Artikel

Schuldenkrise: mit Aufschub gegen die Wand

17.03.2022, Finanzen und Steuern

Die Corona-Pandemie führt in eine globale Schuldenkrise. Besonders betroffen davon sind ärmere Länder des Südens. Trotz einiger multilateraler Bemühungen um Schuldenerleichterungen in den letzten zwei Jahren verschärft sich ihre Lage dauernd.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Schuldenkrise: mit Aufschub gegen die Wand

© Philip Bürli

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren rückte die Verschuldungsfrage wieder ins Zentrum entwicklungspolitischer Debatten. Dass sie eine der zentralen politischen Auseinandersetzungen in der Bekämpfung der globalen Ungleichheit darstellt, ist allerdings nichts Neues. Auch dass eine fundamentale Veränderung im politischen Umgang mit Staatsschulden nötig ist, um die Volkswirtschaften der Welt auf die Entwicklung ökologischerer, sozialerer und demokratischerer Gesellschaften auszurichten, ist kein Geheimnis. Wieso oft, ist eine Erkenntnis aber auch bei diesem Thema keine hinreichende Bedingung für praktische Veränderungen: Gemäss dem jährlichen Schuldenreport der deutschen NGOs Misereor und erlassjahr.de weisen heute 135 der 148 der im Bericht untersuchten Länder eine problematische Verschuldung auf. Akut von einem Staatsbankrott gefährdet sind davon 39; zu diesen gehören Länder aller Einkommensgruppen und ihre Zahl hat sich seit Ausbruch der Pandemie vervierfacht.


Im Gegensatz zu den reicheren Ländern des Nordens, die sich in der Regel in ihrer eigenen Währung verschulden und sich über ihre finanz- und fiskalpolitischen Institutionen (u.a. die Zentralbanken) eine gewisse Flexibilität im Management ihrer Schulden bewahren, verschulden sich arme Länder üblicherweise in Fremdwährungen wie dem US-Dollar oder dem chinesischen Renminbi. Zudem zahlen ärmere Länder auf Grund ihrer schwächeren Volkswirtschaften an den Finanzmärkten auch viel höhere Zinsen als reiche Staaten – in der Regel um die 5%. Die Schweiz oder Deutschland hingegen konnten in den letzten Jahren praktisch zum Nulltarif neue Schulden aufnehmen.
Ohne Schuldenerlasse kommen ärmere Länder kaum mehr aus einer Schuldenfalle heraus. Allerdings geht diesen die politische Frage voraus, wer die Kosten der entsprechenden Kreditausfälle tragen soll: Die breite Bevölkerung, die auf Grund von Sparmassnahmen des Staates, die der Schuldenreduktion dienen, mit schlechteren öffentlichen Gesundheits-, Bildungs- und Infrastruktursystemen konfrontiert ist und weniger Geld zum Leben hat, oder die Gläubiger, die auf Renditen verzichten und Verluste auf ihrem Eigenkapital in Kauf nehmen müssen.

Schuldenpolitisches Damoklesschwert nur verschob


Im aktuellen Fall der Staatschuldenkrise im globalen Süden gaben die massgebenden G20-Staaten in Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder dieselbe Antwort: Für diese Krise sollen die Gesellschaften in den betroffenen Ländern bezahlen und nicht die KapitalgeberInnen. Zwar wurden im Rahmen dieser multilateralen Institutionen seit Ausbruch der Coronakrise mehrere Initiativen lanciert, die die Lage der verschuldeten Staaten zum Teil kurzfristig etwas entschärften, wirkliche Auswege aus der Schuldenkrise stellen sie allerdings alle nicht dar – dazu gehören vor allem der „Catastrophe Containment and Relief Trust“ (CCRT) des IWF und die „Debt service suspension initiative“ (DSSI) der G20-Länder.

Der IWF schuf den CCRT im Jahr 2010. Auf die Corona-Krise reagierte er mit einer Ausweitung des Trusts bis auf 29 Länder mit niedrigem Einkommen. Bis im April dieses Jahres übernimmt der CCRT sämtliche fälligen Zahlungen dieser Länder an den IWF. Die DSSI wurde von den G20-Ländern nach Ausbruch der Coronakrise im Frühling 2020 neu geschaffen. Sie bietet den 73 ärmsten Ländern der Welt, die die Kriterien für eine Kreditvergabe der Internationalen Entwicklungsorganisation IDA (die zur Weltbank gehört) erfüllen, ein Schuldenmoratorium an: Länder, die die DSSI in Anspruch nahmen, konnten 2020 und 2021 ihre Zahlungen an bilaterale Gläubiger (also andere Staaten) aussetzen. In den Jahren 2023 bis 2027 müssen sie diese Zahlungen allerdings nachholen. Während der CCRT also nur einen sehr engen Länderkreis umfasst und nur sehr punktuell gewisse Schuldenerleichterungen gegenüber dem IWF bringt, verschiebt die DSSI wiederum das Problem nur in die Zukunft. Für die betroffenen Länder war die Initiative zwar hilfreich, um einen gewissen finanziellen Spielraum für die unmittelbare Bewältigung der Pandemie zu erhalten. Gelöst ist das Problem mitnichten, wie der Schuldenreport von Misereor und erlassjahr.de zeigt: «58 Länder mit niedrigem oder mittlerem Nationaleinkommen zahlten 2020 mehr an Zins- und Tilgungszahlungen an private Gläubiger im Ausland, als sie im gleichen Zeitraum von diesen an neuen Krediten zur Verfügung gestellt bekamen.»

Die Kombination aus Schuldenmoratorien für öffentliche und multilaterale Kredite und der Weigerung privater Gläubiger wie Banken und Rohstoffhändlern, sich an Schuldenerleichterungen zu beteiligen, führen dazu, dass private Forderungen auf öffentliche Haushalte abgewälzt werden. «Gleichzeitig», so schreiben die AutorInnen des Schuldenreports, «wurde die Atempause, die durch das Schuldenmoratorium DSSI der G20 und die massiven Liquiditätshilfen geschaffen wurde, nicht für überfällige Reformen der Schuldenarchitektur genutzt.»

Staatsbankrotte mit Schweizer «Hilfe»

Bei der Bewältigung der Schuldenkrise steht die Schweiz besonders in der Pflicht. Dass zeigt ein Blick auf drei Länder im globalen Süden, für die der Staatsbankrott bereits Tatsache ist. Sie können dem Schuldendienst mit den Mitteln des eigenen Staatshaushaltes nicht mehr nachkommen und sind also auf die Hilfe des IWF oder der Weltbank angewiesen; bzw. darauf, dass ihre Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten.

  • Im Tschad heisst der einzige private Gläubiger Glencore. Der Rohstoffkonzern wickelt die meisten seiner Geschäfte, zu denen auch sogenannte «Resource-backed loans» (RBLs) gehören, über den Kanton Zug ab. Bei RBLs versprechen die Rohstoffabbauländer den Händlern mit Hilfe von Terminkontrakten zukünftige Lieferungen, im Gegenzug erhalten sie von den Händlern Vorauszahlungen für die entsprechenden Mengen zu einem bestimmten Preis als Kredite. Obwohl sogar Weltbank-Chef David Malpass Glencore im Frühling 2021 dazu aufgerufen hat, dem Tschad Schuldenerleichterungen zu gewähren, bewegte sich der Zuger Konzern bisher nicht.
  • Auch Sambia gehörte bisher zu den wichtigsten Rohstoffabbaustandorten von Glencore. Zu dessen Geschäften gehört nachweislich auch die massive Steuervermeidung – zum Schaden des sambischen Staathaushaltes und zum Vorteil des Fiskus in der Schweiz.
  • In Mosambik wiederum sind illegale Kreditgeschäfte mit der Credit Suisse sogar hauptverantwortlich für den Staatsbankrott: Statt in den Aufbau einer halbstaatlichen Fischereiflotte, flossen die Kredite in die Taschen der dortigen Wirtschafts- und Politeliten.

