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Glencore und die hürdenreiche Schliessung der Prodeco-Mine
18.06.2025, Handel und Investitionen
Wenige Jahre nach dem Rückzug von Glencore aus der Prodeco-Mine hat die kolumbianische Regierung ihre endgültige Schliessung beschlossen. Die lokalen Gemeinschaften fordern nun eine Mitsprache im Schliessungsprozess. Unterstützt werden sie von der Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien, die ihre Tätigkeit nach fast 40 Jahren einstellen wird. Ihr Generalsekretär Stephan Suhner nahm Ende Mai an der Generalversammlung des Schweizer Rohstoffmultis teil.

Nach der Schliessung der Prodeco-Mine ohne Einbezug der lokalen Gemeinschaften bleiben eine soziale Krise und versehrter Lebensraum. © Stephan Suhner
Hat der Kohleabbau zwangsläufig negative Auswirkungen auf die Umwelt und die lokalen Gemeinschaften oder kann er auch umweltschonend betrieben werden? Auf diese komplexe Frage gibt die Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien (ask!) seit ihrer Gründung im Jahr 1987 nuanciert Antwort. Alliance Sud arbeitet eng mit der ask! zusammen und bedauert, dass diese – aufgrund eines unzureichenden freiwilligen Engagements – ihre Aktivitäten demnächst einstellen wird.
Ihr Fachstellenleiter Stephan Suhner steht in stetem Austausch mit den Gemeinschaften vor Ort, aber auch mit Glencore in der Schweiz. Denn der Konzern mit Sitz in Zug betreibt in Kolumbien drei Kohleminen und ist mit nicht weniger als neun Tochtergesellschaften präsent. Der letzte Kampf des unermüdlichen Aktivisten vor seinem Ruhestand ist jener um die Schliessung der Prodeco-Mine im Departement Cesar. In der Mine wurde 25 Jahre lang Kohle abgebaut, bis die Betreibergesellschaft Glencore im Jahr 2021 bekannt gab, ihre Anteile an den kolumbianischen Staat zurückverkaufen zu wollen. Glencore argumentierte, der Kohleabbau sei nicht mehr rentabel. Nach drei Jahren der Ungewissheit beschloss die Regierung von Gustavo Petro die endgültige Schliessung der Mine.
Absprache mit den Gemeinschaften gefordert
Laut ask! hat diese Entscheidung eine beispiellose soziale Krise ausgelöst. Die Einwohnerschaft ist gespalten in zwei Lager: Für das eine – die Bergleute selbst, aber auch Menschen, die in nebengelagerten Bereichen der Mine arbeiteten, darunter viele Frauen – war die Mine eine wichtige Einkommensquelle; das andere lehnt den Bergbau grundsätzlich ab. Die Gewaltspirale begann sich zu drehen und in diesem explosiven Klima entzündeten sich Proteste, die von bewaffneten Gruppen niedergeschlagen wurden.
Die Gemeinschaften und Gewerkschaften haben sich daher zusammengeschlossen und beharren auf ihrem Mitspracherecht im Schliessungsprozess. Sie fordern einen transparenten und menschenrechtskonformen Ablauf und die Behebung der verursachten Umweltschäden durch die ehemalige Betreiberin Glencore.
Glencore schweigt
«An der Generalversammlung am 28. Mai erkundigte ich mich nach dem Stand der Konsultationen rund um den Schliessungsplan der Prodeco-Mine, da sich die Gemeinschaften vermehrt über das Schweigen von Glencore beschwert haben», so Stephan Suhner. «Darauf antwortete mir Glencore, der Prozess sei im Gang, die Gemeinschaften seien konsultiert worden und würden auch weiterhin involviert.»
Diese Erklärung folgte auf eine Klage der NGO Tierra Digna, in der Glencore vorgeworfen wurde, die Beteiligungsrechte der Gemeinschaften nicht zu respektieren. Sie wurde von den nationalen Gerichten und letztlich vom Verfassungsgericht in einem Urteil vom 4. Februar 2025 gutgeheissen. Seitdem haben drei Informationsveranstaltungen mit den drei von der Mine betroffenen Gemeinschaften stattgefunden, und Glencore hat versprochen, mit jeder Gemeinschaft insgesamt 30 solcher Veranstaltungen abzuhalten.
