Artikel

Tansania plant Abbau der grössten Nickel-Vorkommen

19.03.2021, Handel und Investitionen

Die tansanische Regierung hat mit einem britischen Konzern ein Abkommen über den Nickel-Abbau unterzeichnet, das die Aufteilung der Gewinne zu gleichen Teilen regelt. Staatliche Eingriffe sind auch im benachbarten Sambia zu beobachten.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Tansania plant Abbau der grössten Nickel-Vorkommen

Zwei Fischer paddeln an dem unter der Flagge der Marshallinseln fahrenden Tanker «Miracle» vorbei, nachdem dieser am 13. Februar 2016 in der Hafenmündung von Daressalam auf Grund gelaufen war.
© Daniel Hayduk / AFP

Im Schein der untergehenden Sonne tuckert die Fähre von Sansibar in den Hafen von Daressalam, der Wirtschaftsmetropole Tansanias, die sich seit ihrer Namensgebung durch den Sultan von Sansibar im Jahr 1866 «Haus des Friedens» nennt. Hinter dem Glockenturm der Kathedrale sind die Hochhäuser der Geschäftsviertel Kisutu und Geresani zu erkennen. Am gegenüberliegenden Ufer brechen die Fischer zu einer langen, anstrengenden Nacht auf dem indischen Ozean auf.

Der Hafen der Stadt soll zum grössten Zentral- und Ostafrikas ausgebaut werden und sogar jenen von Durban in Südafrika in den Schatten stellen. Die geografische Lage Tansanias ist einzigartig: Das Land bietet sechs Binnenländern – Uganda, der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda, Burundi, Sambia und Malawi – den direktesten Zugang zum Meer. Die Ausbauarbeiten schreiten rasch voran und schon bald werden hier grosse Frachtschiffe anlegen können. Laut der Daily News, einer von zwei englischsprachigen Tageszeitungen, ist der Ausbau von sieben Liegeplätzen durch die China Harbour Engineering Company bereits zu 90% abgeschlossen. Ausserdem ist China dabei, mit Beteiligung eines omanischen Investmentfonds in Bagamoyo, der ehemaligen Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas, einen grossen Hafen zu errichten.

Umschlagplatz für Rohstoffe

Aus dem Hafen werden die in Tansania abgebauten Mineralien, deren Volumen markant ansteigen dürfte, exportiert. Am 19. Januar unterzeichnete die Regierung ein Abkommen mit dem britischen Konzern Kabanga Nickel, dessen Zweck der Abbau der weltweit grössten Vorkommen des Minerals ist, das insbesondere in der Automobilindustrie und in Batterien Verwendung findet. Einige Beobachter vor Ort geben sich enthusiastisch und muten Tansania gar zu, über den Schlüssel für eine kohlenstoffarme Weltwirtschaft zu verfügen.

Das Joint-Venture mit dem Namen Tembo Nickel Corporation hat sich zum Abbau von Nickel und dem Bau einer Raffinerie für das Einschmelzen vor Ort verpflichtet. Dieser Ansatz deckt sich mit der politischen Ausrichtung Tansanias, Mineralien zu veredeln, statt sie im Rohzustand zu exportieren. Kabanga Nickel ist mit 84% Anteil Mehrheitsaktionär der neuen Gesellschaft, während die restlichen 16% auf die Regierung entfallen – was der üblichen Beteiligung Tansanias an Bergbauvorhaben entspricht. Das Land erhofft sich daraus Jahreserträge von 664 Millionen USD. Der Gewinn entfällt zu gleichen Teilen auf die Regierung und das britische Unternehmen.

Pikantes Detail: Die Schürfrechte gehörten zuvor dem Schweizer Konzern Glencore und der kanadischen Barrick Gold; 2018 kündigte Präsident John Magufuli nach einer Anpassung des Steuerregimes und der Bergbau-Gesetzgebung, wonach dem Staat ein grösserer Teil des Einkommens zufällt, jedoch die Förderlizenzen der beiden Unternehmen sowie von zehn weiteren Investoren im Land.

Langfristig sollen vor Ort Batterien produziert werden

Tansania beabsichtigt ausserdem, Investoren für die lokale Produktion von Batterien zu gewinnen. Der gesamte Ertrag des Bergbauvorhabens soll in den tansanischen Banken verbleiben; Massnahmen zur Beschränkung des Mittelabflusses sind vorgesehen. Der Bergbau macht 3,5% des Bruttonationaleinkommens Tansanias, dem drittgrössten Goldproduzenten Afrikas, aus. Diesen Anteil will die Regierung bis 2025 auf 10% erhöhen.