Diese drei Staaten gehören zu den Schwerpunktländern der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Die Geschäfte von Schweizern Grosskonzernen, mit denen der Bund im Rahmen seiner Aussenwirtschaftspolitik auch im Ausland zusammenarbeitet, unterminieren die Glaubwürdigkeit des Schweizer Engagements für nachhaltige Entwicklung. Es wäre deshalb gut, wenn der Bund seine zweifellos vorhandenen guten Beziehungen zu diesen Unternehmen nützen würde, um sie zu einer Beteiligung an den nötigen Entschuldungen zu motivieren.

Positionspapier

Wer nimmt, dem wird gegeben

23.02.2023, Finanzen und Steuern

Die OECD wollte mit der neuen Mindeststeuer das internationale Unternehmenssteuersystem ein wenig gerechter machen. National- und Ständerat kehrten sie in ihr Gegenteil um. Alliance Sud sagt deshalb «Nein» zur entsprechenden Verfassungsänderung.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Wer nimmt, dem wird gegeben

Die Schweizer Umsetzung der OECD-Mindeststeuer ist im Interesse der Konzerne, nicht aber des Globalen Südens. Im Bild: der ehemalige Bundesrat Ueli Maurer, rechts, und Vizekanzler Andre Simonazzi.
© ANTHONY ANEX / Keystone SDA

Technisch ist die Mindeststeuer zweifellos sehr kompliziert, aus einer streng innenpolitischen Sicht ist ihre Rechnung aber sehr einfach. Der ehemalige Schweizer Finanzminister Ueli Maurer hatte diese denn auch sehr schnell gemacht, als der Bundesrat die Vorlage zur nationalen Umsetzung der Mindeststeuer im Juni letzten Jahres vorstellte: «Wenn die Schweiz das zusätzliche Geld nicht nimmt, werden es andere tun», sagte er.

Wer sich wie Alliance Sud für mehr globale Steuergerechtigkeit einsetzt, muss die Rechnung allerdings genau umgekehrt machen: Länder im Globalen Süden, die Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen beherbergen, bekommen das zusätzliche Geld nur, wenn die Schweiz es nicht nimmt. Kernstück der Schweizer Umsetzung der Mindeststeuer ist eine sogenannte nationale Ergänzungssteuer (in der Sprache der OECD «Domestic Minimum Top-up tax, DMTT)»). Diese sorgt dafür, dass multinationale Konzerne, die auf ihre in der Schweiz verbuchten Gewinne bisher weniger als 15% Steuern zahlten, neu mit zusätzlichen Steuerprozenten belegt werden, die die effektiven Steuersätze in Zukunft auf das OECD-Minimum von 15% anheben. Ein Beispiel: Ein Rohstoffkonzern im Kanton Zug hat bisher 11% Gewinnsteuer bezahlt. In Zukunft muss er die Differenz von 4% zusätzlich entrichten.

So weit, so gut, die nationale Ergänzungssteuer hat aber aus entwicklungspolitischer Sicht einen grossen Haken: Die gesamten zusätzlichen Steuereinnahmen bleiben im Kanton Zug, wo der Rohstoffkonzern seinen Sitz hat. Die Länder im Globalen Süden, wo der Konzern seine Rohstoffe abbaut, die er dann von Zug aus handelt, gehen leer aus. Zu Unrecht: Denn oft sind die Gewinne, die Konzerne in der Schweiz versteuern, nicht hier erarbeitet worden, sondern in den Produktionsländern im Globalen Süden − bei einem Rohstoffkonzern etwa in einer Kupfermine in einem afrikanischen Land. Länder im Globalen Süden, in denen Schweizer Konzerne Tochtergesellschaften betreiben, kriegen das Geld aus der Mindeststeuer nur, wenn es die Schweiz nicht nimmt. Sprich, wenn die Schweiz die nationale Ergänzungssteuer nicht einführt. Das könnte sie problemlos tun, denn im Unterschied zur letzten internationalen Unternehmenssteuerreform setzen OECD, G20 und die EU dieses Mal nicht auf Sanktionen gegenüber Ländern, die nicht mitziehen, sondern auf genau jene volkswirtschaftlichen Anreize, die Ueli Maurer im obigen Zitat so schön auf den Punkt gebracht hat.

Die Schweizer Umsetzung ist kein Beitrag zu mehr globaler Steuergerechtigkeit

Für wirtschaftlich benachteiligte Länder im Globalen Süden, in denen Schweizer Konzerne tätig sind, ist die Mindeststeuer aus den folgenden Gründen kein Fortschritt, ja sogar ein Rückschritt:

a) Der Steuersatz der Mindeststeuer ist viel zu tief: Die Gewinnsteuersätze in den Produktionsländern des Globalen Südens liegen in aller Regel zwischen 25% und 35%. Die viel tiefere Mindeststeuer von 15% sichert ihnen keine zusätzlichen Steuereinnahmen. Im Frühling 2021 hatten die USA unter der neuen demokratischen Regierung Biden noch 21% Mindeststeuersatz gefordert. Dann verhandelte die Schweiz gemeinsam mit anderen Tiefsteuerländern wie Irland und Luxemburg diesen erfolgreich hinunter. Das zeigt ein Brief von Ueli Maurer an den OECD-Generalsekretär Mathias Cormann vom Herbst 2021.

b) Die Mindeststeuer unterbindet Gewinnverschiebungen nicht: Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne, die sie mit der Produktion in Ländern mit hohen Steuersätzen erzielen, in Tiefsteuerländer mit sehr tiefen Steuersätzen. Damit sparen sie viele Steuern in den Produktionsländern, ermöglichen es aber gleichzeitig Schweizer Kantonen, zu niedrigen Steuersätzen Gewinne zu versteuern, die gar nicht in der Schweiz erarbeitet wurden. Das zeigt etwa der Fall des schweizerisch-luxemburgischen Agrarrohstoffhändlers Socfin. Zudem zeigen Analysen von Ökonom:innen um den Standford-Professor Gabriel Zucman, dass multinationale Konzerne im letzten Jahr 111 Milliarden Dollar Gewinne in die Schweiz verschoben. 39 Prozent der gesamten Schweizer Gewinnsteuereinnahmen von insgesamt 22,7 Milliarden Dollar stammen aus Gewinnverschiebungen. In dieser Rechnung sind die Gewinnverschiebungen aus vielen Ländern des Südens allerdings noch gar nicht enthalten, weil dort die nötigen Steuerdaten für solche Berechnungen fehlen. Fälle wie der oben erwähnte von Socfin in Fribourg zeigen aber, dass damit gerechnet werden muss, dass die entsprechenden Beträge solcher Gewinnverschiebungen noch viel höher sind. Aus einer Studie der Ökonomen Petr Janský und Miroslav Palanský von 2019 geht hervor, dass jährlich mindestens rund 80 Milliarden Euro an Gewinnen aus Entwicklungsländern in Tiefsteuerländer wie die Schweiz verschoben werden. Wie viel von diesem Geld genau in der Schweiz landet, lässt sich aber aufgrund der erwähnten Datenprobleme in den Herkunftsländern und auch wegen der Intransparenz der Schweizer Rechnungslegungsstandards bis heute nicht sagen. Auch mit der Einführung der Mindeststeuer bleibt die Schweiz als Zielland von Gewinnverschiebungen aus Entwicklungsländern so attraktiv wie bisher.

