Medienmitteilung

Mit vereinten Kräften Richtung nachhaltige Schweiz

25.09.2024, Agenda 2030

Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Jugend, Sport, Kultur und Zivilgesellschaft rufen auf dem Bundesplatz dazu auf, gemeinsam die Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen. Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) wurde heute vor neun Jahren von der UNO verabschiedet. Auch die Schweiz hat sie angenommen. Doch bei der Umsetzung sind wir nicht auf Kurs.

 

Mit vereinten Kräften Richtung nachhaltige Schweiz

© Martin Bichsel

Medienmitteilung der Plattform Agenda 2030

 

Aufbauend auf dem bereits Erreichten versprechen die engagierten Persönlichkeiten, ihre Entscheidungen und ihr Handeln auch in Zukunft auf Nachhaltigkeit auszurichten. Sie stehen stellvertretend für die vielen tausend Menschen, die sich in Unternehmen, wissenschaftlichen und akademischen Einrichtungen und in der Zivilgesellschaft bereits heute für die Kreislaufwirtschaft, den Schutz der Biodiversität und den Abbau von Ungleichheiten im Besonderen einsetzen.
Am SDG Flag Day erinnern eine Jodel-Interpretation und ein Fahnenschwinger mit einer exklusiven SDG-Fahne in der Nähe des Bundeshauses daran, dass die Agenda 2030 in unserer Verfassung und in unseren lebendigen Traditionen verankert ist.


Unsere Kampagne

Der am 25. September veröffentlichte Aufruf verweist auf Erfolge und Rückschläge: In einigen Bereichen hat die Schweiz in den letzten Jahren Fortschritte erzielt, z. B. bei der Erhöhung des Anteils der biologischen Landwirtschaft oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien. In anderen Bereichen stagniert die Entwicklung jedoch oder geht in die falsche Richtung: Die Armut wie die Ungleichheiten in der Schweiz nehmen zu, der Ausbau einer barrierefreien Mobilität verzögert sich, und die Artenvielfalt geht zurück. Die Schweiz ist Teil der Welt: Durch unsere Produktions- und Konsummuster exportieren wir einen Teil der Belastung für Umwelt, Klima und Menschenrechte: rund 2/3 unseres Fussabdrucks fallen im Ausland an.

Olmar Albers, Geschäftsleiter von öbu, dem Verband für nachhaltiges Wirtschaften, stellt fest: « Unternehmen haben entscheidende Hebel in der Hand, um die nachhaltige Entwicklung aktiv zu gestalten. Diese Verantwortung wahrzunehmen, entscheidet über die Sicherung der planetaren und der eigenen Zukunftsfähigkeit. » Adina Rom, Geschäftsleiterin ETH for Development und Ökonomin ETH verspricht: « Ich möchte Brücken bauen zwischen Forschung und Praxis, zwischen Ländern, Organisationen und Menschen, damit die technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritte möglichst vielen Menschen zu Gute kommen. » Eva Schmassmann, Geschäftsführerin der Plattform Agenda 2030 ergänzt: «Nachhaltige Entwicklung kann einzelne Akteure überfordern. Deshalb vernetzt die Plattform und fördert den Austausch, denn: Gemeinsam sind wir stärker».
 


Für weitere Informationen:
Eva Schmassmann, Geschäftsführerin Plattform Agenda 2030: 079 105 83 97

www.gemeinsam-fuer-die-sdgs.ch

 

Interview

Zur Halbzeit enttäuschend

31.07.2024, Agenda 2030

In der UNO haben sich die Staaten der Welt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung gesetzt, die sie bis 2030 erreichen sollen. Der Zwischenstand dieser Agenda 2030 wurde soeben in New York überprüft. Johann Aeschlimann sprach mit zwei Mitgliedern der Schweizer Delegation, Delegationsleiter Markus Reubi und Andreas Lustenberger von Caritas als Vertreter der Zivilgesellschaft.

Zur Halbzeit enttäuschend

Markus Reubi, Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030 (1. von links) und Andreas Lustenberger, Leiter Bereich Grundlagen und Politik Caritas Schweiz (2. von rechts) mit Mitgliedern der offiziellen Schweizer Delegation am HLPF in New York. © Caritas

Johann Aeschlimann schreibt regelmässig für die Schweizerische Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA ASPE). Er war im diplomatischen Dienst der Schweiz und berichtete als Journalist aus Bern, Washington D.C., Brüssel und Bonn. Dieses Interview erschien zuerst bei der SGA ASPE.

 

Herr Reubi und Herr Lustenberger, warum ist die Agenda 2030 wichtig?

Markus Reubi: Sie ist der einzige globale Handlungsrahmen für nachhaltige Entwicklung. Alle 193 Staaten haben innerhalb der UNO zugestimmt. Es geht um soziale Standards, Gerechtigkeit, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit, in 17 Ziele und 169 Unterziele gefasst. Klar, ambitioniert und umfassend.

Wie wird die Entwicklung gemessen und überprüft?

Reubi: Für jedes Ziel werden Indikatoren formuliert, die laufend verfeinert werden. Die Schweiz leistet da übrigens mit dem Bundesamt für Statistik einen gewichtigen Beitrag. Jedes Jahr treten die 193 UNO-Staaten in New York zum High Level Political Forum (HLPF) zusammen und besprechen den Zwischenstand, in vertiefter Form für eine Handvoll Ziele. In diesem Jahr ging es um Ziel 1 (Armut), Ziel 2 (Hunger), Ziel 13 (Klima) und Ziel 16 (friedliche und inklusive Gesellschaften mit starken Institutionen). Zudem können einzelne Länder freiwillig Bericht über ihre Umsetzung erstatten. Mit Ausnahme von zwei UNO-Mitgliedstaaten haben davon alle mindestens einmal Gebrauch gemacht, die Schweiz letztmals im Jahr 2022.

