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Froschhüpfen mit der Sonne

29.11.2025, Klimagerechtigkeit

Trump will im geopolitischen Ringen um Technologieführerschaft dem erstarkenden China Einhalt gebieten. Doch unter dem notorischen Klimaleugner ist die USA bei der zentralen Solartechnologie schon heute im Rückstand. China hingegen stattet Afrika fleissig mit Solarpanels aus – und damit den Kontinent mit dem grössten Bedarf nach Elektrisierung durch Erneuerbare.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Froschhüpfen mit der Sonne

Auf dem afrikanischen Kontinent ist der Bedarf an verlässlichem Strom enorm. Ein Mann präsentiert ein Solarpanel zum Verkauf in einem Geschäft in Abuja, Nigeria. © Keystone/AP/Olamikan Gbemiga

An der COP30 in Belém sprach auch der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Er beklagte, dass Trump die USA zu einer «Fussnote in der Klimapolitik» mache. Der kenyanische Wissenschaftler und Klimaaktivist Mohamed Adow kommentierte dies gegenüber BBC als «Akt der Selbst-Sabotage», denn letztendlich werde das dazu führen, dass die USA «die Energie der Zukunft verpassen».

Tatsächlich, während sich die USA in allen möglichen Bereichen in einem Tech-Wettkampf mit China sehen, den sie unbedingt gewinnen wollen, ist bei der Solartechnologie der Film gelaufen. Drei Viertel aller jemals seit 2010 produzierten Solarpanels stammen aus China, in den letzten Jahren liegt dieser Anteil deutlich höher. Möglich wurde dies, weil die chinesische Führung ein klares Ziel verfolgt, das Land zu dekarbonisieren (mittelfristig, lange Zeit wurde parallel auch Kohlestrom ausgebaut). Und das mit Technologien und Anlagen, die im eigenen Land hergestellt werden.

Der Erfolg dieser Strategie ist für diejenigen Kreise ein Problem, die Industriepolitik im allgemeinen und erst recht «grüne» Industriepolitik aus ideologischen Gründen prinzipiell ablehnen. Diese sind in der Schweiz besonders stark vertreten, von den Wirtschaftsfakultäten über die NZZ bis zum SECO. Gerne zeigt man dann auf die gegenwärtige Überproduktion in China. Doch Überproduktion ist relativ, wenn man sich die riesigen ungedeckten Bedürfnisse nach bezahlbarem, verlässlichem Strom vor Augen hält: 800 Millionen Menschen, der grösste Teil davon in Afrika, haben immer noch gar keine elektrische Energie.

Doch gerade gerät in Afrika etwas in Bewegung, was der Non-profit-, auf Energiefragen spezialisierte Think Tank Ember als «take-off in solar in Africa» bezeichnet. Ember belegt dies mit beeindruckenden Zahlen und natürlich spielt China dabei eine zentrale Rolle. In den letzten zwei Jahren haben sich die Importe von Solarpanels aus China (ohne Südafrika) fast verdreifacht. Dieser Anstieg war in ganz Afrika zu beobachten. 20 Länder stellten in den 12 Monaten bis Juni 2025 einen neuen Rekord bei den Importen von Solarmodulen auf. 25 Länder importierten beträchtliche Mengen (mehr als 100 Megawatt). In Sierra Leone etwa können die in einem Jahr importierten Module 61% der Stromproduktion (2023) decken.

In weiten Teilen Afrikas gelang es, mit der Mobilfunktechnologie die Stufe zu überspringen, die in den Ländern des Globalen Nordens der Aufbau einer Festnetztelefoninfrastruktur darstellte. Die Solarenergie hat dasselbe Potential für «leap-frogging». Statt einer zentralisierten Produktion von sehr viel Energie an einem Ort, erlaubt sie die dezentrale Produktion nahe an den Menschen, die Strom brauchen. Noch viel grösser wäre das Potential der Sonne für die Entwicklung Afrikas, wenn deren Nutzung nicht einfach auf Importen aus China beruhen würde. Erste zarte Ansätze für die lokale Produktion von Solaranlagen gibt es in Ägypten, Marokko, Nigeria und Südafrika.

Medienmitteilung

COP30: Bescheidene Bilanz in Belém

22.11.2025, Klimagerechtigkeit

Die COP30 geht heute in Belém nach einem zähen Ringen um Fortschritte für mehr soziale Gerechtigkeit und einen gerechten Ausstieg aus den fossilen Energien mit einem gemischten Ergebnis zu Ende. Die Schweiz hat sich für hohe Ambitionen eingesetzt, hinkt aber selbst beim Klimaschutz im Inland und bei der Klimafinanzierung im Ausland hinterher.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
COP30: Bescheidene Bilanz in Belém

© Alliance Sud

Beim Ausstieg aus den fossilen Energien ist das Resultat enttäuschend; es bildet die schwierige Weltlage mit dem Erstarken der Fürsprecher von fossilen Energieträgern ab. Ein entscheidender Nachteil, um sich auf ambitioniertere Ausstiegspläne zu einigen, ist noch immer die riesige Finanzierungslücke im Globalen Süden. Diese ist mit der Ungerechtigkeit verbunden, dass die reichsten 10% der Weltbevölkerung für 48% der Emissionen verantwortlich sind, während die ärmere Hälfte nur 12% der Emissionen ausstösst, aber am schlimmsten von der Klimakrise betroffen ist.

Auch dank der starken Arbeit vieler Länder aus dem Globalen Süden und der Zivilgesellschaft ist es an der COP30 aber gelungen, einen Mechanismus zu «Just Transition» zu beschliessen, der die soziale Gerechtigkeit bei Klimaschutzmassnahmen sicherstellen soll. Das ist ein wichtiges Element, um in den kommenden Jahren die Klimaschutzmassnahmen sozial und gerecht zu gestalten. Der Mechanismus soll Arbeitnehmende, Gemeinschaften und die Länder in ihren Bemühungen dazu unterstützen, beispielsweise mit einer Verbesserung der internationalen Kooperation und des Wissensaustauschs.

Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, sagt:

  •  «Es reicht nicht, sich einmal im Jahr an der COP für den Ausstieg aus den fossilen Energien einzusetzen. Der Bundesrat muss über das ganze Jahr den Klimaschutz priorisieren: bei der Dekarbonisierung der Schweiz, aber auch bei den zahlreichen diplomatischen Kontakten mit den grossen Emittenten.»
  • «Die Einigung enthält die klare Erwartung, die Unterstützung von Ländern im Globalen Süden für die Anpassung an den Klimawandel zu verdreifachen. Dafür muss die Schweiz mehr öffentliche Mittel einsetzen – die Schweiz sollte dringend bei den Erträgen aus dem Emissionshandelssystem entsprechende Beträge reservieren.»

Bettina Dürr, Klimaexpertin von Fastenaktion und Beobachterin vor Ort:

  • «Die COP30 hat es verpasst, die Umsetzung des Klimafinanzierungsziels von Baku – 300 Milliarden USD jährlich bis 2035 – zu konkretisieren. Die Industrieländer haben keinen Plan zur Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung. Dies obwohl sie gemäss Pariser Abkommen dafür in der Verantwortung stehen.»
  • «Die Schweiz fordert zwar hohe Ambitionen beim Klimaschutz, blendet dabei aber jedes Jahr aus, dass es dafür auch finanzielle Mittel braucht. Der Bundesrat ist ohne einen Entscheid, wie das Finanzziel von Baku in der Schweiz umgesetzt werden soll, nach Belém gereist. Wir fordern, dass die Schweiz mindestens 1% an die 300 Milliar-den USD pro Jahr beiträgt.»

David Knecht, Klima- und Energieexperte von Fastenaktion und Beobachter vor Ort:

  • «Bei Klimaschutzmassnahmen müssen die Menschen im Mittelpunkt stehen. Die COP30 bringt uns diesem Ziel mit dem «Just Transition Mechanism» einen Schritt näher. Das müssen wir feiern! Gleichzeitig war es der Staatengemeinschaft nicht möglich, die eklatante Kluft zwischen dem Ziel des Pariser Abkommens und den Klimaambitionen der Länder zu schliessen. Die COP30 liefert keinen umfassenden Plan, wie die Länder sozial gerechte und finanzierte Klimaschutzmassnahmen beschleunigen. Das ist verschenkte Zeit.»
  • «Die Schweiz muss nun umso mehr die Umsetzung im Inland vorantreiben, um in kommenden Verhandlungen positive Signale einbringen zu können. Das heisst auch, dass die Schweiz sich bei den inländischen Emissionsreduktionen nicht auf Ausland-kompensationen verlassen darf. Wir müssen dringend das Potenzial für Reduktionen im Inland nutzen, um den Klimaschutz voranzutreiben.»

