Handel und Klima

Der CO2-Grenzausgleich darf arme Länder nicht benachteiligen

03.12.2024, Klimagerechtigkeit, Handel und Investitionen

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der Europäischen Union sieht vor, den Import der umweltschädlichsten Produkte zu besteuern. Obwohl die ärmsten Länder dadurch stark benachteiligt werden, ist für sie keine Ausnahme vorgesehen. Sollte die Schweiz das Abkommen eines Tages übernehmen, muss sie für eine Korrektur sorgen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Der CO2-Grenzausgleich darf arme Länder nicht benachteiligen

In Akokan, Niger, schloss eine der weltgrössten Uranerz-Minen. Doch noch sind weitere im krisenreichen Norden geplant und volkswirtschaftlich bedeutend. © Keystone / AFP / Olympia de Maismont

 

Die Europäische Union (EU) nimmt ihre Klimaverpflichtungen ernst. Im Jahr 2019 hat sie den European Green Deal ins Leben gerufen, der darauf abzielt, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55% zu senken und bis 2050 CO2-neutral zu werden.

Das Programm umfasst mehrere interne und externe Massnahmen, zum Beispiel die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR, siehe global #94). Ein weiteres Schlüsselprojekt der europäischen Handelspolitik ist das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM, Carbon Border Adjustment Mechanism). Es zielt darauf ab, Importindustrien denselben Regeln zu unterwerfen wie umweltbelastende europäische Unternehmen, die an eine Emissionsobergrenze gebunden sind – wobei diese Grenze bisweilen nur dank CO2-Emissionshandel eingehalten wird. Das erklärte Ziel dieser Massnahmen ist es, Investitionen in saubere Energie in Europa attraktiver und billiger zu machen. «Der CBAM schafft Anreize für die globale Industrie, umweltfreundlichere Technologien einzuführen», sagt der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Carbon Leakage vermeiden

Der von Brüssel verabschiedete CBAM soll verhindern, dass die Produktion in Länder mit Kohlenstoffpreisen unter EU-Niveau (oder gar ohne solche Bepreisung) verlagert wird (Carbon Leakage). Auch soll dadurch vermieden werden, dass europäische Hersteller einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt werden. Der Mechanismus sieht vor, die Einfuhr von besonders umweltschädlichen Produkten mit einer Abgabe zu belegen. Zunächst sind dies Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Wasserstoff und Elektrizität.

In der EU seit dem 1. Oktober 2023 in Kraft, wird der CBAM gestaffelt umgesetzt. Für 2026 ist die vollständige Einführung geplant. Ab 2031 soll er dann auf alle importierten Produkte angewandt werden.

Kritik aus dem Globalen Süden

Doch welche Wirkung hat diese Massnahme? Die EU gibt sich optimistisch: Sie schätzt, dass dadurch im Vergleich zu 1990 ihre Emissionen bis 2030 um 13,8% und im Rest der Welt um 0,3% sinken werden.

Der Ansatz wird jedoch von den Ländern des Globalen Südens stark kritisiert. Sie beurteilen ihn als entwicklungshemmend. Andere monieren das Fehlen einer generellen Ausnahme, zumindest für die ärmsten Länder. Ausserdem hat die UN Trade and Development (ehemals UNCTAD) errechnet, dass die Auswirkungen auf das Klima minimal sein dürften: Der CBAM werde die globalen CO2-Emissionen nur um 0,1% senken, jene der EU gerade einmal um 0,9%. Er werde aber voraussichtlich das Einkommen der Industrieländer um 2,5 Mrd. USD erhöhen und jenes der Entwicklungsländer um 5,9 Mrd. USD reduzieren.

2022 forderten die Minister von Brasilien, Südafrika, Indien und China, auf diskriminierende Massnahmen wie einen CO2-Grenzausgleich zu verzichten.

Am stärksten betroffen von diesem Mechanismus sind mit Russland, der Türkei, China, Indien, Südafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten jene Schwellenländer, die am meisten Stahl und Aluminium nach Europa exportieren. Doch auch die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs gemäss UN-Kategorisierung) wie Mosambik (Aluminium) und Niger (Uranerz) sind Leidtragende des Mechanismus. Die Wohlfahrtsverluste für Entwicklungsländer wie die Ukraine, Ägypten, Mosambik und die Türkei würden zwischen 1 und 5 Milliarden Euro betragen, was gemessen an ihrem Bruttoinlandprodukt (BIP) beträchtlich ist.

Eine Ausnahme für LDCs?

Werfen wir einen Blick nach Afrika, wo sich 33 der 46 LDCs befinden. Eine aktuelle Studie der London School of Economics kommt zum Schluss, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) Afrikas mit Anwendung des CBAM auf alle Importprodukte um 1,12% oder 25 Milliarden Euro sinken würde. Die Aluminiumausfuhren gingen um 13,9% zurück, die Eisen- und Stahlexporte um 8,2%, die Düngemittelausfuhren um 3,9% und die Zementausfuhren um 3,1%.

Also das Kind mit dem Bade ausschütten und den CBAM für entwicklungsfeindlich erklären? Das ist wahrscheinlich der falsche Ansatz. Die belgische NGO 11.11.11. schlägt vor, die am wenigsten entwickelten Länder zumindest vorerst nach den WTO-Regeln von diesem Mechanismus auszunehmen, beziehungsweise sie weniger stark zu besteuern als andere. Anlässlich der Diskussionen zum CBAM in Brüssel war diese Möglichkeit vom Parlament in Betracht gezogen worden. Sie wurde aber verworfen, da die EU es vorzog, höhere Einnahmen zu erzielen.

UN Trade and Development hingegen machte den Vorschlag, die Einnahmen aus dem Mechanismus an die LDCs weiterzugegeben, mit dem Zweck, deren Klimatransition zu finanzieren. Die erwarteten Einnahmen der EU belaufen sich auf 2,1 Milliarden Euro, die multilateral über den derzeit unterfinanzierten Grünen Klimafonds weitergeleitet werden könnten.

Vorerst kein CBAM für die Schweiz

In der Schweiz existiert derzeit nichts dergleichen. Heute sind Güter schweizerischen Ursprungs, die in die EU exportiert werden, aufgrund des Emissionshandelssystems (ETS) vom CBAM befreit und der Bundesrat verzichtet derzeit darauf, einen solchen Mechanismus für in die Schweiz importierte Produkte einzuführen. Dem ETS liegt die maximale Menge an Emissionen zugrunde, die den Industrien eines Wirtschaftszweigs zur Verfügung steht. Jedem Teilnehmer wird eine bestimmte Menge an Emissionsrechten zugeteilt. Bleiben seine Emissionen unter dieser Grenze, kann er seine Rechte verkaufen. Übersteigen sie diese Grenze, kann er welche erwerben.

Im März 2021 wurde jedoch im Nationalrat eine parlamentarische Initiative eingereicht, die von der Schweiz eine Anpassung der CO2-Gesetzgebung fordert. Darin soll ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus aufgenommen und dabei die Entwicklung in der EU berücksichtigt werden. Derzeit wird diese parlamentarische Initiative noch in den Kommissionen diskutiert.

Der CBAM kann zwar eine wirksame Handelsmassnahme sein, um importierte CO2-Emissionen zu reduzieren. Sollte die Schweiz das System eines Tages einführen, muss sie jedoch darauf achten, dass sie die ärmsten Länder nicht bestraft. Sie muss ihnen Ausnahmen gewähren und einen erheblichen Teil der erzielten Einnahmen zurückerstatten, um ihnen bei der Energietransition zu helfen.