 

Wenn wir so weitermachen, erreichen wir gerade 17 Prozent der Ziele. Bei der Armutsbekämpfung gab es einen Rückschritt, ähnlich beim Hunger.

Andreas Lustenberger

 

Und was ist der Zwischenstand?

Andreas Lustenberger: Er ist ernüchternd. Wenn wir so weitermachen, erreichen wir gerade 17 Prozent der Ziele. Bei der Armutsbekämpfung gab es einen Rückschritt, jetzt stagnieren wir. Ähnlich beim Hunger.

Eine Folge von COVID?

Lustenberger: Nicht nur. Der Krieg gegen die Ukraine hat die weltweite Getreideversorgung beeinträchtigt und eine Teuerung der Lebensmittel verursacht, die gerade im Globalen Süden schwer eingeschlagen hat. Ebenfalls führt die andauernde Klimaerwärmung zu Ernteausfällen und wir erleben zurzeit leider eine Zunahme von Bürgerkriegen und Konflikten. Die Welt befindet sich in einer Mehrfachkrise.

Am Anfang des Kriegs war viel von den Getreidelieferungen über das Schwarze Meer die Rede, jetzt weniger. Ist das Problem verschwunden?

Lustenberger: In den betroffenen Ländern ist die Lage sicher nicht besser geworden. Die Inflation ist immer noch da, aber es wird nicht darüber gesprochen.

Reubi: Die Verbesserung der Ernährungssicherheit ist weiterhin ein Kernanliegen der Entwicklungsländer. Viele geben auch den westlichen Sanktionsmassnahmen die Schuld. Die Politisierung der Agenda 2030 hat in diesem Kontext leider zugenommen.

Wie hat sich das in New York niedergeschlagen?

Lustenberger: In der Abschlusserklärung haben die Entwicklungsländer, die G77, auf Antrag Nicaraguas durchgedrückt, dass Sanktionen als entwicklungshemmend verurteilt werden. Ich war erschrocken, dass die dafür eine Mehrheit fanden. Immerhin werden diese Sanktionen nicht grundlos ergriffen. Es geht um die Antwort auf Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wenn Länder wie Südafrika oder Chile das ausser Acht lassen, frage ich mich, wozu sie dann sonst noch bereit sind.

Wie hat die Schweiz gestimmt?

Reubi: Wir stimmten dagegen, vor allem auch aus prozeduralen Gründen. Der Antrag für einen Anhang in der lange vorher verhandelten Abschlusserklärung kam sehr spät. Er hat den Konsens gefährdet – und dieser ist wichtig, um die Vision einer nachhaltigen Entwicklung gemeinsam zu realisieren.

Lustenberger: Die EU hat sich enthalten, vielleicht, weil sie sich intern nicht einig war.

China propagiert “development first”. Das heisst wirtschaftliche Entwicklung zuerst, Menschenrechte und der Rest danach. War das in New York spürbar?

Reubi: China war sehr präsent und hat erstmals im Namen der «group of friends» seiner eigenen global development initiative eine Erklärung abgegeben. Das Narrativ ist verfänglich. Es ist schwer, dagegen zu sein. Was aber wichtig ist zu wissen: Menschenrechte, Gleichstellung, gute Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und andere zentrale Bestandteile der Agenda 2030 werden nicht erwähnt. Sollten Länder wie die Schweiz sich für diese Werte nicht mehr engagieren und die Umsetzung der Agenda 2030 in der Gesamtheit vernachlässigen, wird dieses Narrativ an Kraft gewinnen.

Lustenberger: China finanziert heute 20 Prozent des gesamten UNO-Systems, durch welches ein grosser Teil der öffentlichen Entwicklungsgelder fliesst. Das ist sehr viel und wird spürbar, wenn es darum geht, wer mitbestimmt, welche Werte mit diesen Organisationen vorangetrieben werden.

 

Wir haben es eben nicht mehr mit einer reinen Entwicklungsagenda zu tun, sondern mit nachhaltiger Entwicklung für die ganze Welt. So gesehen, ist die Schweiz auch ein Entwicklungsland.

Markus Reubi

 

Die einzelnen Länder können über den Stand ihrer Umsetzung der Agenda 2030 Bericht erstatten. Tun sie das? Tun sie es umfassend?

Lustenberger: Die einzigen, die noch nie berichtet haben, sind die USA und Nordkorea. Alle anderen haben mindestens einen Bericht abgeliefert.

Reubi: Die Schweiz macht es alle vier Jahre, zuletzt 2022, als nächstes 2026. Wir müssen uns auch anstrengen, um die Ziele der Agenda 2030 zu erfüllen. Zum Beispiel auch im Bereich von Ziel 2, Hunger. Bei uns gibt es zwar keinen extremen Hunger, aber andere Ernährungsprobleme, die anzugehen sind. Verschwendung. Überernährung und Übergewichtigkeit, nachhaltige Produktion und nachhaltiger Konsum. Wir haben es eben nicht mehr wie bei den vorangegangenen «Milleniumszielen» mit einer reinen Entwicklungsagenda zu tun, sondern mit nachhaltiger Entwicklung für die ganze Welt. So gesehen, ist die Schweiz auch ein Entwicklungsland.

Lustenberger: Na ja.

Reubi: Ein Entwicklungsland im Sinne der nachhaltigen Entwicklung.