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. +41 77 432 57 46 (per WhatsApp), delia.berner@alliancesud.ch

Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher Alliance Sud, Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@allliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Programmverantwortliche Klimagerechtigkeit, Tel. +41 79 745 43 53 (via Signal oder WhatsApp), duerr@fastenaktion.ch

Fastenaktion, David Knecht, Programmverantwortlicher Klimagerechtigkeit, Tel. +41 
76 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch

 

Medienmitteilung

COP30: Schweiz muss Klimaschutz beschleunigen statt auslagern

06.11.2025, Klimagerechtigkeit

Am 10. November startet in Belém die UNO-Klimakonferenz COP30. Die neuen Klimapläne der Staatengemeinschaft zeigen, dass die weltweiten Klimaschutzbemühungen und die finanzielle Unterstützung für die ärmeren Länder zehn Jahre nach Unterzeichnung des Pariser Abkommens weiterhin ungenügend sind. Auch die Schweiz muss deutlich mehr im Inland tun, um eine gerechte und sozialverträgliche Energiewende zu beschleunigen.

Marco Fähndrich
Marco Fähndrich

Kommunikations- und Medienverantwortlicher

+41 31 390 93 34 marco.faehndrich@alliancesud.ch
COP30: Schweiz muss Klimaschutz beschleunigen statt auslagern

Konferenz unweit der Katastrophe: Im Umland der COP30 ächzen Regenwälder, indigene Territorien und Küstenorte längst unter der Klimakrise. Plakatwerbung für die Klimakonferenz in Belém, Brasilien.
© Keystone/AP Photo/Jorge Saenz

Die Wissenschaft ist klar: Wir sind nicht auf Kurs. Auch die von den Ländern neu eingereichten nationalen Klimaziele reichen nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. «Die UNO-Klimakonferenz in Brasilien muss deshalb ein klares Signal senden, dass die Weltgemeinschaft bereit ist, das Ruder herumzureissen. Dafür braucht es einen schnellen und gerechten Ausstieg aus den fossilen Energien», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud.

Schnell muss der Ausstieg aus den fossilen Energien gehen, um die globale Erwärmung einzudämmen und noch schlimmere Auswirkungen und Schäden zu verhindern. Gerecht muss die Energiewende sein, weil sie nur so nachhaltig funktionieren kann. «Es braucht den Einbezug der Sozialpartner, um Kohlekraftwerke abzustellen, genauso wie die Partnerschaft mit indigenen Gemeinschaften, um Regenwälder zu schützen», sagt Andreas Missbach. «Es braucht ebenfalls ein gerechteres Wirtschafts- und Finanzsystem, damit sich mehr Länder Investitionen in die benötigte Infrastruktur leisten können». Auf Englisch hat sich hierfür der Begriff «Just Transition» etabliert.

Forderungen von Alliance Sud

  • Die Schweiz muss darauf hinarbeiten, dass an der COP30 ein Plan zur Beschleunigung der Klimamassnahmen verabschiedet wird. Sie muss sich dafür einsetzen, dass von allen Ländern eine Verstärkung ihrer dieses Jahr eingereichten Klimapläne eingefordert wird, damit die globalen Bemühungen ausreichen.
  • Die Schweiz muss sich selbst höhere Ziele setzen und die notwendigen Massnahmen ergreifen, um diese zu erreichen.
  • Die Schweiz muss sich dafür einsetzen, dass Klarheit darüber geschaffen wird, wie die an der COP29 beschlossenen Finanzierungsziele erreicht werden sollen. Als fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung muss die Schweiz bis 2030 drei Milliarden Dollar pro Jahr beitragen.
  • An der COP30 muss die Schweiz sich auch für einen starken Mechanismus (Belém Action Mechanism) einsetzen, um sicherzustellen, dass Klimapläne und -massnahmen gerecht und sozialverträglich sind.

CO2-Handel ist nicht die Lösung

In einer neuen Analyse zeigen Alliance Sud und Fastenaktion auf, dass die CO2-Kompensation der Schweiz im Ausland nicht zu mehr Klimaschutz insgesamt führt – obwohl dies eine Bedingung für den CO2-Handel unter dem Pariser Abkommen wäre. «Die Schweizer Politik will Geld sparen und lagert einen gewichtigen Teil ihrer Emissionsminderung aus, anstatt Artikel 6 für zusätzlichen Klimaschutz und zur Förderung technologisch transformativer Projekte zu nutzen», sagt David Knecht, Programmverantwortlicher Klimagerechtigkeit bei Fastenaktion und Co-Koordinator der Arbeitsgruppe «Ambition» beim Climate Action Network International. Dabei werden Politik und Gesellschaft von der Erdöllobby beeinflusst, welche mit dem Geld internationaler Ölkonzerne die Energiewende in der Schweiz ausbremst. Somit handelt die Schweiz dem eigentlichen Sinn und Zweck der Pariser Marktmechanismen zuwider.

 

--> Hinweis: Delia Berner, Klimaexpertin von Alliance Sud, ist als Vertreterin der Zivilgesellschaft Mitglied der offiziellen Verhandlungsdelegation der Schweiz und ab dem 10. November in Belém.
 

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher
Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@alliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Fachexpertin für Klimagerechtigkeit
Tel. +41 79 745 43 53 (via Signal, WhatsApp oder Threema), duerr@fastenaktion.ch
--> Bettina Dürr beobachtet die Verhandlungen zum Global Stocktake, zur Just Transition und zur Klimafinanzierung ab dem 7. November vor Ort in Belém.

Fastenaktion, David Knecht, Fachexperte für Klimagerechtigkeit
Tel. +41 76 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch
--> David Knecht beobachtet die Verhandlungen zur Mitigation / NDCs und den CO2-Kompensationsmechanismen ab dem 7. November vor Ort in Belém

 

 

Was erwarten unsere Mitgliedsorganisationen von der COP30?

 

Sonja Tschirren, Klimaexpertin bei SWISSAID:

«An der COP30, wo die Ernährungssysteme zentral sind, darf die Rechnung nicht ohne die ländliche Bevölkerung im Globalen Süden gemacht werden. Für sie braucht es angemessene Schweizer Klimafinanzierung und Unterstützung für Schäden und Verluste. Nur so kann die Transition hin zu agrarökologischen, an den Klimawandel angepassten Produktionssystemen gelingen. Auch lokal tätige multinationale Firmen müssen in die Pflicht genommen werden – freiwillige Kohlenstoffmärkte werden das Problem nicht lösen.»

 

Bettina Dürr, Programmverantwortliche Klimagerechtigkeit,
Fastenaktion und Vorstandsmitglied Klima-Allianz:

«An der COP28 in Dubai haben sich die Länder darauf geeinigt, die Energiewende weg von den Fossilen in Angriff zu nehmen. Mit den neu eingereichten Klimaplänen sehen wir, dass der Ausstieg aus den Fossilen noch nicht klar genug definiert ist. Die Schweiz sollte sich ein Ausstiegsdatum geben, um den Entscheid von Dubai umzusetzen.»

 

Christina Aebischer, Klimaexpertin Helvetas:

«Wir erwarten von der Schweizer Regierung, dass sie sich mit allen Mitteln und glaubwürdig für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und gegen die Schwächung der multilateralen Zusammenarbeit einsetzt. Es gibt unzählige Blatten auf dieser Welt. Unsere Solidarität mit Menschen, die durch den Klimawandel und zunehmende Naturgefahren alles verlieren und sich an neue Gegebenheiten anpassen müssen, darf nicht an den Landesgrenzen aufhören.»

 

Sarah Steinegger, Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik bei Caritas Schweiz:

«Als eines der reichsten Länder darf die Schweiz ihre Klimaverantwortung nicht länger auf ärmere Länder und kommende Generationen abschieben – sie muss jetzt handeln.»

 

Johannes Wendland, Fachperson Klimagerechtigkeit bei HEKS:

«Bei den Verhandlungen zur Klimafinanzierung geht es nicht um Grosszügigkeit – sondern um Verantwortung. Die Kosten der Klimakrise müssen von den grossen Verschmutzern getragen werden und nicht von den Menschen, die am wenigsten zum Problem beigetragen haben.»

 

Klaus Thieme, Leiter Internationale Programme Solidar Suisse:

«Im Globalen Süden verschärft die Klimakrise Armut und Unsicherheit. Besonders die Working Poor sind von Überschwemmungen, zerstörten Lebensgrundlagen und prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Wir brauchen zukunftsfähige, nachhaltige und menschenfreundliche Arbeitsplätze, die den Menschen echte Perspektiven bieten. Die Schweiz muss ihren fairen Beitrag leisten, damit Klimaschutz nicht neue Ungleichheit schafft.»

 

Júlia Garcia, Nationale Koordination Brasilien, terre des hommes schweiz:

«Die Jugend spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Lösungen für die Klimakrise. Dazu gehören die Indigenen Jugendlichen, denn sie sind die Hüter:innen der Wälder, die vom Globalen Norden zerstört werden. Die Stimmen dieser jungen Menschen müssen gehört und in die Verhandlungen einbezogen werden.»

 

Maritz Fegert, Programmverantwortlicher Policy & Advocacy bei Biovision:

«Die COP30 in Belém bietet eine wichtige Gelegenheit, Agrarökologie zu stärken, ein Ansatz, der das Potenzial hat, Ernährungssysteme und Landwirtschaft grundlegend zu transformieren. Durch entsprechende politische Veränderungen können Ernährungssysteme von einem Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen zu einer wirkungsvollen Lösung für Klimaschutz und -anpassung werden.»

Süd-Perspektive

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

02.10.2025, Klimagerechtigkeit

In Afrika ist die Zeit reif für einen verantwortungsvollen Rohstoffabbau. Nur so kann der Kontinent von seinen Reserven an Transitionsmineralien profitieren, die Lebensbedingungen seiner Bürger:innen verbessern und die negativen Auswirkungen des Bergbaus abmindern. Von Emmanuel Mbolela.

Afrika – Schlüsselkontinent für die Energiewende

Wer profitiert vom Coltan, das unsere Zukunft antreibt? Die Rubaya-Minen stehen im Zentrum des Kriegs zwischen der M23-Miliz, Kongo und Rwanda. © Eduardo Soteras Jalil / Panos Pictures

Die globale Energiewende ist eine Conditio sine qua non im Kampf gegen die weltweite Klimaerwärmung und zur Sicherung einer nachhaltigen Energiezukunft für die kommenden Generationen. Seit Jahren prägt das Thema die politische und öffentliche Debatte – im Globalen Norden wie im Süden. Dabei spielt der afrikanische Kontinent – dank seiner aussergewöhnlichen Artenvielfalt zweifelsohne die wichtigste globale Kohlenstoffsenke – eine Schlüsselrolle. Auch ist Afrika reich an verschiedenen Transitionsmineralien (Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel, Coltan, Tantal), die für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge, die Speicherung erneuerbarer Energien sowie für innovative Technologien weltweit unerlässlich sind. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach diesen Mineralien bis 2040 um das Vier- bis Sechsfache steigen.

Was bedeutet das für den Kontinent selbst, der diese strategischen Bodenschätze bereitstellt? Wird Afrika weiterhin als Rohstoffquelle ausgebeutet oder kann der Prozess der Energiewende seine Entwicklung massgeblich beschleunigen?

 

Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis.

 

Die Geschichte wiederholt sich

Blicken wir in die Geschichte zurück, stellen wir fest: Afrika stand schon immer im Zentrum der grossen Umbrüche, die zu Industrialisierungsschüben führten. Es zahlte dafür einen hohen Preis. In der Zeit des Sklavenhandels wurden Afrikaner:innen gewaltsam verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen auf Schiffen nach Amerika transportiert, um dort auf Zuckerrohr- und Baumwollplantagen zu arbeiten. Ein weiteres dunkles Kapitel ist jenes des Kautschuks, der zur Herstellung von Autoreifen verwendet wurde. Zwar revolutionierte er die Automobilindustrie, doch liess seine Gewinnung in den afrikanischen Erzeugerländern tiefe Narben zurück. Unvergessen bleiben die grausamen Methoden, von abgehackten Händen bis hin zur Geiselnahme von Frauen und Kindern, mit denen König Leopold II. von Belgien die kongolesische Bevölkerung zwang, mehr von diesem weissen Gold zu fördern. Dessen Verkauf diente ausschliesslich seiner persönlichen Bereicherung und dem Prosperieren des belgischen Königreichs. Ohne die Rohstoffe aus Afrika hätte es die industrielle Revolution des 20. Jahrhunderts nie gegeben. Ganz zu schweigen vom Uran, das im Süden der Demokratischen Republik Kongo abgebaut und für die Herstellung der Atombombe verwendet wurde, die den Zweiten Weltkrieg beendete. Und auch heute sind die Bodenschätze des afrikanischen Kontinents hochbegehrt: Die Entwicklung der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien ist von afrikanischen Rohstoffen – allen voran Coltan – abhängig. Es wird in erster Linie für die Herstellung von Mobiltelefonen und Laptops verwendet.

Doch paradoxerweise befindet sich Afrika am unteren Ende der globalen Entwicklungsskala. Seine Söhne und Töchter gehen auf der Suche nach einem Eldorado unverhältnismässige Risiken ein. Zu Tausenden sterben sie in der Wüste oder auf hoher See, unter den mitwissenden und schuldbewussten Blicken derer, die zwar die Mittel hätten, sie zu retten, dies aber unter dem Vorwand ablehnen, dass dies eine Sogwirkung zur Folge hätte.

 

Emanuel Mbolela lächelt vor gelb-grünlich leuchtenden Laubbäumen in die Kamera. Er trägt ein hellviolettes Hemd und ein Pulli mit Kragen.

Emmanuel Mbolela wurde 1973 in Mbuji-Mayi im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren. Er hat in seiner Heimatstadt Ökonomie studiert, musste jedoch aus politischen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden.

Er ist Aktivist und Verfechter der Grundrechte von Migrierenden und Autor des Buches «Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil», Wien: Mandelbaum. Er ist Gründer einer Vereinigung für Flüchtlinge und Migrant:innen-Gemeinschaften sowie Initiant einer Notunterkunft, in der Migrant:innen und ihre Kinder vorübergehend aufgenommen werden.

Heute nimmt Afrika eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

 

Heute sind wieder alle Augen auf Afrika gerichtet. Wie zu Zeiten der historischen Umwälzungen der Industrialisierung nimmt der Kontinent bereitwillig eine neue Schlüsselrolle ein: als Kohlenstoffsenke gegen die globale Erwärmung und als Lieferant von Rohstoffen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.

Die vergangenen industriellen Revolutionen, die zwar der Entwicklung des Nordens dienten und der dortigen Bevölkerung eine bessere Lebensqualität bescherten, hinterliessen in Afrika vor allem Tod und Zerstörung. So befindet sich die Demokratische Republik Kongo seit 30 Jahren in einem Krieg um die Entvölkerung und Wiederbesiedelung des östlichen Landesteils, wo riesige Minen mit Transitionsmineralien betrieben werden. Obwohl das Land selbst über keine Rüstungsindustrie verfügt, hat dieser bewaffnete Konflikt Millionen von Toten, Hunderttausende Binnenvertriebene und Flüchtlinge gefordert. Die Vergewaltigung von Frauen und Kindern wird im grossen Stil als Kriegswaffe eingesetzt: Die Bevölkerung sieht sich so gezwungen, ihre Städte und Dörfer zu verlassen und ihr Land zurückzulassen, wo unverzüglich mit dem Abbau weiterer Mineralien begonnen wird.

Während die Nachfrage nach Mineralien regelrecht explodiert, werden wir Zeuge räuberischer und illegaler Praktiken bei deren Gewinnung: Kinder arbeiten in Minen, bewaffnete Konflikte werden geschickt provoziert und Vereinbarungen in völliger Undurchsichtigkeit nicht nur von multinationalen Unternehmen, sondern auch von Staaten unterzeichnet. Im Februar 2024 beispielsweise handelte die Europäische Union mit Ruanda ein Abkommen über die Vermarktung kritischer Rohstoffe aus; dies im Wissen darum, dass die von Ruanda auf dem internationalen Markt angebotenen Metalle aus Plünderungen in der Demokratischen Republik Kongo stammen, mit der Ruanda in einem kriegerischen Konflikt stand.