Den Kern der Entwicklungsstrategie des inzwischen vertorbenenen Präsidenten John Magufuli, die bis 2025 ein jährliches Wachstum von 8% und die Schaffung von 8 Millionen Arbeitsplätzen im formellen und informellen Sektor anstrebt, bildet die Förderung von ausländischen wie auch inländischen Investitionen. Das Land möchte seine Industrialisierung fortsetzen. In der Ausgabe von «The Citizen» vom 4. Januar bekräftigte Kitila Mkumbo, Staatsminister für Investitionen, dass «die tansanische Regierung bestrebt sei, das Geschäfts- und Investitionsklima zu verbessern, um in- und ausländische Investitionen zu mobilisieren, zu halten und zu fördern». Grundlage dafür ist der Leitplan für Regulierungsreformen zur Verbesserung des Geschäftsumfelds in Tansania. Durch letzteren soll Überregulierung abgebaut, die Regierungskontrolle jedoch nicht geschwächt werden. Gleichzeitig sollen durch die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle Investitionen rascher und kostengünstiger abgewickelt werden können. Tansania ist ausserdem bestrebt, seine Platzierung im Doing Business Report der Weltbank zu verbessern (derzeit Platz 141 von 190); letzteren hatte Alliance Sud kürzlich kritisiert, weil ein Land umso besser dasteht, je stärker es zu Lasten von Rechten der ArbeitnehmerInnen und von Umweltschutz dereguliert.

DorfbewohnerInnen in Sambia entschädigt

Im Hafen von Daressalam werden auch Rohstoffe aus den Nachbarländern umgeschlagen, angefangen bei Sambia, einem bedeutenden Kupferexportland. Von dort erreicht uns eine interessante Nachricht: Am 19. Januar erklärte sich der britische Bergbaugigant Vedanta bereit, 2’500 DorfbewohnerInnen zu entschädigen, nachdem der oberste Gerichtshof Grossbritanniens in einem wegweisenden Urteil entschieden hatte, dass diese aufgrund der von Vedantas indischer Tochtergesellschaft Konkola verursachten Umweltverschmutzung vor britische Gerichte ziehen können. Eine Möglichkeit, die in der Schweiz bei Annahme der Konzernverantwortungsinitiative ebenfalls geschaffen worden wäre.

Ist das nicht eine gute Nachricht? – «Aussergerichtliche Einigungen sind immer zwiespältig», sagt Rita Kesselring, Sozialanthropologin an der Universität Basel und Spezialistin für Bergbaufragen in Afrika: «Einerseits bringen sie eine willkommene Erleichterung für die KlägerInnen, in diesem Fall arme Familien, deren Lebensgrundlage durch die von der Konkola-Mine verursachten Schäden teilweise zerstört worden ist. Andererseits verhindern diese Vergleiche die Schaffung eines wichtigen gerichtlichen Präzedenzfalls in Bezug auf von Unternehmen verursachtes Unrecht.»

Mischung aus Verstaatlichung und Teilprivatisierung

Kürzlich hat die sambische Regierung die Mine «vorübergehend» geschlossen, mit der Begründung, Konkola habe sie nicht ordnungsgemäss betrieben (was auch die Sammelklage vor den britischen Gerichten belegt). Danach teilte sie das Unternehmen auf und verkaufte 49% der Schmelzhütte an einen Investor. «Was wir hier sehen, ist eine Art 'Verstaatlichung', begleitet von einer 'Teilprivatisierung'. Ähnliches geschah Mitte Januar mit der Mopani-Mine; in diesem Fall erwarb die Regierung die Mine jedoch mit einem Darlehen von Glencore. Die sambische Regierung strebt an, sich stärker an der Bergbauindustrie im Land zu beteiligen; die Beispiele Konkola und Mopani lassen erahnen, welche Form dies annehmen könnte. Es gibt einige interessante Parallelen zu Tansania», ergänzt Rita Kesselring.

Für die Wissenschaftlerin ist dies eine vielversprechende Entwicklung, deren Realisierbarkeit jedoch von einer Reihe von Faktoren abhängt, über die wir derzeit wenig wissen: Wer ist für die Beseitigung der Verschmutzung verantwortlich, die diese Minen in den letzten zwanzig Jahren verursacht haben? Sowohl Konkola als auch Mopani weisen eine sehr schlechte Bilanz auf, die im Fall von Mopani sogar von einem sambischen Gericht bestätigt worden ist.

Die Frage nach der sozialen Verantwortung der Unternehmen bleibt deshalb unbeantwortet.