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Medienmitteilung
Efta-Verhandlungen mit Indien: Fachtagung in Bern
07.10.2008, Handel und Investitionen
Eine Delegation der indischen Zivilgesellschaft hat im Oktober 2008 in Bern ihre Bedenken über die Verhandlungen zum bilateralen Freihandelsabkommen zwischen den Efta-Staaten und Indien erläutert. Diese sind eben offiziell angelaufen.

Medienmitteilung
Lektion in Menschenrechten aus Norwegen
24.03.2009, Handel und Investitionen
Norwegen will im Rahmen des Efta-Freihandelabkommens nicht mit Indien über Stärkung des Patentschutzes verhandeln. Und der steht für die Schweiz im Zentrum des Interesses. Norwegen will auch den Vertrag mit Kolumbien einstweilen nicht ratifizierren.

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Medienmitteilung
Kolumbianischer Senator will keine Ratifizierung
27.05.2009, Handel und Investitionen
Der kolumbianische Oppositionspolitiker Jorge Robledo hat in Bern Gespräche mit Schweizer ParlamentarierInnen geführt. Er empfiehlt, das Freihandeslabkommen zwischen der Efta und Kolumbien nicht zu ratifizieren.

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Medienmitteilung
Unctad XIII : Schweiz auf dem hohen Ross
25.04.2012, Handel und Investitionen
An der dreizehnten Uno-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) prallen Industrie- und Entwicklungsländer mit unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander. Pikant ist, dass die Schweiz besonders offensiv gegen die Entwicklungsländer antritt.

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Medienmitteilung
Veraltet, einseitig, revisionsbedürftig
25.02.2013, Handel und Investitionen
Die 130 Investitionsschutzabkommen der Schweiz schützen einseitig die Interessen der Investoren und schränken den politischen Handlungsspielraum der Gastländer ungebührlich ein. Das neue Abkommen mit Tunesien muss geändert werden!

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Meinung
Freihandelsabkommen mit Indien: Welches Risiko entsteht für Generika und Saatgut?
23.01.2024, Handel und Investitionen
Wirtschaftsminister Guy Parmelin gab am Sonntag bekannt, dass er mit Indien eine grundsätzliche Einigung über den Abschluss eines Freihandelsabkommens erzielt habe. Über dieses wurde seit 16 Jahren verhandelt. Ohne weitere Details zu nennen, versicherte er, dass sich die beiden Parteien auch beim grössten Zankapfel, dem Patentschutz, geeinigt hätten.

Indische Wissenschaftlerinnen arbeiten in einem Labor des Forschungs- und Entwicklungszentrums in Hyderabad, Indien.
© Keystone / AP / Mahesh Kumar
Es ist nicht bekannt, was diese Vereinbarung genau beinhaltet: Die Verhandlungen sind geheim und noch nicht abgeschlossen. Alliance Sud und indische Organisationen wie das Third World Network (TWN) sind allerdings beunruhigt. Bisher hat die indische Regierung immer beteuert, dass sie die Rechte an geistigem Eigentum (im Jargon TRIPS+ genannt) in Freihandelsabkommen nicht stärken will. Es ist aber gut möglich, dass die Schweiz TRIPS+-Bestimmungen als Bedingung für den Abschluss des Freihandelsabkommens gefordert hat. Somit ist zu befürchten, dass solche Bestimmungen in den endgültigen Text aufgenommen werden könnten.
Aus Sicht des Rechts auf Gesundheit wäre dies gravierend: Indien ist der weltweit grösste Hersteller von Generika, die in den Globalen Süden exportiert werden. Nach geltendem Recht und wie im TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) festgehalten, beträgt die Laufzeit von Patenten 20 Jahre ab dem Anmeldetag. Das Freihandelsabkommen könnte eine Verlängerung der Patentlaufzeit über 20 Jahre hinaus vorsehen, wodurch sich die Markteinführung von Generika verzögern würde.
Ausserdem sieht das derzeitige indische Gesetz keine Datenexklusivität vor. Das bedeutet, dass ein Medikament jederzeit zugelassen werden kann, egal ob es sich um ein neues Produkt oder um ein Produkt handelt, das irgendwo auf der Welt zugelassen wurde. Das Freihandelsabkommen könnte Indien dazu zwingen, sein Gesetz zu ändern, um die Datenexklusivität einzuführen, was die Markteinführung von Generika ebenfalls verzögern würde.