Lustenberger: Länder wie Mexiko, Ecuador, Costa Rica oder Kenia haben Daten geliefert. Sie zeigen in ihren Armutsberichten auch, was schlechter geworden ist. Zum Ziel 16, gute Regierungsführung, Frieden, Kampf gegen Korruption, Inklusion, beantworten autoritäre Regierungen nicht überall alles, auch wo es zum Beispiel um die Mitsprache der Zivilgesellschaft geht.

 

Wir propagieren einen Schuldenschnitt. Die Schulden der Länder des Südens sind entwicklungshemmend.

Andreas Lustenberger

 

Die Länder des Südens fordern vor allem mehr Geld für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Ist Geld das Einzige, was fehlt?

Lustenberger: Das Problem ist in der Tat, dass das Geld nicht reicht, um die Ziele überall zu erreichen. Aber die Umsetzung der Agenda 2030 ist eine Aufgabe für alle. Wenn Regierungen, oft auch autokratische Regierungen, ihre Eigeninteressen in den Vordergrund stellen, wird Geld allein nicht reichen.

Reubi: Man wird oft auf die Entwicklungszusammenarbeit angesprochen. Aber noch viel mehr stört gerade afrikanische Länder, dass ihre Projekte so teuer sind. Ein Solarprojekt in Afrika kostet ein Vielfaches eines vergleichbaren Projekts in Europa, weil die hohen Risikoprämien verhindern, dass der Privatsektor dort investiert. Die Schweiz engagiert sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen vor Ort.

Lustenberger: Wir propagieren einen Schuldenschnitt. Die Schulden der Länder des Südens sind entwicklungshemmend. Eine Entschuldung würde einem Land wie der Schweiz nicht das Genick brechen.

Der politische Wind weht aus einer anderen Richtung. Das Parlament in Bern kürzt das Budget für Entwicklungszusammenarbeit, um Geld für die Ukrainehilfe freizumachen.

Lustenberger: Wir sehen das in anderen ähnlichen Ländern auch. Wir sind gegen jegliche Kürzungen und fordern eine Erhöhung der Budgets für Entwicklungszusammenarbeit. Ein bedeutender Teil dieser Gelder ist für die multilaterale Hilfe der UNO-Agenturen. Wird dort zurückgefahren, werden Länder wie China die Lücke füllen, die andere Prioritäten verfolgen. Unsere Anliegen werden geschwächt, gerade etwa im Bereich von Ziel 16. Unseren Politikern ist zu wenig bewusst, welche langfristigen Auswirkungen das hat. Ich bedaure, dass es aktuell an starken Persönlichkeiten im Parlament fehlt, die sich für eine vorausschauende Wirtschaftsaussenpolitik der Schweiz einsetzen.

Zieht die Wirtschaft mit?

Reubi: Wir sind im Dialog. Ich denke, die Wirtschaft hat die SDGs entdeckt. Man spricht dort eher von «ESG» (Environment, Social, Governance) Zielen. Im vergangenen Jahr mussten die grössten Unternehmen zum ersten Mal Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Wir stellen fest, dass dies auch Unternehmen tun, die gar nicht verpflichtet wären. Die machen das, weil junge Angestellte, Kunden, Lieferanten oder auch an der Finanzierung beteiligte Banken danach fragen. Und weil Nachhaltigkeit Teil der Strategie geworden ist.

Was ist Ihr Fazit nach den Beratungen in New York?

Lustenberger: Für mich ist es ernüchternd und motivierend zugleich. Ernüchternd, weil wir nicht auf dem Weg sind, die Ziele zu erreichen. Motivierend, weil ich sehe, dass es nicht reicht, nur bilateral oder national zu handeln. Der multilaterale Weg gehört auch dazu. Die Schweiz leistet hier gute Arbeit, aber es darf nicht weniger werden.

Reubi: Für mich sind die Länderberichte eine zunehmend positive Erfahrung. Und das Engagement vieler einzelner Städte, die hier präsent waren und ihre Anliegen eingebracht haben.

 

 

Markus Reubi ist Diplomat im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA und Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030.

Andreas Lustenberger ist Mitglied der Geschäftsleitung von Caritas und leitet dort den Bereich Grundlagen und Politik.

Medienmitteilung

Die Agenda 2030 ins Zentrum rücken

20.08.2019, Internationale Zusammenarbeit, Agenda 2030

Alliance Sud, die Denkfabrik der Schweizer Entwicklungsorganisationen, kritisiert in ihrer Vernehmlassung die Pläne des EDA und des WBF zur Neuausrichtung der Internationa­len Zusammenarbeit (IZA) 2021-24. Die Ziele der IZA sollten konsequent an der Agenda 2030 der UNO ausgerichtet werden.

Kristina Lanz
Kristina Lanz

Expertin für internationale Zusammenarbeit

+41 31 390 93 40 kristina.lanz@alliancesud.ch
Die Agenda 2030 ins Zentrum rücken

Das Aussendepartement (EDA) und das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) stellen drei Kriterien – Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung, Interessen der Schweiz und Mehrwert der Schweizer IZA – ins Zentrum ihres IZA-Berichts, lassen dabei aber die zentrale Frage offen: Welche Art von Entwicklung will die Schweiz fördern? Für Alliance Sud ist klar, dass sich die IZA an der Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung orientieren muss; die Schweizer Politik soll generell und konsequent unter das Leitprinzip der Transformation von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in Richtung soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhal­tigkeit gestellt werden. Die Ziele und Schwerpunkte der IZA-Botschaft müssen dringend in diesem Sinn ergänzt werden.

