Artikel

Froschhüpfen mit der Sonne

29.11.2025, Klimagerechtigkeit

Trump will im geopolitischen Ringen um Technologieführerschaft dem erstarkenden China Einhalt gebieten. Doch unter dem notorischen Klimaleugner ist die USA bei der zentralen Solartechnologie schon heute im Rückstand. China hingegen stattet Afrika fleissig mit Solarpanels aus – und damit den Kontinent mit dem grössten Bedarf nach Elektrisierung durch Erneuerbare.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Froschhüpfen mit der Sonne

Auf dem afrikanischen Kontinent ist der Bedarf an verlässlichem Strom enorm. Ein Mann präsentiert ein Solarpanel zum Verkauf in einem Geschäft in Abuja, Nigeria. © Keystone/AP/Olamikan Gbemiga

An der COP30 in Belém sprach auch der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Er beklagte, dass Trump die USA zu einer «Fussnote in der Klimapolitik» mache. Der kenyanische Wissenschaftler und Klimaaktivist Mohamed Adow kommentierte dies gegenüber BBC als «Akt der Selbst-Sabotage», denn letztendlich werde das dazu führen, dass die USA «die Energie der Zukunft verpassen».

Tatsächlich, während sich die USA in allen möglichen Bereichen in einem Tech-Wettkampf mit China sehen, den sie unbedingt gewinnen wollen, ist bei der Solartechnologie der Film gelaufen. Drei Viertel aller jemals seit 2010 produzierten Solarpanels stammen aus China, in den letzten Jahren liegt dieser Anteil deutlich höher. Möglich wurde dies, weil die chinesische Führung ein klares Ziel verfolgt, das Land zu dekarbonisieren (mittelfristig, lange Zeit wurde parallel auch Kohlestrom ausgebaut). Und das mit Technologien und Anlagen, die im eigenen Land hergestellt werden.

Der Erfolg dieser Strategie ist für diejenigen Kreise ein Problem, die Industriepolitik im allgemeinen und erst recht «grüne» Industriepolitik aus ideologischen Gründen prinzipiell ablehnen. Diese sind in der Schweiz besonders stark vertreten, von den Wirtschaftsfakultäten über die NZZ bis zum SECO. Gerne zeigt man dann auf die gegenwärtige Überproduktion in China. Doch Überproduktion ist relativ, wenn man sich die riesigen ungedeckten Bedürfnisse nach bezahlbarem, verlässlichem Strom vor Augen hält: 800 Millionen Menschen, der grösste Teil davon in Afrika, haben immer noch gar keine elektrische Energie.

Doch gerade gerät in Afrika etwas in Bewegung, was der Non-profit-, auf Energiefragen spezialisierte Think Tank Ember als «take-off in solar in Africa» bezeichnet. Ember belegt dies mit beeindruckenden Zahlen und natürlich spielt China dabei eine zentrale Rolle. In den letzten zwei Jahren haben sich die Importe von Solarpanels aus China (ohne Südafrika) fast verdreifacht. Dieser Anstieg war in ganz Afrika zu beobachten. 20 Länder stellten in den 12 Monaten bis Juni 2025 einen neuen Rekord bei den Importen von Solarmodulen auf. 25 Länder importierten beträchtliche Mengen (mehr als 100 Megawatt). In Sierra Leone etwa können die in einem Jahr importierten Module 61% der Stromproduktion (2023) decken.

In weiten Teilen Afrikas gelang es, mit der Mobilfunktechnologie die Stufe zu überspringen, die in den Ländern des Globalen Nordens der Aufbau einer Festnetztelefoninfrastruktur darstellte. Die Solarenergie hat dasselbe Potential für «leap-frogging». Statt einer zentralisierten Produktion von sehr viel Energie an einem Ort, erlaubt sie die dezentrale Produktion nahe an den Menschen, die Strom brauchen. Noch viel grösser wäre das Potential der Sonne für die Entwicklung Afrikas, wenn deren Nutzung nicht einfach auf Importen aus China beruhen würde. Erste zarte Ansätze für die lokale Produktion von Solaranlagen gibt es in Ägypten, Marokko, Nigeria und Südafrika.

Medienmitteilung

COP30: Bescheidene Bilanz in Belém

22.11.2025, Klimagerechtigkeit

Die COP30 geht heute in Belém nach einem zähen Ringen um Fortschritte für mehr soziale Gerechtigkeit und einen gerechten Ausstieg aus den fossilen Energien mit einem gemischten Ergebnis zu Ende. Die Schweiz hat sich für hohe Ambitionen eingesetzt, hinkt aber selbst beim Klimaschutz im Inland und bei der Klimafinanzierung im Ausland hinterher.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP30: Bescheidene Bilanz in Belém

© Alliance Sud

Beim Ausstieg aus den fossilen Energien ist das Resultat enttäuschend; es bildet die schwierige Weltlage mit dem Erstarken der Fürsprecher von fossilen Energieträgern ab. Ein entscheidender Nachteil, um sich auf ambitioniertere Ausstiegspläne zu einigen, ist noch immer die riesige Finanzierungslücke im Globalen Süden. Diese ist mit der Ungerechtigkeit verbunden, dass die reichsten 10% der Weltbevölkerung für 48% der Emissionen verantwortlich sind, während die ärmere Hälfte nur 12% der Emissionen ausstösst, aber am schlimmsten von der Klimakrise betroffen ist.

Auch dank der starken Arbeit vieler Länder aus dem Globalen Süden und der Zivilgesellschaft ist es an der COP30 aber gelungen, einen Mechanismus zu «Just Transition» zu beschliessen, der die soziale Gerechtigkeit bei Klimaschutzmassnahmen sicherstellen soll. Das ist ein wichtiges Element, um in den kommenden Jahren die Klimaschutzmassnahmen sozial und gerecht zu gestalten. Der Mechanismus soll Arbeitnehmende, Gemeinschaften und die Länder in ihren Bemühungen dazu unterstützen, beispielsweise mit einer Verbesserung der internationalen Kooperation und des Wissensaustauschs.

Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, sagt:

  •  «Es reicht nicht, sich einmal im Jahr an der COP für den Ausstieg aus den fossilen Energien einzusetzen. Der Bundesrat muss über das ganze Jahr den Klimaschutz priorisieren: bei der Dekarbonisierung der Schweiz, aber auch bei den zahlreichen diplomatischen Kontakten mit den grossen Emittenten.»
  • «Die Einigung enthält die klare Erwartung, die Unterstützung von Ländern im Globalen Süden für die Anpassung an den Klimawandel zu verdreifachen. Dafür muss die Schweiz mehr öffentliche Mittel einsetzen – die Schweiz sollte dringend bei den Erträgen aus dem Emissionshandelssystem entsprechende Beträge reservieren.»

Bettina Dürr, Klimaexpertin von Fastenaktion und Beobachterin vor Ort:

  • «Die COP30 hat es verpasst, die Umsetzung des Klimafinanzierungsziels von Baku – 300 Milliarden USD jährlich bis 2035 – zu konkretisieren. Die Industrieländer haben keinen Plan zur Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung. Dies obwohl sie gemäss Pariser Abkommen dafür in der Verantwortung stehen.»
  • «Die Schweiz fordert zwar hohe Ambitionen beim Klimaschutz, blendet dabei aber jedes Jahr aus, dass es dafür auch finanzielle Mittel braucht. Der Bundesrat ist ohne einen Entscheid, wie das Finanzziel von Baku in der Schweiz umgesetzt werden soll, nach Belém gereist. Wir fordern, dass die Schweiz mindestens 1% an die 300 Milliar-den USD pro Jahr beiträgt.»

David Knecht, Klima- und Energieexperte von Fastenaktion und Beobachter vor Ort:

  • «Bei Klimaschutzmassnahmen müssen die Menschen im Mittelpunkt stehen. Die COP30 bringt uns diesem Ziel mit dem «Just Transition Mechanism» einen Schritt näher. Das müssen wir feiern! Gleichzeitig war es der Staatengemeinschaft nicht möglich, die eklatante Kluft zwischen dem Ziel des Pariser Abkommens und den Klimaambitionen der Länder zu schliessen. Die COP30 liefert keinen umfassenden Plan, wie die Länder sozial gerechte und finanzierte Klimaschutzmassnahmen beschleunigen. Das ist verschenkte Zeit.»
  • «Die Schweiz muss nun umso mehr die Umsetzung im Inland vorantreiben, um in kommenden Verhandlungen positive Signale einbringen zu können. Das heisst auch, dass die Schweiz sich bei den inländischen Emissionsreduktionen nicht auf Ausland-kompensationen verlassen darf. Wir müssen dringend das Potenzial für Reduktionen im Inland nutzen, um den Klimaschutz voranzutreiben.»

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. +41 77 432 57 46 (per WhatsApp), delia.berner@alliancesud.ch

Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher Alliance Sud, Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@allliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Programmverantwortliche Klimagerechtigkeit, Tel. +41 79 745 43 53 (via Signal oder WhatsApp), duerr@fastenaktion.ch

Fastenaktion, David Knecht, Programmverantwortlicher Klimagerechtigkeit, Tel. +41 
76 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch

 

Recherche

Wie die Erdöllobby die Energiewende sabotiert

27.10.2025, Klimagerechtigkeit

Die Schweizer Klimapolitik setzt vor allem auf fragwürdige Auslandkompensationen. Wie kam es dazu? Die versteckte Antwort heisst Avenergy Suisse, wie unsere Recherche über deren problematische Methoden aufdeckt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Wie die Erdöllobby die Energiewende sabotiert

Wenn Klimasünder Klimapolitik gestalten: Die Erdölbranche setzt sich gegen Klimamassnahmen im Inland ein und wirbt gleichzeitig für Auslandkompensationen. Ölraffinerie in Cressier, nahe Neuenburg.
© REUTERS/Michael Buholzer

Die Schweiz hat ihre Klimapolitik in den letzten 20 Jahren so aufgegleist, dass sie ihre Klimaziele nur zum Teil mit der CO2-Reduktion im Inland erreicht, unter anderem, weil sie im Verkehrssektor auffallend wenige Massnahmen zur Dekarbonisierung ergreift und auch in Gebäuden noch immer neue Öl- und Gasheizungen eingebaut werden. Entsprechend hat die Schweiz sich bei den Verhandlungen zum Pariser Abkommen vehement dafür eingesetzt, dass sie zur Erreichung ihrer Klimaziele weiterhin gekaufte Emissionsreduktionen aus anderen Ländern anrechnen kann, um ihre Bilanz schönzurechnen.

Wie kommt es, dass die Schweiz diesen Weg der CO2-Kompensation eingeschlagen hat und auch heute trotz zahlreicher Kritik weitergeht? Eine Recherche von Alliance Sud deckt auf, mit welchen Instrumenten die Erdöllobby die wichtigsten Entscheide in der Schweizer Klimapolitik stark beeinflusst, um die Dekarbonisierung in der Schweiz aufzuschieben. Als Ersatz befürwortet sie den Kauf von Emissionszertifikaten im Ausland. Sie arbeitet im Interesse der internationalen Ölkonzerne und dies teilweise auch von diesen finanziert.

Die Schweizer Erdöllobby heisst Avenergy Suisse und wird von ihren Mitgliedern, den Brenn- und Treibstoffimporteuren, die teilweise Tochterfirmen ausländischer Ölkonzerne sind, finanziert. Die Brennstoffhändler werden zusätzlich von Swissoil vertreten, wobei der Geschäftsführer von Swissoil, Ueli Bamert, gleichzeitig der Politikverantwortliche von Avenergy Suisse ist. Bamert tritt aktuell als SVP-Kandidat für die Wahl ins Zürcher Stadtpräsidium an. Die Erdöllobby agiert meist im Gleichschritt mit der Autolobby und oft auch mit dem Hauseigentümerverband. Nach einem Streit mit economiesuisse um das CO2-Gesetz traten die Erdöl- und die Autolobby dem Schweizer Gewerbeverband bei, der eigentlich die Interessen von KMUs vertritt, aber für die Erdölkonzerne eine Ausnahme macht. Mittlerweile ist Avenergy auch wieder Mitglied von economiesuisse.

Wie geht die Erdöllobby vor? Während es keine Angaben über die Finanzierung von Avenergy Suisse oder deren Mitglieder gibt, so sind ihre Aktivitäten genügend sichtbar, um ihre Instrumente und Vorgehensweise darstellen zu können.

Irreführende Argumente

Während die im Inland erzeugten CO2-Emissionen sehr klein seien, schreibt Avenergy auf ihrer Website, «steigt der Schweizer Ausstoss insgesamt aufgrund des Konsums von importierten Waren. Es macht deshalb Sinn, alle Optionen für Klimaschutzmassnahmen in der Schweiz und im Ausland offen zu halten.» Auch die für die Auslandskompensationen zuständige Stiftung KliK (siehe unten) argumentiert in einem Interview des Tages-Anzeigers im November 2021 mit den importierten Emissionen. Der Bundesrat habe 2017 seine Klimapolitik bis 2030 mit der Auslandkompensation als fixes Element skizziert, «im Wissen, dass Bevölkerung und Wirtschaft über ihre Importe im Ausland noch einmal gut so viel CO2 verursachen, wie sie es im eigenen Land tun. Die Schweiz hat also die Verpflichtung, auch im Ausland CO2 zu reduzieren.» Die Tatsache, dass die importierten Emissionen der Schweiz die Inlandemissionen übersteigen, stimmt natürlich, und dass die Schweiz die Verantwortung hätte, diese grauen Emissionen zu reduzieren, ebenfalls. Doch haben weder der Bundesrat noch Avenergy jemals gefordert, die importierten Emissionen zu kompensieren. Auslandkompensation war stets nur dazu da, um die Bilanz der inländischen Emissionen schönzurechnen. Denn die Reduktion der importierten Emissionen fällt nicht unter das Pariser Abkommen und wird von vielen Akteuren nicht als Verantwortung der Schweiz angesehen. So unterstützte Avenergy Suisse in der Vernehmlassung zur Verordnung des Klima- und Innovationsgesetzes die Eingabe des Schweizer Gewerbeverbands, in der es heisst: «Indirekte Emissionen gehören nicht zur Schweizer Klimapolitik.» Das Argument, dass im Ausland kompensiert werde, weil wir viele Emissionen importieren, ist irreführend. Es lenkt davon ab, dass die Schweiz sich nicht einmal darum kümmert, ihre Inlandemissionen genügend zu reduzieren.

 

Abb.: Der Geschäftsleiter der Stiftung KliK bringt im Interview mit dem Tages-Anzeiger vom 26.11.21 dasselbe Argument auf, das Avenergy verwendet: Auslandkompensation sei angezeigt wegen der Verantwortung für importierte Emissionen. Doch das ist irreführend, denn die Schweiz kompensiert nur inländische Emissionen – Importemissionen bekämpft sie erst gar nicht.

 

Ständerat hört auf «Bitte» der Branche

Der grosse Erfolg der Treibstofflobby vor zwanzig Jahren, einen «Klimarappen» als freiwillige Massnahme der Wirtschaft zur CO2-Kompensation im Ausland einzuführen und damit einer gesetzlich vorgesehenen CO2-Abgabe zu entgehen, ist gut dokumentiert. Die Erdöllobby gründete die Kompensationsstiftung gleich selbst und besetzte damit auch deren Stiftungsrat – heute die Stiftung KliK. Damit war entschieden, dass die Schweiz ihre Verpflichtungen gemäss Kyoto-Protokoll wenn überhaupt, dann nur mit Auslandkompensation erreichen würde. Wie eine Studie später zeigte, war der Grossteil der unter dem Kyoto-Protokoll gehandelten Zertifikate das Papier nicht wert.

Nicht nur vor 20 Jahren war der Einfluss gross, die Branche ist bis heute gut vernetzt. Im Parlament sitzen gemäss den veröffentlichten Interessensbindungen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Autolobby, des Hauseigentümer- sowie des Schweizer Gewerbeverbands, darunter einflussreiche Partei- oder Fraktionskader. Bundesrat Albert Rösti war bis Ende 2022 Präsident von Swissoil und Nationalrat, heute ist er Klima-, Energie- und Verkehrsminister. Avenergy lässt sich zudem von der Agentur farner vertreten, die in ihrem Auftrag auch die parlamentarische Gruppe zu Wasserstoff führt.

Eine Episode aus dem Ständerat bei der Beratung des CO2-Gesetzes letztes Jahr illustriert, wie gross und offensichtlich der Einfluss der Branche auf die Politik ist (s. Kasten). Als Ständerat Hans Wicki kurzfristig einen Antrag einreichte, um den Begriff «synthetische Treibstoffe» durch «erneuerbare Treibstoffe» zu ersetzen, begründete er diesen mit einer «Bitte» der «Branche». Nachdem er von einem Kollegen darauf hingewiesen wurde, dass mit der gewünschten Änderung die Klimawirkung der Massnahme massiv sinken würde, meinte der Antragsteller, das könne er nicht einschätzen, er sage einfach, dass die Branche ihn darauf hingewiesen habe, dass der Begriff «korrigiert» werden müsse. Und der Ständerat beschloss die Änderung mit 27 zu 13 Stimmen im Sinne der Erdölbranche. Der Nationalrat korrigierte diesen Entscheid wieder zurück.

 

Abb.: Ständerat Hans Wicki reichte im Auftrag der Erdölbranche einen Änderungsantrag ein, welcher die Klimawirkung des CO2-Gesetzes reduzieren würde. Die Ratsmehrheit stimmte prompt zu.

 

Eine weitere Episode: Bei der letzten Revision des CO2-Gesetzes im Parlament wurden die Klimaschutzmassnahmen soweit abgeschwächt, dass die Schweiz noch mehr auf Auslandkompensation angewiesen ist, als es der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Daraufhin hat die Branche nachweislich beim BAFU dafür lobbyiert, dass sie selber weniger CO2 kompensieren muss.

Avenergy und die gleichgesinnten Verbände sichern sich diesen Einfluss auch mit gezielten Spenden bei den eidgenössischen Wahlen. Während das nationale Politikfinanzierungsregister für die letzten Wahlen 2023 eher die grösseren Spenden der Autolobby und des Hauseigentümerverbands aufzeigt, so gibt es ein kantonales Register, in dem auch Spuren der Aktivitäten von Avenergy vorhanden sind. Das Register im Kanton Freiburg weist im Gegensatz zum nationalen auch vierstellige Beträge transparent aus. Avenergy hatte 2023 die beiden Ständeratskandidierenden von FDP und SVP mit je 5'000 Franken unterstützt. Dies legt nahe, dass sie auch Kandidierende in anderen Kantonen direkt unterstützt. Das nationale Register wiederum hat zu viele Umgehungsmöglichkeiten, als dass die Abwesenheit von Einträgen automatisch bedeuten würde, dass keine Spenden an bestimmte Parteien oder Kandidierende geflossen sind. Die Wahrheit bleibt im Dunkeln.