Schliesslich erteilt Indien im Rahmen des derzeitigen Systems keine Patente für die neue Verwendung eines bekannten Moleküls (Evergreening). Das Freihandelsabkommen könnte von Indien verlangen, eine solche Verpflichtung einzuführen.
Wenn das Abkommen diese Bestimmungen enthält, wird Indien das Patentgesetz ändern und die darin vorgesehene Flexibilität einschränken müssen. Dies wäre ein Präzedenzfall auch in den laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten.
Ein weiteres Problem könnte sich mit Blick auf das Saatgut ergeben. Normalerweise verlangt die Schweiz von den Ländern im Globalen Süden, mit denen sie Freihandelsabkommen aushandelt, dass sie UPOV 91 beitreten. Dieses Übereinkommen privatisiert das Saatgut, so dass es für Bäuer:innen schwieriger wird, es wiederzuverwenden und zu tauschen. Sollte sich diese Bestimmung auch im Abkommen mit Indien wiederfinden, würde dies das Recht auf Nahrung von Kleinbäuer:innen gefährden, die sich patentiertes Saatgut nicht leisten können oder wollen.
Alliance Sud fordert den Bund auf, den Schleier über diese Verhandlungen zu lüften: Das Recht auf Gesundheit der indischen Bevölkerung und der Zugang zu Saatgut dürfen nicht gefährdet werden, insbesondere für die verletzlichsten Menschen.
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Medienmitteilung
Kolumbien: Bericht fordert Schliessungsplan für Glencore-Mine
05.12.2023, Handel und Investitionen
Ein neuer Bericht fordert, dass Glencore seine Klage gegen Kolumbien in Zusammenhang mit der Kohlemine El Cerrejón zurückzieht, einen verantwortungsvollen Schliessungsplan vorlegt und einen Fonds für Umweltsanierungen einrichtet. Der Druck wächst, auch das In-vestitionsschutzabkommen mit der Schweiz nachzubessern.

Die Expertin von Alliance Sud Isolda Agazzi im kolumbianischen Parlament, 30. Mai 2023.
© Alliance Sud
Medienmitteilung von Alliance Sud, ASK, Public Eye, CINEP, CENSAT Agua Viva/Amigos de la Tierra Colombia, Pro Natura/Friends of the Earth Switzerland
Drei Vertreterinnen kolumbianischer NGOs und Gemeinschaften machten letzte Woche in der Schweiz Halt, um die Machenschaften von Glencore anzuprangern. Der Schweizer Konzern ist alleiniger Eigentümer der Kohlemine Cerrejón, dem grössten Tagebau Lateinamerikas. Carolina Matiz von CINEP, Tatiana Cuenca von Censat Agua Viva und Greylis Pinto, Vertreterin der nahe der Mine lebenden Gemeinschaft Chancleta, beendeten damit eine dreiwöchige Tour, die sie durch die Schweiz, Belgien, Deutschland, die Niederlande und Dänemark geführt hatte.
Sie legten Regierungen, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Finanzinstituten den neuen Bericht «Does Cerrejón always win?» vor, der das unrühmliche Verhalten des Minenbetreibers in Guajira, dem ärmsten kolumbianischen Departement, in den letzten 40 Jahren offenlegt. In diesem wüstenähnlichen Landstrich, der vom Volk der Wayuu, Afro-Kolumbianer:innen und von Kleinbauern bewohnt wird, ist der Bergbau für die Austrocknung von 17 Flüssen, die Umsiedlung von 25 Gemeinschaften und den Tod von 5’000 Wayuu-Kindern verantwortlich: Sie sind in den letzten zehn Jahren entweder verhungert oder verdurstet.
Greylis Pinto berichtete, wie ihre afrokolumbianische Gemeinschaft vor elf Jahren zwangsumge-siedelt wurde, ohne die entsprechenden internationalen Standards zu respektieren. Die Menschen lebten von Landwirtschaft, Viehzucht und Jagd. Doch an ihrem neuen Standort ist weder Land noch Wasser verfügbar und ihre Traditionen und Bräuche gingen verloren. Bis heute werden die Gemeinschaftsmitglieder in Sozialprogrammen nicht berücksichtigt, haben kein festes Einkommen und keine Perspektiven.