Transformationsprozesse setzen ein gesamtheitliches Verständnis von Politik voraus. Damit nachhaltige Entwicklung kein leeres Schlagwort bleibt, muss die Schweizer Politik ihre Kohä­renz über alle Departemente hinweg verbessern, wie das auch der OECD-Entwicklungsaus­schuss DAC von der Schweiz fordert.[1] Besonders in der Pflicht stehen hier die Handelspolitik und die Steuer- und Finanzpolitik der Schweiz. Die Botschaft zur IZA 2021-2024 sollte diese Politikfelder und die notwendigen Anstrengungen explizit benennen.

Aus Sicht von Alliance Sud sind die im erläuternden Bericht zur IZA vorgesehenen Mittel klar ungenügend: Mit dem vorgesehenen Finanzrahmen kann die Schweiz ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachkommen. Für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) wird für 2021-2024 eine Quote von 0.45% des Bruttonatio­naleinkommens (BNE) anvisiert. Zieht man davon die Asylkosten im Inland ab, sind es sogar nur 0.40%. Dieses Ziel widerspricht dem international wiederholt gegebenen Versprechen, die APD-Quote auf 0.7% des BNE zu erhöhen. Das ist umso stossender als der Bund in seiner Rechnung seit 2015 wiederholt Milliardenüberschüsse ausweist, im Durchschnitt waren es 2.7 Milliarden CHF pro Jahr. Da auch für das laufende Jahr mit einem Überschuss von 2.8 Mil­liarden CHF gerechnet wird, ist eine schrittweise Erhöhung der APD auf 0.7% des BNE über­fällig.

Zu den im Vernehmlassungsverfahren gestellten Fragen – sind die vorgeschlagenen Ziele, die gesetzten Schwerpunkte und die geografische Fokussierung der IZA richtig? – sagt Alliance Sud drei Mal nein. Die Ziele und Schwerpunkte sind im jetzigen Botschaftsentwurf zu vage formuliert und erwecken den Eindruck, dass die Interessen der Schweiz höher gewertet werden als die Interessen der betroffenen Bevölkerung und die Armutsreduktion. Diese ist gemäss Bundesverfassung ein Grundauftrag der IZA, sie wird im erläuternden Bericht jedoch kaum erwähnt. Vor allem bei der anvisierten Fokussierung auf die Zusammenarbeit mit dem Privat­sektor muss der Akzent auf der Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen sowie auf der Unterstützung lokaler KMU in den Partnerländern liegen. Die Zusammenarbeit mit dem Schwei­zer Privatsektor und international tätigen Firmen muss abhängig gemacht werden von wirksa­men Prozessen der Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten, Umweltrisiken und Steuer­praktiken und darf auf keinen Fall zu einer Verdrängung oder Konkurrenzierung von lokalen Firmen führen.

Download der Vernehmlassungsantwort von Alliance Sud.

Für weitere Informationen:
Kristina Lanz, Fachverantwortliche Entwicklungspolitik, Alliance Sud, Tel. +4178 913 15 00

 

[1] Siehe: OECD Development Co-operation Directorate (2019). Review of the Development Co-operation policies and programmes of Switzerland. The DAC’s main findings and recommendations. S. 3

Medienmitteilung

Covid-19: Offener Brief an die Schweizer Politik

06.05.2020, Agenda 2030

Über 25 Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft, darunter Alliance Sud, fordern die offizielle Schweiz dazu auf, sich international für die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und ihrer Folgen, insbesondere in den ärmsten Ländern, einzusetzen.

Covid-19: Offener Brief an die Schweizer Politik

Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich auf Initiative der Gesellschaft Schweiz-UNO und des Forum Suisse de Politique Internationale zusammenschliessen, fordern die Schweiz und insbesondere den Bund dazu auf, sich international für die kurz- und mittelfristige Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und ihrer sozioökonomischen und ökologischen Folgen, insbesondere in den ärmsten Ländern, einzusetzen. In diesem Sinne muss die Schweiz rasch auf die Initiativen und Spendenaufrufe der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft reagieren, wie z.B. die des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für einen globalen humanitären Interventionsplan Covid-19, der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung oder der WHO.

Forderungen:

Der Wohlstand der Schweiz und die Kohärenz ihrer humanitären und demokratischen Werte stehen auf dem Spiel! Die Schweiz braucht mehr denn je eine gesündere Welt, sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Und auch die Welt braucht die Schweiz mehr denn je. Als Mitglied der Vereinten Nationen, als Gastgeberin der wichtigsten internationalen Organisationen, einschliesslich der WHO, und als eines der reichsten Länder der Welt muss die Schweiz eine erneuerte Solidarität zeigen, die ihren Mitteln angemessen ist.

In dieser aussergewöhnlichen Zeit reichen wir vier sich ergänzende Forderungen ein:

  1. Angesichts der aktuellen globalen Gesundheitsnotlage muss die Schweiz zusätzliche finanzielle Mittel für die humanitäre Hilfe zugunsten der ärmsten Länder und der schwächsten Bevölkerungsgruppen, einschliesslich der Migranten und Flüchtlinge, mobilisieren.
  2. In Übereinstimmung mit der Agenda 2030 und dem Aktionsplan von Addis Abeba, der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde, fordern wir den Bund auf, 0,7% seines BNE für die öffentliche Entwicklungshilfe aufzuwenden. Bundesrat und Parlament müssen alle notwendigen Massnahmen ergreifen, um dieses grundlegende Ziel zu erreichen. Ohne die notwendigen und ausreichenden finanziellen Mittel wird die gegenwärtige Krise die bereits bestehende Verwundbarkeit der fragilsten Länder nur noch verstärken und die direkten und indirekten Auswirkungen der Pandemie für die Welt, aber auch für die Schweiz verschärfen.
  3. Im Geiste der von der Schweiz mitinitiierten Resolution 74/270 der UNO-Generalversammlung zur globalen Solidarität bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und der gemeinsamen Ministererklärung der Allianz für Multilateralismus vom 16. April 2020, der sich Bundesrat Ignazio Cassis anschloss, fordern wir, dass dieses internationale Engagement mit der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltigen Entwicklung in Einklang steht. Der Kampf gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen ist eine zusätzliche Herausforderung und sollte die Ziele der nachhaltigen Entwicklung nicht ersetzen. Die Agenda 2030 strebt die Entwicklung von Gesellschaften an, die widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels, den Verlust der biologischen Vielfalt und Gesundheitsbedrohungen sind.
  4. Darüber hinaus fordern wir die Schweiz auf, sich dafür einzusetzen, dass die ärmsten Länder von einem Moratorium oder sogar von einem Erlass der Schulden profitieren, wie von der UNCTAD/UNO verlangt.

Die Unterzeichnenden

Gesellschaft Schweiz-UNO | Association Suisse-ONU | Associazione Svizzera – ONU
Forum Suisse de Politique Internationale
Schweizerische Gesellschaft für Aussenpolitik | Association suisse de politique étrangère | Associazione svizzera di politica estera
Plattform Agenda 2030 | Plateforme Agenda 2030
Fastenopfer | Action de Carême
Schweizerischer Friedensrat, Zürich | Conseil Suisse de la paix, Zurich
PBI Schweiz
Gesellschaft für bedrohte Völker, Schweiz | Société pour les peuples menacés, Suisse
Caritas Schweiz | Caritas Suisse | Caritas Svizzera
Alliance Sud
SWISSAID
FOSIT - Federazione delle ONG della Svizzera italiana
Brot für alle | Pain pour le prochain
Frauen für den Frieden Schweiz
Evangelischen Frauen Schweiz EFS | Femmes protestantes en Suisse FPS
terre des hommes schweiz
Schweizerische Helsinki Vereinigung
FriedensFrauen Weltweit | PeaceWomen Across the Globe
Schweizer Plattform für Friedensförderung KOFF | Plateforme Suisse de Promotion de la Paix
KOFF
fair unterwegs – arbeitskreis tourismus & entwicklung
Fédération vaudoise de coopération (fedevaco)
humanrights.ch
Fondation Terre des hommes
Terre des Hommes Suisse

Medienmitteilung

Rio+20: Schweiz auf Konfrontationskurs

03.05.2012, Agenda 2030

Die Vorverhandlungen in New York im April 2012 zum Uno-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 sind durch einen scharfen Nord-Süd-Konflikt geprägt.

Rio+20: Schweiz auf Konfrontationskurs

Medienmitteilung von Plattform Agenda 2030

Wo kein Wille ist, da ist kein Weg

24.01.2024, Agenda 2030

Der Bundesrat verabschiedete heute seinen Aktionsplan zur Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Einleitend stellt er fest, dass die Umsetzung dieser Strategie zu langsam verläuft. Anstatt konkrete Massnahmen vorzuschlagen, die den notwendigen Wandel beschleunigen, verliert sich der Aktionsplan in weiteren Grundlagenarbeiten. Für die Zivilgesellschaftliche Plattform Agenda 2030 ist klar: wir wissen genug, um handeln zu können!

Wo kein Wille ist, da ist kein Weg

Die bundesrätlichen Berichte der letzten Jahre wiederholen sich: Der Zustand der Biodiversität in der Schweiz verschlechtert sich, die Armut steigt seit Jahren wieder an, unser Ressourcenverbrauch übersteigt die planetaren Grenzen. Der heute publizierte Zwischenbericht zur Umsetzung der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 bestätigt diese Analysen ein weiteres Mal. Und spricht Klartext: Bei vielen Zielen werden die Ziele bis 2030 nicht erreicht werden. Handlungsbedarf wird insbesondere in den Bereichen Armutsreduktion und Gleichstellung, Förderung der Kreislaufwirtschaft, in der Klimapolitik sowie beim Schutz der Biodiversität identifiziert.

Der Zwischenbericht weist auf konkrete Massnahmen hin, die fehlen. So zählt er in den genannten Bereichen Massnahmen zur Verlängerung der Produktnutzungsdauer durch Ökodesign und Fördern von Reparierbarkeit auf, erwähnt die negativen Auswirkungen biodiversitätsschädigender Subventionen, und sieht Handlungsbedarf, um den Energieverbrauch im Bereich Bauen und Mobilität zu senken.

Wer nun erwartet, dass diese Massnahmen Teil des zeitgleich verabschiedeten Aktionsplans 2024-2027 sind, der die Umsetzung der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 in den nächsten vier Jahren voranbringen soll, wird enttäuscht. «Die Verwaltung weiss genau, wo Handlungsbedarf besteht. Bloss fehlt im Bundesrat der politische Wille, in diesen Bereichen wirksame Massnahmen zu ergreifen», so das Fazit von Eva Schmassmann, Geschäftsführerin der Plattform Agenda 2030.

In einem Bereich adressiert der Aktionsplan eine Schwachstelle des Zwischenberichts. «Der bundesrätliche Bericht fokussiert zu stark auf unseren ökologischen Fussabdruck in der Schweiz. Dabei ist unser Fussabdruck im Ausland bereits grösser als der im Inland», so Schmassmann. Eine Massnahme des Aktionsplans will den Auswirkungen unseres Konsums oder unserer Ernährung im Ausland nachgehen, und Vorschläge erarbeiten, um diese sogenannten negativen Spillovers zu reduzieren. Darüber hinaus unterstützt die Plattform die Schaffung eines Netzwerks für soziale, kulturelle und politische Partizipation, das den sozialen Zusammenhalt und partizipative Prozesse fördern will.