Avenergy führt Klimagerechtigkeit ad absurdum

Avenergy führte im Jahr 2021 beim Referendum gegen das revidierte CO2-Gesetz die millionenschwere Nein-Kampagne an. Neben der offiziellen Kampagne der Erdöllobby und ihren Verbündeten gab es aber auch Nebenkampagnen, die auf den ersten Blick weniger nach Erdöllobby aussahen, aber sich als solche entpuppten. Das «liberale Komitee für eine wirksame Umweltpolitik», das sich ebenfalls gegen das Gesetz engagierte, war auf den ersten Blick eine Gruppe Jungfreisinniger. Allerdings gehört das Familienunternehmen von Kampagnenleiter Alain Schwald, die Schätzle AG, zu AVIA, die Mitglied von Avenergy ist. Ebenfalls gegen das CO2-Gesetz sprach sich die «IG Klimagerecht» aus. Diese Website argumentierte mit Klimaschutz als globale Aufgabe der internationalen Zusammenarbeit, aber missbrauchte das Konzept der «Klimagerechtigkeit» dafür, um einen erheblichen Auslandanteil in der Schweizer Klimapolitik zu fordern. Gerechtigkeit wird von der IG so definiert, dass mit dem Klimaschutz keine Umverteilung stattfinden darf. Dabei wird unterschlagen, dass die Ungerechtigkeit darin besteht, dass die ärmsten Menschen am schlimmsten unter der Klimakrise leiden, aber am wenigsten dazu beigetragen haben. Entsprechend beinhaltet Klimagerechtigkeit auch eine Umverteilung in Form von Kompensationszahlungen der Verursacher. Der zynische Absender im Impressum: ebenfalls Avenergy Suisse, als Vertretung der Erdölbranche, die mit ihrem Milliarden-Geschäft die Klimakrise anheizt.

Später wurde Avenergy vorsichtiger mit Parolen gegen Klima- und Energiegesetze, aber sie ist noch immer finanziell involviert. Dies nicht nur auf nationaler Ebene, wie die Abstimmung zum kantonalen Klimagesetz im Wallis im November 2024 zeigt. «Le Nouvelliste» traf am Abstimmungsfest der Gegner den Mediensprecher von Avenergy, der sich beglückt über das Resultat und das gut eingesetzte Geld zeigte. Gefragt, ob Avenergy die Kampagne mitfinanzierte, verweigerte er die Aussage und bat den Journalisten, seine Anwesenheit am Fest zu verschweigen. Abstimmungen zu kantonalen Energie- und Klimagesetzen gab es in den letzten Jahren viele, mit oftmals grossen Gegenkampagnen der SVP. Im September 2025 stimmte der Kanton Zürich über ein Klimagesetz ab – der Politikverantwortliche von Avenergy und Geschäftsführer von Swissoil war in seiner SVP-Parteifunktion prominent im Komitee der Gegenkampagne, das mit irreführenden Argumenten arbeitete und so die Abstimmung gewann.

 

Abb.: Avenergy gründet mitten im Abstimmungskampf um das CO2-Gesetz 2021 eine «IG Klimagerecht» und definiert Klimagerechtigkeit neu. Besonders ins Auge sticht der Aspekt, dass Klimagerechtigkeit nicht zu einer Umverteilung führen dürfe. Dabei wird unterschlagen, dass die Ungerechtigkeit darin besteht, dass die ärmsten Menschen am schlimmsten unter der Klimakrise leiden, aber am wenigsten dazu beigetragen haben. (Webarchiv Stand 16.4.2021)

Abb.: Auch der Youtube-Kanal der «IG Klimagerecht» hat wenig mit einer global gerechten Bewältigung der Klimakrise zu tun. In der Abstimmungskampagne im Jahr 2021 wurden zehn Kurzvideos gegen das CO2-Gesetz hochgeladen. Neben dem damaligen stellvertretenden Direktor des Gewerbeverbands sgv, Henrique Schneider, liess sich auch Reiner Eichenberger als Professor der Universität Fribourg von Avenergy einspannen. 

(zuletzt besucht: 22.10.25)

 

Imagekampagnen für fossile Energieträger

Avenergy leistet sich nicht nur politische Kampagnen, sondern investiert auch in Kanäle, welche die Öffentlichkeit dazu ermutigen sollen, weiterhin Verbrennerautos zu kaufen und Ölheizungen zu installieren. Die Agentur Bertakomm bewirtschaftet für Avenergy Suisse Kanäle auf sieben Social-Media-Plattformen mit Videos und eine Website mit Blogbeiträgen. Darin werden abwechselnd der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis 2050 in Frage gestellt, die Kosten der Energiewende thematisiert, ohne die Kosten der Klimaerwärmung zu erwähnen, die Vorzüge von Ölheizungen gelobt oder argumentiert, dass eine CO2-Abgabe auf Treibstoff aus Sicht der Konsument:innen und Branche keinen Sinn ergebe. Die meisten Views hat jedoch eine Mini-Serie, in der Leute an der Tankstelle zum Beispiel gefragt werden, ob sie mit dem Zug oder mit dem Auto in die Ferien fahren und warum. Dieselbe Frage am Bahnhof zu stellen, gehört natürlich nicht zum Konzept.

Swissoil veranstaltet zudem regelmässige «Informationsanlässe» für die Bevölkerung, um aufzuzeigen, dass Ölheizungen weiterhin fast überall erlaubt und für sie von Vorteil seien.

 

Abb.: Avenergy wirbt heute noch dafür, neue Ölheizungen zu installieren, und behauptet, dass diese 2050 klimaneutral betrieben werden könnten. Die Website wurde von einer Agentur aufgebaut, die auch sieben Social-media-Kanäle für Avenergy mit Video-Formaten betreibt. 

(Blog-Beitrag vom 1.4.2025)

 

Fazit: Gezielte Strategie gegen die Energiewende

Die Erdölbranche ist also sehr aktiv im Einsatz gegen Klimamassnahmen im Inland – teils mit irreführenden Argumenten und stets mit intransparentem Geldeinsatz –, auf politischer Ebene gegen Lenkungsinstrumente und in der Öffentlichkeit durch einseitige Informationsarbeit gegen die freiwillige Umstellung auf fossilfreie Technologien. Sie hat es geschafft, dass eine Mehrheit im Parlament den Zukauf von Zertifikaten aus dem Ausland als gleichwertig zur Inlandreduktion erachtet, obwohl die wissenschaftliche Literatur zu CO2-Kompensationsmärkten seit Jahrzehnten darauf hinweist, dass CO2-Zertifikate nicht eins zu eins als Emissionsreduktionen verbucht werden dürfen, da sie sehr fehleranfällig sind.

Damit hat die Erdöllobby eine Mitverantwortung, wenn die Emissionen in der Schweiz nicht genügend schnell sinken. Gleichzeitig schmückt sich die Branche über die Kompensationsstiftung damit, Teil der globalen Lösungen gegen die Klimakrise zu sein. Während sie in der Schweiz die Bevölkerung zum Verbrennerauto motiviert, finanziert sie E-Bikes in Ghana und E-Busse in Bangkok. Ihr Engagement im Kompensationsmarkt hilft mit, die inländischen Emissionen viel zu hoch und die Schweizer Bevölkerung weiterhin am Tropf der fossilen Brenn- und Treibstoffe zu halten.

Analyse

CO2-Handel: Motor oder Bremse für den globalen Klimaschutz?

05.11.2025, Klimagerechtigkeit

Vor einem Jahr an der Klimakonferenz COP hat die Staatengemeinschaft neue Regeln verabschiedet, um CO2-Zertifikate zwischen Ländern zu handeln. Einige Länder erhoffen sich Investitionen, andere nutzen CO2-Zertifikate, um ihre Klimaziele zu erreichen. Am Beispiel der Schweiz stellen Alliance Sud und Fastenaktion in Frage, ob Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens, der den Zertifikatehandel regelt, wirklich zu mehr Klimaschutz führt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

CO2-Handel: Motor oder Bremse für den globalen Klimaschutz?

Irrweg oder Überholspur Richtung Energiewende: Die Schweiz kompensiert im Ausland billig CO2-Emissionen und macht beim inländischen Verkehr und Konsum weiter wie bisher. © KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Die Schweiz versteht sich als Pionierin unter dem Pariser Abkommen, das vor zehn Jahren weltgehend als Durchbruch in der internationalen Klimapolitik gefeiert worden war. Der Bund hat Artikel 6, der es Staaten erlaubt, zur Zielerreichung mit CO2-Emissionsreduktionen zu handeln, am schnellsten umgesetzt: die ersten bilateralen Abkommen abgeschlossen, die ersten Projekte genehmigt, die ersten Zertifikate gekauft. Mit dem Kauf von Kompensationszertifikaten kann die Schweiz ihre Klimaziele auf dem Papier erreichen, obwohl die Schweizer Treibhausgasemissionen nur zögerlich sinken. Dafür werden Klimaschutzprojekte im Globalen Süden umgesetzt – z. B. effiziente Kocher verkauft, elektrische Busse und E-Bikes gefördert; die daraus resultierenden Emissionsreduktionen werden dann der Schweiz gutgeschrieben. Was bedeutet dieser CO2-Handel für den globalen Klimaschutz? Auf Kritik an CO2-Kompensationsprojekten wird oft geantwortet, dass das Pariser Abkommen diesen Handel explizit vorsehe. Das stimmt nur unter der Bedingung, dass der CO2-Handel insgesamt zu mehr und nicht zu weniger Klimaschutz führt.

Die Expert:innen von Alliance Sud und Fastenaktion haben recherchiert und analysiert, inwiefern die Schweiz als Pionierland der Artikel-6-Mechanismen diese Bedingung erfüllt, und sind auf erstaunlich viele Puzzle-Steine gestossen, die zur Beantwortung dieser Frage relevant sind.

 

Medienmitteilung

COP30: Schweiz muss Klimaschutz beschleunigen statt auslagern

06.11.2025, Klimagerechtigkeit

Am 10. November startet in Belém die UNO-Klimakonferenz COP30. Die neuen Klimapläne der Staatengemeinschaft zeigen, dass die weltweiten Klimaschutzbemühungen und die finanzielle Unterstützung für die ärmeren Länder zehn Jahre nach Unterzeichnung des Pariser Abkommens weiterhin ungenügend sind. Auch die Schweiz muss deutlich mehr im Inland tun, um eine gerechte und sozialverträgliche Energiewende zu beschleunigen.