Keines von zwölf Urteilen des Verfassungsgerichts umgesetzt
Das kolumbianische Verfassungsgericht hat zwölf Urteile zugunsten der lokalen Gemeinschaften erlassen, von denen jedoch keines vollumfänglich umgesetzt wurde. Zu gross ist die Angst vor astronomischen Entschädigungszahlungen, die der multinationale Konzern in einem Fall bereits gefordert hat. Das letzte dieser Urteile aus dem Jahr 2017 verlangt von Glencore die Rückleitung des Arroyo Bruno (eines Nebenarms des wichtigsten Flusses der Region, Rio Rancheria) in sein ursprüngliches Bett, bis glaubwürdige Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden sind. Als Reaktion darauf reichte Glencore auf der Grundlage des Investitionsschutzabkommens zwischen Kolumbien und der Schweiz Klage gegen Kolumbien ein. Es ist dies bereits die dritte lau-fende Klage des in Zug ansässigen Unternehmens gegen Kolumbien, wobei die Höhe der geforderten Entschädigung unbekannt ist. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Glencore eine vierte Klage eingereicht hat; diesmal geht es vermutlich um die Prodeco-Mine.
Der Bericht der kolumbianischen Organisationen fordert:
- den Rückzug der Glencore-Klage gegen Kolumbien im Zusammenhang mit der Umleitung des Arroyo Bruno;
- einen verantwortungsvollen Schliessungsplan unter Beteiligung der lokalen Gemeinschaf-ten und die Einrichtung eines Fonds für Umweltsanierungen. Dieser Fonds soll dazu die-nen, das Ökosystem wiederherzustellen, die Opfer zu entschädigen und ihre erlittenen Schäden durch öffentliche Massnahmen zu anerkennen. Die derzeitige Konzession läuft 2034 aus und es besteht das Risiko eines Ausstiegs von Glencore, ohne den Verpflichtun-gen nachzukommen. Dies war beispielsweise bei der Kohlemine von Prodeco in der be-nachbarten Region Cesar der Fall, wo dem kolumbianischen Staat die Bürde der Umwelt-sanierung in einem hochgradig konfliktträchtigen Umfeld überlassen wurde;
- das Ende der Finanzierung von kolumbianischen Kohleminen durch Finanzinstitutionen oder dass diese ihren Einfluss geltend machen, damit die Minenbetreiber die Menschen-rechte und die Umwelt respektieren.
Der internationalen Mission, die im Mai 2023 nach Kolumbien gereist war und der auch Alliance Sud angehörte, kündigte die kolumbianische Regierung die Neuverhandlung all ihrer Investitions-schutzabkommen an, angefangen beim Abkommen mit der Schweiz. Die Neuverhandlungen wurden bereits aufgenommen. Die NGOs fordern insbesondere den Ausschluss des Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus (ISDS) aus dem neuen Abkommen. Dieser Mechanismus ermöglicht es einem ausländischen Unternehmen, gegen den Gaststaat zu klagen, wenn dieser regulatorisch dafür sorgt, dass der Umweltschutz und die Menschenrechte eingehalten werden.
Bleibt der ISDS Teil des Abkommens, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen immer gewinnen – egal wie ihre Umwelt- und Menschenrechtsbilanz aussieht. Wie im Fall von Glencore.
Für weiterführende Informationen:
Isolda Agazzi, Verantwortliche für Investitionsschutzpolitik, Alliance Sud, 022 901 07 82, isolda.agazzi@alliancesud.ch
Stephan Suhner, Leiter der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, stephan.suhner@askonline.ch,
079 409 10 12
Carolina Matiz, CINEP, mmatiz@cinep.org.co
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Entwicklungsmotor, Neokolonialismus – oder beides?
09.12.2019, Handel und Investitionen
Mit der Belt and Road-Initiative forciert China die globale Entwicklung auf nie dagewesene Weise. Doch wie nachhaltig sind die «neuen Seidenstrassen»? Die Schweiz will ein Stück vom Kuchen und hat eine Absichtserklärung mit China unterzeichnet.

Militärische Ehren für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban am Belt and Road Forum 2017 vor der Grossen Halle des Volkes in Beijing, China.
© Andy Wong / AP / Keystone
«Dank der neuen Seidenstrassen hat Ostafrika seine erste Autobahn, die Malediven verbinden ihre Inseln erstmals mit einer Brücke, Weissrussland hat seine eigene Automobilindustrie, Kasachstan hat erstmals Zugang zum Meer und der Gütertransport auf dem eurasischen Kontinent kann über die Schiene erfolgen. Was den Zug zwischen Mombasa und Nairobi betrifft, so hat er 50 000 lokale Arbeitsplätze geschaffen», verkündet Geng Wenbing, Chinas Botschafter in der Schweiz, an der Konferenz The New Silk Roads as a Driver of Sustainable Development Goals, die Anfang September in Andermatt von der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE organisiert wurde.
Das als neue Seidenstrasse bekannt gewordene Infrastruktur-Entwicklungsprogramm – es umfasst Strassen, Häfen, Eisenbahnen, Fabriken – wurde 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping ins Leben gerufen, um China mit dem Rest der Welt zu verbinden und den Import jener Rohstoffe zu erleichtern, die das Reich der Mitte für sein spektakuläres Wachstum braucht. Es ist ein Projekt in pharaonischen Dimensionen, dem sich seither 126 Länder und zahlreiche internationale Organisationen angeschlossen haben. Seine Kennzahlen sind schwindelerregend: 40% des Welthandels sollen darüber abgewickelt und 60% der Weltbevölkerung damit erreicht werden. Die genaue Höhe der Investitionen ist nicht bekannt, Schätzungen variieren von 1 000 bis 8 000 Mrd. US-Dollar. Allein China plant bis 2021 600 bis 800 Milliarden US-Dollar zu investieren.
«Die Belt and Road Initiative (BRI) ist weder eine chinesische One Man Show noch ein China-Club», sagte der chinesische Botschafter. Club oder nicht, die Schweiz hat sich im vergangenen April als eines der ersten Länder Westeuropas mit einer Absichtserklärung der BRI angeschlossen. Die Erklärung zwischen der Schweiz und China sieht keine Erhöhung der chinesischen Investitionen in der Schweiz vor, sondern thematisiert die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Banken und Versicherungen in Drittländern mit Unterstützung der jeweiligen Regierungen. Und das wirft zahlreiche Fragen auf.
Opposition gegen China in Äthiopien
Denn längst nicht alle Projekte funktionieren so gut, wie es der chinesische Botschafter glauben machen will. War es ein Zufall, dass er die 750 Kilometer lange Eisenbahnlinie zwischen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und Dschibuti, die erste vollständig elektrifizierte grenzüberschreitende Eisenbahnverbindung in Afrika, nicht erwähnte? Die Strecke wurde im Januar 2018 eingeweiht und kostete 2,8 Mrd. Euro, die Äthiopien über fünfzehn Jahre an China zurückzahlen muss. Ausserhalb Addis Abebas wurde u.a. ein brandneuer, aber wenig frequentierter Bahnhof gebaut.
Es soll der Ersatz sein für die alte Eisenbahn, die 1901 von den Franzosen gebaut wurde und zu Beginn des 21. Jahrhunderts stillgelegt wurde. 1993 hatte ich diesen alten Zug genommen, für eine ausländische Reisende war er zwar voller Charme, aber er brauchte einen ganzen Tag, um mit zwei klapprigen Wagen von Addis Abeba nach Harar nahe der somalischen Grenze zu gelangen. Für diese Strecke braucht der Zug heute weniger als 7 Stunden, die Begeisterung der Behörden für die neue Bahn mit ihrer modernen Technologie lässt sich mithin gut nachvollziehen. Laut Medienberichten beurteilen einfache Einheimische die neue Eisenbahn jedoch äussert kritisch als ein gigantomanisches Projekt der Eliten von Addis Abeba. Die meisten Bahnhöfe lägen weit weg von dort, wo sie gebraucht würden und trügen nicht zur lokalen Wirtschaft bei; dies ganz im Gegensatz zum alten Zug und seinen Stationen, zu denen ein vibrierendes Chaos aus fliegenden Händlern, Restaurants und Hotels gehört hatte. Während die chinesische Betriebsgesellschaft behauptet, die neue Eisenbahn habe in Äthiopien 20 000 und in Dschibuti 5 000 lokale Arbeitsplätze geschaffen, beklagen sich ehemalige, jetzt arbeitslose Mitarbeiter über die niedrigen Löhne und die schlechten Arbeitsbedingungen, welche die neue Bahn biete. Aber das Hauptproblem sei das Land, monieren Vertreter der vor allem betroffenen Oromo-Ethnie. Es gehöre dem Staat und die enteigneten Gemeinschaften hätten keine angemessene Entschädigung erhalten.
Mangelnde Transparenz und Überschuldung, …
Die äthiopische Eisenbahn ist ein gutes Beispiel für das Potenzial chinesischer Projekte, aber auch für deren Risiken. Als Hauptschwierigkeit lässt sich die mangelnde Transparenz festmachen. Es gibt keine offiziellen Studien, Erhebungen und Daten über die BRI-Projekte, die Auskunft gäben über deren Kosten-Nutzen-Verhältnis und deren Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung; Peking legt die Bedingungen für die Kreditvergabe nicht offen. Diese führt zu einer Ver- oder gravierenden Überschuldung der Länder gegenüber China, was nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Abhängigkeit mit sich bringt. Dschibuti, das mit 80% seines Bruttoinlandprodukts (BIP) bei China verschuldet ist, beherbergt jetzt die erste chinesische Militärbasis im Ausland überhaupt. Von solchen Einwänden will der chinesische Botschafter in Andermatt nichts hören; stattdessen unterstreicht er, dass «der Industriekorridor zwischen Pakistan und China das BIP Pakistans um 2,5% erhöht hat». Die Kehrseite lässt er unerwähnt: Pakistans Schulden gegenüber China, die auf 19 Milliarden US-Dollar geschätzt werden, sind mit der BRI explodiert. Im Fall der Malediven macht die Verschuldung bei China, die auf 1,5 Milliarden geschätzt wird, 30% des BIP aus.
An der Andermatter Konferenz wurde darauf hingewiesen, dass multilaterale Investitionsbanken Leitlinien entwickelt haben, welche die soziale, finanzielle und ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten sollen. Diese Leitlinien werden zwar von NGOs oft und zu Recht als zu wenig weit gehend kritisiert, sie haben aber zumindest den Vorteil, dass über das Thema Nachhaltigkeit diskutiert wird und sie einen Bezugsrahmen schaffen. Doch nicht wenige Länder halten diese Vergabekriterien für zu restriktiv. So meinte ein hoher Schweizer Beamter, dass es «in multilateralen Foren nicht an Geld fehlt, sondern an tragfähigen Projekten». Der Ausweg seien chinesische Kredite, die seien leichter zu bekommen. Doch es gibt keinen Zweifel: Wer Multimillionen-Kredite annimmt, begibt sich in eine gewisse Abhängigkeit. Die ehemaligen europäischen Kolonialmächte und die USA, die deren Rolle im 20. Jahrhundert in vielerlei Hinsicht übernommen haben, wittern angesichts der chinesischen Entwicklungs- und Expansionsstrategie eine Art Neo-Kolonialismus. Ob sich dieser für Entwicklungsländer ebenso verhängnisvoll auswirken wird wie der historische Kolonialismus, wird sich zeigen.
Unbestritten ist nur der enorme Finanzbedarf auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung: Die OECD schätzt, dass zur Erreichung der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 Investitionen in der Höhe von 6 900 Milliarden US-Dollar nötig sind.
...Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte, Korruption
Von grosser Bedeutung sind die Auswirkungen chinesischer Projekte auf die Menschenrechte, etwa in Bezug auf Arbeitsnormen und öffentliche Konsultationen. Bei jedem Infrastrukturprojekt sind die Umweltauswirkungen auf Wasser, Boden, Luft, Biodiversität und Klimawandel erheblich – erst recht wenn die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen im Zentrum steht, Sektoren notabene, die kaum mit dem in der Agenda 2030 geforderten ökologischen Wandel vereinbar sind.
Ein weiteres Problem, das durch die mangelnde Transparenz der Kredite verschärft wird, ist die Korruption. «Die Globalisierung hat dazu beigetragen, Korruption durch Investitionen zu exportieren», sagte Gretta Fenner vom Basel Institute of Governance, «und es ist ein Problem, das nicht nur die Entwicklungsländer betrifft. Im Bereich Regierungsführung (governance) birgt die BRI massive Korruptionsrisiken. Bei grossen Infrastrukturprojekten geht es um enorme Geldsummen und dies immer vor dem Hintergrund eines offensichtlichen Machtungleichgewichts. Ob es sich dabei um China oder einen anderen Kreditgeber handelt, ist zweitrangig.»
Nicht verschwiegen werden soll, dass in der Diskussion um die neue Seidenstrasse auch Fortschritte erzielt werden, beginnend mit den Green Investment Principles for the Belt and Road und einem kürzlich von China verabschiedeten Debt Sustainability Framework, die Pekings Engagement für nachhaltigere Investitionen unterstreichen.
Was macht die Schweiz?