Positiv bewertet die Plattform Agenda 2030, ein Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen der Zivilgesellschaft, dass der Zwischenbericht auch Publikationen von bundesexternen Akteurinnen und Akteuren in die Analyse einbezieht, und die Massnahmen des Aktionsplans jeweils auch die Zusammenarbeit mit Kantonen, Gemeinden und Akteur:innen der Zivilgesellschaft betonen. Nachhaltige Entwicklung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die einzelne Akteur:innen nicht alleine bewältigen können.

Medienmitteilung

Die Schweiz lebt auf Kosten der Welt

06.04.2022, Agenda 2030

In ihrem heute veröffentlichten Bericht sieht die Plattform Agenda 2030 die Schweiz nicht auf Kurs für eine nachhaltige Welt. Sie fordert vom Bundesrat mehr Leadership für die notwendige Transformation.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

+41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch
Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

+41 31 390 93 32 laura.ebneter@alliancesud.ch
Die Schweiz lebt auf Kosten der Welt

© Silvia Rohrbach / Plattform Agenda 2030

Medienmitteilung der Plattform Agenda 2030 vom 6. Juli 2022

Sieben Jahre nach Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in New York zieht die Plattform Agenda 2030 – ein Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte, nachhaltiges Wirtschaften, Gender, Frieden, Wohnen und Arbeiten Bilanz: Die Schweiz ist nicht auf Kurs zur Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele. Wir leben auf Kosten der Welt, doch der Bundesrat hat bislang keine Strategie vorgelegt, um die notwendige Transformation hin zu einer Wirtschaft zu bewältigen, welche die planetaren Grenzen einhält. Weltweit und in der Schweiz sind Menschen von der Erfüllung ihrer Grundrechte ausgeschlossen, Hunger und Armut nehmen zu.

Um die 17 SDGs zu erreichen ist eine klare Ausrichtung aller Politikfelder an den Zielen und der Ambition der Agenda 2030 notwendig. Wir fordern effiziente Massnahmen, um die erkannten Defizite rasch anzugehen. Dazu gehört eine Strategie, die aufzeigt, wie die Armut in der Schweiz bis 2030 halbiert werden kann. Oder ein ambitionierter Aktionsplan Biodiversität, der genügend Mittel zur Verfügung stellt, um den Verlust der natürlichen Arten zu stoppen. Notwendig sind auch Vorgaben an den Finanzmarkt, damit Investitionen zum Schutz der Biodiversität und der Menschenrechte beitragen, sowie ein verstärktes Engagement gegen eine Militarisierung und für menschliche Sicherheit auf der ganzen Welt.

Die Plattform Agenda 2030 fordert vom Bundesrat mehr Leadership für nachhaltige Entwicklung. Er muss den notwendigen Mut aufbringen, tatsächlich transformatorische Lösungen zu entwickeln. Mit kosmetischen Anpassungen dem Business as usual ein buntes SDG-Mäntelchen überzuziehen reicht nicht aus. Gefragt ist tatsächliche Transformation, um den Wechsel in eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen.

Die Plattform Agenda 2030 stellt ihren zivilgesellschaftlichen Bericht am Hochrangigen Politischen Forum der UNO vor, das vom 5. bis 15. Juli stattfindet. Sie stellt damit ihre eigenen Analysen und Handlungsempfehlungen dem offiziellen Schweizer Länderbericht gegenüber, den Bundesrat Cassis am 12. Juli dem Forum in New York vorstellen wird. Wir laden den Bundesrat ein, mit uns zusammenzuarbeiten, um die nationale Strategie für nachhaltige Entwicklung 2030 und den dazugehörigen Aktionsplan zu überarbeiten.

Der zivilgesellschaftliche Bericht der Plattform Agenda 2030 steht online zum Download zur Verfügung.

Bilder stehen unter diesem Link zur Verfügung.

Artikel, Global

Spillovers: die unrühmliche Rolle der Schweiz

17.03.2022, Agenda 2030

Umweltverschmutzung, Waffenexporte, Steuerflucht: Die negativen «Spillovers» der Schweiz sind zahlreich und torpedieren die internationalen Bestrebungen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, schreibt Laura Ebneter.

 

Laura Ebneter
Laura Ebneter

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Spillovers: die unrühmliche Rolle der Schweiz

International Spillover Index: Die Schweiz schneidet schlecht ab.
© Sustainable Development Report 2021

Der globalisierte Austausch von Gütern, Kapital und Informationen hat in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Dieser Handel bedeutet auch immer, dass vermeintlich lokale Entscheidungen globale Auswirkungen haben können. So beeinflusst zum Beispiel der ganzjährige Konsum von Tomaten, Gurken und Auberginen in der Schweiz direkt den Gemüsegarten Europas im wüstenartigen Südspanien, wo unter massivem Einsatz von Grundwasser und Pestiziden Lebensmittel unter fragwürdigen Bedingungen produziert werden. Solche Effekte nennt man im Englischen «Spillovers». Von Spillovers wird gesprochen, wenn spezifische Handlungen in einem Land zu negativen Einflüssen in anderen Ländern führen und diese zusätzlich bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele hindern.