 

Kobalterz aus den kongolesischen Shabara-Minen, wo Tausende unter widrigsten Bedingungen in einer von Glencore kontrollierten Gegend graben. © Pascal Maitre / Panos Pictures

 

Am 27. Juni wurde in Washington unter Vermittlung der Trump-Regierung ein Friedensabkommen zwischen der DR Kongo und Ruanda unterzeichnet. Dieses Abkommen, dem Verhandlungen zwischen den amerikanischen und kongolesischen Behörden über den Abbau seltener Rohstoffe vorausgingen, entspricht der Logik von Präsident Trump, Frieden gegen strategische Mineralien einzutauschen. Die Regierung des Geschäftsmanns Trump erklärt sich bereit, die Aggression des Nachbarlandes Ruanda gegen die Demokratische Republik Kongo zu beenden, unter der Bedingung, dass diese beim Abbau ihrer Bodenschätze mit den Vereinigten Staaten kooperiert. Es ist allzu offenkundig, dass dieses von Donald Trump so hochgelobte Abkommen in Wirklichkeit lediglich dazu dient, den USA Zugang zu den unverzichtbaren Mineralien zu verschaffen.

 

Die multinationalen Unternehmen sind vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben und weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

 

Ein solches Abkommen wird unweigerlich sowohl zu einem «Frieden ohne Brot» als auch zu Konflikten zwischen den Grossmächten auf afrikanischem Boden führen. Dies umso mehr, als die multinationalen Unternehmen, die sich im Kongo ansiedeln dürften, vom Grundsatz der Gewinnmaximierung getrieben sind und deshalb die abgebauten Rohstoffe ausführen werden, um sie in ihren jeweiligen Ländern zu verarbeiten. Sie sind weder an der Schaffung langfristiger Arbeitsplätze noch an nachhaltigen Abbaupraktiken interessiert.

Mit dem Konflikt der Grossmächte, insbesondere zwischen der EU und den USA, der sich auf kongolesischem Boden anbahnt, könnte sich wiederholen, was sich 1997 in Kongo-Brazzaville zutrug. Dort wurde damals eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt, weil Präsident Lisouba Ölförderabkommen mit amerikanischen Unternehmen unterzeichnet hatte, zum Nachteil der französischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten im Land ansässig waren. Letztere zögerten nicht, den ehemaligen Präsidenten Sassou-Nguessou wieder zu bewaffnen, mit dem Ziel, Pascal Lisouba zu stürzen. Der Krieg, der ausbrach und hunderttausende Menschenleben forderte, führte zu ebenso vielen Binnenvertriebenen und Flüchtlingen und wurde später als ethnischer Krieg bezeichnet.

Ein weiteres Beispiel ist das von den Vereinigten Staaten initiierte und von der EU unterstützte Megaprojekt zum Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia bis zum Hafen von Lobito in Angola. Das vom ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden in den letzten Tagen seiner Amtszeit in Angola eingeweihte Projekt hat zum Ziel, die Transportwege für Rohstoffe zu verkürzen. Es erinnert an die Projekte der Kolonialzeit, als Strassen und Eisenbahnen nicht mit dem Zweck gebaut wurden, die Kolonien zu erschliessen und zu entwickeln, sondern um die Bergbaugebiete oder -regionen mit den Ozeanen und Meeren zu verbinden und so den Transport von Rohstoffen in die Metropolen zu erleichtern.

 

Tiefgreifende Reformen müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren.

 

Die jungen Afrikaner:innen, die täglich zusehen müssen, wie Tausende von Containern mit diesen Reichtümern den Kontinent in Richtung ferner Ziele (Europa, USA, Kanada, China…) verlassen, fordern tiefgreifende Reformen. Diese müssen der räuberischen Ausbeutung ein Ende setzen, damit die Rohstoffe nicht länger einen Fluch darstellen, sondern der Bevölkerung Glück und Wohlstand bescheren. Insbesondere müssen die Gewinne aus den strategischen Reserven an Transitionsmineralien zugunsten der Abbauländer maximiert werden, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bergbaus zu verringern.

Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen

Es ist deswegen höchste Zeit, die verschiedenen internationalen Massnahmen umzusetzen, die in den Schubladen der Vereinten Nationen schlummern, wie die Leitprinzipien der UNO für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitlinien der Expert:innengruppe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu Mineralien, die für die Energiewende unerlässlich sind.

 

Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

 

Engagements wie die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz sind dringend zu unterstützen. Der Erfolg solcher Initiativen hängt auch von ausreichender Sensibilisierung der Bevölkerung über die menschlichen Dramen und Umweltschäden, die im Bergbausektor in Afrika verursacht werden, ab. Solche Initiativen unterstützen die Zivilgesellschaft in den afrikanischen Ländern, die sich Tag und Nacht für die Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Bergbauunternehmen einsetzt.

Beim Abschluss von Bergbauverträgen, die oft undurchsichtig sind und den lokalen Gemeinschaften unbekannt bleiben, befinden sich die Rohstoffmultis in einer Machtposition. Sie nutzen diese, um die Rechte der Bevölkerung und gute Geschäftspraktiken zu umgehen. Weder die Grundregeln der öffentlichen Gesundheit noch die Rechte der lokalen Bevölkerung werden berücksichtigt. So sind sie die Ursache für Luftverschmutzung und Wasservergiftung, welche Krankheiten verursachen, die der Bevölkerung oft unbekannt sind, Menschenleben kosten und die Krise der öffentlichen Gesundheit noch verschärfen.

Die afrikanische Bevölkerung wartet noch immer darauf, dass die Länder des Nordens die Rolle Afrikas anerkennen. Diese Rolle verdient Klimafinanzierung und Ausgleichszahlungen für die Anstrengungen, die von der Bevölkerung im Bereich des Umweltschutzes verlangt werden. Wenn die Energiewende gerecht und fair sein soll, muss das Verursacherprinzip und nicht das Verschmutzerprinzip angewandt werden.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Handel und Klima

Der CO2-Grenzausgleich darf arme Länder nicht benachteiligen

03.12.2024, Klimagerechtigkeit, Handel und Investitionen

Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der Europäischen Union sieht vor, den Import der umweltschädlichsten Produkte zu besteuern. Obwohl die ärmsten Länder dadurch stark benachteiligt werden, ist für sie keine Ausnahme vorgesehen. Sollte die Schweiz das Abkommen eines Tages übernehmen, muss sie für eine Korrektur sorgen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

Der CO2-Grenzausgleich darf arme Länder nicht benachteiligen

In Akokan, Niger, schloss eine der weltgrössten Uranerz-Minen. Doch noch sind weitere im krisenreichen Norden geplant und volkswirtschaftlich bedeutend. © Keystone / AFP / Olympia de Maismont

 

Die Europäische Union (EU) nimmt ihre Klimaverpflichtungen ernst. Im Jahr 2019 hat sie den European Green Deal ins Leben gerufen, der darauf abzielt, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55% zu senken und bis 2050 CO2-neutral zu werden.

Das Programm umfasst mehrere interne und externe Massnahmen, zum Beispiel die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR, siehe global #94). Ein weiteres Schlüsselprojekt der europäischen Handelspolitik ist das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM, Carbon Border Adjustment Mechanism). Es zielt darauf ab, Importindustrien denselben Regeln zu unterwerfen wie umweltbelastende europäische Unternehmen, die an eine Emissionsobergrenze gebunden sind – wobei diese Grenze bisweilen nur dank CO2-Emissionshandel eingehalten wird. Das erklärte Ziel dieser Massnahmen ist es, Investitionen in saubere Energie in Europa attraktiver und billiger zu machen. «Der CBAM schafft Anreize für die globale Industrie, umweltfreundlichere Technologien einzuführen», sagt der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Carbon Leakage vermeiden

Der von Brüssel verabschiedete CBAM soll verhindern, dass die Produktion in Länder mit Kohlenstoffpreisen unter EU-Niveau (oder gar ohne solche Bepreisung) verlagert wird (Carbon Leakage). Auch soll dadurch vermieden werden, dass europäische Hersteller einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt werden. Der Mechanismus sieht vor, die Einfuhr von besonders umweltschädlichen Produkten mit einer Abgabe zu belegen. Zunächst sind dies Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Wasserstoff und Elektrizität.