Und welche Rolle spielt die Schweiz in der BRI? Die Vereinbarung mit China schafft eine Plattform, die es chinesischen und schweizerischen Unternehmen ermöglichen soll, bei BRI-Projekten zusammenzuarbeiten, wobei finanzielle und schuldenbezogene Nachhaltigkeitsaspekte besonders berücksichtigt werden sollen. Eine Arbeitsgruppe soll die Plattform etablieren. Wenn Schweizer Unternehmen beteiligt sind – darin scheinen sich alle einig zu sein –, müssen zumindest bestimmte Menschenrechts- und Umweltstandards eingehalten werden.
Die von den Konferenzteilnehmern angenommene Andermatt-Deklaration anerkennt diese schönen Prinzipien und die Schweiz kann gewiss dazu beitragen, dass sie auch eingehalten werden. Die Erklärung zielt aber auch darauf ab, ein günstiges Umfeld für private Investitionen in Infrastruktur und öffentlich-private Partnerschaften (PPPs) zu schaffen. Diese Absicht wird auch in der von der Schweiz und China unterzeichneten Absichtserklärung deutlich zum Ausdruck gebracht. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob tatsächlich öffentliche Mittel eingesetzt werden, um Schweizer Unternehmen, Banken und Versicherungen im Ausland zu unterstützen. Und wenn ja, unter welchen Bedingungen dies geschieht.
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Recht auf Saatgut
13.02.2020, Handel und Investitionen
Die Schweiz fordert in ihren Freihandelsabkommen mit Ländern des globalen Südens die Einführung von strengen Sortenschutzgesetzen. Auf der Strecke bleiben dabei die Rechte von Bäuerinnen und Bauern am Saatgut. Das ist inakzeptabel und muss aufhören.

© pixelio.de / Rainer Sturm
In ihren Freihandelsabkommen drängt die Schweiz die Partnerländer dazu, strenge Sortenschutzgesetze gemäss des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV 91) einzuführen. Solche patentähnlichen Schutzsysteme gewähren Züchtern und Züchterinnen sowie Agrarkonzernen Monopolrechte auf Saatgut. Auf der Strecke bleiben die Rechte von Bäuerinnen und Bauern am Saatgut.
Als Teil der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut verlangt Alliance Sud von der Schweiz, dass sie auf Forderungen nach strengen Sortenschutzgesetzen in ihren Handelsabkommen verzichtet. Denn diese verbieten es Bäuerinnen und Bauern, Saatgut zu tauschen oder zu verkaufen wie es seit jeher Tradition ist. Damit gefährden sie die lokalen, bäuerlichen Saatgutsysteme, die Garant für Saatgutvielfalt und Ernährungssicherheit sind.
Schreiben Sie einen Brief ans Seco zeigen Sie sich solidarisch mit den Bauernfamilien in Malaysia und anderswo.
In der Koalition arbeiten folgende Organisationen zusammen: Brot für alle, Fastenopfer, HEKS, Swissaid, Public Eye
Monopolrechte auf Saatgut: Wie die Schweiz den Hunger fördert
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Tomaten mit bitterem Beigeschmack
22.03.2020, Handel und Investitionen
Cofco Tunhe, weltweit zweitgrösster Hersteller von Tomatenkonserven, produziert in Xinjiang, wo China Millionen von Uiguren unterdrückt. Die Cofco-Gruppe hat ihr internationales Handelszentrum in Genf eingerichtet. Die Schweiz muss handeln.

Menschen wie Idrissa Diassy (24) aus Senegal sind Opfer der globalisierten Tomatenproduktion. Er arbeitet fernab der Heimat bei Foggia in Süditalien.
© Alessandro Bianchi / Reuters
Im November 2019 richteten die sogenannten China Cables, geheime chinesische Dokumente über die Unterdrückung der Uiguren in der westchinesischen Provinz Xinjiang, ein Schlaglicht auf die Menschenrechtslage in Ost-Turkestan. Eine bis drei Millionen Uiguren werden dort in Lagern schikaniert, indoktriniert und zu Zwangsarbeit verpflichtet. Recherchen zeigen, dass der chinesische Staatskonzern Cofco Tunhe sein internationales Handelszentrum 2017 unter dem Namen Cofco international in Genf eingerichtet hat.
Seine in Buchform[1] vorgelegte und später auch verfilmte[2] Reportage L'Empire de l'or rouge sei die «absurde Geschichte unserer globalisierten Welt», meint Autor Jean-Baptiste Malet, der für seine 2017 veröffentlichte Recherche zwei Jahre lang unterwegs war. Sie zeigt, wie die Weltproduktion von Tomatensauce von Italien nach China, genauer gesagt nach Xinjiang, verlagert wurde und die Firma Cofco Tunhe zur zweitgrößten Tomatenverarbeiterin der Welt wurde. Das chinesische Staatsunternehmen betreibt in Westchina 5.000 Hektar Tomatenfelder und 11 Verarbeitungsbetriebe.
Den Anstoss zu seiner Recherche erhielt der provenzalische Journalist, als Le Cabanon, eine beliebte französische Tomatensauce-Marke vom chinesischen Investor Liu Yi, bekannt als The General, gekauft wurde. Warum soll ein Land, in dem kaum Tomatensauce gegessen wird, mit der Provence oder Italien konkurrieren, fragte er sich.
Cofco Tunhe beliefert die Weltmarken
Malets Recherchen haben Erstaunliches zutage gefördert. In den frühen 2000er Jahren standen Leute aus der Bingtuan, einer 1954 auf Befehl Maos gegründeten militärisch-industriellen Organisation aus ehemaligen Armeekadern, an der Spitze der börsenkotierten chinesischen Chalkis-Gruppe, die vor allem Tomatenprodukte herstellt. Die Mission dieser mysteriösen Organisation besteht u.a. darin, den Widerstand des uigurischen Volkes zu brechen. Chalkis kontrolliert in der Region Xinjiang grosse Ländereien und Ressourcen und kann dort auf sehr billige Arbeitskräfte zählen. Rund ein Drittel der Ernte wird immer noch von Hand eingebracht, wobei die Arbeiter pro Kilo gepflückter Tomaten 1 Eurocent verdienen. Oft begleiten Kinder ihre Eltern auf die Felder und arbeiten mit.
Der Erfolg von Chalkis ist so überwältigend, dass China innerhalb von zwanzig Jahren zu einer Tomaten-Supermacht geworden ist und Konzentrat herstellt, das heute in mehr als 130 Ländern, darunter auch in Italien, verkauft wird. Viele Saucen, Ketchup und andere Tomatenprodukte, die in Europa und den USA konsumiert werden, enthalten Zutaten aus einer der 23 Chalkis-Fabriken. Noch bevor die Welt von den uigurischen Lagern erfuhr, hatte Yu Tianchi, der Vizepräsident von Cocfo Tunhe, in die Kamera gesagt: «Alle internationalen Marken vertrauen uns und kaufen unser Tomatenmark: Heinz, Kraft, Unilever, Nestlé. Alleine Heinz verkauft jährlich 650 Millionen Flaschen Ketchup in mehr als 150 Ländern. Es ist kaum übertrieben, dieses Unternehmen als Konzentrat der Geschichte des Kapitalismus zu bezeichnen. Heinz war 2013 vom auf 73 Milliarden Dollar Vermögen geschätzten Investor Warren Buffet gekauft und mit dem Nahrungsmittelkonzern Kraft zusammengelegt worden. Die grösste Fabrik Nordamerikas im Süden Kanadas wurde geschlossen, 7400 Arbeitsplätze oder ein Viertel der gesamten Belegschaft gestrichen.
China als Profiteur des globalen Freihandels
Eine wichtige Rolle beim Aufstieg Chinas zur Tomaten-Grossmacht spielte Armando Gandolfi, ein Händler aus Parma, der italienische Technologie nach China verkaufte und dort die Produktion organisierte. Die Chinesen lernen schnell und begannen bald, Tomatensauce in Eigenregie herzustellen, und dies zu unschlagbaren Preisen. Geliefert wird sie u.a. in die süditalienische Hafenstadt Salerno, wo das Konzentrat neu verpackt und in die ganze Welt verschifft wird.
Heute dominieren die Vereinigten Staaten, Italien und China den globalen Tomatenmarkt und liefern sich einen heftigen Konkurrenzkampf. Mit ihrer zu einem grossen Teil in Xinjiang hergestellten Sauce haben die Chinesen mittlerweile die Italiener überholt, weil sie diese zu unschlagbarem Preis nach Afrika exportieren. In Ghana ist die chinesische Tomatensauce so billig, dass sich lokal angebaute Tomaten nicht mehr verkaufen lassen. In 15 Jahren sind die Importe um das 30-fache gestiegen und die letzte nationale Tomatenverarbeitungsanlage wurde 2012 geschlossen. General Liu meint pathetisch: «Xi Jinping hat die neuen Seidenstrassen ins Leben gerufen. Xinjiang steht an deren Anfang, Ghana am Ende.»