Marco Fähndrich
Marco Fähndrich

Kommunikations- und Medienverantwortlicher

+41 31 390 93 34 marco.faehndrich@alliancesud.ch
COP30: Schweiz muss Klimaschutz beschleunigen statt auslagern

Konferenz unweit der Katastrophe: Im Umland der COP30 ächzen Regenwälder, indigene Territorien und Küstenorte längst unter der Klimakrise. Plakatwerbung für die Klimakonferenz in Belém, Brasilien.
© Keystone/AP Photo/Jorge Saenz

Die Wissenschaft ist klar: Wir sind nicht auf Kurs. Auch die von den Ländern neu eingereichten nationalen Klimaziele reichen nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. «Die UNO-Klimakonferenz in Brasilien muss deshalb ein klares Signal senden, dass die Weltgemeinschaft bereit ist, das Ruder herumzureissen. Dafür braucht es einen schnellen und gerechten Ausstieg aus den fossilen Energien», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud.

Schnell muss der Ausstieg aus den fossilen Energien gehen, um die globale Erwärmung einzudämmen und noch schlimmere Auswirkungen und Schäden zu verhindern. Gerecht muss die Energiewende sein, weil sie nur so nachhaltig funktionieren kann. «Es braucht den Einbezug der Sozialpartner, um Kohlekraftwerke abzustellen, genauso wie die Partnerschaft mit indigenen Gemeinschaften, um Regenwälder zu schützen», sagt Andreas Missbach. «Es braucht ebenfalls ein gerechteres Wirtschafts- und Finanzsystem, damit sich mehr Länder Investitionen in die benötigte Infrastruktur leisten können». Auf Englisch hat sich hierfür der Begriff «Just Transition» etabliert.

Forderungen von Alliance Sud

  • Die Schweiz muss darauf hinarbeiten, dass an der COP30 ein Plan zur Beschleunigung der Klimamassnahmen verabschiedet wird. Sie muss sich dafür einsetzen, dass von allen Ländern eine Verstärkung ihrer dieses Jahr eingereichten Klimapläne eingefordert wird, damit die globalen Bemühungen ausreichen.
  • Die Schweiz muss sich selbst höhere Ziele setzen und die notwendigen Massnahmen ergreifen, um diese zu erreichen.
  • Die Schweiz muss sich dafür einsetzen, dass Klarheit darüber geschaffen wird, wie die an der COP29 beschlossenen Finanzierungsziele erreicht werden sollen. Als fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung muss die Schweiz bis 2030 drei Milliarden Dollar pro Jahr beitragen.
  • An der COP30 muss die Schweiz sich auch für einen starken Mechanismus (Belém Action Mechanism) einsetzen, um sicherzustellen, dass Klimapläne und -massnahmen gerecht und sozialverträglich sind.

CO2-Handel ist nicht die Lösung

In einer neuen Analyse zeigen Alliance Sud und Fastenaktion auf, dass die CO2-Kompensation der Schweiz im Ausland nicht zu mehr Klimaschutz insgesamt führt – obwohl dies eine Bedingung für den CO2-Handel unter dem Pariser Abkommen wäre. «Die Schweizer Politik will Geld sparen und lagert einen gewichtigen Teil ihrer Emissionsminderung aus, anstatt Artikel 6 für zusätzlichen Klimaschutz und zur Förderung technologisch transformativer Projekte zu nutzen», sagt David Knecht, Programmverantwortlicher Klimagerechtigkeit bei Fastenaktion und Co-Koordinator der Arbeitsgruppe «Ambition» beim Climate Action Network International. Dabei werden Politik und Gesellschaft von der Erdöllobby beeinflusst, welche mit dem Geld internationaler Ölkonzerne die Energiewende in der Schweiz ausbremst. Somit handelt die Schweiz dem eigentlichen Sinn und Zweck der Pariser Marktmechanismen zuwider.

 

--> Hinweis: Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud, ist als Vertreterin der Zivilgesellschaft Mitglied der offiziellen Verhandlungsdelegation der Schweiz und ab dem 10. November in Belém.
 

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher
Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Fachexpertin für Klimagerechtigkeit
Tel. +41 79 745 43 53 (via Signal, WhatsApp oder Threema), duerr@fastenaktion.ch
--> Bettina Dürr beobachtet die Verhandlungen zum Global Stocktake, zur Just Transition und zur Klimafinanzierung ab dem 7. November vor Ort in Belém.

Fastenaktion, David Knecht, Fachexperte für Klimagerechtigkeit
Tel. +41 76 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch
--> David Knecht beobachtet die Verhandlungen zur Mitigation / NDCs und den CO2-Kompensationsmechanismen ab dem 7. November vor Ort in Belém

 

 

Was erwarten unsere Mitgliedsorganisationen von der COP30?

 

Sonja Tschirren, Klimaexpertin bei SWISSAID:

«An der COP30, wo die Ernährungssysteme zentral sind, darf die Rechnung nicht ohne die ländliche Bevölkerung im Globalen Süden gemacht werden. Für sie braucht es angemessene Schweizer Klimafinanzierung und Unterstützung für Schäden und Verluste. Nur so kann die Transition hin zu agrarökologischen, an den Klimawandel angepassten Produktionssystemen gelingen. Auch lokal tätige multinationale Firmen müssen in die Pflicht genommen werden – freiwillige Kohlenstoffmärkte werden das Problem nicht lösen.»

 

Bettina Dürr, Programmverantwortliche Klimagerechtigkeit,
Fastenaktion und Vorstandsmitglied Klima-Allianz:

«An der COP28 in Dubai haben sich die Länder darauf geeinigt, die Energiewende weg von den Fossilen in Angriff zu nehmen. Mit den neu eingereichten Klimaplänen sehen wir, dass der Ausstieg aus den Fossilen noch nicht klar genug definiert ist. Die Schweiz sollte sich ein Ausstiegsdatum geben, um den Entscheid von Dubai umzusetzen.»

 

Christina Aebischer, Klimaexpertin Helvetas:

«Wir erwarten von der Schweizer Regierung, dass sie sich mit allen Mitteln und glaubwürdig für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und gegen die Schwächung der multilateralen Zusammenarbeit einsetzt. Es gibt unzählige Blatten auf dieser Welt. Unsere Solidarität mit Menschen, die durch den Klimawandel und zunehmende Naturgefahren alles verlieren und sich an neue Gegebenheiten anpassen müssen, darf nicht an den Landesgrenzen aufhören.»

 

Sarah Steinegger, Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik bei Caritas Schweiz:

«Als eines der reichsten Länder darf die Schweiz ihre Klimaverantwortung nicht länger auf ärmere Länder und kommende Generationen abschieben – sie muss jetzt handeln.»

 

Johannes Wendland, Fachperson Klimagerechtigkeit bei HEKS:

«Bei den Verhandlungen zur Klimafinanzierung geht es nicht um Grosszügigkeit – sondern um Verantwortung. Die Kosten der Klimakrise müssen von den grossen Verschmutzern getragen werden und nicht von den Menschen, die am wenigsten zum Problem beigetragen haben.»

 

Klaus Thieme, Leiter Internationale Programme Solidar Suisse:

«Im Globalen Süden verschärft die Klimakrise Armut und Unsicherheit. Besonders die Working Poor sind von Überschwemmungen, zerstörten Lebensgrundlagen und prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Wir brauchen zukunftsfähige, nachhaltige und menschenfreundliche Arbeitsplätze, die den Menschen echte Perspektiven bieten. Die Schweiz muss ihren fairen Beitrag leisten, damit Klimaschutz nicht neue Ungleichheit schafft.»

 

Júlia Garcia, Nationale Koordination Brasilien, terre des hommes schweiz:

«Die Jugend spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Lösungen für die Klimakrise. Dazu gehören die Indigenen Jugendlichen, denn sie sind die Hüter:innen der Wälder, die vom Globalen Norden zerstört werden. Die Stimmen dieser jungen Menschen müssen gehört und in die Verhandlungen einbezogen werden.»

 

Maritz Fegert, Programmverantwortlicher Policy & Advocacy bei Biovision:

«Die COP30 in Belém bietet eine wichtige Gelegenheit, Agrarökologie zu stärken, ein Ansatz, der das Potenzial hat, Ernährungssysteme und Landwirtschaft grundlegend zu transformieren. Durch entsprechende politische Veränderungen können Ernährungssysteme von einem Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen zu einer wirkungsvollen Lösung für Klimaschutz und -anpassung werden.»

Medienmitteilung

Avenergy sabotiert Energiewende mit fragwürdigen Methoden

28.10.2025, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz will ihre Klimaziele vor allem im Ausland erreichen – eine verheerende Verdrängungsstrategie. Dass es so weit gekommen ist, hat vor allem mit der Erdöllobby Avenergy Suisse zu tun. Eine neue Recherche von Alliance Sud deckt deren fragwürdige Methoden zur Beeinflussung von Politik und Gesellschaft auf.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Avenergy sabotiert Energiewende mit fragwürdigen Methoden

Sogar die letzte Erdöl-Raffinerie der Schweiz in Crissier präsentierte den Medien ihre «grüne Zukunft». © Markus A. Jegerlehner / Keystone 

Die Schweiz hat gesetzlich festgelegt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Und sie erwartet dasselbe von der Weltgemeinschaft, wie sie im November an der Klimakonferenz in Brasilien (COP30) wieder bekräftigen wird. Trotzdem setzt der Bund zunehmend auf Kompensationszertifikate aus dem Ausland und nimmt so in Kauf, dass später die Emissionen schneller im Inland reduziert werden müssen.

Weshalb die Energiewende dermassen ausgelagert und verzögert wird, hat einen einfachen Grund: Avenergy Suisse beeinflusst die Schweizer Klimapolitik seit Jahren über verschiedene Massnahmen und Kanäle und neuerdings auch wieder als Mitglied von economiesuisse. Die Autorin der Recherche, Klimaexpertin Delia Berner bei Alliance Sud, ist schockiert über die umfangreichen und intransparenten Methoden der Erdöllobby, die von Imagekampagnen bis hin zu politischen Spenden reichen; Kosten werden dabei nicht gescheut. So habe es Avenergy Suisse geschafft, dass eine Mehrheit im Parlament den Zukauf von Zertifikaten aus dem Ausland als gleichwertig zur Inlandreduktion erachtet, obwohl die wissenschaftliche Literatur zu CO2-Kompensationsmärkten seit Jahrzehnten darauf hinweist, dass CO2-Zertifikate nicht eins zu eins als Emissionsreduktionen verbucht werden dürfen, da sie sehr fehleranfällig sind.