In der EU seit dem 1. Oktober 2023 in Kraft, wird der CBAM gestaffelt umgesetzt. Für 2026 ist die vollständige Einführung geplant. Ab 2031 soll er dann auf alle importierten Produkte angewandt werden.

Kritik aus dem Globalen Süden

Doch welche Wirkung hat diese Massnahme? Die EU gibt sich optimistisch: Sie schätzt, dass dadurch im Vergleich zu 1990 ihre Emissionen bis 2030 um 13,8% und im Rest der Welt um 0,3% sinken werden.

Der Ansatz wird jedoch von den Ländern des Globalen Südens stark kritisiert. Sie beurteilen ihn als entwicklungshemmend. Andere monieren das Fehlen einer generellen Ausnahme, zumindest für die ärmsten Länder. Ausserdem hat die UN Trade and Development (ehemals UNCTAD) errechnet, dass die Auswirkungen auf das Klima minimal sein dürften: Der CBAM werde die globalen CO2-Emissionen nur um 0,1% senken, jene der EU gerade einmal um 0,9%. Er werde aber voraussichtlich das Einkommen der Industrieländer um 2,5 Mrd. USD erhöhen und jenes der Entwicklungsländer um 5,9 Mrd. USD reduzieren.

2022 forderten die Minister von Brasilien, Südafrika, Indien und China, auf diskriminierende Massnahmen wie einen CO2-Grenzausgleich zu verzichten.

Am stärksten betroffen von diesem Mechanismus sind mit Russland, der Türkei, China, Indien, Südafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten jene Schwellenländer, die am meisten Stahl und Aluminium nach Europa exportieren. Doch auch die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs gemäss UN-Kategorisierung) wie Mosambik (Aluminium) und Niger (Uranerz) sind Leidtragende des Mechanismus. Die Wohlfahrtsverluste für Entwicklungsländer wie die Ukraine, Ägypten, Mosambik und die Türkei würden zwischen 1 und 5 Milliarden Euro betragen, was gemessen an ihrem Bruttoinlandprodukt (BIP) beträchtlich ist.

Eine Ausnahme für LDCs?

Werfen wir einen Blick nach Afrika, wo sich 33 der 46 LDCs befinden. Eine aktuelle Studie der London School of Economics kommt zum Schluss, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) Afrikas mit Anwendung des CBAM auf alle Importprodukte um 1,12% oder 25 Milliarden Euro sinken würde. Die Aluminiumausfuhren gingen um 13,9% zurück, die Eisen- und Stahlexporte um 8,2%, die Düngemittelausfuhren um 3,9% und die Zementausfuhren um 3,1%.

Also das Kind mit dem Bade ausschütten und den CBAM für entwicklungsfeindlich erklären? Das ist wahrscheinlich der falsche Ansatz. Die belgische NGO 11.11.11. schlägt vor, die am wenigsten entwickelten Länder zumindest vorerst nach den WTO-Regeln von diesem Mechanismus auszunehmen, beziehungsweise sie weniger stark zu besteuern als andere. Anlässlich der Diskussionen zum CBAM in Brüssel war diese Möglichkeit vom Parlament in Betracht gezogen worden. Sie wurde aber verworfen, da die EU es vorzog, höhere Einnahmen zu erzielen.

UN Trade and Development hingegen machte den Vorschlag, die Einnahmen aus dem Mechanismus an die LDCs weiterzugegeben, mit dem Zweck, deren Klimatransition zu finanzieren. Die erwarteten Einnahmen der EU belaufen sich auf 2,1 Milliarden Euro, die multilateral über den derzeit unterfinanzierten Grünen Klimafonds weitergeleitet werden könnten.

Vorerst kein CBAM für die Schweiz

In der Schweiz existiert derzeit nichts dergleichen. Heute sind Güter schweizerischen Ursprungs, die in die EU exportiert werden, aufgrund des Emissionshandelssystems (ETS) vom CBAM befreit und der Bundesrat verzichtet derzeit darauf, einen solchen Mechanismus für in die Schweiz importierte Produkte einzuführen. Dem ETS liegt die maximale Menge an Emissionen zugrunde, die den Industrien eines Wirtschaftszweigs zur Verfügung steht. Jedem Teilnehmer wird eine bestimmte Menge an Emissionsrechten zugeteilt. Bleiben seine Emissionen unter dieser Grenze, kann er seine Rechte verkaufen. Übersteigen sie diese Grenze, kann er welche erwerben.

Im März 2021 wurde jedoch im Nationalrat eine parlamentarische Initiative eingereicht, die von der Schweiz eine Anpassung der CO2-Gesetzgebung fordert. Darin soll ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus aufgenommen und dabei die Entwicklung in der EU berücksichtigt werden. Derzeit wird diese parlamentarische Initiative noch in den Kommissionen diskutiert.

Der CBAM kann zwar eine wirksame Handelsmassnahme sein, um importierte CO2-Emissionen zu reduzieren. Sollte die Schweiz das System eines Tages einführen, muss sie jedoch darauf achten, dass sie die ärmsten Länder nicht bestraft. Sie muss ihnen Ausnahmen gewähren und einen erheblichen Teil der erzielten Einnahmen zurückerstatten, um ihnen bei der Energietransition zu helfen.

 

Die Treibhausgasemissionen, die durch die Produktion und den Transport von exportierten und importierten Waren und Dienstleistungen entstehen, machen 27% der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Gemäss der OECD stammen diese Emissionen aus sieben Wirtschaftszweigen: Bergbau und Energiegewinnung, Textilien und Leder, nichtmetallische Chemikalien und Bergbauerzeugnisse, Grundmetalle, elektronische und elektrische Erzeugnisse, Maschinen, Fahrzeuge und Halbleiter.

Es ist unbestritten, dass sowohl auf Seiten des Handels wie auch der Produktion Handlungsbedarf besteht – auf der Produktionsseite beispielsweise durch die Förderung grüner Technologien, Technologietransfer und Klimafinanzierung, auf der Handelsseite durch Massnahmen wie den CBAM. Dessen Einführung darf jedoch die LDCs nicht benachteiligen; diese müssen dabei unterstützt werden, die ökologische Transition zu stemmen und sich an neue Standards anzupassen.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Kommentar zur COP29 in Baku

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

29.11.2024, Klimagerechtigkeit

Nach der Klimakonferenz COP29 in Baku herrscht Fassungslosigkeit bei der internationalen Zivilgesellschaft und den ärmsten Ländern des Globalen Südens ob der brutalen Absage des Globalen Nordens an die Klimagerechtigkeit. Doch die Klimakrise läuft weiter und die Debatte zur Umsetzung in der Schweiz fängt erst an.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

Teilnehmende aus dem Globalen Süden protestierten an der COP29 angesichts der ungenügenden Klimafinanzierung, andere waren schlicht entsetzt über die Verhinderungshaltung von Ländern wie der Schweiz. © Keystone / AP Photo / Rafiq Maqbool

Zwei Wochen lang kämpften die Länder des Globalen Südens in Baku um ein neues Klimafinanzierungsziel, das die Kosten aufgrund der Klimakrise gerecht verteilen und eine angemessene finanzielle Unterstützung aus dem Globalen Norden sichern würde. Sie bissen aber bei den reichen Ländern auf Granit. Die Konferenz befand sich bereits in der Überzeit, als die Vertreter:innen aus den ärmsten Ländern und aus den kleinen Inselstaaten ihre Verzweiflung und Wut über die ungenügende Bereitschaft aus dem Globalen Norden für höhere finanzielle Beiträge zum Ausdruck brachten. Sind sie doch durch den Anstieg des Meeresspiegels und weitere verheerende Auswirkungen der Klimaerwärmung bereits existenzieller Bedrohung ausgesetzt. Einige Stunden später waren sie gezwungen, einen kaum besseren Vorschlag anzunehmen, wollten sie irgendeinen Abschluss der Konferenz zur Klimafinanzierung haben.