 

Die Treibhausgasemissionen, die durch die Produktion und den Transport von exportierten und importierten Waren und Dienstleistungen entstehen, machen 27% der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Gemäss der OECD stammen diese Emissionen aus sieben Wirtschaftszweigen: Bergbau und Energiegewinnung, Textilien und Leder, nichtmetallische Chemikalien und Bergbauerzeugnisse, Grundmetalle, elektronische und elektrische Erzeugnisse, Maschinen, Fahrzeuge und Halbleiter.

Es ist unbestritten, dass sowohl auf Seiten des Handels wie auch der Produktion Handlungsbedarf besteht – auf der Produktionsseite beispielsweise durch die Förderung grüner Technologien, Technologietransfer und Klimafinanzierung, auf der Handelsseite durch Massnahmen wie den CBAM. Dessen Einführung darf jedoch die LDCs nicht benachteiligen; diese müssen dabei unterstützt werden, die ökologische Transition zu stemmen und sich an neue Standards anzupassen.

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Kommentar zur COP29 in Baku

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

29.11.2024, Klimagerechtigkeit

Nach der Klimakonferenz COP29 in Baku herrscht Fassungslosigkeit bei der internationalen Zivilgesellschaft und den ärmsten Ländern des Globalen Südens ob der brutalen Absage des Globalen Nordens an die Klimagerechtigkeit. Doch die Klimakrise läuft weiter und die Debatte zur Umsetzung in der Schweiz fängt erst an.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

Teilnehmende aus dem Globalen Süden protestierten an der COP29 angesichts der ungenügenden Klimafinanzierung, andere waren schlicht entsetzt über die Verhinderungshaltung von Ländern wie der Schweiz. © Keystone / AP Photo / Rafiq Maqbool

Zwei Wochen lang kämpften die Länder des Globalen Südens in Baku um ein neues Klimafinanzierungsziel, das die Kosten aufgrund der Klimakrise gerecht verteilen und eine angemessene finanzielle Unterstützung aus dem Globalen Norden sichern würde. Sie bissen aber bei den reichen Ländern auf Granit. Die Konferenz befand sich bereits in der Überzeit, als die Vertreter:innen aus den ärmsten Ländern und aus den kleinen Inselstaaten ihre Verzweiflung und Wut über die ungenügende Bereitschaft aus dem Globalen Norden für höhere finanzielle Beiträge zum Ausdruck brachten. Sind sie doch durch den Anstieg des Meeresspiegels und weitere verheerende Auswirkungen der Klimaerwärmung bereits existenzieller Bedrohung ausgesetzt. Einige Stunden später waren sie gezwungen, einen kaum besseren Vorschlag anzunehmen, wollten sie irgendeinen Abschluss der Konferenz zur Klimafinanzierung haben.

Die Ausgangslage der COP29 war schlicht eine riesige, ungedeckte Finanzierungslücke im Globalen Süden, um angemessene nationale Beiträge zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels und nationale Anpassungspläne umzusetzen sowie für klimabedingte Schäden und Verluste aufkommen zu können. Ebenfalls gibt es Hindernisse beim Zugang zur bereits bestehenden Klimafinanzierung. Alliance Sud hatte ein Finanzierungsziel von 1000 Milliarden Dollar jährlich gefordert.

Globaler Süden macht Druck

Zahlreiche Studien bestätigen, dass insbesondere für Anpassung sowie insgesamt in den ärmsten Ländern und kleinen Inselstaaten die Lücke nicht mit privaten Investitionen geschlossen werden kann. Denn die Investor:innen kommen nicht, und bereits hoch verschuldete Länder können sich privates Kapital zum entsprechenden Preis gar nicht leisten. Entsprechend wurde von Seiten des Globalen Südens sowie der Zivilgesellschaft Druck aufgebaut, um eine Vervielfachung der öffentlichen Mittel in der Form von Zuschüssen («Grants») sowie stark vergünstigter Kredite im neuen Klimafinanzierungsziel zu erreichen.

Im Gegensatz dazu wurde die Positionierung der bisherigen Geberstaaten von der Zivilgesellschaft als höchst unfair wahrgenommen, da die Geberstaaten keinerlei Angebote zur Erhöhung ihrer eigenen Beiträge an die Klimafinanzierung bereithielten. Dies obwohl sie gemäss Pariser Abkommen klar im Lead und in der Verantwortung stehen. Unter diesem Eindruck ist auch die grosse Skepsis von weiten Teilen der Zivilgesellschaft gegenüber einer Erweiterung der Geberbasis zu verstehen, weil dies vor allem als Ablenkung der Industriestaaten von ihrer Verantwortung interpretiert wurde.

Schweiz schwächt Multilateralismus

Alliance Sud hat die Schweizer Forderung nach dem Einbezug neuer Geberstaaten mitgetragen, aber stets darauf aufmerksam gemacht, dass dies mit einer Erhöhung der eigenen Beiträge verbunden sein muss. Gewisse Aussagen der Schweiz in den Medien während und nach der COP haben aber leider genau das bestätigt, was die Länder im Globalen Süden bereits vermuteten: dass die Industrieländer sich mit dem Argument der Geberbasis vor ihrer eigenen Verantwortung drücken wollen. Mit diesem Verhalten schwächt die Schweiz letztlich den Multilateralismus, von dem sie als kleiner Staat selbst abhängig ist.

Die Schweiz steht nun vor der Aufgabe, das neue Klimafinanzierungsziel umzusetzen und ihren fairen Anteil an den Kosten, die durch die Klimakrise insbesondere in den ärmsten Ländern im Globalen Süden anfallen, zu tragen – dies im ureigenen Interesse. Damit werden weitere Schäden verhindert, Menschenleben gerettet und zusätzliche Fluchtgründe vermieden. Und nur mit einer massiven Aufstockung der Klimafinanzierung gelingt die Transition auf der ganzen Welt, für die sich die Schweiz international einsetzt.

 

Weitere Artikel zur UN-Klimakonferenz COP29 in Baku

Zu den Resultaten der COP29 siehe auch hier.

Lesen Sie ausserdem den Kommentar von Andreas Missbach zu den bundesrätlichen Absagen gegenüber dem Globalen Süden an der COP29 und erfahren Sie mehr über die Auslandkompensationen der Schweizer Klimapolitik in der Recherche von Delia Berner. Diese zeigt, dass beim Projekt in Ghana grosse Probleme bestehen.

 

 

Delia Berner vertrat Alliance Sud an der COP29 in der Schweizer Delegation. Dieser Kommentar wurde im eigenen Namen und nicht im Namen der Delegation verfasst.

Medienmitteilung

Enttäuschendes Resultat der Klimakonferenz COP29

24.11.2024, Klimagerechtigkeit

Die Klimakonferenz COP29 ist vergangene Nacht in Baku zu Ende gegangen. Das Verhandlungsergebnis ist eine bittere Enttäuschung. Die finanzrestriktive Haltung der Industrieländer hat insbesondere die ärmsten Länder und kleinen Inselstaaten erschüttert. Reiche Länder wie die Schweiz verlieren weiter an Glaubwürdigkeit im Globalen Süden.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Enttäuschendes Resultat der Klimakonferenz COP29

© BAFU

Bereits die geopolitische Ausgangslage war schwierig und die aserbaidschanische Präsidentschaft war nicht sehr erfolgreich darin, Brücken zwischen den Positionen zu bauen. Doch die finanzrestriktive Haltung der Industrieländer hat insbesondere die ärmsten Länder und kleinen Inselstaaten, die bereits heute existenziell von der Klimakrise bedroht sind, erschüttert. Das Vertrauen in den Globalen Norden schwindet. Reiche Länder wie die Schweiz verlieren dadurch weiter an Einfluss und Glaubwürdigkeit im Globalen Süden.

Die Klimafinanzierung wird unter anderem für die Erreichung der Emissionsreduktionsziele gemäss Pariser Abkommen benötigt. Letztes Jahr in Dubai entschied die internationale Staatengemeinschaft, die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen in Angriff zu nehmen. In Baku schafften es die Länder nicht, diesen Entscheid weiter zu konkretisieren.

Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, sagt:

  • Der Bundesrat muss nun glaubwürdig aufzeigen, wie die Schweiz die Klimafinanzierung längerfristig erhöhen kann. Es braucht neue Finanzierungsquellen nach dem Verursacherprinzip, damit die Schweiz ihren fairen Beitrag an die Bekämpfung und die Bewältigung der Klimakrise im Globalen Süden leisten kann. Dafür müssen rasch notwendige Gesetzesanpassungen ausgearbeitet werden.
  • Der Marktmechanismus des Pariser Abkommens steht vor einer ungewissen Zukunft. Bei der Umsetzung der ersten Schweizer Kompensationsprojekte in Thailand und Ghana reihen sich die Probleme und Ungereimtheiten schon auf. (Aktuelle Beispiele s. Medienmitteilung von Alliance Sud vom 21.11.24)

Bettina Dürr, Klimaexpertin von Fastenaktion und Beobachterin vor Ort, sagt:

  • In vielen Entwicklungsländern sind vom Klimawandel betroffene Gemeinschaften darauf angewiesen, dass sie finanzielle Unterstützung erhalten. Wir sehen aktuell in den Philippinen, dass die Taifune häufiger und zerstörender werden. Die Betroffenen haben die Klimakrise nicht verursacht und haben keine Mittel, selbst für die Kosten aufzukommen. Deshalb muss die Unterstützung für Anpassung oder bei Klimaschäden in Form von so genannten «à fonds perdu»-Beiträgen erfolgen. Die Industrieländer haben sich stattdessen geweigert, Klimaschäden ins Finanzierungsziel aufzunehmen.

Christina Aebischer, Expertin für Klimaanpassung bei Helvetas und Beobachterin vor Ort, sagt:

  • Adaptation muss eine gesellschaftliche, solidarische Verpflichtung sein, die durch öffentliche Gelder finanziert wird. Das ungenügende neue Finanzierungsziel im Allgemeinen und für Adaptation im Speziellen sowie die sehr weit offen gehaltene Definition möglicher Beitragsquellen verwässert diese Tatsache und gefährdet eine zügige Sicherung der dringend nötigen Massnahmen.

David Knecht, Klima- und Energieexperte von Fastenaktion und Beobachter vor Ort, fügt hinzu:

  • Die COP29 ist ein Misserfolg für die Energiewende. Die Staatengemeinschaft hat es verpasst, den im letzten Jahr beschlossenen Ausstieg aus den fossilen Energien voranzubringen. Die neuen nationalen Klimaziele aller Länder müssen nun klar aufzeigen, wie dieser Ausstieg gelingen soll. Ich erwarte von der Schweiz, dass sie dabei eine führende Rolle einnimmt.

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46 (per WhatsApp), delia.berner@alliancesud.ch

Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher Alliance Sud, Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@allliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Fachexpertin für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 079 745 43 53 (via Signal oder WhatsApp), duerr@fastenaktion.ch

Fastenaktion, David Knecht, Fachexperte für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 076 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch

Helvetas, Christina Aebischer, Expertin für Klimaanpassung, Tel. 076 459 61 96, christina.aebischer@helvetas.org

 

Medienmitteilung

Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

13.06.2024, Klimagerechtigkeit

Die internationale Klimakonferenz in Bonn ist ohne bedeutende Fortschritte zu Ende gegangen. Die Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel kommen nicht voran. Die Schweiz muss bis zur COP29 in Baku ihren Spielraum nutzen, damit das neue Ziel die hohe Finanzierungslücke für Klimaschutz im Globalen Süden im Interesse aller Staaten schliessen wird.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

© Christoph Driessen / dpa

Das Ergebnis nach zwei Wochen Klimakonferenz in Bonn ist ernüchternd – es gab weder sichtbare Fortschritte bei den Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel noch eine klare Strategie, wie der in Dubai beschlossene Ausstieg aus den fossilen Energien angepackt werden soll. Damit die Vertragsstaatenkonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ambitionierte Beschlüsse fällen kann, müssen alle Länder in den nächsten Monaten ihre Anstrengungen erhöhen. «Um die starken Meinungsverschiedenheiten zwischen grossen Verhandlungsgruppen zu überwinden, muss die Schweiz mithelfen, mehr Vertrauen zwischen Ländern des Globalen Südens und des Globalen Nordens aufzubauen», erklärt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, die für das Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik die Verhandlungen in Bonn verfolgt hat.

Ausstieg aus den fossilen Energien – aber wie?

Vergangenes Jahr an der COP28 in Dubai wurden wichtige Grundsatzentscheide gefällt, nämlich der Ausstieg aus den fossilen Energien und die Verdreifachung der erneuerbaren Energiekapazitäten. Diese Errungenschaften gälte es nun weiter zu konkretisieren. Beispielsweise braucht es zwischen den Ländern einen Austausch darüber, wie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu gestalten ist. Die Schweiz hat mit dem klaren Ja zum Stromgesetz am letzten Sonntag einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. In Bonn konnten sich die Länder aber nicht auf weitere Präzisierungen der Beschlüsse aus Dubai einigen.

David Knecht, Klima- und Energieexperte bei der Entwicklungsorganisation Fastenaktion, sagt: «Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist von zentraler Bedeutung für die ärmsten Menschen, denn sie leiden besonders unter dem Klimawandel.» Bettina Dürr, Klimaexpertin bei Fastenaktion, fügt an: «In der Arbeit mit unseren Partnerorganisationen sehen wir, dass sich lokale Gemeinschaften durch den Aufbau erneuerbarer Energiesysteme entwickeln können. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Entwicklungsmotor eine Chance für alle ist.» Umso wichtiger ist es, dass in Baku das Thema ernsthaft aufgegriffen wird, zum Beispiel über das so genannte Mitigations-Programm. Die Schweiz soll dabei weiterhin mit einer ambitionierten Position die Verhandlungen in Richtung 1.5 °C lenken.

Das Geld fliesst noch nicht

In Bezug auf das zu verhandelnde Klimafinanzierungsziel hat die Schweiz im Rahmen ihrer Verhandlungsposition viele Möglichkeiten, sich konstruktiv einzubringen. Welche Anpassungen der Schweizer Position dafür geprüft werden sollten, hat Alliance Sud als Empfehlungen beim Bundesamt für Umwelt eingereicht. Beispielsweise könnte die Schweiz sich stark machen für eine Definition von Qualitätsmerkmalen der Klimafinanzierung, die sie selbst bereits erfüllt, und so Forderungen aus dem Globalen Süden in den Verhandlungen unterstützen. Das würde vertrauensfördernd wirken. «Die Schweiz vergibt keine Kredite als Klimafinanzierung, sondern unterstützt Projekte im Globalen Süden mit À-fonds-perdu-Beiträgen. Das sollte sie als Standard für das neue Finanzierungsziel einfordern», schlägt Delia Berner vor und ergänzt: «Wenn die Schweiz will, dass ein neues Finanzierungsziel auch neue Geberländer in die Pflicht nimmt, dann muss sie das Vertrauen und die Zustimmung der ärmsten Länder gewinnen.»

Das neue kollektive Finanzierungsziel wird um ein Vielfaches höher ausfallen als das jetzige 100-Milliarden-Ziel. Die Schweiz braucht dafür zusätzliche Finanzierungsquellen nach dem Verursacherprinzip. Vertrauen zu Ländern des Globalen Südens aufbauen heisst auch, mit einem konkreten Angebot nach Baku zu reisen und bereits jetzt auf nationaler Ebene Möglichkeiten zur Aufstockung der Finanzierung zu erarbeiten. Der Bundesrat hat eine Auslegeordnung ausarbeiten lassen und wollte bis Ende 2023 das weitere Vorgehen entscheiden – seither geschah nichts. Hier gilt es, Klarheit zu schaffen.


Für weitere Informationen:
Fastenaktion, David Knecht, Klima- und Energieexperte,
076 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch

Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

 

 

Medienmitteilung

Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

03.06.2024, Klimagerechtigkeit

In Bonn werden vom 3.-13. Juni 2024 wichtige Beschlüsse für die UNO-Klimakonferenz (COP29) vom November in Baku vorbereitet. Alliance Sud beobachtet die Verhandlungen vor Ort und erwartet von der Schweiz, dass sie sich sowohl für gesteigerte Ambitionen beim Klimaschutz wie auch für eine angemessene internationale Klimafinanzierung einsetzt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

© Delia Berner

Damit an der jährlichen Vertragsstaatenkonferenz (COP) der Klimarahmenkonvention und des Pariser Abkommens jeweils im November ausgereifte Beschlüsse gefasst werden können, verhandeln die Staaten das ganze Jahr über auf technischer Ebene. Im Juni treffen sich alle Länderdelegationen und beobachtenden Organisationen der Zivilgesellschaft zu intensiven Verhandlungen in Bonn, um die COP vorzubereiten. Dieses Jahr werden an der COP29 in Baku wichtige Entscheide getroffen, welche die Weichen für die weltweiten Klimaschutzanstrengungen der nächsten zehn Jahre stellen sollen.

Ambitioniertere Klimaziele sind ein Muss – auch von der Schweiz

Mit den bisherigen weltweiten Klimaschutzbemühungen steuert die Welt auf ein katastrophales Szenario von 2.5 bis 2.9 Grad globaler Erwärmung zu. Um auf den 1.5-Grad-Kurs zu kommen, braucht es gemäss der Wissenschaft – verglichen mit 2019 – bis 2035 Emissionsreduktionen von minus 60%. Die Emissionen sind aber seit 2019 um 2.3% gestiegen. David Knecht von der Entwicklungsorganisa¬tion Fastenaktion sagt: «Es braucht eine Kehrtwende und deutlich ambitioniertere Klimaziele aller Länder, insbesondere reicher Länder wie der Schweiz. Das sind wir den ärmsten Menschen weltweit schuldig, denn diese leiden besonders unter der Klimakrise.» Bis Anfang 2025 müssen die Länder ihre neuen, ambitionierteren Klimaziele (NDCs) für die Jahre 2030 bis 2035 kommunizieren. An den Verhandlungen in Bonn gilt es, dafür die nötigen Rahmenbedingen zu schaffen. «Es muss allen Ländern klar sein, was von ihnen erwartet wird. Wir müssen verhindern, dass die neuen Klimaziele wieder zu kurz greifen», betont David Knecht.

Es braucht deutlich mehr Klimafinanzierung

Viele Länder im Globalen Süden können ihre Klimaschutz-Ambitionen nur steigern, wenn sie dafür bedeutend stärker finanziell unterstützt werden. Zusätzlich steigen die Kosten zur Anpassung an den Klimawandel stetig an. Und die Schäden und Verluste aufgrund der Klimakrise sind für den Globalen Süden finanziell verheerend und ungerecht, gerade in den ärmsten Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen. Der Bundesrat spricht von einem Finanzierungsbedarf von 2.4 Billionen Dollar jährlich in Ländern des Globalen Südens (ohne China).

«Das bisherige 100-Milliarden-Ziel zur Unterstützung der ärmeren Länder beim Klimaschutz reicht bei weitem nicht aus», betont Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «In diesem Jahr wird ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es braucht endlich genug Mittel, damit die Länder im Globalen Süden sich klimafreundlich entwickeln und die stetig wachsende Klimakrise bewältigen können.» Dies bedingt eine massive Aufstockung mit neuen und zusätzlichen Geldern aus den reichen Staaten wie der Schweiz.

 

Für weitere Informationen:

Vor Ort in Bonn: Fastenaktion, David Knecht, Programm Energie & Klimagerechtigkeit, 076 436 59 86 (per Whatsapp), knecht@fastenaktion.ch

Vor Ort in Bonn: Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46 (per Whatsapp), delia.berner@alliancesud.ch

 

Artikel, Global

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

21.03.2024, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz ist nicht vorbereitet auf die massiv steigenden Erwartungen an ihren künftigen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung. Neue Finanzierungsquellen sind gefragt, um zusätzliche Mittel für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden zu sprechen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

Extraktion fossiler Energieträger in Bakersfield, USA.   © Simon Townsley / Panos Pictures

Verwundert fragten Medienschaffende Bundesrat Albert Rösti letzten Dezember an der Klimakonferenz in Dubai, ob er sich wohl fühle, den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zu fordern. Er beschwichtigte. Bis 2040 solle die Welt aus der Kohle aussteigen, fügte er gemäss Schweizer Position im Plenum hinzu. Was er nicht sagte: Um aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, braucht es mehrere hundert Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Globalen Süden – pro Jahr. Und für die Anpassung in den ärmeren Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen, aber immer schlimmer von der Klimakrise betroffen sind, und für die Entschädigung der Betroffenen, ist nochmals ein solch hoher Betrag notwendig. Das wäre ein Vielfaches des heutigen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die Finanzierungslücke für Klimaschutzmassnahmen in ärmeren Ländern wächst stetig. Trotzdem bleiben die finanziellen Mittel, die von den Verursacherstaaten der Klimakrise wie der Schweiz bereitgestellt werden, sogar hinter den versprochenen 100 Milliarden zurück. Hinzu kommen die Schuldenkrise und weitere Faktoren, welche die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten in den ärmsten Ländern stark einschränken. Viele Länder im Globalen Süden fühlen sich vom Norden im Stich gelassen.

Mit dieser schwierigen Ausgangslage wird an der diesjährigen Klimakonferenz ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es wird daran gemessen werden, ob es die Länder im Globalen Süden tatsächlich dazu befähigt, ambitionierte Klimaschutzpläne umzusetzen und sich an die Klimaerwärmung soweit möglich anzupassen. Ein ambitioniertes und glaubwürdiges neues Klimafinanzierungsziel ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass alle Staaten im Jahr 2025 neue 5-Jahres-Klimapläne einreichen können, die den Zielen des Pariser Abkommens gerecht werden. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn die Delegierten sich im November in Aserbaidschan zu den Verhandlungen treffen, und die Erwartungen an die reichen Länder werden massiv ansteigen. Auch die Schweiz sollte sich konsequenterweise dafür einsetzen, dass die Verursacherstaaten weit mehr öffentliche Mittel für die Klimafinanzierung bereitstellen. Der Chefverhandler der Gruppe der ärmsten Länder, Evans Njewa aus Malawi, fordert in einem Gastbeitrag für Climate Home News die Verhandlungsdelegationen aus dem Globalen Norden auf, sich nicht länger hinter ihren Parlamenten zu verstecken: «Sie sagen, sie hätten kein Mandat beziehungsweise keine Möglichkeit, die Mittel zu erhöhen, da ihre Parlamente nicht zustimmen würden. Umso mehr müssen sie jetzt handeln, bevor die Parlamente über ihre Budgets beraten», fordert Njewa.

Der Bundesrat verdrängt den Handlungsbedarf

Dieses Muster lässt sich auch hierzulande beobachten. Während die Schweiz sich in den Klimaverhandlungen für den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 einsetzt, damit die Ziele des Pariser Abkommens noch erreicht werden können, steht sie in Finanzierungsfragen auf der Bremse, weil sie keine innenpolitischen Zusagen für höhere Beiträge vorweisen kann. Allerdings versucht der Bundesrat gar nicht erst, zusätzliche Mittel beim Parlament zu beantragen. Wie kommt das?

Die Schweizer Beiträge an die Klimafinanzierung stammen bisher hauptsächlich aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA), das schon an sich zu wenig Mittel für die globale Armutsbekämpfung erhält und dem nun noch eine massive Mittelverschiebung zugunsten des Wiederaufbaus in der Ukraine droht. Das heisst, dass bereits die jetzige Klimafinanzierung mit Projekten zur Armutsbekämpfung doppelt gezählt wird. Hingegen braucht es neue, zusätzliche Mittel, um mit der Schweizer Klimafinanzierung effektiv zur Unterstützung der Klimapläne im Globalen Süden beizutragen. Der Bundesrat müsste auf Gesetzesebene alternative Finanzierungsoptionen erarbeiten, damit die IZA-Mittel weiterhin für die globale Armutsbekämpfung, die Stärkung der Grundversorgung bei Bildung und Gesundheit sowie ihre weiteren zentralen Aufgaben eingesetzt werden können. Tatsächlich hat er der Verwaltung vor einem Jahr den Auftrag gegeben, Optionen zu erarbeiten, wie die Schweiz künftig mehr Klimafinanzierung leisten könnte. Ende letztes Jahr wurde dann ohne Kommentar eine extern in Auftrag gegebene Studie auf der Website des Bundesamts für Umwelt veröffentlicht. Darin empfehlen die Expertinnen und Experten, dass die Schweiz zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen solle, beispielsweise Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem. Doch im Bundesrat geschah seither nichts. Gemäss der neuen Legislaturplanung hat er nicht vor, in den nächsten drei Jahren dem Parlament ein Geschäft zur Klimafinanzierung vorzulegen. Er setzt einzig auf den neuen Vierjahreskredit für die Internationale Zusammenarbeit 2025 - 2028, der aber keinen Raum für zusätzliche Klimafinanzierung bietet.

Wenn der Bundesrat nicht handelt – was in diesem Fall verantwortungslos ist, da die Klimaverhandlungen in seiner Kompetenz liegen –, kann auch das Parlament die Initiative ergreifen. Nationalrat Marc Jost hat in der vergangenen Wintersession einen Vorstoss eingereicht, damit im Parlament ein neues Gesetz für die internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzierung erarbeitet werden kann.

Ohne Finanzierung kein Handeln

Die Klimakonferenz in Baku rückt schnell näher – was bleibt also zu tun? Die Schweiz muss ihre bisherige Verhandlungsposition in Finanzierungsfragen überdenken und sich für ein ambitioniertes Ziel einsetzen, das den Bedürfnissen der Menschen im Globalen Süden entspricht und die finanziellen Verantwortlichkeiten fair auf die reicheren Länder verteilt, welche die Klimakrise zu verantworten haben. Nur so kann bis 2040 der Ausstieg aus der Kohle und bis 2050 aus allen fossilen Energien gelingen. Entsprechend hoch wird auch der internationale Druck sein, sich auf ein ehrgeiziges Ziel zu einigen.

Und damit wird auch der Druck auf die Schweiz unweigerlich steigen, ihren Beitrag um ein Vielfaches zu erhöhen. Damit ein Anstieg der Mittel rasch genug erfolgen kann, muss sie jetzt die gesetzgeberischen Arbeiten an die Hand nehmen und zusätzliche Wege für die Klimafinanzierung erschliessen. Evans Njewa drückt es so aus: «Wir müssen uns stets daran erinnern, dass es ohne Finanzierung kein Handeln gibt, und ohne Handeln werden wir die Klimakrise nie in den Griff kriegen.»

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Medienmitteilung

Klimagerechtigkeit im Zentrum der COP-22

27.10.2016, Klimagerechtigkeit

In Marrakesch wird darum gerungen, wie die Industriestaaten das Versprechen einlösen, ihre Klima-Beiträge an Entwicklungsländer bis 2020 auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu steigern. Alliance Sud ist in Marrakesch vor Ort.

Klimagerechtigkeit im Zentrum der COP-22

Am 4. November tritt das im vergangenen Dezember ausgehandelte Klimaübereinkommen in Kraft. Am ersten Gipfeltreffen nach Paris vom 7. bis 18. November in Marrakesch wird über die Modalitäten bei der Umsetzung des historischen Klimavertrags verhandelt.

Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat das Verhandlungsmandat der Schweizer Delegation beschlossen. Es legt den Schwerpunkt auf die Forderung nach robusten und wirksamen Regeln bei der Festsetzung und Berichterstattung über die Klimaziele der einzelnen Staaten. Darüber hinaus will sich die Schweiz für «die Schaffung von Anreizen» für private Investitionen in erneuerbare Technologien einsetzen und klaren Vorschriften für die Anrechnung von Mitteln bei der Unterstützung von dringend benötigten Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländer zum Durchbruch verhelfen.  

«So rühmlich der Fokus auf klare ‚Modalitäten der Anrechnung‘ ist, so sehr täuscht dieser darüber hinweg, dass es dringender denn je zusätzliche öffentliche Finanzmittel braucht um die Schutzmassnahmen in Entwicklungsländern zu ermöglichen», sagt Jürg Staudenmann, Klimaexperte bei Alliance Sud. Denn für Massnahmen, um sich an die zunehmenden Folgen des Klimawandels anzupassen, werden kaum private, auf Gewinn ausgerichtete Investitionen mobilisiert werden können. Hier braucht es – und das ist im Pariser Übereinkommen ausdrücklich festgehalten – zusätzliche Mittel der öffentlichen Hand.

Ein kürzlich vorgelegter Bericht der OECD-Staaten macht deutlich, dass die Industriestaaten dieses Ziel bis jetzt weit verfehlen. Die unter Mithilfe der Schweiz ausgearbeitete «100-Billion Roadmap» der OECD prognostiziert bis 2020 nicht einmal die Hälfte der versprochenen Beiträge für Klima-Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländern. Hier hat auch die Schweiz noch ihre Hausaufgaben zu machen. Denn bis heute hat der Bundesrat keinen Plan vorgelegt, wie er die benötigten rund 1 Milliarde Schweizer Franken mobilisieren will.

Medienmitteilung

COP28: ein unterfinanzierter Schritt weg von fossilen Energien

13.12.2023, Klimagerechtigkeit

Die Klimakonferenz in Dubai ist mit einer Einigung heute zu Ende gegangen. Während erstmals alle Staaten aufgerufen werden, zur Transition weg von fossilen Energien beizutragen, bleibt die Finanzierung für den Globalen Süden völlig unklar. Die Staaten im Globalen Norden stehen in der Pflicht, bis zur COP29 in Baku die benötigte Finanzierung bereitzustellen. Der gerechte Wandel wird ansonsten zur tragischen Illusion.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP28: ein unterfinanzierter Schritt weg von fossilen Energien

Die grosse Schwäche des Konferenzbeschlusses ist die fehlende Verbesserung bei der Finanzierung für den Globalen Süden,

© Fastenaktion

Nach zwei Jahren Vorbereitung war die Hoffnung auf eine ambitionierte globale Bestandesaufnahme gross. Auch die COP-Präsidentschaft unter Sultan Al Jaber hat wiederholt beteuert, dass sie einen ambitionierten Abschluss anpeilte. Während der Konferenz zeigten sich grosse Differenzen, aber der Druck stieg, den Ausstieg aus den fossilen Energien gemeinsam zu beschliessen. Der Schlusstext fordert nun neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien erstmals die Staaten dazu auf, zur Abkehr von den fossilen Energien in Energiesystemen beizutragen: ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht.

«Das Momentum, den Ausstieg aus den fossilen Energien zu fordern, stieg aufgrund des engagierten Einsatzes von unzähligen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt», betonen David Knecht und Stefan Salzmann, Experten von Faktenaktion und Beobachter vor Ort. «Leider entspricht der Beschlusstext aber bei weitem nicht der Dringlichkeit der Klimakrise: Die ärmsten Menschen, die bereits jetzt unter der Krise leiden, müssen weiter auf ambitionierten Klimaschutz warten».

CO2-Gesetz setzt auf Kompensation statt Transition in der Schweiz

Bundesrat Rösti hat in Dubai für die Schweiz die Forderung nach einem Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 unterstützt. Dem muss der Nationalrat bei der Beratung des CO2-Gesetzes nächste Woche Taten folgen lassen. Das Vorhaben, mehr als die Hälfte der zusätzlichen Anstrengungen bis 2030 durch die Kompensation im Ausland zu erreichen, ist der reichen Schweiz nicht würdig. Denn Auslandkompensationen sind kein Ersatz für die Reduktion der Emissionen im Inland, wie Alliance Sud am Beispiel des ersten Programms in Bangkok diese Woche aufzeigte. Der Nationalrat muss das Gesetz nachbessern und insbesondere dem Bundesrat die Möglichkeit geben, die CO2-Abgabe nach oben anzupassen.

Finanzierung für den Globalen Süden reicht nicht aus

Die grosse Schwäche des Konferenzbeschlusses ist die fehlende Verbesserung bei der Finanzierung für den Globalen Süden, damit der gerechte Wandel weltweit vorangetrieben werden kann. Eine umso grössere Herausforderung stellt sich damit für die nächste Konferenz, die im November 2024 in Aserbaidschan stattfinden wird: die Verhandlung des nächsten kollektiven Finanzziels zur Unterstützung des Globalen Südens bei der Umsetzung des Pariser Abkommens.

«Fehlende Finanzierung ist das grösste Hindernis für Staaten im Globalen Süden, einen gerechten Wandel in die Wege zu leiten, und die grösste Ungerechtigkeit für die ärmsten Menschen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen, aber in keiner Weise dafür verantwortlich sind», erklärt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.

Daran ändert auch die Verabschiedung des neuen Fonds für Schäden und Verluste am ersten Konferenztag wenig, denn es bleibt viel zu unverbindlich für die Verursacherstaaten, in diesen Fonds einzuzahlen. Die Schweiz ist dabei fast der einzige Industriestaat, der dem Fonds noch keinen Rappen zugesprochen hat – und gleichzeitig lautstark fordert, andere sollen mehr bezahlen.

Zusätzliche Mittel auch für Klimaanpassung nötig

Auch im Bereich der Anpassung an die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind die Ergebnisse der Konferenz unzureichend. «Damit sich die ärmsten und verwundbarsten Länder an die negativen Folgen der globalen Erwärmung anpassen können, muss die Finanzierung der Anpassung durch die Industrieländer verdoppelt und der Anpassungsfonds gestärkt werden», stellt Christina Aebischer, Expertin von Helvetas und Beobachterin vor Ort, klar. Die Finanzierung der Anpassung muss aus öffentlichen Mitteln stammen und auf Zuschüssen, nicht auf Krediten basieren. Diese Mittel sollten zusätzlich zu den Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit der Industrieländer bereitgestellt werden. Hier ist auch die Schweiz gefordert, die spätestens an der nächsten COP ihre Beiträge wird ausbauen müssen.


Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch
Fastenaktion, Stefan Salzmann, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 078 666 35 89, salzmann@fastenaktion.ch
Fastenaktion, David Knecht, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 076 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch
Helvetas, Katrin Hafner, Koordinatorin Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org

 

 

 

 

Medienmitteilung

COP28: mehr Finanzierung für den Globalen Süden

27.11.2023, Klimagerechtigkeit

Die diesjährige UNO-Klimakonferenz «COP28» vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai spielt eine Schlüsselrolle, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch erreicht werden können. Für eine klimafreundliche Entwicklung im Globalen Süden braucht es mehr finanzielle Unterstützung, auch von der Schweiz.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP28: mehr Finanzierung für den Globalen Süden

Murgang in Peru. 

© Alberto Orbegoso

Nach den heissesten 12 Monaten seit 125'000 Jahren sind die Erwartungen an die Staatengemeinschaft an der UNO-Klimakonferenz COP28 riesig. «Es braucht eine rasche Kurskorrektur, damit das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken, noch erreicht werden kann», sagt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Unter jedem Zehntelsgrad zusätzlicher Erwärmung leiden die ärmsten Menschen am meisten, wobei diese gleichzeitig am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.» Alliance Sud fordert, dass die Schweiz ihre Verhandlungsposition an den Bedürfnissen der ärmsten Menschen im Globalen Süden ausrichtet.

Nach drei Jahren Laufzeit des Pariser Abkommens werden die Vertragsstaaten – als Teil des Ambitionssteigerungs-Mechanismus – in Dubai erstmals die «Globale Bestandesaufnahme» über die Umsetzung des Abkommens verhandeln. «Der Erfolg der COP28 wird sich daran messen, ob die Beschlüsse zur Globalen Bestandesaufnahme die ernüchternde Realität abbilden, dass die nationalen Klimaschutzpläne in der Summe zu wenig ambitioniert sind, um die Ziele zu erreichen. Es braucht unbedingt konkrete Pläne, wie Lücken geschlossen werden können und welche Prozesse dafür vorgesehen sind», betont Stefan Salzmann von Fastenaktion.

Ein drängendes Thema ist der Wandel im Energiebereich – und wer ihn finanziert. Investitionen des Privatsektors können in dieser Hinsicht keine Wunder bewirken. Sie konnten bisher die Finanzierungsbedürfnisse in den Entwicklungsländern bei weitem nicht erfüllen. Insbesondere höhere oder als höher wahrgenommene Risiken hemmen Investor:innen. Ausserdem gibt es praktisch keine privaten Finanzmittel für Massnahmen zur Anpassung in den ärmsten Ländern.

Für eine gerechte Energiewende …

Die Präsidentschaft der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, setzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, ohne sich aber gleichzeitig zum raschen Ausstieg aus den fossilen Energien zu bekennen. Die benötigte Transition muss jedoch beides beinhalten, denn der Ausbau bei den Erneuerbaren allein reduziert noch keine Treibhausgase.

«Bei aller Dringlichkeit von neuen Investitionen dürfen die Menschen in den Fabriken und auf den Feldern auf keinen Fall vergessen gehen. Ihr Wohlergehen müssen wir für einen gerechten Wandel im Auge behalten», betont Cyrill Rogger von Solidar Suisse. Und Annette Mokler von terre des hommes schweiz fügt hinzu: «Betroffene Bevölkerungsgruppen und indigene Gemeinschaften müssen direkt in Pläne für einen gerechten Wandel miteinbezogen werden.» Klar ist bereits jetzt: Der Übergang zu erneuerbaren Energien im Globalen Süden kann nur gelingen, wenn bedeutend mehr finanzielle Unterstützung – internationale Klimafinanzierung – bereitgestellt wird.

… braucht es mehr Klimafinanzierung

Die Finanzierung fehlt nicht nur für die Dekarbonisierung: Die Lücken bei der Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen im Globalen Süden werden immer grösser. Dabei würde laut dem neusten «Adaptation Gap Report 2023» des UNO-Umweltprogramms jede Milliarde Dollar, die in Anpassung investiert wird, 14 Milliarden Dollar wirtschaftliche Schäden vermeiden. «Mit der gegenwärtigen Klimafinanzierung der Industriestaaten kann weniger als ein Zehntel des Finanzierungsbedarfs für die Anpassung im Globalen Süden gedeckt werden. Das ist problematisch, denn das führt zu immer grösseren Schäden und höheren Verlusten», mahnt Christina Aebischer von Helvetas.

Finanzierungsfragen bestimmen seit Jahren die Agenda und die Streitpunkte an der Klimakonferenz. Das ist kein Zufall, denn mindestens 28 der Länder im Globalen Süden, welche am schlimmsten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, haben gleichzeitig gravierende Schuldenprobleme. Viele Länder sind nicht in der Lage, Klimaschutzmassnahmen aus dem eigenen Haushalt zu finanzieren, weil sie stattdessen die Schulden bedienen müssen – ein Teufelskreis.

Fonds für Schäden und Verluste muss gefüllt werden

Dieses Jahr will die Staatengemeinschaft die Modalitäten für den 2022 beschlossenen Fonds für Schäden und Verluste verabschieden. Der bestehende, von 30 Staaten ausgearbeitete Kompro-misstext stellt nur wenig Verbindlichkeit für die Beiträge her. Sollte es dabei bleiben, ist es umso wichtiger, dass die Verursacherstaaten die Konferenz nutzen, um die rasche Gründung und Auffüllung des Fonds sicherzustellen. «Die Industriestaaten behaupten, es sei kein Geld vorhanden. Gleichzeitig verbuchen Konzerne Milliardengewinne aus fossilen Energien und CO2-intensiven Industrien. Es liegt auf der Hand, dass diese Konzerne ihren Beitrag zur Wiedergutmachung der Schäden, die sie verursachen, leisten müssen», erläutert Cybèle Schneider von Heks.

«Einer der Hauptgründe, weshalb die Verhandlungen rund um die finanzielle Unterstützung an den Globalen Süden so harzen, ist das verloren gegangene Vertrauen der ärmeren Länder in reiche Länder wie die Schweiz», erklärt Sonja Tschirren von SWISSAID: «Denn die Industriestaaten be-zahlen ihre bisherige Rechnung nicht.» 2009 wurde beschlossen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Klimaschutz- und Anpassungspläne der Länder im Globalen Süden bereitzustellen. Die neusten Zahlen der OECD zeigen jedoch, dass noch 2021 dieses Ziel um mehr als 10 Milliarden verfehlt wurde. «Die Schweiz und andere Staaten bedienen sich buchhalterischer Tricks, um ihren Beitrag an die Klimafinanzierung schönzurechnen», erklärt Angela Lindt von Caritas Schweiz: «Statt wie international vereinbart neue, zusätzliche Gelder bereitzustellen, setzen Länder wie die Schweiz vor allem Gelder ein, die für die Armutsbekämpfung vorgesehen waren. Kein Wunder, ist sehr viel Misstrauen bei den Verhandlungen da.» Alliance Sud fordert seit Jahren, dass die Schweiz jährlich 1 Milliarde US-Dollar zur Klimafinanzierung beiträgt, ohne dafür das Budget der internationalen Zusammenarbeit zu belasten.

 

Für weitere Informationen:

- Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

- Fastenaktion, Stefan Salzmann, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 041 227 59 53, salzmann@fastenaktion.ch. Stefan Salzmann ist als Beobachter vor Ort in Dubai.

- Solidar Suisse, Cyrill Rogger, Desk Officer Südosteuropa, Tel. 044 444 19 87, cyrill.rogger@solidar.ch

- terre des hommes schweiz, Annette Mokler, Verantwortliche Entwicklungspolitik und Programmkoordination Westsahara, Tel. 061 335 91 53, annette.mokler@terredeshommes.ch

- Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org. Christina Aebischer ist als Beobachterin vor Ort in Dubai.

- Heks, Cybèle Schneider, Fachperson Klimagerechtigkeit, Tel. 079 900 37 08, cybele.schneider@heks.ch

- SWISSAID, Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft, Tel. 079 363 54 36, s.tschirren@swissaid.ch

- Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungspolitik, Tel. 041 419 23 95, alindt@caritas.ch

 

Artikel

Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

29.09.2023, Klimagerechtigkeit

Der Streit, wer die Schäden und Verluste als Folge der Klimaerwärmung bezahlen soll, wird seit Jahrzehnten geführt. Die UNO-Klimakonferenz in Dubai verhandelt dieses Jahr erstmals über die Zahlungsmodalitäten. Resultate sind dringend nötig.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Der Schaden ist da, die Finanzierung noch nicht

Eine nationale Katastrophe: Die Dürre in Kenia trocknet immer wieder das Leben aus.
© Ed Ram/Getty Images

«In meiner Heimat Kenia blieb bereits zum sechsten Mal die Regenzeit aus.» Elizabeth Wathuti spricht an diesem Abend des 22. Juni 2023 auf dem Champ de Mars in Paris laut ins Mikrofon, um von den Tausenden anwesenden Menschen gehört zu werden. «Das hat zu Ernteausfällen geführt, zu längerer Trockenheit und zu Ernährungsunsicherheit. Es hat die Kosten für unsere Landwirtschaft enorm erhöht.» Während die junge Aktivistin vor der Kulisse des Eiffelturms von den Auswirkungen der Klimakrise erzählt und zusammen mit weiteren Rednerinnen und Rednern Klimagerechtigkeit fordert, empfängt der französische Präsident Emmanuel Macron seine Gäste aus aller Welt in einem nahegelegenen Palais zum Bankett. Bereits den ganzen Tag hatten sie sich auf Einladung von Macron im Rahmen eines internationalen Gipfels über Herausforderungen und Wege für eine stärkere Finanzierung nachhaltiger Entwicklung im Globalen Süden ausgetauscht. Das Resultat: Man wird an der nächsten Konferenz weiterdiskutieren.

Die internationale Klimafinanzierung – zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an die Klimaerwärmung im Globalen Süden – ist bereits seit Jahren mit der völkerrechtlichen Verpflichtung für die Industriestaaten verbunden, Beiträge an das kollektive Finanzierungsziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu leisten. Fehlender politischer Wille in den Verursacherstaaten der Klimakrise führte allerdings dazu, dass diese Summe noch nie erreicht wurde.

An der UN-Klimakonferenz im November 2022 (COP27) in Sharm El Sheikh ist es den Staaten des Globalen Südens nun erstmals gelungen, über die Finanzierung von klimaverursachten Schäden und Verlusten verhandeln zu können, auch dank der jahrzehntelangen Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit. Dabei gehen die Schäden und Verluste bereits seit Jahren in die Milliarden, genaue Schätzungen hängen von der Definition ab – und sind dort am grössten, wo die Menschen am wenigsten Mittel haben, sich darauf vorzubereiten oder anzupassen. Ebenfalls führen sie in bereits hoch verschuldeten Ländern zu weiterer Verschuldung. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterscheidet zwischen Schäden bzw. Verlusten aus schleichenden Ereignissen (z. B. dem Anstieg des Meeresspiegels) und rasch einsetzenden Ereignissen (z. B. Stürme und Überflutungen). Ausserdem gibt es neben ökonomisch quantifizierbaren Verlusten und Schäden ebenfalls nicht-quantifizierbare, beispielsweise Schäden an Kulturgütern oder Ökosystemen.

An der diesjährigen Konferenz COP28 in Dubai wird die sogenannte «Loss and Damage»-Finanzierung eines der grossen Verhandlungsthemen werden. Denn die Vertragsparteien haben sich vor einem Jahr den Auftrag gegeben, 2023 detailliertere Bestimmungen darüber zu verabschieden, wie Schäden und Verluste finanziert werden sollen. Die Diskussion beschränkt sich dabei auf Länder, die für die Auswirkungen der Klimakrise besonders anfällig sind . Dazu soll ein UNO-Fonds aufgebaut werden, in den die Verursacherstaaten einzahlen. In diesem Zusammenhang werden innovative globale Finanzierungsquellen diskutiert, welche auch private Akteure nach dem Verursacherprinzip zur Kasse bitten könnten. «Setzen sich solche Vorschläge durch, könnten weltweit auch emissionsintensive Unternehmen zur Finanzierung beitragen», schreibt Robin Poëll, Mediensprecher des BAFU, auf Anfrage von Alliance Sud. Die Chancen für eine solche globale Abgabe für den UNO-Fonds dürften jedoch vorläufig eher gering sein. Bis es soweit ist, könnte die Schweiz vorangehen und prüfen, eine solche Abgabe zumindest auf klimaschädliche Unternehmen in der Schweiz einzuführen, um für Verluste und Schäden im Globalen Süden aufzukommen.

Vertrauensverlust erschwert Verhandlungen

Der wirkliche Zankapfel an der Klimakonferenz wird vermutlich jedoch sein, welche Staaten in den Fonds einzahlen sollen und in welche Länder das Geld fliessen darf. Für letzteres muss definiert bzw. verhandelt werden, welche Länder als besonders vulnerabel gelten. Für die noch politischere Frage, wer als Verursacherstaat einzahlen soll, trifft die historische Verantwortung der Klimakrise, die klar auf die Industriestaaten zurückzuführen ist, auf den heutigen Vergleich der Treibhausgas-Emissionen zwischen den Ländern; bei letzterem haben die grössten Schwellenländer einen höheren Anteil. Die bisherigen Geberstaaten für die Klimafinanzierungsziele wurden 1992 definiert. Die Schweiz möchte erreichen, dass in den Fonds nun mehr Länder einzahlen müssen. BAFU-Sprecher Poëll: «Es ist ein Anliegen der Schweiz, dass die Länder, welche am meisten zum Klimawandel beitragen und die Kapazitäten haben, in die Pflicht genommen werden. Konkret bedeutet dies, dass auch wohlhabende Schwellenländer mit einem hohen Treibhausgas-Ausstoss sowie private Akteure ihren Beitrag leisten.» Die Schweiz und andere Geberstaaten aus dem Globalen Norden sind in diesem Punkt bisher jedoch am Widerstand des Globalen Südens gescheitert. Denn die Industriestaaten haben ihre bisherigen Finanzierungsversprechen nicht eingehalten und sind deshalb bezüglich Klimagerechtigkeit unglaubwürdig. Die Schweiz etwa hat ihren «angemessenen Anteil» an der Klimafinanzierung nicht aufgrund ihres gesamten Klima-Fussabdrucks berechnet, sondern nur anhand der geringeren Inlandemissionen. Ganz zu schweigen vom Verfehlen ihres Klimaziels, bis 2020 die Emissionen um 20% zu reduzieren. Der Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd erschwert letztlich auch die Verhandlungen um ambitioniertere Klimaziele und den Ausstieg aus den fossilen Energien. Die Länder im Globalen Süden müssen aber ihre Finanzierung für erneuerbare Energien sicherstellen können, um sich nicht ins globale Abseits zu manövrieren.

Seit Anfang November liegt ein Kompromissvorschlag für die Ausgestaltung des neuen Fonds vor. Auffällig ist die Ansiedlung des Fonds bei der Weltbank, die weder für ihre Vorreiterrolle in der Klimakrise noch für eine faire Machtverteilung bekannt ist – entsprechend ist die Kritik von Ländern des Globalen Südens und zivilgesellschaftlichen Organisationen gross. Neben der klaren Erwartung an die Industriestaaten, zur Finanzierung beizutragen, werden auch andere Staaten «ermutigt», sich an der Finanzierung zu beteiligen. Die Frage, welche Länder als besonders schadensanfällig gelten und damit vom Fonds profitieren können, dürfte an der Konferenz offenbleiben; sie soll dem Vorstand des neuen Fonds zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Vorstand wird aus 26 Mitgliedern aus allen Weltregionen (14 aus Entwicklungsländern) zusammengesetzt sein, die mit einer 4/5-Mehrheit entscheiden können. Im schlimmsten Fall droht damit eine Blockade bei der Umsetzung des Fonds.

Die Zeit drängt, Schäden und Verluste sind bereits da und nehmen laufend zu. Das liegt auch daran, dass die Finanzierungslücke bei der Anpassung an die Klimaerwärmung gemäss dem Weltklimabericht immer grösser wird. Allerdings können sich die Menschen nicht an jede Veränderung anpassen. Einen bleibenden Eindruck hinterliess der Aussenminister des pazifischen Inselstaats Tuvalu, der im Vorfeld der UNO-Klimakonferenz von Glasgow im Jahr 2021 für eine Rede kurzerhand die Hosenbeine hochgekrempelt und sein Rednerpult ins Meer gestellt hatte, um auf den steigenden Meeresspiegel aufmerksam zu machen. In Glasgow sprach Elizabeth Wathuti an der Eröffnung der Klimakonferenz vor der versammelten Weltbühne: «Bis 2025 wird die Hälfte der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Und bis ich fünfzig bin, wird die Klimakrise allein in Subsahara-Afrika 86 Millionen Menschen vertrieben haben.»  Keine Konferenz kann die Klimakrise von heute auf morgen beenden. Aber bereits eintretende Schäden und Verluste finanziell zu decken, ist bitter nötig.

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© Karwai Tang

Elizabeth Wathuti ist eine junge kenianische Klimaschutz- aktivistin. Sie hat die Green Generation Initiative gegründet und wurde unter anderem auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 mit ihrem Aufruf für mehr Solidarität international bekannt.