Gerechter Schliessungsplan
Aber ist es denn nicht paradox, gegen den Bergbau zu sein und sich zu beschweren, wenn eine Mine geschlossen wird? «Nein», antwortet uns Stephan Suhner. «Die ask! hat immer die Art und Weise kritisiert, wie Glencore in Kolumbien operiert, nicht die Existenz der Minen als solche. Wir haben zum Beispiel nie die Schliessung von Cerrejon gefordert, wie es andere nationale NGOs wie CAJAR taten. Wir verlangten die Konsultation der Gemeinschaften zur Erweiterung der Mine, jedoch nie den Rückzug von Glencore aus Kolumbien. Auch haben wir betont, dass die Schliessung soziale Probleme mit sich bringt und dass ein Plan B unabdingbar ist, einschliesslich alternativer Einkommensquellen. Wie unsere Partner vor Ort fordern wir, dass die Schliessung der Mine auf faire, transparente, partizipative und menschenrechtskonforme Weise erfolgt.»
Umstrittene Einzelumsiedlungen von drei Dörfern
Ein von der ask! eingeladener Vertreter der Asamblea Campesina del Cesar machte die Generalversammlung von Glencore auf die Probleme im Zusammenhang mit der Umsiedlung von drei Dörfern aufmerksam. Im Jahr 2010 ordnete das kolumbianische Umweltministerium aufgrund der Umweltverschmutzung durch die Mine Kollektivumsiedlungen an. Alle Bewohner:innen sollten gemeinsam in ein Gebiet umgesiedelt werden, an dem die grundlegenden sozialen Dienstleistungen wie Schule, medizinische Versorgung etc. vorhanden sein würden. Stattdessen wurden Einzelumsiedlungen durchgeführt, die den Zusammenhalt des Dorfes untergruben und es den Bewohner:innen, von denen viele in die nahegelegene Stadt Santa Marta umgesiedelt wurden, erheblich erschwerten, wieder eine Tätigkeit aufzunehmen.
Glencore mit Rekordzahl von Klagen gegen Kolumbien
Die kolumbianischen Gerichte einschliesslich Verfassungsgericht urteilen in Umwelt- und Menschenrechtsbelangen oft fortschrittlich. Glencore zögert jedoch nicht, deren Urteile unter Berufung auf das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien vor Schiedsgerichten anzufechten. Bisher sind vier Klagen des Schweizer Multis bekannt; die letzte stammt aus dem Jahr 2023 und betrifft die Prodeco-Mine. Aufgrund der Undurchsichtigkeit des internationalen Schiedsgerichtssystems sind aber weder ihr Inhalt noch die Höhe der Entschädigung bekannt, die Glencore vom kolumbianischen Staat fordert. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie die Schliessung der Mine zum Thema hat.
Alliance Sud fordert Investitionsschutzabkommen, die es dem Gaststaat erlauben, im öffentlichen Interesse zu regulieren
Im Jahr 2023 nahm Alliance Sud an einer internationalen Mission nach Kolumbien teil, um den Staat aufzufordern, seine Investitionsabkommen zu kündigen oder zumindest den Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten durch Schiedsverfahren auszuschliessen.
Während unseres Aufenthalts kündigte die Regierung von Gustavo Petro ihre Absicht an, alle ihre Investitionsabkommen neu zu verhandeln, angefangen mit dem Abkommen mit der Schweiz. Die Verhandlungen sind im Gang und Alliance Sud wird weiterhin Druck ausüben, damit das neue Abkommen, sollte es denn zustande kommen, Kolumbien die Einführung neuer Sozial- und Umweltstandards erlaubt, ohne eine Schiedsgerichtsklage durch einen Schweizer Konzern befürchten zu müssen.