen an von Staat und Privatsektor gemeinsam getragene, gemischte Finanzierungen stark übertrieben sind. Darüber hinaus stellen diese Analysen fest, dass die Umsetzung dieser Blended Finance-Strategien in den am wenigsten entwickelten Ländern (least developped countries, LDC) mit vielen Einschränkungen und erheblichen Risiken verbunden sind.

In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» fasst Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken der verschiedenen Instrumente der gemischten Finanzierung zusammen. In ihren Schlussfolgerungen und Empfehlungen in Bezug auf die Finanzierung der Uno-Agenda 2030, in welcher die 17 SDG zusammengefasst sind, erinnert Alliance Sud u.a. daran, dass

  • die Mobilisierung eigener öffentlicher Mittel der Entwicklungsländer eine Priorität sein muss, um die Finanzierung der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen; in diesem Zusammenhang muss namentlich der Kampf gegen unlautere Finanzströme (illicit financial flows) hohe Priorität geniessen.
  • im Hinblick auf die Entwicklung des Privatsektors den lokalen Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität eingeräumt werden sollte.
  • der Einsatz von Mischfinanzierungen und Partnerschaften zwischen Staaten und privaten Unternehmen nur eine Möglichkeit ist, um zur Erreichung der SDG beizutragen.

Alliance Sud fordert, dass alle Formen der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor in der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz evaluiert werden, und dass vor der Entwicklung neuer Partnerschaften bzw. neuer Finanzierungsinstrumente eine detaillierte Strategie vorgelegt wird, in der neben ökonomischen auch soziale und ökologische Kriterien gebührend berücksichtigt werden.

Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit: Die Position von Alliance Sud, 29 Seiten, September 2020.

Weitere Informationen:
Laurent Matile, Dossier Unternehmen und Entwicklung, Alliance Sud, Tel. +41 78 802 06 20

Medienmitteilung

Verpasste Chancen in Addis Abeba

16.08.2015, Entwicklungsfinanzierung

Die Addis Abeba Action Agenda ist unter Dach und Fach. Während die Diplomaten die Verhandlungen als Erfolg feiern, kritisiert die Zivilgesellschaft das Resultat als ungenügend.

Verpasste Chancen in Addis Abeba

von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»

Die internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba war geprägt vom Streit um unlautere Finanzflüsse und Steuerfragen. Die Entwicklungsländer forderten ein neues intergouvernementales Gremium, um bei der internationalen Zusammenarbeit gegen die Steuerflucht und die Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne endlich gleichberechtigte Mitsprache zu erhalten. Die Industrieländer blockierten dieses wichtige Anliegen jedoch erfolgreich. Das bereits bestehende Steuerkomitee der Uno wird zwar mit mehr Ressourcen ausgestattet, aber die wichtigen politischen Entscheidungen werden weiterhin in der OECD fallen – unter Ausschluss des globalen Südens.

Doch nicht nur in der Steuerfrage mussten die Entwicklungsländer klein beigeben. Die reichen Industrieländer sind auch nicht bereit, sich auf eine Frist für das vor Jahrzehnten gegebene Versprechens einzulassen, 0.7% ihres jeweiligen Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Zwar bestätigen sie im heutigen Schlussdokument der Konferenz das 0.7%-Ziel; ohne einen verbindlichen Zeitrahmen ist dieses Versprechen jedoch nur wenig wert.

Immerhin konnten die Entwicklungsländer in Addis Abeba durchsetzen, dass es im Uno-Rahmen weiterhin eigenständige Konferenzen zur Entwicklungsfinanzierung geben wird. Auch soll an diesen Konferenzen weiterhin über die grossen Fragen der Weltwirtschaft und die Mitsprache der Entwicklungsländer in der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds diskutiert werden. Dafür gelang es den reichen Industrieländern, weitere Diskussionen um ein geregeltes Verfahren zur Restrukturierung von Staatsschulden abzublocken. Die Entwicklungsländer werden also ähnlich wie Griechenland weiterhin neue Kredite aufnehmen müssen, um alte und oft illegitime Schulden abzustottern.

Für Alliance Sud sind an der Konferenz von Addis Abeba wesentliche Chancen verpasst worden, um eine nachhaltige Zukunft zu finanzieren. Die Ablehnung der Hauptforderungen der Entwicklungsländer wird an der Klimakonferenz vom Dezember in Paris den Druck erhöhen, weitere Mittel im Kampf gegen den Klimawandel zu generieren. Notabene sind die Entwicklungsländer speziell von den Folgen des Klimawandels betroffen. Ein weiteres Mal dürfen sich die Industrieländer also nicht vor der Verantwortung drücken, ihren Teil zu einer nachhaltigen und gerechten Entwicklung beizutragen.

Medienmitteilung

Ringen um Entwicklungsfinanzierung

13.07.2015, Entwicklungsfinanzierung

Heute beginnen in Addis Abeba die Verhandlungen um einen Finanzierungsrahmen für nachhaltige Entwicklung. Über 600 NGOs rufen dazu auf, die nötigen Finanzen sicherzustellen.

Ringen um Entwicklungsfinanzierung

Im September sollen die Uno-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDG) verabschiedet werden. Bereits heute wird in Addis Abeba, Äthiopien, über einen Rahmen zur Finanzierung dieser Ziele verhandelt. Aus Sicht von Alliance Sud sind die bisherigen Verhandlungsergebnisse allerdings enttäuschend. Einigkeit herrscht bloss bezüglich der Tatsache, dass enorme Summen notwendig sein werden, um die Ziele zu erreichen. Aber woher soll das Geld kommen? Mit Ausnahme von einigen wenigen Ländern sind die reichen Industrieländer nicht bereit, ihr Versprechen einzulösen und 0.7% ihres Nationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Einspringen soll einerseits der Privatsektor, andererseits die Entwicklungsländer selber, die durch effizientere Verwaltungen ihre Steuereinnahmen erhöhen sollen.

Für Alliance Sud braucht es eine klare Frist zur Erreichung des 0.7%-Ziels. Ohne Frist ist eine Bekräftigung des vor Jahrzehnten gegebenen Versprechens nichts wert. Zweitens braucht es ein universelles, intergouvernementales Gremium für Steuerfragen. Um das Potential selber generierter Steuereinkommen auszunutzen, müssen Entwicklungsländer nicht nur nationale Steuergesetze besser umsetzen, sondern auch die internationalen Regeln in Steuerfragen mitbestimmen können. Durch Steuerhinterziehung entgehen den Entwicklungsländern jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. Und drittens braucht es für private Investitionen nicht nur Anreize, sondern klare Rahmenbedingungen, um diese in nachhaltige Projekte zu lenken.

Am Vorabend der Konferenz verabschiedete Alliance Sud gemeinsam mit über 600 zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Erklärung. Darin wird die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, mit einem ambitionierten Schlussdokument ein starkes Zeichen zu setzen. Ein solches ist notwendig für die Glaubwürdigkeit, dass es der Staatengemeinschaft ernst ist mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Bekämpfung des Klimawandels, über die später im Jahr verhandelt wird.