c) Die Mindeststeuer beschneidet die Steuerautonomie von Ländern des Südens: Länder im Globalen Süden, die die Mindeststeuer einführen, werden in der Ausgestaltung ihrer eigenen Steuergesetze eingeschränkt. Führen sie die Mindeststeuer ebenfalls ein, können diese Länder unilaterale Massnahmen, wie zum Beispiel eine Quellensteuer auf konzerninternen, grenzüberschreitenden Zahlungen, die über 9% liegt (das ist die Schwelle, die gemäss den neuen OECD-Regeln noch erlaubt ist) nicht mehr anwenden. Quellensteuern mit Steuersätzen, die im Bereich der regulären Besteuerung von Unternehmen in diesen Ländern liegen (in der Regel über 20%), sind aber ein probates Mittel im Kampf gegen Gewinnverschiebungen. Wenn diese nur noch eingeschränkt anwendbar sind, führt das in den betroffenen Ländern zu zusätzlichen Steuerausfällen. Führen diese Länder aus diesen Gründen die Mindeststeuer hingegen nicht ein, müssen sie akzeptieren, dass die Schweiz das gesamte zusätzliche Steuersubstrat aus der Mindeststeuer abschöpft. Der Druck auf diese Länder steigt so, ihre Steuersätze für Konzerne zu senken, um die Differenz zu den Steuersätzen in der Schweiz und anderen Tiefsteuerländern zu verringern und so den Anreiz für Gewinnverschiebungen zu reduzieren: Aus dem „Race to the bottom“ würde ein „Race to the minimum“.

Standortförderungsmassnahmen zugunsten der Konzerne mit Mindeststeuereinnahmen

Gemäss dem Willen des Parlaments sollen nur 25% der Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer beim Bund bleiben. Die restlichen 75% gehen an die Kantone. Profitieren werden vor allem die beiden prominenten Konzerntiefsteuergebiete Zug (Rohstoffhändler) und Basel-Stadt (Pharma). Wie das zusätzliche Steuergeld eingesetzt werden soll, ist auch bereits grösstenteils klar. Beim Bund sollen die Einnahmen gemäss Bundesbeschluss explizit für Standortförderungsmassnahmen verwendet werden. Viele Kantone haben solche ebenfalls bereits angekündigt – wahrscheinlich vor allem in Form von Senkungen der Kapitalsteuern oder jener von natürlichen Personen mit hohen Einkommen (sprich von Konzern-Managern). Auch neue Spezialarrangements zwischen den kantonalen Steuerbehörden und den Konzernen, bei denen der Staat einen Teil der Betriebskosten der Firmen übernimmt, Forschungsförderungsmassnahmen für (pharmanahe) Start-ups (in Basel) oder sogar direkte Subventionierungen von Löhnen in den Konzernen werden diskutiert.

Kurz: Die Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer sollen in der Schweiz nicht zugunsten der Allgemeinheit eingesetzt werden, wie das die Linke im Parlament verlangte, sondern an die Konzerne zurückfliessen. Mehreinnahmen notabene, die in der Regel aus Gewinnverschiebungen der Konzerne aus Ländern mit Steuersätzen von über 20 oder 25 Prozent resultieren. Aus Sicht der Konzerne ist das eine sehr raffinierte Geschichte: Jene Steuereinnahmen, um die Schweizer Konzerne andere Länder prellen, indem sie ihre Gewinne in die Schweiz verschieben und hier zu viel tieferen Sätzen versteuern lassen, sollen in der Schweiz nun ausgerechnet wieder zugunsten genau dieser Konzerne eingesetzt werden. Kein Wunder, wollen die Konzernverbände wie Economiesuisse oder Swiss Holdings diese Reform unbedingt – auch wenn ihre Mitglieder auf den ersten Blick mehr Steuern zahlen müssen als bisher.

Steuerschlupflöcher untergraben die Mindeststeuer zusätzlich

Damit aber nicht genug: Das Umsetzungskonzept der Mindeststeuer, wie es der Bundesrat dem Parlament vorgelegt hat, ist nämlich auch noch voller Steuerschlupflöcher. Auch um diese haben sich National- und Ständerat in den letzten Monaten nicht gekümmert. So besteht ein gewisses Risiko, dass die Mindeststeuer wider Erwarten gar nicht zu signifikanten Mehreinnahmen in der Schweiz führen wird. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass die bürgerliche Mehrheit in Bern die Mindeststeuer vor allem einführen will, um Schweizer Konzerne vor zusätzlicher Besteuerung in anderen Ländern zu schützen.

Das geht letztlich auf Kosten sowohl der breiten Bevölkerungen in der Schweiz wie auch in der ganzen Welt: Schweizer Konzerne in armen Ländern des Globalen Südens beuten nicht nur Arbeitskräfte aus oder verschmutzen die Umwelt: Sie verhindern mit ihrem dortigen Steuerdumping auch noch den Aufbau von guten Bildungs-, Gesundheits- und Infrastruktursystemen.

Das Schweizer Unternehmenssteuerrecht kommt ihnen dabei entscheidend zu Hilfe. Alliance Sud kann eine weitere Konzernsteuerreform, von der letztlich vor allem die Konzerne selbst profitieren, nicht akzeptieren. Sie schadet den Entwicklungsländern direkt. Stattdessen sollte die Schweiz auf die Einführung der Mindeststeuer verzichten und so den Produktionsländern von Schweizer Konzernen die Möglichkeit geben, diese nach ihrem eigenen Gutdünken zu besteuern.

Artikel

Credit Suisse vs. Globaler Süden

24.03.2023, Finanzen und Steuern

Was hat Pakistan mit einer Bank im Silicon Valley zu tun, die kurzfristige Kundengelder in langfristigen Papieren anlegt, deren Wert bei Zinserhöhungen sinkt? Was Bolivien damit, dass eine Schweizer Bank seit zehn Jahren Skandal an Skandal reiht?

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Credit Suisse vs. Globaler Süden

Auch die mosambikanische Presse hat den Kollaps der CS aufgegriffen. In Mosambik hat die Schweizer Bank in der Vergangenheit grossen Schaden angerichtet.
© O Pais

Richtig, rein gar nichts. Darunter leiden tun sie trotzdem.

Jetzt wurde die Credit Suisse also in die Arme der UBS kollabiert und die US-europäische Bankenkrise legt eine Pause ein. Deren Folgen werden im Globalen Süden noch länger zu spüren sein. Dies weil nun Investor:innen im Norden Staatsanleihen von hochverschuldeten Ländern des Südens meiden. Wenn es irgendwo knirscht oder knallt im Gebälk der globalen Finanzmärkte, passiert immer das Gleiche: Investor:innen stellen erstaunt fest, dass es ja Risiken gibt. Sie verlangen von real oder befürchtet risikoreicheren Anlagen höhere Renditen oder sie treten gleich in einen Käuferstreik. «Risk appetite for distressed emerging-market credit has collapsed as the market looks at these guys as the weakest links and highly susceptible to a sudden stop», zitiert Bloomberg einen Trader in London. Dies kann Staatsbankrotte nach sich ziehen oder Länder müssen auf ihren Staatsanleihen höhere Renditen anbieten, um überhaupt noch Käufer:innen zu finden, sie bluten also in der Zukunft noch lange.