Die Agenda 2030 der UNO, die siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung umfasst, versucht diesen Spillover-Effekten Rechnung zu tragen. In der heutigen interdependenten und vernetzten Welt haben sich 2015 alle UNO-Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Agenda 2030 bekannt. Wie sind die nationalen Umsetzungen der Agenda in einer globalisierten Welt machbar? Hier kommen wir an den Spillovers nicht vorbei.

Im jährlich publizierten Sustainable Development Report (SDR) von AutorInnen rund um den US-Ökonomen Jeffrey D. Sachs werden alle 193 UNO-Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Spillovers beurteilt. Diese werden in drei Bereiche aufgeteilt: «Ökologische und soziale Auswirkungen des Handels», «Wirtschaft & Finanzflüsse» sowie «Friedensförderung & Sicherheit». In der neusten Auswertung von 2021 belegt die Schweiz den unrühmlichen 161. Platz. Nur die Vereinigten Arabischen Emirate, Luxemburg, Guyana und Singapur werden bezüglich ihrer Spillover-Effekte schlechter beurteilt. Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz auf dem 30. von 31 Plätzen. Wie ist es möglich, dass die vermeintliche Musterschülerin Schweiz so schlecht abschneidet?

Ökologische und soziale Auswirkungen des Handels

Die Spillovers im Bereich «Handel» umfassen die internationalen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Nutzung natürlicher Ressourcen, der Umweltverschmutzung und den sozialen Auswirkungen, die durch den Konsum von Gütern und Dienstleistungen entstehen. Die Schweiz schneidet beim Import von virtuellem Wasser, Stickstoff, Stickstoffdioxid und Kohlenstoffdioxid sowie bei der Gefährdung der Biodiversität in Ökosystemen sehr schlecht ab. Diese teilweise unsichtbaren Nebenprodukte entstehen in der gesamten Wertschöpfungskette: bei der Produktion und Anwendung von Pestiziden und Kunstdüngern, der Bewässerung, der Verwendung von Verbrennungsmotoren für die Produktion und den Transport und viele mehr. Wer den internationalen Zahlen nicht glauben möchte, kann sich zusätzlich auf das nationale Monitoring MONET 2030 des Bundesamts für Statistik beziehen: Auch da ist eine Abnahme des hohen Material-Fussabdrucks oder des Treibhausgas-Fussabdrucks nicht absehbar.

Es ist naheliegend, dass kleine, ressourcenarme Länder auf Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland angewiesen sind. Umso wichtiger ist es, diese Handelsbeziehungen nachhaltig zu gestalten. Die Antwort des Bundesrats auf eine Interpellation von Nationalrat Roland Fischer (glp) zur Reduktion der Spillover-Effekte der Schweiz ist so bescheiden wie die Reduktion ihres Fussabdrucks: Die Schweiz setze sich dafür ein, dass sich die UNO ambitionierte Ziele für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster setzt. Zudem setze sich die Schweiz für Kreislaufwirtschaft ein, zu welcher bis Ende 2022 entsprechende Massnahmen erarbeitet würden. Ob diese zu einer signifikanten Reduktion des Schweizer Material- und Treibhausgas-Fussabdrucks beitragen, bleibt offen.

Die internationalen Bestrebungen zur Sicherstellung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten sind bei weitem vielversprechender. Mit der kürzlich verabschiedeten Resolution des UNO-Menschenrechtsrates soll das Grundrecht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt festgeschrieben werden (siehe auch Artikel im «global #84) . Frankreich und Deutschland zeigen mit der loi relative au devoir de vigilance und dem Lieferkettengesetz ähnliche Bestrebungen. Im Vergleich dazu wird deutlich, was der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative tatsächlich zu «leisten» vermag: unbedeutende Hochglanzbroschüren, produziert von den Marketingabteilungen der Grosskonzerne.

Wirtschaft und Finanzflüsse

Im Bereich «Wirtschaft und Finanzflüsse» schneidet die Schweiz bei allen vier Indikatoren schlecht bis sehr schlecht ab. Die Probleme liegen auf der Hand: Die öffentlichen Entwicklungsausgaben liegen mit 0.48% des Bruttonationaleinkommens nach wie vor unter den in der Agenda 2030 verankerten 0.7%. Der Finanzplatz Schweiz ist nach wie vor ein Fluchthafen für Steuerflüchtlinge. Der automatische Informationsaustausch zu Finanzkonten ist nur bedingt sichergestellt. Und zu guter Letzt ist es für multinationale Unternehmen in der Schweiz nach wie vor möglich, Steueroptimierung auf Kosten der Ärmsten zu betreiben. Ohne konkrete Massnahmen gegen Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverschiebungen von Unternehmen in Tiefsteuergebiete wird die Schweiz ihrer Verantwortung gegenüber den ärmeren Ländern nicht gerecht.

Friedensförderung und Sicherheit

Der dritte Bereich «Friedensförderung und Sicherheit» umfasst die negativen und destabilisierenden Auswirkungen, welche Waffenexporte auf ärmere Länder haben können. Auch in diesem Bereich schneidet die Schweiz aufgrund ihrer Waffenexporte sehr schlecht ab. Seit der Publikation des SDR wurde aber ein erster Schritt in die richtige Richtung unternommen: Der Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative stellt sicher, dass kein Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer oder Länder, in welchen Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden, exportiert wird. Die Export-Regelung wird auf Gesetzesebene verankert und übergibt damit die notwendige, demokratische Kontrolle über Kriegsmaterial-Lieferungen an die Bevölkerung und das Parlament.