«Das Engagement der Erdöllobby im Kompensationsmarkt hilft mit, die inländischen Emissionen viel zu hoch und die Schweizer Bevölkerung weiterhin am Tropf der fossilen Brenn- und Treibstoffe zu halten», sagt Delia Berner. «Gleichzeitig schmückt sich die Branche über die Kompensationsstiftung KliK damit, Teil der globalen Lösungen gegen die Klimakrise zu sein.» Das sei klar nicht der Fall, solange die Schweiz die eigenen CO2-Emissionen nicht im Inland reduziere, wie es im Klimaschutzgesetz vorgesehen ist.

 

Für weitere Informationen:


Delia Berner, Klimaexpertin Alliance Sud, 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch
 

Marco Fähndrich, Kommunikationsverantwortlicher Alliance Sud, 079 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch 
 

Süd-Perspektive

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

02.10.2025, Klimagerechtigkeit

In Afrika ist die Zeit reif für einen verantwortungsvollen Rohstoffabbau. Nur so kann der Kontinent von seinen Reserven an Transitionsmineralien profitieren, die Lebensbedingungen seiner Bürger:innen verbessern und die negativen Auswirkungen des Bergbaus abmindern. Von Emmanuel Mbolela.

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

Wer profitiert vom Coltan, das unsere Zukunft antreibt? Die Rubaya-Minen stehen im Zentrum des Kriegs zwischen der M23-Miliz, Kongo und Rwanda. © Eduardo Soteras Jalil / Panos Pictures

Die globale Energiewende ist eine Conditio sine qua non im Kampf gegen die weltweite Klimaerwärmung und zur Sicherung einer nachhaltigen Energiezukunft für die kommenden Generationen. Seit Jahren prägt das Thema die politische und öffentliche Debatte – im Globalen Norden wie im Süden. Dabei spielt der afrikanische Kontinent – dank seiner aussergewöhnlichen Artenvielfalt zweifelsohne die wichtigste globale Kohlenstoffsenke – eine Schlüsselrolle. Auch ist Afrika reich an verschiedenen Transitionsmineralien (Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel, Coltan, Tantal), die für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge, die Speicherung erneuerbarer Energien sowie für innovative Technologien weltweit unerlässlich sind. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach diesen Mineralien bis 2040 um das Vier- bis Sechsfache steigen.

Was bedeutet das für den Kontinent selbst, der diese strategischen Bodenschätze bereitstellt? Wird Afrika weiterhin als Rohstoffquelle ausgebeutet oder kann der Prozess der Energiewende seine Entwicklung massgeblich beschleunigen?

 

Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis.

 

Die Geschichte wiederholt sich

Blicken wir in die Geschichte zurück, stellen wir fest: Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis. In der Zeit des Sklavenhandels wurden Afrikaner:innen gewaltsam verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen auf Schiffen nach Amerika transportiert, um dort auf Zuckerrohr- und Baumwollplantagen zu arbeiten. Ein weiteres dunkles Kapitel ist jenes des Kautschuks, der zur Herstellung von Autoreifen verwendet wurde. Zwar revolutionierte er die Automobilindustrie, doch liess seine Gewinnung in den afrikanischen Erzeugerländern tiefe Narben zurück. Unvergessen bleiben die grausamen Methoden, von abgehackten Händen bis hin zur Geiselnahme von Frauen und Kindern, mit denen König Leopold II. von Belgien die kongolesische Bevölkerung zwang, mehr von diesem weissen Gold zu fördern. Dessen Verkauf diente ausschliesslich seiner persönlichen Bereicherung und dem Prosperieren des belgischen Königreichs. Ohne die Rohstoffe aus Afrika hätte es die industrielle Revolution des 20. Jahrhunderts nie gegeben. Ganz zu schweigen vom Uran, das im Süden der Demokratischen Republik Kongo abgebaut und für die Herstellung der Atombombe verwendet wurde, die den Zweiten Weltkrieg beendete. Und auch heute sind die Bodenschätze des afrikanischen Kontinents hochbegehrt: Die Entwicklung der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien ist von afrikanischen Rohstoffen – allen voran Coltan – abhängig. Es wird in erster Linie für die Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops verwendet.

Doch paradoxerweise befindet sich Afrika am unteren Ende der globalen Entwicklungsskala. Seine Söhne und Töchter gehen auf der Suche nach einem Eldorado unverhältnismässige Risiken ein. Zu Tausenden sterben sie in der Wüste oder auf hoher See, unter den mitwissenden und schuldbewussten Blicken derer, die zwar die Mittel hätten, sie zu retten, dies aber unter dem Vorwand ablehnen, dass dies eine Sogwirkung zur Folge hätte.

 

Emanuel Mbolela lächelt vor gelb-grünlich leuchtenden Laubbäumen in die Kamera. Er trägt ein hellviolettes Hemd und ein Pulli mit Kragen.

Emmanuel Mbolela wurde 1973 in Mbuji-Mayi im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren. Er hat in seiner Heimatstadt Ökonomie studiert, musste jedoch aus politischen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden.

Er ist Aktivist und Verfechter der Grundrechte von Migrierenden und Autor des Buches «Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil», Wien: Mandelbaum. Er ist Gründer einer Vereinigung für Flüchtlinge und Migrant:innen-Gemeinschaften sowie Initiant einer Notunterkunft, in der Migrant:innen und ihre Kinder vorübergehend aufgenommen werden.

Heute nimmt Afrika eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

 

Heute sind wieder alle Augen auf Afrika gerichtet. Wie zu Zeiten der historischen Umwälzungen der Industrialisierung nimmt der Kontinent bereitwillig eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

Die vergangenen industriellen Revolutionen, die zwar der Entwicklung des Nordens dienten und der dortigen Bevölkerung eine bessere Lebensqualität bescherten, hinterliessen in Afrika vor allem Tod und Zerstörung. So befindet sich die Demokratische Republik Kongo seit 30 Jahren in einem Krieg um die Entvölkerung und Wiederbesiedelung des östlichen Landesteils, wo riesige Minen mit Transitionsmineralien betrieben werden. Obwohl das Land selbst über keine Rüstungsindustrie verfügt, hat dieser bewaffnete Konflikt Millionen von Toten, Hunderttausende Binnenvertriebene und Flüchtlinge gefordert. Die Vergewaltigung von Frauen und Kindern wird im grossen Stil als Kriegswaffe eingesetzt: Die Bevölkerung sieht sich so gezwungen, ihre Städte und Dörfer zu verlassen und ihr Land zurückzulassen, wo unverzüglich mit dem Abbau weiterer Mineralien begonnen wird.

Während die Nachfrage nach Mineralien regelrecht explodiert, werden wir Zeuge räuberischer und illegaler Praktiken bei deren Gewinnung: Kinder arbeiten in Minen, bewaffnete Konflikte werden geschickt provoziert und Vereinbarungen in völliger Undurchsichtigkeit nicht nur von multinationalen Unternehmen, sondern auch von Staaten unterzeichnet. Im Februar 2024 beispielsweise handelte die Europäische Union mit Ruanda ein Abkommen über die Vermarktung kritischer Rohstoffe aus; dies im Wissen darum, dass die von Ruanda auf dem internationalen Markt angebotenen Metalle aus Plünderungen in der Demokratischen Republik Kongo stammen, mit der Ruanda in einem kriegerischen Konflikt stand.

 

Kobalterz aus den kongolesischen Shabara-Minen, wo Tausende unter widrigsten Bedingungen in einer von Glencore kontrollierten Gegend graben. © Pascal Maitre / Panos Pictures

 

Am 27. Juni wurde in Washington unter Vermittlung der Trump-Regierung ein Friedensabkommen zwischen der DR Kongo und Ruanda unterzeichnet. Dieses Abkommen, dem Verhandlungen zwischen den amerikanischen und kongolesischen Behörden über den Abbau seltener Rohstoffe vorausgingen, entspricht der Logik von Präsident Trump, Frieden gegen strategische Mineralien einzutauschen. Die Regierung des Geschäftsmanns Trump erklärt sich bereit, die Aggression des Nachbarlandes Ruanda gegen die Demokratische Republik Kongo zu beenden, unter der Bedingung, dass diese beim Abbau ihrer Bodenschätze mit den Vereinigten Staaten kooperiert. Es ist allzu offenkundig, dass dieses von Donald Trump so hochgelobte Abkommen in Wirklichkeit lediglich dazu dient, den USA Zugang zu den unverzichtbaren Mineralien zu verschaffen.

 

Die multinationalen Unternehmen sind vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben und weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

 

Ein solches Abkommen wird unweigerlich sowohl zu einem «Frieden ohne Brot» als auch zu Konflikten zwischen den Grossmächten auf afrikanischem Boden führen. Dies umso mehr, als die multinationalen Unternehmen, die sich im Kongo ansiedeln dürften, vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben sind und deshalb die abgebauten Rohstoffe ausführen werden, um sie in ihren jeweiligen Ländern zu verarbeiten. Sie sind weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

Mit dem Konflikt der Grossmächte, insbesondere zwischen der EU und den USA, der sich auf kongolesischem Boden anbahnt, könnte sich wiederholen, was sich 1997 in Kongo-Brazzaville zutrug. Dort wurde damals eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt, weil Präsident Lisouba Ölförderabkommen mit amerikanischen Unternehmen unterzeichnet hatte, zum Nachteil der französischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten im Land ansässig waren. Letztere zögerten nicht, den ehemaligen Präsidenten Sassou-Nguessou wieder zu bewaffnen, mit dem Ziel, Pascal Lisouba zu stürzen. Der Krieg, der ausbrach und hunderttausende Menschenleben forderte, führte zu ebenso vielen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen und wurde später als ethnischer Krieg bezeichnet.