Banken wie die CS, die krisengeplagte Länder weiter Richtung Abgrund schieben, sind dabei notabene dieselben, die mit ihren Vermögensverwaltungen reichen Kund:innen aus Asien, Afrika und Lateinamerika massgeschneiderte Lösungen zur Steuerflucht anbieten. Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet dieses Private Banking gilt spätestens nach dem Zusammenbruch der CS wieder als zukünftiger Königsweg für den Schweizer Finanzplatz: Zurück zu den Leisten und raus aus dem Finanzcasino der Investmentbanker, lautet zumindest gegen aussen die aktuelle Devise der neuen Monster-UBS. Für Millionär:innen aus Ländern des Globalen Südens, die keinen automatischen Informationsaustausch (AIA) mit der Schweiz haben, bleibt der Paradeplatz ein besonderes Pflaster. Für sie gilt das gute alte Bankgeheimnis immer noch.

Wie ernst es der UBS mit dem Verlassen des Casinos und dem risikolosen Geschäft wirklich ist, muss sich auch erst noch zeigen. So berichtete die Financial Times, dass die UBS den von der CS bereits beschlossenen Verkauf ihrer Investmentbank «First Boston» wieder rückgängig machen wolle. Überhaupt ist Risiko immer eine Frage des Standpunktes. Das gemeinsam mit dem staatlichen «Banco do Brasil» betriebene Investmentbanking der UBS in Brasilien ist fett im Geschäft mit der Fleisch- und Agroindustrie drin. Für Landrechtsaktivist:innen, die Biodiversität oder Faultiere ist dieses Geschäft bestimmt nicht «risikolos».

Zurück zur Credit Suisse: Neben dem strukturellen Schaden für den Globalen Süden, den sie eben mitverursachte, hatte die Bank auch ganz direkt den Menschen in Mosambik das Leben und die Zukunft zerstört. Derjenige Credit-Suisse-Skandal mit der grössten Zahl von Opfern ist zugleich derjenige, über den aktuell am wenigsten berichtet wird. Logo, die 470 Millionen Dollar, die Credit Suisse in diesem Zusammenhang wegen Korruption in den USA zahlen musste, liegen ja nur auf Rang 7 der US-Bussenrangliste der Skandalbank. Und es ging ja nur um korrupte Kredite von 1 Milliarde Dollar – ein Zehntel der Geschäfte mit der kriminellen Investmentgesellschaft Greensill Capital. Und in Mosambik waren es ja nicht schwerreiche Hedge-Fonds-Kund:innen, die Geld verloren, sondern nur etwa eine Million Menschen, die in die absolute Armut fielen, weil die Credit Suisse das Land 2016 in den Staatsbankrott getrieben hatte  .

Auch bei Direktschäden gibt es nach der Einverleibung leider keine Entwarnung. Die UBS wurde zwar dafür nicht bestraft, aber ihre Investmentbank in Australien hatte mit dubiosen bis kriminellen Geschäften in Papua Neuguinea dem bitterarmen Land einen Millionenschaden verpasst. Im Süden nichts Neues, steht für die Monsterbank zu befürchten.

Artikel, Global

New York statt Paris!

18.06.2023, Finanzen und Steuern

2016 versprach die OECD eine Reform des internationalen Steuersystems, die auch den Interessen des Globalen Südens gerecht werde. Sieben Jahre später ist die OECD an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert. Es könnte die Stunde der UNO schlagen.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

New York statt Paris!

Eine Hauptstrasse vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York am 24. März 2022.
© Ed JONES / AFP / Keystone

«Damit das Geld in der Schweiz bleibt.» Das stand auf den Plakaten der Befürworter:innen der Schweizer Einführung der OECD-Mindeststeuer. Mit diesem einfachen Slogan haben die Konzern-Verbände von economiesuisse und SwissHoldings unter gütiger Mithilfe der bürgerlichen Parteien die Abstimmung vom 18. Juni denn auch gewonnen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Bundesrat die Mindeststeuer in Kraft setzen. Kommt es dank dieser tatsächlich zu substanziellen Mehreinnahmen in der Schweiz, werden sie in Zukunft zu Gunsten der Standortförderung in der Schweiz eingesetzt. Damit sollen die Mehreinnahmen ausgerechnet an jene Konzerne in der Schweiz zurückfliessen, die anderen Ländern jährlich über 100 Milliarden Dollar an Steuersubstrat entziehen und den Schweizer Tiefsteuerkantonen wie Zug und Basel-Stadt üppige Gewinnsteuereinnahmen garantieren. Allein die Tatsache, dass eine solche Umsetzung der Mindeststeuer überhaupt möglich ist, zeigt: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz in Paris ist mit ihren Bemühungen der letzten zehn Jahre, das globale Steuersystem etwas fairer zu gestalten, gescheitert. Das ist wenig überraschend. Denn obwohl an den Verhandlungen zur Mindeststeuer über 140 Staaten teilnahmen, darunter also auch einige Schwellen- und Entwicklungsländer, setzten sich in diesem Rahmen einmal mehr die Interessen der reichen Länder aus dem Globalen Norden durch.

Gleich lange Spiesse nur bei der UNO

Das hat auch mit der Geschichte dieses sogenannten «Inclusive Framework» zu tun, das 2016 von der OECD gegründet wurde. Das damalige Versprechen waren gleich lange Spiesse für alle Länder. Allerdings ist die Bedingung für den Beitritt zu diesem OECD-Rahmenwerk die Übernahme der Regeln gegen «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS), die die nur 39 Mitgliedsländer der OECD (vor allem die reichen Staaten des Globalen Nordens) in den Jahren zuvor ausgearbeitet hatten. Über 100 Entwicklungsländer waren von diesem Prozess ausgeschlossen. Entsprechend sind diese Regeln auf die reichen Länder des Nordens zugeschnitten und der Preis für die Mitgliedschaft im «Inclusive Framework» für Entwicklungsländer deshalb hoch. Die Länder des Globalen Südens, in denen in der heutigen Weltwirtschaft ein Grossteil der Produktion stattfindet, werden von den rund 250 Milliarden Mehreinnahmen, mit denen die OECD dank der Einführung der Mindeststeuer global rechnet, kaum etwas sehen.

Jetzt muss eine Alternative her, und diese entsteht derzeit in New York: Ende letzten Jahres verabschiedete die UNO-Generalversammlung auf Initiative der afrikanischen Ländergruppe und der G-77 (die Gruppe aller Entwicklungsländer) eine Resolution, die einen Entwurf für eine UNO-Steuerkonvention in Gang bringt. Sie würde – analog etwa zur UNO-Klimarahmenkonvention, die seit 1992 den Rhythmus und die Richtung der globalen Klimapolitik prägt – einen wirklich inklusiven multilateralen Rahmen für die internationale Steuerpolitik schaffen. Damit würden die Erarbeitung und Verhandlung von steuerpolitischen Grundsätzen für die Welt möglich, die das fundamentale Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd im heutigen globalen Steuersystem überwinden könnten. Eine UNO-Steuerkonvention würde die Schaffung multilateraler Regeln für ein Steuersystem ermöglichen, das transnational verankert ist und nicht mehr auf bilateralen Verträgen basiert. Im heutigen System ergänzen ein paar multilaterale Abkommen zwar die Regeln, die in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) verankert sind, letztlich bestimmen aber diese die Art und Weise, wie Länder das Steuersubstrat aufteilen, das aus den grenzüberschreitenden Finanzflüssen in der Weltwirtschaft resultiert. Dies geht oft auf Kosten der Entwicklungsländer, die in den bilateralen Verhandlungen zu DBAs mit Ländern des Nordens auf Grund ihrer schwächeren Wirtschaftskraft oft den Kürzeren ziehen.