Die Ausgangslage der COP29 war schlicht eine riesige, ungedeckte Finanzierungslücke im Globalen Süden, um angemessene nationale Beiträge zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels und nationale Anpassungspläne umzusetzen sowie für klimabedingte Schäden und Verluste aufkommen zu können. Ebenfalls gibt es Hindernisse beim Zugang zur bereits bestehenden Klimafinanzierung. Alliance Sud hatte ein Finanzierungsziel von 1000 Milliarden Dollar jährlich gefordert.

Globaler Süden macht Druck

Zahlreiche Studien bestätigen, dass insbesondere für Anpassung sowie insgesamt in den ärmsten Ländern und kleinen Inselstaaten die Lücke nicht mit privaten Investitionen geschlossen werden kann. Denn die Investor:innen kommen nicht, und bereits hoch verschuldete Länder können sich privates Kapital zum entsprechenden Preis gar nicht leisten. Entsprechend wurde von Seiten des Globalen Südens sowie der Zivilgesellschaft Druck aufgebaut, um eine Vervielfachung der öffentlichen Mittel in der Form von Zuschüssen («Grants») sowie stark vergünstigter Kredite im neuen Klimafinanzierungsziel zu erreichen.

Im Gegensatz dazu wurde die Positionierung der bisherigen Geberstaaten von der Zivilgesellschaft als höchst unfair wahrgenommen, da die Geberstaaten keinerlei Angebote zur Erhöhung ihrer eigenen Beiträge an die Klimafinanzierung bereithielten. Dies obwohl sie gemäss Pariser Abkommen klar im Lead und in der Verantwortung stehen. Unter diesem Eindruck ist auch die grosse Skepsis von weiten Teilen der Zivilgesellschaft gegenüber einer Erweiterung der Geberbasis zu verstehen, weil dies vor allem als Ablenkung der Industriestaaten von ihrer Verantwortung interpretiert wurde.

Schweiz schwächt Multilateralismus

Alliance Sud hat die Schweizer Forderung nach dem Einbezug neuer Geberstaaten mitgetragen, aber stets darauf aufmerksam gemacht, dass dies mit einer Erhöhung der eigenen Beiträge verbunden sein muss. Gewisse Aussagen der Schweiz in den Medien während und nach der COP haben aber leider genau das bestätigt, was die Länder im Globalen Süden bereits vermuteten: dass die Industrieländer sich mit dem Argument der Geberbasis vor ihrer eigenen Verantwortung drücken wollen. Mit diesem Verhalten schwächt die Schweiz letztlich den Multilateralismus, von dem sie als kleiner Staat selbst abhängig ist.

Die Schweiz steht nun vor der Aufgabe, das neue Klimafinanzierungsziel umzusetzen und ihren fairen Anteil an den Kosten, die durch die Klimakrise insbesondere in den ärmsten Ländern im Globalen Süden anfallen, zu tragen – dies im ureigenen Interesse. Damit werden weitere Schäden verhindert, Menschenleben gerettet und zusätzliche Fluchtgründe vermieden. Und nur mit einer massiven Aufstockung der Klimafinanzierung gelingt die Transition auf der ganzen Welt, für die sich die Schweiz international einsetzt.

 

Weitere Artikel zur UN-Klimakonferenz COP29 in Baku

Zu den Resultaten der COP29 siehe auch hier.

Lesen Sie ausserdem den Kommentar von Andreas Missbach zu den bundesrätlichen Absagen gegenüber dem Globalen Süden an der COP29 und erfahren Sie mehr über die Auslandkompensationen der Schweizer Klimapolitik in der Recherche von Delia Berner. Diese zeigt, dass beim Projekt in Ghana grosse Probleme bestehen.

 

 

Delia Berner vertrat Alliance Sud an der COP29 in der Schweizer Delegation. Dieser Kommentar wurde im eigenen Namen und nicht im Namen der Delegation verfasst.

Medienmitteilung

Enttäuschendes Resultat der Klimakonferenz COP29

24.11.2024, Klimagerechtigkeit

Die Klimakonferenz COP29 ist vergangene Nacht in Baku zu Ende gegangen. Das Verhandlungsergebnis ist eine bittere Enttäuschung. Die finanzrestriktive Haltung der Industrieländer hat insbesondere die ärmsten Länder und kleinen Inselstaaten erschüttert. Reiche Länder wie die Schweiz verlieren weiter an Glaubwürdigkeit im Globalen Süden.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Enttäuschendes Resultat der Klimakonferenz COP29

© BAFU

Bereits die geopolitische Ausgangslage war schwierig und die aserbaidschanische Präsidentschaft war nicht sehr erfolgreich darin, Brücken zwischen den Positionen zu bauen. Doch die finanzrestriktive Haltung der Industrieländer hat insbesondere die ärmsten Länder und kleinen Inselstaaten, die bereits heute existenziell von der Klimakrise bedroht sind, erschüttert. Das Vertrauen in den Globalen Norden schwindet. Reiche Länder wie die Schweiz verlieren dadurch weiter an Einfluss und Glaubwürdigkeit im Globalen Süden.

Die Klimafinanzierung wird unter anderem für die Erreichung der Emissionsreduktionsziele gemäss Pariser Abkommen benötigt. Letztes Jahr in Dubai entschied die internationale Staatengemeinschaft, die Energiewende weg von fossilen Brennstoffen in Angriff zu nehmen. In Baku schafften es die Länder nicht, diesen Entscheid weiter zu konkretisieren.

Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik bei Alliance Sud, sagt:

  • Der Bundesrat muss nun glaubwürdig aufzeigen, wie die Schweiz die Klimafinanzierung längerfristig erhöhen kann. Es braucht neue Finanzierungsquellen nach dem Verursacherprinzip, damit die Schweiz ihren fairen Beitrag an die Bekämpfung und die Bewältigung der Klimakrise im Globalen Süden leisten kann. Dafür müssen rasch notwendige Gesetzesanpassungen ausgearbeitet werden.
  • Der Marktmechanismus des Pariser Abkommens steht vor einer ungewissen Zukunft. Bei der Umsetzung der ersten Schweizer Kompensationsprojekte in Thailand und Ghana reihen sich die Probleme und Ungereimtheiten schon auf. (Aktuelle Beispiele s. Medienmitteilung von Alliance Sud vom 21.11.24)

Bettina Dürr, Klimaexpertin von Fastenaktion und Beobachterin vor Ort, sagt:

  • In vielen Entwicklungsländern sind vom Klimawandel betroffene Gemeinschaften darauf angewiesen, dass sie finanzielle Unterstützung erhalten. Wir sehen aktuell in den Philippinen, dass die Taifune häufiger und zerstörender werden. Die Betroffenen haben die Klimakrise nicht verursacht und haben keine Mittel, selbst für die Kosten aufzukommen. Deshalb muss die Unterstützung für Anpassung oder bei Klimaschäden in Form von so genannten «à fonds perdu»-Beiträgen erfolgen. Die Industrieländer haben sich stattdessen geweigert, Klimaschäden ins Finanzierungsziel aufzunehmen.

Christina Aebischer, Expertin für Klimaanpassung bei Helvetas und Beobachterin vor Ort, sagt:

  • Adaptation muss eine gesellschaftliche, solidarische Verpflichtung sein, die durch öffentliche Gelder finanziert wird. Das ungenügende neue Finanzierungsziel im Allgemeinen und für Adaptation im Speziellen sowie die sehr weit offen gehaltene Definition möglicher Beitragsquellen verwässert diese Tatsache und gefährdet eine zügige Sicherung der dringend nötigen Massnahmen.

David Knecht, Klima- und Energieexperte von Fastenaktion und Beobachter vor Ort, fügt hinzu:

  • Die COP29 ist ein Misserfolg für die Energiewende. Die Staatengemeinschaft hat es verpasst, den im letzten Jahr beschlossenen Ausstieg aus den fossilen Energien voranzubringen. Die neuen nationalen Klimaziele aller Länder müssen nun klar aufzeigen, wie dieser Ausstieg gelingen soll. Ich erwarte von der Schweiz, dass sie dabei eine führende Rolle einnimmt.