Ein weiteres Beispiel ist das von den Vereinigten Staaten initiierte und von der EU unterstützte Megaprojekt zum Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia bis zum Hafen von Lobito in Angola. Das vom ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden in den letzten Tagen seiner Amtszeit in Angola eingeweihte Projekt hat zum Ziel, die Transportwege für Rohstoffe zu verkürzen. Es erinnert an die Projekte der Kolonialzeit, als Strassen und Eisenbahnen nicht mit dem Zweck gebaut wurden, die Kolonien zu erschliessen und zu entwickeln, sondern um die Bergbaugebiete oder -regionen mit den Ozeanen und Meeren zu verbinden und so den Transport von Rohstoffen in die Metropolen zu erleichtern.

 

Tiefgreifende Reformen müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren.

 

Die jungen Afrikaner:innen, die täglich zusehen müssen, wie Tausende von Containern mit diesen Reichtümern den Kontinent in Richtung ferner Ziele (Europa, USA, Kanada, China…) verlassen, fordern tiefgreifende Reformen. Diese müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren. Insbesondere müssen die Gewinne aus den strategischen Reserven an Transitionsmineralien zugunsten der Abbauländer maximiert werden, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bergbaus zu verringern.

Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen

Es ist deswegen höchste Zeit, die verschiedenen internationalen Massnahmen umzusetzen, die in den Schubladen der Vereinten Nationen schlummern, wie die Leitprinzipien der UNO für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitlinien der Expert:innengruppe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu Mineralien, die für die Energiewende unerlässlich sind.

 

Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

 

Engagements wie die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz sind dringend zu unterstützen. Der Erfolg solcher Initiativen hängt auch von ausreichender Sensibilisierung der Bevölkerung über die menschlichen Dramen und Umweltschäden, die im Bergbausektor in Afrika verursacht werden, ab. Solche Initiativen unterstützen die Zivilgesellschaft in den afrikanischen Ländern, die sich Tag und Nacht für die Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Bergbauunternehmen einsetzt.

Beim Abschluss von Bergbauverträgen, die oft undurchsichtig sind und den lokalen Gemeinschaften unbekannt bleiben, befinden sich die Rohstoffmultis in einer Machtposition. Sie nutzen diese, um die Rechte der Bevölkerung und gute Geschäftspraktiken zu umgehen. Weder die Grundregeln der öffentlichen Gesundheit noch die Rechte der lokalen Bevölkerung werden berücksichtigt. So sind sie die Ursache für Luftverschmutzung und Wasservergiftung, welche Krankheiten verursachen, die der Bevölkerung oft unbekannt sind, Menschenleben kosten und die Krise der öffentlichen Gesundheit noch verschärfen.

Die afrikanische Bevölkerung wartet noch immer darauf, dass die Länder des Nordens die Rolle Afrikas anerkennen. Diese Rolle verdient Klimafinanzierung und Ausgleichszahlungen für die Anstrengungen, die von der Bevölkerung im Bereich des Umweltschutzes verlangt werden. Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

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Medienmitteilung

Bundesrat will nach 2030 mehr CO2 im Ausland kompensieren

12.09.2025, Klimagerechtigkeit

Mit dem heutigen Entscheid zur Klimapolitik nach 2030 will der Bundesrat die CO2-Emissionen im Inland derart ungenügend reduzieren, dass die absolute Menge an CO2-Kompensationszertifikaten aus dem Ausland weiter ansteigen muss, um die gesetzlich festgelegten Ziele zu erreichen. Der Bundesrat ignoriert zudem die internationale Klimafinanzierung und weitere Hebel für den weltweiten Klimaschutz.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Bundesrat will nach 2030 mehr CO2 im Ausland kompensieren

Keine Massnahmen zur Luftfahrt, einem starken inländischen Hebel zur Emissionsreduktion. Stattdessen setzt der Bundesrat weiter auf Kompensationen im Ausland. © Keystone / Christian Merz

Die Kommunikation des Bundesrats zum heutigen Entscheid, wie die Schweiz ihre Klimaziele bis 2040 erreichen soll, ist irreführend. Der Bundesrat spricht davon, dass der Anteil der Inlandmassnahmen ausgebaut werden soll, verschweigt aber, dass die CO2-Kompensation im Globalen Süden als Instrument der Schweizer Klimapolitik weiter an Bedeutung gewinnt. Der Ausbau der Inlandmassnahmen klingt erst einmal gut, denn er ist dringend notwendig. Als «Anteil» formuliert, bedeutet er aber de facto keinen Rückgang der Auslandkompensation – im Gegenteil. In absoluten Zahlen erlaubt diese Formulierung dem Bundesrat einen Anstieg der Auslandkompensation von 9 Mio. Tonnen CO2eq im Jahr 2030 auf bis zu 13 Mio. Tonnen CO2eq im Jahr 2040, um das Reduktionsziel zu erreichen. Das würde bedeuten, dass die Schweiz im Jahr 2040 im Inland bis zu doppelt so viele Emissionen ausstossen würde, wie es ihr Reduktionsziel erlaubt (s. Grafik) – eine verheerende Fehlplanung.

«Der Bundesrat plant de facto einen Ausbau der CO2-Kompensation im Globalen Süden, anstatt die Dekarbonisierung der Schweiz endlich zu beschleunigen. Das ist unverantwortlich, denn für ein globales Netto-Null-Ziel 2050 müssten Länder wie die Schweiz bei der Emissionsreduktion vorangehen. Nur so bleibt Spielraum für die wachsenden CO2-Emissionen ärmerer Länder, ohne dass die Klimakrise vollends aus dem Ruder läuft», sagt Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

 

Mit dem CO2-Gesetz und der Verordnung bis 2030, die seit Anfang 2025 in Kraft sind, sollen zwei Drittel des Emissionsreduktionsziels von 50% im Inland geleistet werden. Der Anteil der CO2-Kompensation im Ausland beträgt also ein Drittel, was ungefähr 9 Mio. t CO2eq im Jahr 2030 entspricht. Wenn der Bundesrat davon spricht, bis 2040 den Anteil der Inlandmassnahmen ausbauen zu wollen, heisst das nur, dass die Auslandkompensation im Jahr 2040 wieder höchstens ein Drittel betragen darf. Dies entspricht bei einem Reduktionsziel von 75% bis 2040 bis zu 13 Mio. t CO2eq, die im Ausland kompensiert würden. Der Bundesrat hat also entschieden, im Jahr 2040 bis zu doppelt so viele Emissionen in der Schweiz zuzulassen als das Reduktionsziel es vorschreibt.

 

 

Alliance Sud und Forschungseinrichtungen haben immer wieder aufgezeigt, warum die Schweiz mit der CO2-Kompensation im Ausland auf dem Holzweg ist:

  • Eine ETH-Studie, die über 2000 bestehende Kompensationsprojekte analysiert hatte, kam zum Schluss, dass nur 12% der gehandelten Zertifikate effektive Emissionsreduktionen bewirken. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich und schon gar nicht lückenlos nachweisbar, dass die Schweiz mit Kompensationsprojekten den Ausstoss eigener Emissionen ausgleichen könnte.
  • Der Schweizer Ansatz, im Ausland billige Zertifikate zu kaufen statt daheim zu reduzieren, wird international kritisiert. Bereits die ersten bilateralen Kompensationsprojekte der Schweiz, die sie an das gegenwärtige Reduktionsziel bis 2030 anrechnen möchte, stehen in der Kritik. Dies wegen Verletzung von Arbeiter:innenrechten, zu hohen Prognosen der Emissionsreduktionen, Zweifeln an der Zusätzlichkeit oder der Durchführbarkeit der Projekte. 
  • Die Verpflichtung, die Schweizer Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren, verschwindet nicht. Wenn sich die Schweiz bis 2040 Zeit nimmt, ihre Inlandemissionen um 50% zu reduzieren (s. Grafik), hat sie in 50 Jahren 50% reduziert und muss dann in nur 10 Jahren die anderen 50% reduzieren. 

Kein Effort für die weltweite Klimapolitik

Obwohl es offensichtlich ist, dass es für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius grosse weltweite Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen braucht, lässt der Bundesrat keinerlei Motivation für Anstrengungen in diese Richtung erkennen. Im heutigen Entscheid fehlen jegliche Hebel, welche die Schweiz zur Reduktion weiterer Emissionen weltweit hat, sei es der Schweizer Finanzplatz, die Luftfahrt oder die importierten Emissionen.

Der Bundesrat schweigt auch zur internationalen Klimafinanzierung, obwohl sich diese aus wissenschaftlicher Sicht lohnt, wie kürzlich über 100 Schweizer Wissenschaftler:innen betont haben. Alliance Sud fordert, dass die Schweiz sich bereits bis 2030 mit 1% am neuen internationalen 300-Milliarden-Ziel beteiligt, das für Klimaschutz und -anpassung in ärmeren Ländern beschlossen wurde. «Erträge aus dem Emissionshandelssystem sollten auch für die Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung genutzt werden», sagt Delia Berner.

Für weitere Informationen:
Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

Artikel

Weltbank-Reform: Zurück in die Zukunft?

05.07.2025, Entwicklungsfinanzierung, Klimagerechtigkeit

An der UNO-Konferenz in Sevilla steht auch die zukünftige Ausrichtung der internationalen Finanzinstitutionen im Zentrum der Diskussionen. Die Entwicklung der Weltbank bleibt allerdings weit entfernt von der dringend benötigten Revolution.

Kristina Lanz
Kristina Lanz

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Weltbank-Reform: Zurück in die Zukunft?