Zeit für eine Gesamtbesteuerung

Eine UNO-Rahmenkonvention für die Steuerpolitik wäre auch die Voraussetzung dafür, dass auf eine globale Gesamtbesteuerung multinationaler Konzerne hingearbeitet werden könnte. Im gegenwärtigen Steuersystem werden die einzelnen Ländergesellschaften multinationaler Konzerne als einzelne Firmen behandelt. Entsprechend sollten die Konzerne in jedem Land gemäss dem Gewinnaufkommen versteuert werden, das sie in einem bestimmten Land erzielen. Allerdings sind Gewinnverschiebungen für Länder mit vergleichsweise hohen Steuersätzen seit Jahrzehnten ein grosses Problem. Indem multinationale Konzerne ihre Gewinne nicht dort versteuern, wo ihre Wertschöpfung stattfindet, sondern dort, wo die Gewinne am tiefsten sind, entgehen vielen Ländern jedes Jahr Milliarden von Steuereinnahmen. Eine Gesamtkonzernbesteuerung würde Gewinnverschiebungen obsolet machen, weil einzelne Gesellschaften eines multinationalen Konzerns nicht mehr pro Land besteuert würden und so der Anreiz für die Konzerne wegfiele, ihre Gewinne dort zu verbuchen, wo die Steuersätze am tiefsten sind. Stattdessen würden sämtliche Gewinne aus allen Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, zusammengerechnet und das Gewinnsteuersubstrat gemäss einer Formel, die Anzahl Mitarbeiter:innen pro Land, Umsatz und physische Werte (also zum Beispiel Fabriken) berücksichtigt, jedem einzelnen Land zugeordnet. Dieses wiederum besteuert diese Gewinne dann gemäss seinen nationalen Steuerregeln.

Zurzeit erarbeitet das Büro des UNO-Generalsekretärs António Guterres einen Bericht zur Schaffung einer Steuerkonvention, der nach Konsultationen mit den UNO-Mitgliedsstaaten und Stakeholdern im September in New York präsentiert werden soll. Die «Global Alliance for Tax Justice» (GATJ) und das europäische Netzwerk für Schulden und Entwicklung («Eurodad»), bei denen Alliance Sud Mitglied ist, engagieren sich stark in diesem Prozess.

Die Schweiz ist dagegen

Die Schweiz hat der Resolution in der Generalversammlung zwar zugestimmt. Der Bundesrat betont aber in einer Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrat und Swissaid-Co-Präsident Fabian Molina, dass er «eine Bestandesaufnahme des institutionellen Rahmens der internationalen Zusammenarbeit im Steuerbereich» in der UNO zwar unterstütze, die Schaffung einer UNO-Steuerkonvention aber ablehne. Dabei ist er offenbar davon überzeugt, besser zu wissen, was für die Entwicklungsländer gut ist, als diese selbst. So schreibt er ganz in alter kolonial-paternalistischer Manier: «Den Nutzen einer Steuerkonvention der Vereinten Nationen für die Position der Entwicklungsländer beurteilt der Bundesrat demgegenüber als fraglich.»

Global Logo

global

Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Artikel

Das Geld bleibt am falschen Ort

18.06.2023, Finanzen und Steuern

Die Stimmenden haben heute einer Schweizer Umsetzung der OECD-Mindeststeuer zugestimmt, die einseitig die Tiefsteuerkantone und ihre multinationalen Konzerne begünstigt.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Das Geld bleibt am falschen Ort

Der Schweizer Weg zur internationalen Steuergerechtigkeit ist noch lang.
© Tim Reckmann / pixelio.de

Die zusätzlichen Steuereinnahmen aus der Mindeststeuer werden nun ausgerechnet jenen zugutekommen, die für das weltweit schädliche Steuerdumping mitverantwortlich sind. Dass eine solche Umsetzung auf nationaler Ebene überhaupt möglich ist, zeigt, dass es der OECD nicht gelungen ist, das schädliche Geschäftsmodell von Steuerdumpingländern wie der Schweiz zu unterbinden. Konzerne werden auch mit der Mindeststeuer ihre Gewinne weiterhin nicht dort versteuern, wo diese erarbeitet werden, sondern dort, wo die Konzerne dafür am wenigsten Steuern bezahlen. Das widerspricht exakt jener Losung, die die OECD zu Beginn dieses Reformprozesses ausgegeben hatte: «Tax, where value is created» – Besteuern, wo Wert geschaffen wird.

Die Schweizer Steuerdumpingpolitik geht ganz besonders auf Kosten des Globalen Südens. Und sie ist angesichts von immensen globalen Problemen, die die Schweiz selbst stark betreffen, aber nur global gelöst werden können, völlig unverantwortlich und auch aus einer nationalen Perspektive nicht nachhaltig: Für die Bekämpfung der Klimakrise oder die (Wieder-)Herstellung von Stabilität und Sicherheit in der Welt braucht es auch mehr Steuergeld. Mit dieser Umsetzung der OECD-Mindeststeuer wird die Schweizer Konzernsteuerpolitik auch in Zukunft verhindern, dass Steuergeld dort eingesetzt werden kann, wo es am nötigsten gebraucht wird. Das kann so nicht weitergehen.

In Anbetracht des Scheiterns der OECD, in einem insgesamt zehnjährigen (!) Prozess das globale Steuersystem gerechter zu machen, muss sich die Schweiz nun dafür einsetzen, dass die UNO die gescheiterte OECD als führende multilaterale Kraft in der globalen Steuerpolitik ablösen kann (siehe «global»-Artikel). Im November hat die UNO-Generalversammlung auf Druck der afrikanischen Staaten in einer Resolution beschlossen, entsprechende Reformen aufzugleisen. Diese Woche beschloss auch das EU-Parlament, die Schaffung einer UNO-Rahmenkonvention für Steuerpolitik zu unterstützen. Die Schweiz gehört in diesem Prozess bisher zu den Bremser:innen. Das steht ihr als Sitzstaat der UNO schlecht. Der Bundesrat sollte sich nun einen Ruck geben, und an diesem Prozess konstruktiv mitarbeiten. Im Globalen Süden könnte die Schweiz damit auch für ihre Diplomatie wertvolle Punkte sammeln.

Um die Mängel bei der OECD-Reform zu korrigieren, hätte die Schweiz aus den Mehreinnahmen ihren Beitrag für die internationale Zusammenarbeit und die internationale Klimafinanzierung erhöhen können. Stattdessen will der Bundesrat nun das Geld für die Ukraine-Hilfe ausgerechnet aus dem Budget für die Internationale Zusammenarbeit nehmen. Die Länder des Südens würden so gleich doppelt verlieren: Die Schweiz entzieht dem Süden Steuereinnahmen zu Gunsten Schweizer Konzerne, die ihren Produktionsländern im Süden mit ihren heutigen Geschäftspraktiken mehr Schaden als Nutzen bringen. Und Geld, das die Schweiz bisher in ihre Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern steckt, soll nun in die Ukraine umgeleitet werden. Angesichts von sich kumulierenden Klima-, Hunger- und Schuldenkrisen wäre das eine Katastrophe. Dabei hat die Schweiz ohne jeden Zweifel den finanziellen Spielraum, um sowohl ihre Hilfe für die Ukraine und die Entwicklungszusammenarbeit mit den Süd-Ländern auszubauen. In dieser Abstimmungsdebatte haben auch bürgerliche Befürworter:innen der Vorlage immer wieder betont, dass sie eine Verwendung der Mindeststeuer-Mehreinnahmen zu Gunsten des Globalen Südens zwar ablehnen, Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit aber auch. Wir hoffen, dass sie dabei bleiben.

Der Abstimmungskampf zur OECD-Mindeststeuer hat auch gezeigt, dass der Bund und die Kantone nicht fähig oder willens sind, die Stimmbürger:innen so mit Steuerdaten von Konzernen zu versorgen, dass diese sich zu entsprechenden Vorlagen ein realistisches Bild der Lage machen können. Das ist angesichts der volkswirtschaftlichen wie auch politischen Bedeutung dieser Konzerne ein unhaltbarer Zustand. Es braucht deshalb dringend mehr Transparenz in der Besteuerung multinationaler Konzerne. Dazu gehört auch ein sogenanntes öffentliches «Country-by-Country-Reporting» (pCbCR), wie es in der EU beschlossen wurde. Damit würde öffentlich besser ersichtlich, wo die Konzerne ihre Wertschöpfung erzielen und ihre Steuern bezahlen. So würden die Hürden für das Steuerdumping der Konzerne deutlich erhöht. Gerade in der direktdemokratischen Schweiz würde damit auch der Meinungsbildungsprozess der Bürger:innen bei Unternehmenssteuervorlagen gestärkt. Wir handeln besser früher als später: Auch punkto Steuertransparenz könnte die Schweiz nämlich angesichts der Entwicklungen in der EU bald wieder unter ausländischen Druck geraten.

Artikel, Global

Lukrative Geschäfte auf Speedbooten und Yachten

19.06.2023, Finanzen und Steuern

Die Britischen Jungferninseln sind bekannt als Paradies für Seglerinnen und Steuerhinterzieher und als Transitort für Drogenschmuggel. Ein Augenschein von Karin Wenger

Lukrative Geschäfte auf Speedbooten und Yachten

© Karin Wenger

Bislang kannte ich die Britischen Jungferninseln nur, weil sie meist im gleichen Atemzug genannt werden mit Briefkastenfirmen und Steuerhinterziehern. Nun, auf unserer Segelreise durch die Karibik, sah ich sie mit eigenen Augen: eine Ansammlung von kleinen, kargen Inseln auf 150 Quadratkilometern, zwischen denen das Meer ruhig wie ein See liegt. Auf diesem «See» tummeln sich ganze Flotten von Charter-Katamaranen. Ein Katamaran von 44 Fuss kann man – inklusive Skipper, Koch und all inclusive – für 30'000 USD in der Woche mieten, ein 60-Fuss-Katamaran für sechs Personen mit demselben Arrangement kostet 80'000 USD. Zwischen den Katamaranen, die sich abends meist in den Buchten, in denen es Bojen und eine Bar gibt, zusammenrotten, fahren die Superyachten ihre Spielzeuge – eine Auswahl von Beibooten, Helikopter, Jetskis – durch die Buchten. Was also auch sofort klar wird: Obwohl die Inseln nichts als staubtrockenes, karges Land und ein paar weisse Strände zu bieten haben, gibt es hier Geld, viel Geld, viel weiss gewaschenes Geld.

Heimat der Geldwäscherei
Die Britischen Jungferninseln haben im Verhältnis zu ihrer Grösse einen extrem überdimensionierten Finanzsektor, dessen Kund:innen überwiegend keine Einheimischen sind. Als Offshore-Finanzzentrum werden die Staatskassen zu 60 Prozent aus Einnahmen durch Finanzdienstleistungen gespiesen, mit Tourismus verdient das Land den Rest. Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International publizierte dazu im April 2022 einen Bericht. Darin steht, dass 1201 Firmen, die in den britischen Überseegebieten registriert sind, in 237 grosse Korruptions- und Geldwäscheskandale verwickelt waren. Mehr als 90 Prozent dieser Firmen sind in den BVIs (British Virgin Islands), wie die Britischen Jungferninseln genannt werden, registriert. Auch der Internationale Währungsfonds nannte die BVIs 2019 die Heimat von Phantom-Investitionen und «shell companies», also Firmen, die keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und einzig den Zweck haben, zur Steuervermeidung missbraucht zu werden.

Grossbritannien scheint diese Kritik nicht ganz egal zu sein, schliesslich sind die BVIs britisches Überseegebiet. Seit 1967 geniessen sie zwar mehr Autonomie, haben ein unabhängiges Rechtssystem und sind bis auf die Aussen- und Verteidigungspolitik weitgehend selbstbestimmt, doch die britische Krone ist und bleibt bis heute die oberste exekutive Autorität. Und so schickt Grossbritannien Spezialist:innen in die BVIs, die für mehr Transparenz im Finanzsektor sorgen sollen.

Drohungen
Eine Finanzspezialistin habe ich bei einem Mittagessen in Road Town, der Hauptstadt der BVIs kennen gelernt. Die Engländerin lehrt jungen Beamten Financial Compliance, also wie man saubere Finanzgeschäfte durchführt. Das birgt in einem Land, das sich weitgehend durch schmutzige Finanzgeschäfte finanziert, gewisse Risiken. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Engländerin bedroht und verfolgt wurde und fast ihre Koffer gepackt hätte, da einige Beamt:innen und Politiker:innen ihre Geschäfte in Gefahr sahen, wenn diese sauberer und transparenter werden sollten. Nun geht die Engländerin nachts nicht mehr allein ausser Haus und lässt sich immer von ihrem Mann von der Arbeit abholen. Seit Russland gegen die Ukraine in den Krieg gezogen sei, seien hier vor allem viele Russen als Neukunden gewonnen worden, sagt die Engländerin, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nirgends lesen will.

Im Nachtflug über dunkle Gewässer
Doch es sind nicht nur die ausländischen Gelder, die im Inselparadies gegen kräftige Gebühren reingewaschen werden und die Staatskassen und die Taschen einiger Beamt:innen füllen. Wir sehen auffallend viele, kleine Boote mit bis zu tausend PS starken Motoren zwischen den kleinen Inseln hin- und herflitzen. «Die BVIs sind eine begehrte Drehscheibe für den Schmuggel von Drogen aus Kolumbien und Mexiko in die USA», erzählt eine andere Engländerin, die seit Jahrzehnten hier lebt, lange Zeit davon auf der nördlichen Insel Anegada. Dort seien oft nachts kleine Flugzeuge gelandet, die nach kurzer Zeit wieder abgehoben hätten. Mit der Zeit hätten sie ihre Fracht, Pakete mit Kokain, wasserdicht verpackt und mit Peilsendern versehen, über dem Meer abgeworfen, wo sie von den Schnellbooten aufgelesen und weitertransportiert worden sei. Involviert seien Politiker:innen und

Beamt:innen bis in die höchsten Ränge.
Im April 2022 wurde offensichtlich, dass dies keine Geschichten der Vergangenheit sind. Damals wurde Andrew Fahie, der damalige Premierminister der BVIs, und Oleanvine Maynard, die Leiterin der Hafenbehörde, am Flughafen in Miami wegen Drogenhandels und Geldwäsche verhaftet. Die beiden waren in einem Privatflugzeug angereist, um 700'000 USD Bestechungsgelder, verpackt in Designertaschen, in Miami in Augenschein zu nehmen. Geld, das ihnen versprochen worden war, wenn sie einen Kokaintransport in Millionenhöhe aus Kolumbien durch die BVIs nach Miami und New York ermöglichen würden. Das Pech der beiden hohen Staatsbeamten war, dass die vermeintlichen mexikanischen Drogenhändler verdeckte Ermittler der US-Anti-Drogenbehörde waren. Sie wurden umgehend verhaftet und warten nun in den USA auf ihre Gerichtsverhandlung.