Die bedeutende Rolle der kleinen Schweiz

Der Sustainable Development Report wird immer wieder wegen ungenügender, lückenhafter Datenlage und der Wahl der Indikatoren kritisiert. Doch diese sollen nicht von der globalen Verantwortung der Schweizer Politik, der hiesigen Wirtschaft und Bevölkerung ablenken. Alle müssen sicherstellen, dass die politischen Entscheidungen in der Schweiz zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung beitragen und nicht zu Wasserverschmutzung, Armut oder Vertreibung führen. Denn die Spillovers der reichen OECD-Länder haben nicht nur einen negativen Einfluss auf andere Länder, sie verhindern auch die internationalen Bemühungen zur Erreichung der Agenda 2030.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

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Schweizer Zivilgesellschaft organisiert sich

11.01.2017, Agenda 2030

Alliance Sud, Gewerkschaftsbund, KOFF und Umweltallianz möchten eine breite Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Agenda 2030 anstossen. Überblick über die erste gemeinsame Konferenz.

Schweizer Zivilgesellschaft organisiert sich

Download der «Conference Proceedings» der Tagung vom 18. Oktober 2016 in Bern.

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Weltsozialforum: Für eine andere Globalisierung

07.02.2017, Agenda 2030

2001 fand in Porto Alegre das erste Weltsozialforum (WSF) statt. Es verstand sich auch als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Für Alliance Sud ist es eine wichtige Plattform der Kritik an der neoliberalen Globalisierungspolitik.

Weltsozialforum: Für eine andere Globalisierung

Auch strömender Regen ist kein Hindernis, sich für eine andere Welt einzusetzen. Tunis, März 2015.
© Daniel Hitzig

Als sich 1999 die Wirtschafts- und Handelsminister der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle versammelten, kam es zu massiven Protesten. Angeführt von Gewerkschaften protestierten Tausende gegen die vorherrschende neoliberale Globalisierungspolitik und die damit einhergehende Ausbeutung von ArbeiterInnen in Billiglohnländern, ohne dass Sozial-, Umwelt- und Menschrechtsstandards in diesen Ländern ernsthaft diskutiert wurden.

Seit 1987 treffen sich in Davos unter dem Label World Economic Forum (WEF) führende VertreterInnen aus Wirtschaft und Politik, um hinter verschlossenen Türen und in informellem Rahmen über die Organisationen der Weltwirtschaft zu diskutieren. Die grosse Mehrheit von ihnen stammte und stammt bis heute aus den traditionellen Industrieländern.

Die KritikerInnen formieren sich

Als Gegenbewegung zu diesem Zirkel aus EntscheidungsträgerInnen wurde 2001 das Weltsozialforum (WSF) in Porto Alegre gegründet, einer Hochburg der brasilianischen Arbeiterpartei (PT). Rund 1000 Organisationen und über 12‘000 TeilnehmerInnen diskutierten unter dem Motto «Eine andere Welt ist möglich», wie eine «Globalisierung von unten» aussehen würde. Im Jahr darauf versammelten sich bereits rund 60‘000 Menschen aus allen Kontinenten in Porto Alegre.

Seither fand (ausser 2014) jedes Jahr ein – zum Teil auch dezentral veranstaltetes –Weltsozialforum statt. 2004 erstmals in Asien (Mumbai), 2007 erstmals in Afrika (Nairobi) und 2013 sowie 2015 im Nachgang des Arabischen Frühlings in Tunis. Aus naheliegenden Gründen stammte die Mehrheit der Teilnehmenden jeweils aus dem gastgebenden Land bzw. Ländern der jeweiligen Region. Neben dem WSF fanden zudem seit 2001 in zahlreichen Ländern und Regionen sogenannte Sozialforen statt, die sich inhaltlich an den Fragestellungen des WSF orientierten. Nicht nur Basisgruppen aus sozialen Bewegungen, auch global agierende NGOs und Think Tanks nutzen die Foren zum Austausch und zum Ausbau bestehender oder dem Aufbau neuer Kontakte.

Ungewisse Zukunft des WSF

Für 2016 entschied sich die Organisation, das WSF erstmals in der nördlichen Hemisphäre, im kanadischen Montreal, durchzuführen. Der Entscheid stiess auf Kritik, denn für viele Interessierte aus dem globalen Süden waren Anreise und Aufenthalt schlicht nicht zu finanzieren, andere wurden wegen Visa-Beschränkungen nicht ins Land gelassen.

Alliance Sud sah 2016 von der Organisation der Reise einer Schweizer Delegation ans WSF ab. In den Jahren zuvor hatte Alliance Sud – jeweils in enger Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation E-CHANGER – eine Delegation mit VertreterInnen aus Gewerkschaften, Politik, NGOs und interessierten Medien organisiert und mit Süd-NGOs aus ihrem Netzwerk auch eigene Workshops etwa zu Welthandelsfragen durchgeführt.

Auch wenn aktuell eine Rückkehr des WSF nach Lateinamerika diskutiert wird, so scheint die Dynamik und Mobilisierungskraft der Gründerjahre des WSF heute gebremst. Die Gründe dafür sind vielfältig: In Lateinamerika haben fortschrittliche Regierungen in den 2000er-Jahren in Sachen sozialer Ausgleich zwar vieles erreicht, einigen Kredit seither aber auch wieder verspielt. Während die Gründer-Generation des WSF in die Jahre gekommen ist, versuchen heutige AktivistInnen auf allen Kontinenten mit neuen Formen der Mobilisierung – etwa über soziale Medien – dem WSF-Motto «Eine andere Welt ist möglich» zum Durchbruch zu verhelfen. Die Wahl des neuen Präsidenten Trump könnte der WSF-Bewegung, die sich seit jeher auch gegen Diskriminierung und für den Frieden eingesetzt hat, aber durchaus neuen Schwung verleihen.