Für weitere Informationen:

Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46 (per WhatsApp), delia.berner@alliancesud.ch

Marco Fähndrich, Medienverantwortlicher Alliance Sud, Tel. 079 374 59 73, marco.faehndrich@allliancesud.ch

Fastenaktion, Bettina Dürr, Fachexpertin für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 079 745 43 53 (via Signal oder WhatsApp), duerr@fastenaktion.ch

Fastenaktion, David Knecht, Fachexperte für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 076 436 59 86 (via Signal oder WhatsApp), knecht@fastenaktion.ch

Helvetas, Christina Aebischer, Expertin für Klimaanpassung, Tel. 076 459 61 96, christina.aebischer@helvetas.org

 

Medienmitteilung

Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

13.06.2024, Klimagerechtigkeit

Die internationale Klimakonferenz in Bonn ist ohne bedeutende Fortschritte zu Ende gegangen. Die Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel kommen nicht voran. Die Schweiz muss bis zur COP29 in Baku ihren Spielraum nutzen, damit das neue Ziel die hohe Finanzierungslücke für Klimaschutz im Globalen Süden im Interesse aller Staaten schliessen wird.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Von Bonn nach Baku: Die Schweiz hat Potenzial noch nicht ausgeschöpft

© Christoph Driessen / dpa

Das Ergebnis nach zwei Wochen Klimakonferenz in Bonn ist ernüchternd – es gab weder sichtbare Fortschritte bei den Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel noch eine klare Strategie, wie der in Dubai beschlossene Ausstieg aus den fossilen Energien angepackt werden soll. Damit die Vertragsstaatenkonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ambitionierte Beschlüsse fällen kann, müssen alle Länder in den nächsten Monaten ihre Anstrengungen erhöhen. «Um die starken Meinungsverschiedenheiten zwischen grossen Verhandlungsgruppen zu überwinden, muss die Schweiz mithelfen, mehr Vertrauen zwischen Ländern des Globalen Südens und des Globalen Nordens aufzubauen», erklärt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, die für das Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik die Verhandlungen in Bonn verfolgt hat.

Ausstieg aus den fossilen Energien – aber wie?

Vergangenes Jahr an der COP28 in Dubai wurden wichtige Grundsatzentscheide gefällt, nämlich der Ausstieg aus den fossilen Energien und die Verdreifachung der erneuerbaren Energiekapazitäten. Diese Errungenschaften gälte es nun weiter zu konkretisieren. Beispielsweise braucht es zwischen den Ländern einen Austausch darüber, wie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu gestalten ist. Die Schweiz hat mit dem klaren Ja zum Stromgesetz am letzten Sonntag einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. In Bonn konnten sich die Länder aber nicht auf weitere Präzisierungen der Beschlüsse aus Dubai einigen.

David Knecht, Klima- und Energieexperte bei der Entwicklungsorganisation Fastenaktion, sagt: «Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist von zentraler Bedeutung für die ärmsten Menschen, denn sie leiden besonders unter dem Klimawandel.» Bettina Dürr, Klimaexpertin bei Fastenaktion, fügt an: «In der Arbeit mit unseren Partnerorganisationen sehen wir, dass sich lokale Gemeinschaften durch den Aufbau erneuerbarer Energiesysteme entwickeln können. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Entwicklungsmotor eine Chance für alle ist.» Umso wichtiger ist es, dass in Baku das Thema ernsthaft aufgegriffen wird, zum Beispiel über das so genannte Mitigations-Programm. Die Schweiz soll dabei weiterhin mit einer ambitionierten Position die Verhandlungen in Richtung 1.5 °C lenken.

Das Geld fliesst noch nicht

In Bezug auf das zu verhandelnde Klimafinanzierungsziel hat die Schweiz im Rahmen ihrer Verhandlungsposition viele Möglichkeiten, sich konstruktiv einzubringen. Welche Anpassungen der Schweizer Position dafür geprüft werden sollten, hat Alliance Sud als Empfehlungen beim Bundesamt für Umwelt eingereicht. Beispielsweise könnte die Schweiz sich stark machen für eine Definition von Qualitätsmerkmalen der Klimafinanzierung, die sie selbst bereits erfüllt, und so Forderungen aus dem Globalen Süden in den Verhandlungen unterstützen. Das würde vertrauensfördernd wirken. «Die Schweiz vergibt keine Kredite als Klimafinanzierung, sondern unterstützt Projekte im Globalen Süden mit À-fonds-perdu-Beiträgen. Das sollte sie als Standard für das neue Finanzierungsziel einfordern», schlägt Delia Berner vor und ergänzt: «Wenn die Schweiz will, dass ein neues Finanzierungsziel auch neue Geberländer in die Pflicht nimmt, dann muss sie das Vertrauen und die Zustimmung der ärmsten Länder gewinnen.»

Das neue kollektive Finanzierungsziel wird um ein Vielfaches höher ausfallen als das jetzige 100-Milliarden-Ziel. Die Schweiz braucht dafür zusätzliche Finanzierungsquellen nach dem Verursacherprinzip. Vertrauen zu Ländern des Globalen Südens aufbauen heisst auch, mit einem konkreten Angebot nach Baku zu reisen und bereits jetzt auf nationaler Ebene Möglichkeiten zur Aufstockung der Finanzierung zu erarbeiten. Der Bundesrat hat eine Auslegeordnung ausarbeiten lassen und wollte bis Ende 2023 das weitere Vorgehen entscheiden – seither geschah nichts. Hier gilt es, Klarheit zu schaffen.


Für weitere Informationen:
Fastenaktion, David Knecht, Klima- und Energieexperte,
076 436 59 86, knecht@fastenaktion.ch

Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin,
077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch

 

 

Medienmitteilung

Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

03.06.2024, Klimagerechtigkeit

In Bonn werden vom 3.-13. Juni 2024 wichtige Beschlüsse für die UNO-Klimakonferenz (COP29) vom November in Baku vorbereitet. Alliance Sud beobachtet die Verhandlungen vor Ort und erwartet von der Schweiz, dass sie sich sowohl für gesteigerte Ambitionen beim Klimaschutz wie auch für eine angemessene internationale Klimafinanzierung einsetzt.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

+41 31 390 93 42 delia.berner@alliancesud.ch
Klimakonferenz in Bonn stellt Weichen für Baku

© Delia Berner

Damit an der jährlichen Vertragsstaatenkonferenz (COP) der Klimarahmenkonvention und des Pariser Abkommens jeweils im November ausgereifte Beschlüsse gefasst werden können, verhandeln die Staaten das ganze Jahr über auf technischer Ebene. Im Juni treffen sich alle Länderdelegationen und beobachtenden Organisationen der Zivilgesellschaft zu intensiven Verhandlungen in Bonn, um die COP vorzubereiten. Dieses Jahr werden an der COP29 in Baku wichtige Entscheide getroffen, welche die Weichen für die weltweiten Klimaschutzanstrengungen der nächsten zehn Jahre stellen sollen.

Ambitioniertere Klimaziele sind ein Muss – auch von der Schweiz

Mit den bisherigen weltweiten Klimaschutzbemühungen steuert die Welt auf ein katastrophales Szenario von 2.5 bis 2.9 Grad globaler Erwärmung zu. Um auf den 1.5-Grad-Kurs zu kommen, braucht es gemäss der Wissenschaft – verglichen mit 2019 – bis 2035 Emissionsreduktionen von minus 60%. Die Emissionen sind aber seit 2019 um 2.3% gestiegen. David Knecht von der Entwicklungsorganisa¬tion Fastenaktion sagt: «Es braucht eine Kehrtwende und deutlich ambitioniertere Klimaziele aller Länder, insbesondere reicher Länder wie der Schweiz. Das sind wir den ärmsten Menschen weltweit schuldig, denn diese leiden besonders unter der Klimakrise.» Bis Anfang 2025 müssen die Länder ihre neuen, ambitionierteren Klimaziele (NDCs) für die Jahre 2030 bis 2035 kommunizieren. An den Verhandlungen in Bonn gilt es, dafür die nötigen Rahmenbedingen zu schaffen. «Es muss allen Ländern klar sein, was von ihnen erwartet wird. Wir müssen verhindern, dass die neuen Klimaziele wieder zu kurz greifen», betont David Knecht.

Es braucht deutlich mehr Klimafinanzierung

Viele Länder im Globalen Süden können ihre Klimaschutz-Ambitionen nur steigern, wenn sie dafür bedeutend stärker finanziell unterstützt werden. Zusätzlich steigen die Kosten zur Anpassung an den Klimawandel stetig an. Und die Schäden und Verluste aufgrund der Klimakrise sind für den Globalen Süden finanziell verheerend und ungerecht, gerade in den ärmsten Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen. Der Bundesrat spricht von einem Finanzierungsbedarf von 2.4 Billionen Dollar jährlich in Ländern des Globalen Südens (ohne China).

«Das bisherige 100-Milliarden-Ziel zur Unterstützung der ärmeren Länder beim Klimaschutz reicht bei weitem nicht aus», betont Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «In diesem Jahr wird ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es braucht endlich genug Mittel, damit die Länder im Globalen Süden sich klimafreundlich entwickeln und die stetig wachsende Klimakrise bewältigen können.» Dies bedingt eine massive Aufstockung mit neuen und zusätzlichen Geldern aus den reichen Staaten wie der Schweiz.

 

Für weitere Informationen:

Vor Ort in Bonn: Fastenaktion, David Knecht, Programm Energie & Klimagerechtigkeit, 076 436 59 86 (per Whatsapp), knecht@fastenaktion.ch

Vor Ort in Bonn: Alliance Sud, Delia Berner, Klimaexpertin, 077 432 57 46 (per Whatsapp), delia.berner@alliancesud.ch

 

Artikel, Global

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

21.03.2024, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz ist nicht vorbereitet auf die massiv steigenden Erwartungen an ihren künftigen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung. Neue Finanzierungsquellen sind gefragt, um zusätzliche Mittel für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden zu sprechen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

Extraktion fossiler Energieträger in Bakersfield, USA.   © Simon Townsley / Panos Pictures

Verwundert fragten Medienschaffende Bundesrat Albert Rösti letzten Dezember an der Klimakonferenz in Dubai, ob er sich wohl fühle, den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zu fordern. Er beschwichtigte. Bis 2040 solle die Welt aus der Kohle aussteigen, fügte er gemäss Schweizer Position im Plenum hinzu. Was er nicht sagte: Um aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, braucht es mehrere hundert Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Globalen Süden – pro Jahr. Und für die Anpassung in den ärmeren Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen, aber immer schlimmer von der Klimakrise betroffen sind, und für die Entschädigung der Betroffenen, ist nochmals ein solch hoher Betrag notwendig. Das wäre ein Vielfaches des heutigen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die Finanzierungslücke für Klimaschutzmassnahmen in ärmeren Ländern wächst stetig. Trotzdem bleiben die finanziellen Mittel, die von den Verursacherstaaten der Klimakrise wie der Schweiz bereitgestellt werden, sogar hinter den versprochenen 100 Milliarden zurück. Hinzu kommen die Schuldenkrise und weitere Faktoren, welche die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten in den ärmsten Ländern stark einschränken. Viele Länder im Globalen Süden fühlen sich vom Norden im Stich gelassen.

Mit dieser schwierigen Ausgangslage wird an der diesjährigen Klimakonferenz ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es wird daran gemessen werden, ob es die Länder im Globalen Süden tatsächlich dazu befähigt, ambitionierte Klimaschutzpläne umzusetzen und sich an die Klimaerwärmung soweit möglich anzupassen. Ein ambitioniertes und glaubwürdiges neues Klimafinanzierungsziel ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass alle Staaten im Jahr 2025 neue 5-Jahres-Klimapläne einreichen können, die den Zielen des Pariser Abkommens gerecht werden. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn die Delegierten sich im November in Aserbaidschan zu den Verhandlungen treffen, und die Erwartungen an die reichen Länder werden massiv ansteigen. Auch die Schweiz sollte sich konsequenterweise dafür einsetzen, dass die Verursacherstaaten weit mehr öffentliche Mittel für die Klimafinanzierung bereitstellen. Der Chefverhandler der Gruppe der ärmsten Länder, Evans Njewa aus Malawi, fordert in einem Gastbeitrag für Climate Home News die Verhandlungsdelegationen aus dem Globalen Norden auf, sich nicht länger hinter ihren Parlamenten zu verstecken: «Sie sagen, sie hätten kein Mandat beziehungsweise keine Möglichkeit, die Mittel zu erhöhen, da ihre Parlamente nicht zustimmen würden. Umso mehr müssen sie jetzt handeln, bevor die Parlamente über ihre Budgets beraten», fordert Njewa.

Der Bundesrat verdrängt den Handlungsbedarf

Dieses Muster lässt sich auch hierzulande beobachten. Während die Schweiz sich in den Klimaverhandlungen für den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 einsetzt, damit die Ziele des Pariser Abkommens noch erreicht werden können, steht sie in Finanzierungsfragen auf der Bremse, weil sie keine innenpolitischen Zusagen für höhere Beiträge vorweisen kann. Allerdings versucht der Bundesrat gar nicht erst, zusätzliche Mittel beim Parlament zu beantragen. Wie kommt das?

Die Schweizer Beiträge an die Klimafinanzierung stammen bisher hauptsächlich aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA), das schon an sich zu wenig Mittel für die globale Armutsbekämpfung erhält und dem nun noch eine massive Mittelverschiebung zugunsten des Wiederaufbaus in der Ukraine droht. Das heisst, dass bereits die jetzige Klimafinanzierung mit Projekten zur Armutsbekämpfung doppelt gezählt wird. Hingegen braucht es neue, zusätzliche Mittel, um mit der Schweizer Klimafinanzierung effektiv zur Unterstützung der Klimapläne im Globalen Süden beizutragen. Der Bundesrat müsste auf Gesetzesebene alternative Finanzierungsoptionen erarbeiten, damit die IZA-Mittel weiterhin für die globale Armutsbekämpfung, die Stärkung der Grundversorgung bei Bildung und Gesundheit sowie ihre weiteren zentralen Aufgaben eingesetzt werden können. Tatsächlich hat er der Verwaltung vor einem Jahr den Auftrag gegeben, Optionen zu erarbeiten, wie die Schweiz künftig mehr Klimafinanzierung leisten könnte. Ende letztes Jahr wurde dann ohne Kommentar eine extern in Auftrag gegebene Studie auf der Website des Bundesamts für Umwelt veröffentlicht. Darin empfehlen die Expertinnen und Experten, dass die Schweiz zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen solle, beispielsweise Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem. Doch im Bundesrat geschah seither nichts. Gemäss der neuen Legislaturplanung hat er nicht vor, in den nächsten drei Jahren dem Parlament ein Geschäft zur Klimafinanzierung vorzulegen. Er setzt einzig auf den neuen Vierjahreskredit für die Internationale Zusammenarbeit 2025 - 2028, der aber keinen Raum für zusätzliche Klimafinanzierung bietet.

Wenn der Bundesrat nicht handelt – was in diesem Fall verantwortungslos ist, da die Klimaverhandlungen in seiner Kompetenz liegen –, kann auch das Parlament die Initiative ergreifen. Nationalrat Marc Jost hat in der vergangenen Wintersession einen Vorstoss eingereicht, damit im Parlament ein neues Gesetz für die internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzierung erarbeitet werden kann.

Ohne Finanzierung kein Handeln

Die Klimakonferenz in Baku rückt schnell näher – was bleibt also zu tun? Die Schweiz muss ihre bisherige Verhandlungsposition in Finanzierungsfragen überdenken und sich für ein ambitioniertes Ziel einsetzen, das den Bedürfnissen der Menschen im Globalen Süden entspricht und die finanziellen Verantwortlichkeiten fair auf die reicheren Länder verteilt, welche die Klimakrise zu verantworten haben. Nur so kann bis 2040 der Ausstieg aus der Kohle und bis 2050 aus allen fossilen Energien gelingen. Entsprechend hoch wird auch der internationale Druck sein, sich auf ein ehrgeiziges Ziel zu einigen.

Und damit wird auch der Druck auf die Schweiz unweigerlich steigen, ihren Beitrag um ein Vielfaches zu erhöhen. Damit ein Anstieg der Mittel rasch genug erfolgen kann, muss sie jetzt die gesetzgeberischen Arbeiten an die Hand nehmen und zusätzliche Wege für die Klimafinanzierung erschliessen. Evans Njewa drückt es so aus: «Wir müssen uns stets daran erinnern, dass es ohne Finanzierung kein Handeln gibt, und ohne Handeln werden wir die Klimakrise nie in den Griff kriegen.»

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