Die Idee, in grossem Stil privates Kapital anzuziehen, um Strassen, Krankenhäuser und andere dringend benötigte Infrastrukturprojekte in den ärmsten Ländern zu finanzieren, erwies sich auch bei der Weltbank als Illusion. © Shutterstock

Im Jahr 2015 stellte die Weltbank ihre neue Strategie und Vision vor: den «Forward Look – A Vision for the World Bank Group in 2030». In diesem Zusammenhang entstand auch der «Maximize Finance for Development»-Ansatz. Ziel war es, die Mobilisierung privater Finanzmittel für Entwicklungszwecke deutlich zu steigern – unter anderem durch sektorale und politische Reformen, den verstärkten Einsatz von Garantien sowie Instrumente zur Risikominderung. In den kommenden Jahren fand dieser Ansatz unter dem Schlagwort «Von Milliarden zu Billionen» (from billions to trillions) Einzug in die breitere entwicklungspolitische Debatte. Im Jahr 2023 initiierte die Weltbank mit der sogenannten «Evolution Roadmap» einen neuen strategischen Reformprozess. Dieser zielt darauf ab, die Institution mehr auf die Bewältigung verschiedener globaler Herausforderungen – insbesondere den Klimawandel – auszurichten und somit auch ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Zwar bringt die «Evolution Roadmap» eine Erweiterung des Mandats der Weltbank mit sich, doch stellt sie im Wesentlichen eine Weiterentwicklung und Vertiefung des bestehenden «Maximize Finance for Development»-Ansatzes dar (dies obwohl der vielbemühte Slogan «Von Milliarden zu Billionen» heute selbst unter führenden Ökonominnen und Ökonomen der Weltbank als überholt oder gar irreführend bezeichnet wird).

Der (unsinnige) Traum lebt weiter

Zehn Jahre nach der Einführung des Slogans «Von Milliarden zu Billionen» – Philippe Valahu, Geschäftsführer der Private Infrastructure Development Group (PIDG), bezeichnete diesen kürzlich in der Financial Times als «gut gemeint, aber unsinnig» – fällt die Bilanz ernüchternd aus. Der erhoffte Durchbruch bei der Mobilisierung privater Finanzmittel zur Schliessung der wachsenden Finanzierungslücke (allein 4’000 Milliarden USD jährlich für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, SDGs, ohne die zusätzlichen Anforderungen der Klimafinanzierung) ist weitgehend ausgeblieben.

Die zentrale Idee, mit öffentlichen Geldern in grossem Stil privates Kapital anzuziehen – insbesondere von institutionellen Investoren – hat sich nicht erfüllt. Die (über-)optimistische Erwartung, dass Pensionsfonds und Versicherungen aus Industrieländern bereitwillig in Strassen, Krankenhäuser und andere dringend benötigte Infrastrukturprojekte in den ärmsten Ländern investieren würden, erwies sich als Illusion.

Zum Zeitpunkt der Einführung des Slogans ging man davon aus, dass jeder öffentlich eingesetzte Dollar zwei oder mehr Dollar an privatem Kapital mobilisieren könnte – eine Hebelwirkung (leverage ratio), die in der Praxis kaum je erreicht wird. Eine aktuelle Studie des ODI zeigt, dass im Jahr 2021 im Rahmen von konzessionären Mischfinanzierungen (blended finance) – also dem Einsatz von überwiegend durch multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) bereitgestellten öffentlichen Mitteln zu vergünstigten Konditionen – in Subsahara-Afrika pro Dollar lediglich etwa 59 Cent an privatem Kapital mobilisiert werden konnten; in anderen Regionen lag dieser Wert bei rund 70 Cent.

Multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) und Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (DFIs) stehen weiterhin im Zentrum dieser Mobilisierungsbemühungen. Bis 2023 gelang es ihnen gemeinsam, rund 88 Milliarden USD an privaten Finanzmitteln für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LICs und MICs) zu mobilisieren; davon entfielen 51 Milliarden USD auf die Weltbankgruppe (einschliesslich der beiden auf Privatsektorförderung ausgerichteten Institutionen IFC und MIGA), was etwa 60% des Gesamtbetrags ausmacht. Für Subsahara-Afrika wurden jedoch lediglich 20 Milliarden USD mobilisiert – und davon erreichte nur die Hälfte die ärmsten Länder (LICs). Zum Vergleich: Im selben Jahr erhielt die Region 62 Milliarden USD an öffentlichen Entwicklungsgeldern. Mehr als die Hälfte der bislang mobilisierten privaten Mittel floss zudem in nur zwei Sektoren: Banken- und Unternehmensdienstleistungen sowie Energie. Demgegenüber erhielten die Bereiche Bildung, Gesundheit und Bevölkerungsentwicklung zusammen weniger als ein Prozent der Gesamtsumme.

Trotz dieser ernüchternden Bilanz hält sich die Vorstellung, dass multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) signifikante Mengen privaten Kapitals für Entwicklungsprojekte «anlocken» könnten, hartnäckig. Für viele Geberländer und andere Akteure ist sie zur regelrechten idée fixe geworden. Und so lebt der Traum weiter: Im Rahmen der «Evolution Roadmap» wurde das Anspruchsniveau sogar noch deutlich angehoben.

Zwar räumte Ajay Banga, der aktuelle US-amerikanische Präsident der Weltbank, ein, dass die «Von Milliarden zu Billionen»-Formel unrealistisch sei, und Chefökonom Indermit Gill bezeichnete sie offen als «Fantasie». Dennoch experimentiert die Bank inzwischen mit neuen, zunehmend komplexen Finanzierungsmodellen – etwa der Bündelung von Krediten zu handelbaren Finanzprodukten, die anschliessend an private Investoren verkauft werden (ein Verfahren, das unter dem Begriff Verbriefung – securitization – bekannt ist). Ziel ist es, durch diese Strukturierung Kapital freizusetzen, um zusätzliche Kredite vergeben zu können.

Laufend werden neue Instrumente entwickelt und für ihr Potenzial, privates Kapital zu mobilisieren, gelobt. Der verstärkte Einsatz von Risikoteilungsmechanismen, etwa Garantien, innovativen Investitionsvehikeln oder Versicherungslösungen, soll Investitionen des Privatsektors anregen. Eines der jüngsten Produkte der Weltbank sind sogenannte «Outcome Bonds»: Diese sollen privates Kapital für Projekte in Entwicklungsländern mobilisieren, indem das Risiko für den Projekterfolg auf Investor:innen übertragen wird, welche wiederum belohnt werden, wenn die angestrebten Wirkungen tatsächlich eintreten.

Wird Klimafinanzierung privatisiert?

Im Rahmen der «Evolution Roadmap» hat die Weltbank ihre Zielsetzung erweitert: Zu den bisherigen Zielen – der Beseitigung extremer Armut und der Förderung gemeinsamen Wohlstands – kam das Versprechen hinzu, dies «auf einem lebenswerten Planeten» zu erreichen. In Übereinstimmung mit diesem neuen Selbstverständnis positioniert sich die Bank zunehmend als zentrale Akteurin bei der Umsetzung der internationalen Klimafinanzierung. In einer Stellungnahme im Vorfeld der COP29-Konferenz in Baku erklärte die Weltbank sich zum «mit Abstand grössten Anbieter von Klimafinanzierung für Entwicklungsländer». Im Jahr 2024 hat sie nach eigenen Angaben 42,6 Milliarden USD für Klimafinanzierung bereitgestellt; das entspricht 44% ihres gesamten Kreditvolumens. Trotz gravierender Probleme bei der Berechnung und Transparenz dieser Klimafinanzierung konzentriert sich dieser Text vor allem auf die Klimafinanzierung im Kontext der umfassenderen Privatisierungsstrategie der Weltbank.

Mit den wachsenden globalen Erwartungen an multilaterale Entwicklungsbanken, als zentrale Akteure der internationalen Klimafinanzierung zu agieren, rückt die dringend benötigte öffentliche Klimafinanzierung zunehmend in den Hintergrund. Eine aktuelle Analyse des Bretton Woods Project zeigt, dass die Klimafinanzierung der Weltbank eng mit ihrer allgemeinen Privatisierungsagenda verknüpft ist. Besonders deutlich wird dies im Rahmen des sogenannten Development Policy Financing (DPF) – einer Form flexibler Budgethilfe, die an konkrete politische Reformmassnahmen (sogenannte «Prior Actions») gekoppelt ist. Im Jahr 2023 entfielen 22% der Klimafinanzierung der auf ärmere Länder ausgerichteten Weltbank-Unterorganisationen IDA und IBRD auf solche DPF-Instrumente. Die überwiegende Mehrheit der geforderten Massnahmen zielte auf marktbasierte Reformen ab – darunter Mechanismen zur Risikoreduzierung für private Investor:innen oder die Abschaffung von verbraucherbasierten Subventionen auf fossile Energieträger, was insbesondere die ärmsten Bevölkerungsschichten hart trifft.

Hinzu kommt: Der Grossteil der Klimafinanzierung durch multilaterale Entwicklungsbanken erfolgt in Form von Krediten, nicht als Zuschüsse. Damit wächst die Verschuldung ohnehin schon stark verschuldeter Länder weiter. Im Jahr 2023 machten Kredite 89,9% der Klimafinanzierung von IDA und IBRD aus – also jener beiden Institutionen, die den Löwenanteil an der Klimafinanzierung der Weltbank stemmen. Dass diese Kredite, die selbstverständlich verzinst zurückgezahlt werden müssen, dennoch als Beitrag der Geberländer zur internationalen Klimafinanzierung gewertet werden, steht in krassem Widerspruch zum «Verursacherprinzip».

Evolution rückwärts

Die sogenannte «Evolution Roadmap» der Weltbank stellt daher keine radikale Neuausrichtung dar, sondern vielmehr eine Fortschreibung der bestehenden Privatisierungslogik – diesmal ergänzt um Klimafinanzierung. Doch selbst diese Mandatserweiterung steht nun unter Druck: Die neue US-Regierung hat deutlich gemacht, dass sie eine Rückbesinnung auf das Kerngeschäft der Weltbank wünscht. Während sie zwar ihre grundsätzliche Unterstützung für Weltbank und IWF erneuerte, forderte US-Finanzminister Scott Bessent gleichzeitig eine Reform «ausufernder Programme». Die Bank solle sich wieder stärker auf «privatwirtschaftlich getriebenes, arbeitsplatzintensives Wachstum» konzentrieren und sich aus dem Sozial- und Klimabereich zurückziehen. Bessent betonte zudem, die Weltbank müsse «technologieneutral» agieren und vor allem auf die Bezahlbarkeit von Energieinvestitionen achten, was in der Praxis meist auf Investitionen in Gas und andere fossile Energieträger hinauslaufe.