Malets Film illustriert ein nur allzu bekanntes Phänomen. Seit der Unabhängigkeit haben Ghanas Bauern Tomaten angebaut, die in lokalen Fabriken verarbeitet wurden, geschützt durch Zollschranken. Seit Mitte der 1990er Jahre und der Einführung des Freihandels wurde das Land von billigen Importen überschwemmt und die lokalen Fabriken mussten schliessen. Die Bauern sind gezwungen, sich andere Arbeit zu suchen, die es im Land kaum gibt. Sie versuchen ihr Glück in Europa, wo jene, die es nach Italien schaffen, sich nicht selten – zynische Ironie des Schicksals – als Tomatenpflücker wiederfinden. Alleine in der Region Foggia in Apulien arbeiten 30 000 Migranten unter sklavenähnlichen Bedingungen als Erntehelfer.
Seit den Dreharbeiten zu diesem ausgezeichneten Dokumentarfilm hat die ohnehin schon ernste Menschenrechtssituation in Xinjiang eine dramatische Wende genommen. Im August 2018 bestätigte der UN-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung, was NGOs seit einiger Zeit anprangerten: China hat sogenannte Umerziehungslager errichtet, in denen mindestens eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten festgehalten werden. Zuerst leugnete dies Beijing, räumte jedoch schliesslich unter der erdrückenden Beweislast die Existenz von «Berufsbildungslagern» ein. Eine Verteidigungslinie, die mit der Veröffentlichung der China Cables als peinliche Rechtfertigung entlarvt wurde. Oder wie Dolkun Isa, der Präsident des uigurischen Weltkongresses, gegenüber «global» festhielt: «In diesen Lagern und in Fabriken ausserhalb dieser Lager gibt es Zwangsarbeit.» Eine Tatsache, die auch der deutsche Wissenschafter Adrian Zens dokumentiert hat. Als Sektoren, in denen Zwangsarbeit speziell verbreitet ist, gelten die Tomaten- und die Baumwollproduktion.
Cofco International, ein Schweizer Unternehmen
Die Cofco-Gruppe, die Muttergesellschaft von Cofco Tunhe, hat ihr internationales Handelszentrum in Genf unter dem Namen Cofco International eingerichtet. Im Mai 2017 wurde im Beisein der damaligen Bundespräsidentin Doris Leuthard vom Genfer Staatsrat Pierre Maudet in Beijing eine Absichtserklärung mit der Unternehmensleitung unterzeichnet. Sie sieht vor, dass The State of Geneva Cofco International in Fragen der Unternehmensbesteuerung hilfreich zur Seite steht.
Wie Public Eye in ihrem im Juni 2019 veröffentlichten Bericht Agricultural Commodity Traders in Switzerland, Benefitting from Misery? aufzeigt, ist Cofco heute einer der grössten Agrarhändler der Welt. Die Schweiz trägt daher eine besondere Verantwortung in dieser Angelegenheit: Stellt sie sicher, dass in den Cofco-Fabriken und auf den Tomatenfeldern keine Zwangsarbeit praktiziert wird? Alliance Sud, die Gesellschaft für bedrohte Völker und Public Eye, die sich im Rahmen der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit China zur China-Plattform zusammengeschlossen hatten, haben die Bundes- und die Genfer Kantonsbehörden aufgefordert, von Cofco die Einhaltung der Sorgfaltspflicht in der gesamten Produktionskette und entsprechende Transparenz zu fordern. Eine von Nationalrat Fabian Molina eingereichte Motion hat der Bundesrat am 20. Februar ausweichend beantwortet.
Am Ende des Films reibt sich General Liu die Hände: «Ich glaube, in fünf bis sechs Jahren werden auch in China endlich Tomatenprodukte auf den Markt kommen, denn immer mehr Menschen essen bei McDonald's. Und wenn erst einmal in China sieben bis acht Kilo Tomaten pro Jahr gegessen werden, werden 10 Milliarden Kilo Tomaten benötigt. Es gibt noch ein sehr grosses Entwicklungspotential für diese Industrie!»
Und wie lange wird es noch dauern, bis wir ganz sicher sein können, dass Tomatensauce chinesischer Provenienz auf unseren Tellern nicht einen ganz bitteren Nebengeschmack hat?
[1] L’Empire de l'or rouge : Enquête mondiale sur la tomate d'industrie, Jean-Pierre Malet, Fayet Verlag, 2017
[2] L’Empire de l’or rouge, Film von Jean-Pierre Malet und Xavier Deleu, DVD (Little Big Story), 2019
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