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Investitionsschutz: Philip Morris gegen Uruguay

04.08.2016, Handel und Investitionen

2010 klagte Philip Morris gegen Uruguay wegen seiner Antitabak-Gesetzgebung. Der Tabakmulti verlangte eine Entschädigung von 25 Mio. Dollar. Am 8. Juli 2016 erhielt Uruguay Recht – für Alliance Sud hätte es dieses Verfahren nie geben dürfen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Investitionsschutz: Philip Morris gegen Uruguay

© I-vista/pixelio.de

Alliance Sud, wie auch zahlreiche NGO und Regierungen namentlich aus Lateinamerika, setzen sich seit Jahrzehnten gegen Investitionsschutzabkommen ein, die den Investoren Rechte, den Staaten aber nur Pflichten auferlegen. Diese Abkommen führen in letzter Zeit immer häufiger dazu, dass Multis gegen Staaten vorgehen und dabei öffentliche Interessen, sei es im Gesundheits- oder im Umweltbereich, mit Füssen treten.

Angriff wegen Antitabak-Gesetz

Der Fall von Uruguay ist in dieser Hinsicht beispielhaft. 2010 klagte Philip Morris vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einem Schiedsgericht der Weltbank. Im Juli 2013 erklärte sich das ICSID zuständig für die Beurteilung des Falls.

Philip Morris forderte 25 Millionen Dollar, weil Uruguay ein seiner Meinung nach zu restriktives Antitabak-Gesetz eingeführt hatte. Der bekannteste Zigarettenhersteller der Welt, dessen operativer Hauptsitz in der Schweiz liegt, focht eine Verordnung Uruguays an, die verfügte, dass an einer Verkaufsstelle nur jeweils eine Sorte einer Marke (z. Bsp. Marlboro rot, gold oder silber) angeboten werden darf und das 80% der Oberfläche eines Päckchens durch den Warnhinweis vor der Nikotinsucht bedeckt sein soll. Seine Klage stützte Philip Morris auf das Investitionsschutzabkommen, das seit 1991 zwischen der Schweiz und Uruguay in Kraft ist.

Die Schweiz kann und muss intervenieren

2014 verlangte Alliance Sud von der Schweiz, dass sie eine Auslegungsnote zur Klage von Philip Morris gegen Uruguay verfassen soll.  Ein solches Gutachten hätte die Frage klären sollen, ob Uruguay aufgrund des Investitionsschutzabkommens Massnahmen gegen die Nikotinsucht treffen darf. 

Das Abkommen schreibt nämlich vor, dass beiden Staaten das Recht vorbehalten bleibt, wirtschaftliche Tätigkeiten zu unterbinden, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Bern hat darum eine spezielle Verantwortung in diesem Fall und muss handeln. Es muss darauf beharren, dass die Vertragspartner im Respekt internationaler Konventionen alle Regulierungsmassnahmen treffen dürfen, die dem öffentlichen Interesse dienen, ohne dass damit gleichzeitig Sanktionen durch ausländische Investoren riskiert werden müssen.

Erfolg auf der ganzen Linie für Uruguay

Am 8. Juli hatte das Warten ein Ende: Das ICSID gab Uruguay in sämtlichen Punkten recht und verurteilte Philip Morris zur Bezahlung sämtlicher Gerichts- und Prozesskosten in der Höhe von 7 Millionen Dollar. Alliance Sud und die NGO Amigos de la Tierra (Uruguay) begrüssten dieses Urteil, unterstrichen aber, dass es gar nie zu diesem Verfahren hätte kommen dürfen. Es hatte eine abschreckende Wirkung auf weitere Antitabak-Massnahmen in Uruguay selbst, aber auch auf Gesetzgebungen in anderen Ländern wie Costa Rica, Paraguay oder Neuseeland. Ohne den starken politischen Willen des uruguayischen Präsidenten Vazquez und die finanzielle Unterstützung einer privaten Stiftung hätte sich Uruguay möglicherweise bereits 2010 dem Druck von Philip Morris gebeugt. Der Streitschlichtungsmechanismus zwischen Investor und Staat ist unausgewogen und muss abgeschafft werden. Stattdessen wollen die Staaten diesen Mechanismus in der Transatlantischen Handel und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU einführen, so wie er schon in der Transpazifischen Partnerschaft (TTP) und im Vertrag zwischen der EU und Kanada (CETA) verankert Fall ist.