Nach der Verhaftung von Fahie und Maynard veröffentlichte eine unabhängige britische Untersuchungskommission einen Bericht, in dem sie schrieb, dass gewählte Beamte «Entscheidungen, die riesige Summen öffentlicher Gelder verschlingen und das Leben aller Bewohner beeinflussen, nach Belieben treffen können und dies auch tun, ohne objektive Kriterien anzuwenden, ohne Gründe anzugeben und ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.» Die Grundsätze einer guten Regierungsführung wie Transparenz, Offenheit und Rechtsstaatlichkeit würden auf den Britischen Jungferninseln ignoriert. Deshalb, so riet die Kommission, solle die Inselgruppe für zwei Jahre unter die direkte Kontrolle von Gouverneur John Rankin, also unter direkte britische Kontrolle gebracht werden.

Weniger Schnellboote, viele Yachten
Soweit kam es nicht. Natalio Dixon Wheatley, der die Amtsgeschäfte von Fahie übernahm, wehrte sich dagegen und ist nun der neue Premierminister. Dass er die Veränderungen bringen wird, die der kleine Inselstaat nötig hätte, um nicht nur das Geld, sondern auch das Image reinzuwaschen, bezweifelt die Engländerin, die seit drei Jahren einer neuen Generation von Beamt:innen lehrt, was Transparenz im Finanzsektor bedeutet. Sie glaubt, dass es mindestens noch eine Generation mit einer neuen, gut ausgebildeten Beamtenelite, einen wahren Bewusstseinswandel und mehr Kontrolle brauche, bis sich etwas ändere. Zumindest etwas habe sich seit der Verhaftung des ehemaligen Premierministers Fahie verändert, sagt die andere Engländerin: Sie höre die Speedboote seltener in der Nacht über das Meer rasen, die Verhaftung von Fahie habe viele aufgeschreckt.

Die lukrativsten Geschäfte jedoch werden wohl nicht auf kleinen Speedbooten in der Dunkelheit der Nacht abgeschlossen, sondern am helllichten Tag auf dem Deck millionenteurer Yachten – von denen schwimmen weiterhin zahlreiche durch die ruhigen Gewässer der Britischen Jungferninseln.

Karin%20Wenger.jpg

© Karin Wenger

Karin Wenger war von 2009 bis 2022 Süd- und Südostasien-Korrespondentin von Radio SRF mit Sitz in Neu Delhi und Bangkok. Im Frühling hat sie drei Bücher über ihre Zeit in Asien veröffentlicht. Seit Sommer segelt sie mit ihrem Partner durch die Karibik und schreibt über vergessene Themen und Weltgegenden. Mehr Informationen finden Sie hier www.karinwenger.ch oder www.sailingmabul.com

Global Logo

global

Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Artikel, Global

Investitionen an den Klimazielen ausrichten

06.12.2022, Finanzen und Steuern

Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens hat sich die Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, die Finanzströme auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft auszurichten. Die Schweiz bewegt sich in diese Richtung – aber in sehr kleinen Schritten.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Investitionen an den Klimazielen ausrichten

© House of Switzerland

Auch wenn es manchmal vergessen geht: Das Pariser Abkommen verpflichtet die Staaten – neben der Verringerung ihrer CO2-Emissionen und der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels – auch zur Ausrichtung von Finanzflüssen auf eine treibhausgasarme und klimaresiliente Entwicklung. So sollen die Staaten mit geeigneten Massnahmen sicherstellen, dass die Finanzmarktakteure – durch ihre Finanzierungen und Investitionen – einen Beitrag zur Umlenkung der Kapitalflüsse zugunsten konkreter Lösungen zur Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an das veränderte Klima leisten. Vereinfacht ausgedrückt sollen «Investitionen an den Zielen des Pariser Abkommens ausgerichtet werden».

Angesichts seiner globalen Bedeutung – 24% der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung findet in der Schweiz statt – wäre der Schweizer Finanzsektor durchaus in der Lage, entscheidend als Katalysator zu wirken und so diese Neuausrichtung voranzubringen. Doch während sich alle über das Ziel einig sind, gehen die Meinungen über die Massnahmen zur Zielerreichung weit auseinander.

EU-Taxonomie: «Nachhaltigkeit» endlich definieren

Die EU ihrerseits hat im Juni 2020 die Taxonomie-Verordnung verabschiedet; sie ist das Rückgrat ihres Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Eines ihrer Hauptanliegen ist es, Investitionen in «nachhaltige» Aktivitäten, die mit dem Ziel der EU – Klimaneutralität bis 2050 – einher gehen, zu identifizieren und zu fördern. Zu diesem Zweck schafft die Verordnung eine Klassifizierung (Taxonomie) der wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen nach ihrem Potenzial, zu den sechs Umweltzielen der EU beizutragen.  Sie umfasst auf verschiedenen Ebenen über 70 Aktivitäten aus den Bereichen Energie, Verkehr, Forstwirtschaft und Bauwesen : diese machen mehr als 90% der Treibhausgasemissionen der EU aus. Grossunternehmen sind angehalten, ihre der Taxonomie entsprechenden Tätigkeiten auszuweisen und deren Anteil an ihrer Gesamtaktivität anzugeben. Diese Informationen sollen es den Finanzmarktakteuren ermöglichen, die Finanzierung jener Projekte und Vermögenswerte zu priorisieren, die nachweislich am meisten zum Senkungspfad in Richtung Klimaneutralität beitragen. Ausserdem müssen Grossunternehmen ab 2023 die Ausrichtung ihrer Aktivitäten an der Taxonomie publik machen. Die gleiche Verpflichtung gilt ab 2024 auch für Finanzinstitute.

Damit eine Tätigkeit im Sinne der Taxonomie als «grün» eingestuft werden kann, muss sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele der EU leisten, ohne den anderen fünf Zielen erheblich entgegenzuwirken, und dabei Garantien in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte einhalten. Die Kriterien zur Identifizierung umweltfreundlicher Aktivitäten werden von der Europäischen Kommission festgelegt. Ein erster Rechtsakt mit Schwerpunkt Klima – seit Januar 2022 in Kraft – betrifft Aktivitäten, die zu den ersten beiden Zielen der Taxonomie (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) beitragen.  Die Kriterien für die anderen vier Ziele (Umweltverschmutzung, Wasser, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität) sollen bis Ende des Jahres festgelegt werden. In Zukunft sollen auch zusätzliche soziale Kriterien und Gouvernanz-Aspekte definiert werden.

Zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit

Der Bundesrat anerkannte 2020 in seinem Bericht über die nachhaltige Entwicklung im Schweizer Finanzsektor die Bedeutung eines einheitlichen Klassifikationssystems für nachhaltige Aktivitäten (Taxonomie), in erster Linie «weil vergleichbare Informationen Transparenz für KundInnen, Versicherte, InvestorInnen und die Öffentlichkeit bedeuten» . Trotzdem zog er es – nach Widerstand aus der Branche und unter Berufung auf das sakrosankte Subsidiaritätsprinzip in Bezug auf staatliches Handeln – vor, einen freiwilligen und damit nicht regulatorischen Ansatz zu verfolgen.  Im Juni 2022 verabschiedete er die Swiss Climate Scores (SCS), die von einer Arbeitsgruppe aus BranchenakteurInnen, VertreterInnen der Bundesverwaltung, der Wissenschaft und von NGOs erstellt wurden.  Ihr Ziel: institutionellen oder privaten Investoren «zuverlässige und vergleichbare» Informationen darüber zu liefern, inwieweit ihre Finanzanlagen mit den internationalen Klimazielen vereinbar sind. Der Bundesrat empfiehlt allen Schweizer FinanzmarktakteurInnen, die Swiss Climate Scores überall dort auf Finanzanlagen und Kundenportfolios anzuwenden, «wo dies sinnvoll ist».

Ist der Ansatz glaubwürdig?

Um ihrer Eigenschaft als «Best Practices» im Bereich der Klimatransparenz gerecht zu werden, sollen die SCS in regelmässigen Abständen überprüft und «falls nötig» an die neuesten Erkenntnisse angepasst werden. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wurden beauftragt, bis Ende 2023 den Stand der – wie gesagt freiwilligen – Einführung der «Swiss Climate Scores» durch die Schweizer Finanzmarktakteure zu überprüfen. In diesem Zusammenhang wird es sinnvoll sein, die erzielten Fortschritte mit jenen zu vergleichen, die in der EU durch die Taxonomie und andere Regulierungsmassnahmen erzielt wurden.

Zum jetzigen Zeitpunkt werfen die SCS mehrere Fragen auf: Werden sie innerhalb des Finanzsektors tatsächlich umgesetzt? Wird der (alleinige) Druck der KundInnen auf die Finanzinstitute ausreichen, um ihre Umsetzung zu gewährleisten? Oder können nur weitergehende, regulatorische Massnahmen einen genügend grossen Klimaanreiz schaffen und so sicherstellen, dass Investitionen an den Zielen des Pariser Abkommens ausgerichtet werden, zu denen sich die Schweiz verpflichtet hat? – Fortsetzung folgt 2023.

Die 5 + 1 Indikatoren der Swiss Climate Scores

Die SCS umfassen fünf obligatorische und einen optionalen Indikator. Drei Indikatoren beziehen sich auf den aktuellen Stand der Portfolios (Treibhausgasemissionen; Exposition gegenüber fossilen Brennstoffen; glaubwürdiger Klimadialog mit Unternehmen). Zwei Indikatoren sind «zukunftsorientiert» (verifizierte Bekenntnisse zu Netto-Null; Management auf Richtung Netto-Null). Der Indikator «globales Erwärmungspotenzial», also das Ausmass der globalen Erwärmung, wenn die Weltwirtschaft mit der gleichen Ambition wie die Portfolio-Unternehmen handeln würde, bleibt vorerst optional.

Global Logo

global

Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

Bundesfinanzen

Bundesfinanzen

Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine extrem niedrige Staatsverschuldung. Sie muss ihre exzellente finanzielle Lage nutzen, um eine global gerechte ökologische Transformation in der Schweiz und im Ausland substantiell mitzufinanzieren.

Worum es geht >

Publikationstyp

Worum es geht

Seit 2003 hat die Schweiz eine Schuldenbremse: Sie ist heute sehr rigoros ausgestaltet und wird noch extremer angewendet. Dies führt zu einem automatischen Schuldenabbau, obwohl die Schweiz im internationalen Vergleich schon lange eine tiefe Staatsverschuldung aufweist.

Die Schweizer Sparpolitik um ihrer selbst Willen führt dazu, dass der finanzielle Handlungsspielraum des Bundes bei Investitionen in die nachhaltige Entwicklung unnötig beschränkt bleibt. Zudem setzt diese Politik das Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) konstant unter Druck, weil die IZA neben der Landwirtschaft, der Armee und bestimmten Bereichen der Kultur einer der wenigen ungebundenen Ausgabenposten im Bundesbudget ist.

Deshalb sind die finanzpolitischen Einflussmöglichkeiten des bürgerlich dominierten Parlamentes gross. In Zeiten der multiplen Krisen ist diese Finanzpolitik nicht mehr angebracht. Die Schweizer Finanzpolitik braucht einen Paradigmenwechsel, der die finanziellen Mittel freimacht, um den immensen gesellschaftlichen Herausforderungen im In- und Ausland gerecht zu werden.

Nachhaltige Finanzen

Nachhaltige Finanzen

Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass der Schweizer Finanzplatz konsequent und effektiv zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNO beiträgt und dessen Geschäftstätigkeiten mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang gebracht werden.

Worum es geht >

Worum es geht

Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet die Länder, Finanzströme mit einer Entwicklung in Einklang zu bringen, die geringe Treibhausgasemissionen aufweist und resistent gegen den Klimawandel ist. Ähnliche Ziele sind auf internationaler Ebene auch im Bereich der Biodiversität vorgesehen.

Die Schweiz ist weltweit das wichtigste Zentrum für die Verwaltung grenzüberschreitender Vermögenswerte und verfügt über einen Versicherungssektor, der globale Risiken abdeckt. Dementsprechend trägt sie eine Hauptverantwortung dafür, dass die Finanzströme mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und des Klimaschutzes in Einklang gebracht werden und kein Greenwashing unterstützen.

Entschuldung

Entschuldung

Seit einigen Jahren wächst die Verschuldung von Ländern des Globalen Südens wieder. Klimakrise, Krieg und die wirtschaftlichen Folgen der Pan-demie verschärfen das Problem. Schweizer Kreditgeber müssen sich an Entschuldungsverfahren aktiv beteiligen.

Worum es geht >

Worum es geht

Die Überschuldung vieler Länder des Globalen Südens ist ein grosses Hindernis, um neue wachstumsfördernde Investitionen zu finanzieren. Geld, das sie für den Schuldendienst zu Gunsten ihrer Gläubiger im Norden verwenden müssen, fehlt dann für die dringend benötigten Entwicklungsausgaben. In der Schweiz agieren Banken und Rohstoffhändler als Kreditgeber. Angesichts der Rolle der Schweiz als Sitzland wichtiger privater Gläubiger reicht es in ihrem Fall nicht aus, sich mit bescheidenen Beiträgen an den Schuldenerlassprogrammen des IWF (Internationalen Währungsfonds) oder der Weltbank zu beteiligen.

Es herrscht in diesem Bereich zudem grosse Intransparenz: Es ist nicht bekannt, welche Banken und Rohstoffhändler wo genau wieviel Kredite vergeben oder Anleihen gezeichnet haben. Alliance Sud will mehr Transparenz auf diesem Gebiet und einen aktiven Bund, der private Gläubiger in der Schweiz dazu bewegt, sich an substantiellen Entschuldungsprogrammen für Länder des Südens zu beteiligen.