Um die US-Administration nicht zu verärgern, ist die Weltbank inzwischen deutlich stiller in Bezug auf ihr Klimaengagement geworden. Auf Wunsch der USA hat sie kürzlich sogar ihr Moratorium für die Förderung von Kernenergie aufgehoben, und eine Abstimmung über die Wiedereinführung der Finanzierung der Förderung und Extraktion von Erdgas steht offenbar kurz bevor.

Ob es den USA gelingt, die Erweiterung des Weltbank-Mandats rückgängig zu machen und somit die «Paris-Kompatibilität» der Bank zu unterlaufen, oder ob die europäischen Direktoren diesen Kurs stoppen können, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sollte sich die Schweiz als Leiterin einer Stimmrechtsgruppe den progressiven Kräften innerhalb der Weltbank anschliessen.

Revolution vertagt

Während sich die internationale Entwicklungsgemeinschaft in Sevilla zur Debatte über die Zukunft der Entwicklungsfinanzierung versammelt, zeichnen sich erste Knackpunkte ab. Der bereits verabschiedete «Compromiso de Sevilla» weist erneut auf die gewaltige Finanzierungslücke von 4 Billionen USD jährlich hin, die es brauchen würde, um die SDGs bis 2030 zu erreichen. Zwar wird anerkannt, dass «private Investitionen die Erwartungen bisher nicht erfüllt haben und die Auswirkungen auf nachhaltige Entwicklung unzureichend waren», dennoch setzt das Dokument weiterhin auf eine verstärkte Mobilisierung privater Mittel über öffentliche Quellen – etwa durch die Ausweitung von Risikoteilungsmechanismen und «blended finance»-Instrumenten. Die multilateralen Entwicklungsbanken sollen dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Während die Suche nach immer neuen Finanzierungsinstrumenten und Lösungen weitergeht, um Projekte «bankable», also investorenfreundlich zu gestalten, beschleunigt sich parallel die Schuldenkrise, und die Rolle des öffentlichen Sektors als Hauptträger von Entwicklungs- und Klimafinanzierung wird weiter geschwächt.

Weltbank-Chefökonom Indermit Gill brachte es kürzlich auf den Punkt: «Seit 2022 haben private Gläubiger weltweit rund 141 Milliarden USD mehr an Schuldendienst von öffentlichen Kreditnehmern in Entwicklungsländern erhalten, als sie an neuen Finanzierungen ausgezahlt haben.» In mehreren afrikanischen Ländern fliesst heute mehr als die Hälfte der staatlichen Mittel in die Schuldentilgung. Gill räumt sogar ein, dass manche Länder Kredite der Weltbank – mit längerer Laufzeit – lediglich nutzen, um private Gläubiger zurückzuzahlen. Damit werden knappe Mittel von essenziellen Bereichen wie Gesundheit und Bildung abgezogen.

Zweifellos können und sollen private Investitionen eine Rolle bei der Finanzierung nachhaltiger Entwicklung und des Klimaschutzes spielen. Doch es ist höchste Zeit, sich von simplen Lösungsansätzen zu verabschieden und die tiefen strukturellen Ursachen der multiplen Krisen anzugehen. Dazu gehören neben einer weitreichenden Gouvernanzreform der Weltbank, welche die Entscheidungsmacht des Globalen Südens stärkt, auch umfassende Entschuldungsinitiativen, Investitionen in die heimische Einnahmengenerierung (domestic resource mobilisation) sowie eine gerechtere globale Steuerpolitik zur Bekämpfung wachsender Ungleichheiten weltweit. Sevilla wird wohl kaum der Ort sein, an dem die dringend notwendige Revolution beginnt – doch der Kampf geht weiter.

Medienmitteilung

Klima-Allianz lanciert Klima-Masterplan: 10 Jahre, um die Schweiz auf Kurs zu bringen

03.06.2025, Klimagerechtigkeit

Zeitgleich mit der Feier ihres 20-jährigen Bestehens lanciert die Klima-Allianz Schweiz heute ihren 3. Klima-Masterplan. Das umfassende Strategiepapier, erarbeitet von Expert:innen aus der breiten Allianz zeigt, wie die Schweiz in den nächsten 10 Jahren Netto-Null schafft. Vom angekündigten Aussprachepapier des Bundesrates zur künftigen Klimapolitik erwartet die Allianz entschlossene Schritte – nicht erst ab 2031, sondern ab sofort.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Klima-Allianz lanciert Klima-Masterplan: 10 Jahre, um die Schweiz auf Kurs zu bringen

Expert:innen aus der breitaufgestellten Klima-Allianz lancieren ihren Klima-Masterplan in Bern. Für Alliance Sud ist Delia Berner (1.v.r) dabei. © Klima-Allianz

Medienmitteilung der Klima-Allianz vom 3. Juni 2025. Alliance Sud ist Mitglied der Klima-Allianz.

 

Yvonne Winteler, Co-Präsidentin der Klima-Allianz, eröffnet die Medienkonferenz zur Lancierung des Klima-Masterplans mit klaren Worten: “Wir befinden uns mitten in einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Das Problem ist, dass dieser Wandel 20 Jahre zu spät kommt. Je länger wir warten, desto mehr schrumpft unser CO2-Budget. Entschlossene Massnahmen sind jetzt erforderlich, welche die grossen Transformationshürden angehen.”

Nach 2006 und 2016 legt die Klima-Allianz Schweiz heute ihren dritten Klima-Masterplan vor – mit dem Ziel, dem Klimaschutz die nötige Dringlichkeit zu verleihen. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, die landwirtschaftliche Produktion wird erschwert, und die Sicherheit der Lebensräume in unseren Alpen gerät unter Druck. Obwohl wir uns schon heute im Risikobereich bewegen, schöpft die Schweiz ihren Handlungsspielraum nicht aus, der ihr als technisch hochentwickeltes, politisch stabiles und wohlhabendes Land zur Verfügung steht. Statt die Klimapolitik konsequent zu verstärken und umfassende Lösungen umzusetzen, sinkt das Ambitionsniveau zunehmend.

Gestützt auf den aktuellen Stand der Klimawissenschaft zeigt der erste Teil des Masterplans auf, welche Rolle die Schweiz beim globalen Anstieg der Treibhausgasemissionen spielt und welche Rolle ihr im globalen Vergleich zusteht.

“Wir müssen das Klimasystem stabilisieren und die globale Erwärmung bei maximal 1.5°C stoppen. Doch die Handlungslücke in der Schweiz – und weltweit – ist riesig. Wenn alle so handeln würden wie die Schweiz, resultierte eine Erwärmung von bis zu 3°C. Die Schweiz kann die eigene Lücke im Inland und in ihrem globalen Einflussbereich anpacken und so zu einer globalen Kraft für die Lösung des Klimaproblems werden. Das ist unsere beste Lebensversicherung“, ergänzt Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz.

Ein Fakten-Fundament mit klaren Handlungswegen

An der Medienkonferenz zeigen zehn Autor:innen der breiten Allianz ihren Masterplan – und machen deutlich: 1. Es muss dringend gehandelt werden, und 2. die Lösungen zur Erfüllung des Pariser Klimaversprechens für die Schweiz sind vorhanden. Mit der Publikation macht die Allianz auch ihre Erwartungshaltung gegenüber dem demnächst erscheinenden Aussprachepapier des Bundesrates zur künftigen Klimapolitik deutlich: Die vorhandenen Hebel müssen effizient genutzt werden – und das nicht erst ab 2031.

Die Autor:innen verdeutlichen die unzulängliche Nutzung der existierenden Lösungen an einem konkreten Instrumenten-Mix in unterschiedlichen thematischen Handlungsfeldern - vom Landverkehr bis zur Klimafinanzierung. Mit diesen Instrumenten ist die Überwindung der bestehenden Hürden zu schaffen. Um uns aus der teuren Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu befreien, müssen die heutigen Spielregeln angepasst werden. So kann die Transformation in den kommenden 10 Jahren gelingen. Der Masterplan zeigt ausserdem auf, dass die Transformation sozialverträglich gestaltet werden kann, sodass sie Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten nicht überproportional stark belastet.

Konkret wird ein Paket von marktwirtschaftlichen Instrumenten, Geboten und Verboten, Förder-, Informations- und Weiterbildungsinstrumenten vorgeschlagen. Im Wesentlichen geht es darum auf erneuerbare Energien umzusteigen, effizienter zu werden und Nachfragemuster anzupassen.

So breit abgestützt wie nie zuvor

Die Klima-Allianz wurde 2005 von 48 Organisationen gegründet. Seither ist sie auf über 150 Mitglieds- und Partnerorganisationen angewachsen. Die Allianz umfasst Klima-, Umwelt- und Naturschutzorganisationen, Organisationen aus der Entwicklungszusammenarbeit, Bauernverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsakteure, und religiöse Organisationen. Zusammen haben diese Organisationen über 2 Millionen Mitglieder in der ganzen Schweiz.

“Eine starke Allianz für’s Klima ist heute nötiger denn je. Sowohl die Auswirkungen der Klimaerhitzung wie auch die nötige Transformation betreffen uns alle. Diese Tatsache scheint im Bundesrat noch nicht angekommen zu sein. Die Klima-Allianz ist deshalb offen für alle zivilgesellschaftlichen Gruppierungen, die unsere Ziele teilen,“ sagt Patrick Hofstetter, einer der Co-Gründer der Klima-Allianz.

 

 

Weitere Informationen:

Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud
+41 31 390 93 42, delia.berner@alliancesud.ch

Patrick Hofstetter, Klimaschutz- und Energieexperte bei WWF Schweiz und Vorstandsmitglied Klima-Allianz
076 305 67 37, patrick.hofstetter@wwf.ch