Medienmitteilung

Bundesrat will nach 2030 mehr CO2 im Ausland kompensieren

12.09.2025, Klimagerechtigkeit

Mit dem heutigen Entscheid zur Klimapolitik nach 2030 will der Bundesrat die CO2-Emissionen im Inland derart ungenügend reduzieren, dass die absolute Menge an CO2-Kompensationszertifikaten aus dem Ausland weiter ansteigen muss, um die gesetzlich festgelegten Ziele zu erreichen. Der Bundesrat ignoriert zudem die internationale Klimafinanzierung und weitere Hebel für den weltweiten Klimaschutz.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Bundesrat will nach 2030 mehr CO2 im Ausland kompensieren

Keine Massnahmen zur Luftfahrt, einem starken inländischen Hebel zur Emissionsreduktion. Stattdessen setzt der Bundesrat weiter auf Kompensationen im Ausland. © Keystone / Christian Merz

Die Kommunikation des Bundesrats zum heutigen Entscheid, wie die Schweiz ihre Klimaziele bis 2040 erreichen soll, ist irreführend. Der Bundesrat spricht davon, dass der Anteil der Inlandmassnahmen ausgebaut werden soll, verschweigt aber, dass die CO2-Kompensation im Globalen Süden als Instrument der Schweizer Klimapolitik weiter an Bedeutung gewinnt. Der Ausbau der Inlandmassnahmen klingt erst einmal gut, denn er ist dringend notwendig. Als «Anteil» formuliert, bedeutet er aber de facto keinen Rückgang der Auslandkompensation – im Gegenteil. In absoluten Zahlen erlaubt diese Formulierung dem Bundesrat einen Anstieg der Auslandkompensation von 9 Mio. Tonnen CO2eq im Jahr 2030 auf bis zu 13 Mio. Tonnen CO2eq im Jahr 2040, um das Reduktionsziel zu erreichen. Das würde bedeuten, dass die Schweiz im Jahr 2040 im Inland bis zu doppelt so viele Emissionen ausstossen würde, wie es ihr Reduktionsziel erlaubt (s. Grafik) – eine verheerende Fehlplanung.

«Der Bundesrat plant de facto einen Ausbau der CO2-Kompensation im Globalen Süden, anstatt die Dekarbonisierung der Schweiz endlich zu beschleunigen. Das ist unverantwortlich, denn für ein globales Netto-Null-Ziel 2050 müssten Länder wie die Schweiz bei der Emissionsreduktion vorangehen. Nur so bleibt Spielraum für die wachsenden CO2-Emissionen ärmerer Länder, ohne dass die Klimakrise vollends aus dem Ruder läuft», sagt Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

 

Mit dem CO2-Gesetz und der Verordnung bis 2030, die seit Anfang 2025 in Kraft sind, sollen zwei Drittel des Emissionsreduktionsziels von 50% im Inland geleistet werden. Der Anteil der CO2-Kompensation im Ausland beträgt also ein Drittel, was ungefähr 9 Mio. t CO2eq im Jahr 2030 entspricht. Wenn der Bundesrat davon spricht, bis 2040 den Anteil der Inlandmassnahmen ausbauen zu wollen, heisst das nur, dass die Auslandkompensation im Jahr 2040 wieder höchstens ein Drittel betragen darf. Dies entspricht bei einem Reduktionsziel von 75% bis 2040 bis zu 13 Mio. t CO2eq, die im Ausland kompensiert würden. Der Bundesrat hat also entschieden, im Jahr 2040 bis zu doppelt so viele Emissionen in der Schweiz zuzulassen als das Reduktionsziel es vorschreibt.

 

 

Alliance Sud und Forschungseinrichtungen haben immer wieder aufgezeigt, warum die Schweiz mit der CO2-Kompensation im Ausland auf dem Holzweg ist:

  • Eine ETH-Studie, die über 2000 bestehende Kompensationsprojekte analysiert hatte, kam zum Schluss, dass nur 12% der gehandelten Zertifikate effektive Emissionsreduktionen bewirken. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich und schon gar nicht lückenlos nachweisbar, dass die Schweiz mit Kompensationsprojekten den Ausstoss eigener Emissionen ausgleichen könnte.
  • Der Schweizer Ansatz, im Ausland billige Zertifikate zu kaufen statt daheim zu reduzieren, wird international kritisiert. Bereits die ersten bilateralen Kompensationsprojekte der Schweiz, die sie an das gegenwärtige Reduktionsziel bis 2030 anrechnen möchte, stehen in der Kritik. Dies wegen Verletzung von Arbeiter:innenrechten, zu hohen Prognosen der Emissionsreduktionen, Zweifeln an der Zusätzlichkeit oder der Durchführbarkeit der Projekte. 
  • Die Verpflichtung, die Schweizer Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren, verschwindet nicht. Wenn sich die Schweiz bis 2040 Zeit nimmt, ihre Inlandemissionen um 50% zu reduzieren (s. Grafik), hat sie in 50 Jahren 50% reduziert und muss dann in nur 10 Jahren die anderen 50% reduzieren. 

Kein Effort für die weltweite Klimapolitik

Obwohl es offensichtlich ist, dass es für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius grosse weltweite Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen braucht, lässt der Bundesrat keinerlei Motivation für Anstrengungen in diese Richtung erkennen. Im heutigen Entscheid fehlen jegliche Hebel, welche die Schweiz zur Reduktion weiterer Emissionen weltweit hat, sei es der Schweizer Finanzplatz, die Luftfahrt oder die importierten Emissionen.

Der Bundesrat schweigt auch zur internationalen Klimafinanzierung, obwohl sich diese aus wissenschaftlicher Sicht lohnt, wie kürzlich über 100 Schweizer Wissenschaftler:innen betont haben. Alliance Sud fordert, dass die Schweiz sich bereits bis 2030 mit 1% am neuen internationalen 300-Milliarden-Ziel beteiligt, das für Klimaschutz und -anpassung in ärmeren Ländern beschlossen wurde. «Erträge aus dem Emissionshandelssystem sollten auch für die Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung genutzt werden», sagt Delia Berner.

Für weitere Informationen:
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch