Nord-Süd-Disput an FFD4-Konferenz

Ein Streit unter Freunden

30.09.2025, Entwicklungsfinanzierung

An der UNO-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im vergangenen Juli eskalierte ein Streit unter Freunden, von dem ausserhalb des Raumes kaum jemand etwas mitbekommen hat. Die verbale Schlacht zwischen Gustavo und Emmanuel wäre auch nicht weiter der Rede wert, hiessen sie mit Nachnamen nicht Petro und Macron.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Ein Streit unter Freunden

Klartext in Sevilla: Nachdem Kolumbiens Präsident Gustavo Petro (links) ungeschönt von historischer Schuld und fortwährender Ausbeutung spricht, ist Frankreichs Emmanuel Macron (rechts) entzürnt. Dazwischen Kenyas Präsident William Ruto. © Reuters / Jon Nazca

Der kolumbianische Präsident holte weit aus (bis 20'000 Jahre vor Christus) und er teilte aus: «Die weissen, arischen Gesellschaften in den USA und Europa wollen nicht wirklich anerkennen, dass die Existenz und das Leben auf diesem Planeten die Transformation einer auf Tod und Profit gegründeten fossilen Wirtschaft voraussetzt.»

Petro beklagte, dass die Migration für den Globalen Norden zu einem wichtigeren Problem geworden sei als die Klimakrise: «Stimmen gewinnt man heute mit einer antimigrantischen Haltung im Norden. (…) Warum ist die Migration das Thema? Weil die Wählerschaft in jenen Ländern, die zur G20 und zum Globalen Norden gehören und viel CO2 ausstossen, zum grössten Teil 'arisch' ist.»

Emmanuel was not pleased (er sprach Englisch) und entgegnete mit erhobenem Zeigefinger: «Es ist etwas seltsam, von jemandem aus dem Süden belehrt zu werden, nur weil er aus dem Süden kommt. Und ich verlange Respekt. (…) Ich sehe keine Sekunde lang, wie man auf der Basis Deines Narrativs und Deines Paradigmas zu einer gemeinsamen Agenda kommen soll. (…) Es gibt in Europa Politiker, die sehr viel gegen die Rechtsextremen kämpfen.»

Es bleibt zu hoffen, dass sich die beiden Freunde wieder versöhnten und vor allem, dass diese Episode nicht für Grösseres steht. Das wäre eine geopolitische Katastrophe. Angesichts von Kimxipu(tin), die sich erst noch als die wahren Fürsprecher des Globalen Südens aufspielen, und den USA, die bestenfalls eine illiberale Demokratie bleiben, braucht es den Schulterschluss von Europa mit den Demokratien des Globalen Südens. Nur in dieser Konstellation ist noch ein Multilateralismus denkbar, der Demokratie, Menschenrechte und das friedliche Zusammenleben der Völker miteinschliesst. Und solche Demokratien gibt es vor allem in Lateinamerika.

Dafür muss Europa, die Schweiz eingeschlossen, aber auf diese Länder zugehen. Beispielsweise bei Steuerfragen oder bei einem Thema, das die Regierung von Gustavo Petro auf die internationale Agenda gesetzt hat: eine UNO-Konvention zu Rohstoffen, die es für die Energietransition braucht. Kolumbien will der UN-Umweltversammlung im Dezember einen Beschluss vorlegen, damit Verhandlungen über ein verbindliches Abkommen aufgenommen werden können.

Wie Alliance Sud in ihrem Sonderheft «Der neue Deal» gezeigt hat und im aktuellen «global» auch Emmanuel Mbolela betont, ist es für die Just Transition absolut zentral, dass sich bei den Transitionsmineralien nicht der Rohstofffluch wiederholt. Darüber darf man auch laut streiten, aber man muss sich einigen.

 

 

Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, war an der UNO-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla Mitglied der offiziellen Delegation der Schweiz.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.